Unsterblich - Michael Ladwein - E-Book

Unsterblich E-Book

Michael Ladwein

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Beschreibung

Was können wir über das Leben jenseits des Todes wissen? Begegnungen mit Verstorbenen, Berichte von Menschen an der Grenze des Todes, neue Erkenntnisse der Gehirnforschung - immer mehr deutet darauf hin, dass unser Leben mit dem Tod nicht zu Ende ist. Michael Ladwein trägt in diesem Buch aus verschiedensten Quellen zusammen, was sich über das Dasein nach dem Tod sagen lässt. Das Wissen darüber kann uns bewusst machen, was im Leben wirklich zählt.

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Michael Ladwein

UNSTERBLICH

Über das Leben nach dem Tod

Für Ulrike,wie versprochen

Ohne heimlichen Unglauben an die Unsterblichkeit gäbe es weit mehr Mut gegen den Tod und mehr Zufriedenheit mit dem Leben und weniger Überschätzung desselben. – Die Menschen haben gar nicht das Herz, sich recht unsterblich zu denken.

Jean Paul

Soll ich auf die Frage »Gibt es eine Unsterblichkeit?« antworten, so kann es nur geschehen mit den Worten: Es gibt überhaupt nichts anderes als einzig und allein Unsterblichkeit. Leben und Unsterblichkeit sind dasselbe. Das, was der gemeine Mann unter Tod versteht, oder zu verstehen wähnt, gibt es nicht.

Gustav Meyrink

INHALT

BLICKE NACH DRÜBEN

Sterbebettvisionen

Außerkörpererfahrungen

Das allumfassende Licht

Lebensrückschau

Begegnung mit Verwandten und Freunden

Selbsttötung

Himmlische Musik

HISTORISCHE NAHTODERFAHRUNGEN

MYSTIK UND TODESNÄHE

JENSEITSVORSTELLUNGEN DER MENSCHHEIT – VON DEN ANFÄNGEN BIS HEUTE

Alter Orient

Ägypten

Persien

Indien

Buddhismus

Israel (Altes Testament)

Griechenland

Christentum

REALE WAHRNEHMUNG

SCHATTENSEITEN

TERMINALE GEISTESKLARHEIT

TOT – ODER DOCH NICHT?

NACHTODLICHE OFFENBARUNGEN

GEIST UND GEHIRN

WELTENURGRUND ODER: DAS JENSEITS – ABER WO LIEGT ES?

DIE ZUMUTUNG DES SEIENDEN – WAS WAR VOR DEM URKNALL?

STÜCKWERK DES WISSENS

DER WEG DER SEELE NACH DEM TOD IN DER DARSTELLUNG RUDOLF STEINERS

AUFERSTEHUNG UND »ENDGERICHT«, ODER?

EIN NEUES LEBEN

ALLVERBUNDENHEIT

NEU GEWONNENE SPIRITUALITÄT UND DIE LIEBE ALS ZWECK DES DASEINS

STIMMEN AUS DREI JAHRTAUSENDEN

ANMERKUNGEN

LITERATUR

PERSONENVERZEICHNIS

BLICKE NACH DRÜBEN

Der Mensch ist nicht das, was wir sehen – gebrechlich und irdisch, sondern er ist Geist, der alle Himmel und alle Zeitläufe durchschreitet.

Plotin

Noch immer ist er das große Tabu unserer Zeit, und noch immer ist er so allgegenwärtig wie je, wird zugleich aber nach Kräften verdrängt und domestiziert: seine Majestät der Tod, der »letzte dunkle Punkt«, wie ihn Theodor Fontane (im Gedicht Ausgang) nannte. Wohl bieten die Religionen und – hierzulande immer noch weitgehend die christlichen – Konfessionen verschiedene Konzepte eines »ewigen Lebens« an (manchmal allerdings als solches kaum noch erkennbar, davon später), doch bleibt dieses für einen Großteil des Kirchenvolks eher eine diffuse Vorstellung, die kaum in das persönliche Leben integriert ist. Aber die Kirchen schwinden ohnehin, und ein immer größerer Teil der säkularisierten Gesellschaft kommt (vordergründig) ganz gut ohne die Kirchen und häufig auch ohne Religion zurecht. Und nur eine Minderheit lebt ein spirituelles Welt- und Menschenbild. Typisch für die Haltung des »modernen« Menschen zu dieser Frage dürfte sein, was Bertolt Brecht in seinem Gedicht Gegen Verführung ausgesagt hat (hier erste und letzte Strophe):

Lasst euch nicht verführen!

Es gibt keine Wiederkehr. […]

Ihr sterbt mit allen Tieren

Und es kommt nichts nachher.

Jahrzehnte später hat der Philosoph Norbert Elias denselben Unglauben in den lakonischen Satz gefasst: »Der Tod verbirgt kein Geheimnis. Er öffnet keine Tür. Er ist das Ende eines Menschen.«1

Doch da sickern seit etwa vier bis fünf Jahrzehnten zunehmend ganz neue, unerhörte Botschaften von dem, »was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat« (1. Korinther 2,9), von einem nicht für möglich gehaltenen wundervollen, reichen, farbigen »Leben nach dem Leben« durch. Es handelt sich dabei um Berichte von klinisch Toten, die durch die neuen Techniken der Wiederbelebung (Reanimation) wieder aus dem Sterbeprozess zurückgeholt worden waren.

»Diese liebevolle Gnade, dieses vollkommene Angenommensein, diese allumfassende Liebe«

»unaussprechlich«

»unfassbar«

»unvergesslich«

»Es gibt kein Gefühl im normalen Leben, das dem auch nur annähernd gleicht.«

»Es war wirklich. Ich weiß ganz genau, dass es kein Hirngespinst ist. Es war auch kein sogenannter Traum oder irgend so etwas Ähnliches. Die Dinge sind wirklich passiert, ich hab sie ja schließlich erlebt.«

»Es ist ein Erlebnis, das ich noch nie hatte. Alles war so wirklich …«

»Alles, was ich sah, war von einer unbeschreiblichen Liebe durchdrungen. Das Wissen und die Botschaft, die mich durchströmten, waren so klar und rein.«

»Es war so wirklich, wie nur etwas wirklich sein kann.«

»Bevor ich das Erlebnis hatte, dachte ich immer, wenn man tot ist, ist man tot. Jetzt aber bin ich der Meinung, dass der Geist den Körper verlässt.«

»Man kann sich nichts Schöneres vorstellen als den Moment, in dem ich diesen Körper verließ! […] Alles war ganz phantastisch. Ich kann mir nicht denken, dass es auf dieser Welt etwas Ähnliches gibt, und selbst die schönsten Augenblicke im Leben sind nichts im Vergleich zu dem, was ich da erlebte.«

»[…] dieses Erlebnis war ganz anders als alle meine Träume, es war real, ganz real. Schon allein wegen des Friedens war es ganz anders.«

»Ich habe mich noch nie so glücklich gefühlt.«

»Es gibt keine Worte, in keiner Sprache, die etwas so Großartiges beschreiben könnten.«

Der »dunkle Punkt« verwandelte sich hier in ein leuchtendes, farbiges Bild freudigster Lebensfülle.

Wie kam es dazu, dass diese Aussagen sich ausgerechnet in unserer Zeit in so weitem Maße verbreiteten?

Alles begann mit einem Buch. Im Jahr 1975 erschien mit Life after Life (dt. Leben nach dem Tod, 1977) des amerikanischen Philosophen und angehenden Arztes Raymond Moody der »Urknall« der modernen Nahtodforschung. Moody war seinerseits auf das Thema aufmerksam geworden durch die Berichte des Psychiatrieprofessors George Ritchie, die dieser seinen Studenten an der Universität von Virginia vortrug. Ritchie hatte als junger Soldat von zwanzig Jahren 1943 ein sehr tief reichendes und ausführliches Erlebnis außerhalb seines Körpers, während er für tot galt. Nur durch eine besondere Konstellation glücklicher Umstände konnte er zurückgeholt werden. Sein Buch darüber, Return from Tomorrow, ist dann 1978 auch noch erschienen, nachdem Moody die Bahn und den Bann gebrochen hatte (dt. Rückkehr von morgen, 1980). Moody suchte nach weiteren Menschen mit ähnlichen Erfahrungen und befragte sie nach ihren Erlebnissen. Oft war er der Erste, dem sie sich offenbaren konnten, da sie mehrheitlich bei ihren Ärzten, Pflegekräften, der eigenen Familie oder bei Freunden kein Gehör fanden bzw. als Fall für eine psychiatrische Behandlung eingestuft wurden. So schwiegen sie notgedrungen, oft jahrzehntelang, obwohl ihr Erlebnis sie bis in ihre tiefste Seele erschüttert hatte und sie es, weil als sehr echt und real empfunden und immer noch als solches präsent, für höchst mitteilenswert hielten. Zugleich waren sie (und die heutigen Betroffenen sind es noch immer) mit dem Problem konfrontiert, dass diese Erlebnisse in der geläufigen Sprache nur sehr unvollkommen ausgedrückt werden können. Durch Moody erfuhren sie auch, dass sie keineswegs, wie sie bisher glaubten, die Einzigen mit solchen sehr speziellen Erfahrungen waren.

Moodys veröffentlichte und in viele Sprachen übersetzte Berichte von mehr als 150 Fallbeispielen vom Leben »nach dem Tod« lösten eine gewaltige Welle von Interesse für dieses neue Thema aus, nicht nur beim allgemeinen Publikum (das zu einem nicht unerheblichen Teil aus Leserinnen und Lesern mit gleichartigen Erfahrungen bestand), sondern gerade auch bei Ärzten. Ihnen vor allem kamen diese Erlebnisberichte von einem angeblichen Leben nach dem Tod allerdings besonders anstößig, ja skandalös vor, verstießen sie doch eklatant gegen ihre sämtlichen weltanschaulichen Gewissheiten, vor allem jene, dass der Tod das Ende der menschlichen Existenz sei. Einige dieser Ärzte, darunter Kardiologen, Psychiater, Kinderärzte usw., begannen in der Folge, die von ihren Patienten berichteten Erlebnisse, zum Beispiel während eines Herzstillstands und tiefer Bewusstlosigkeit, zunächst überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und sich auf dieses Phänomen forschend einzulassen, mit dem erklärten Ziel, diese Zumutung wissenschaftlich zu widerlegen. Einer hat es klar ausgesprochen: »Wir waren überzeugte Atheisten. Wir wollten beweisen, dass dieser Kerl [Moody] nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte oder dass alles von ihm erfunden war.«2

So begann die – zunächst weitgehend auf die USA beschränkte – wissenschaftliche Erforschung der Nahtodphänomene. Das vor allem sie selbst höchst überraschende Resultat war nun, dass diese Forscher als Ergebnis ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen feststellen mussten, dass Mr. Moodys Geschirrschrank tatsächlich noch komplett bestückt war und dass sie nicht anders konnten, als den Aussagen der von ihm zusammengetragenen »anekdotischen« Berichte Wahrheitsgehalt zuzubilligen und sie aufgrund eigener Forschungsresultate wissenschaftlich untermauert zu bestätigen. Einer von ihnen war der Kardiologe Michael Sabom, der seine Untersuchungen explizit mit dem Vorsatz begann, Moody wissenschaftlich zu widerlegen, schließlich aber bekennen musste: »Fünf Jahre und 116 Interviews später wusste ich, dass ich mich geirrt hatte.«3

Seitdem, seit den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts, sind weltweit sowohl die wissenschaftlichen Untersuchungen als auch die Sammlungen von Erfahrungsberichten (und zugleich die Literatur darüber) immens angewachsen. Es soll jedoch nicht der falsche Eindruck entstehen, als wäre nun das gesamte medizinische Establishment auf diese Linie eingeschwenkt, im Gegenteil! Die Ärzte, die den Mut hatten, die Nahtodphänomene überhaupt zu untersuchen, mit dem erwähnten unvorhergesehenen Ergebnis, waren die Ausnahme und gelten in ihrer Zunft als verdächtige Renegaten. Ein seit mindestens zwei Jahrhunderten immer mehr verfestigter reduktionistischer und materialistischer Wissenschaftsbegriff lässt sich nicht so schnell überwinden. Ihm ist der größte Teil der Ärzte und Naturwissenschaftler noch heute verhaftet. Typisch ist folgende Begebenheit, die sich auf einem Kongress zum Thema Nahtod in einer Universitätsklinik in den USA 1994 zugetragen hat. Nach mehreren Vorträgen und Erfahrungsberichten stand ein Mann auf und ließ sich folgendermaßen vernehmen: »Ich arbeite nun ungefähr 25 Jahre als Kardiologe und ich habe in meiner Praxis noch nie eine so unglaubliche Geschichte gehört. Ich halte das für den größten Humbug und glaube kein Wort davon.« Woraufhin sich ein anderer Mann erhob und entgegnete: »Ich war einer Ihrer Patienten. Vor einigen Jahren habe ich einen Herzstillstand überlebt, bei dem ich eine Nahtoderfahrung hatte, und Sie wären sicher der Letzte, dem ich je davon erzählt hätte.«4

Lassen wir uns also erzählen, und zwar von möglichst vielen und aus den unterschiedlichsten Quellen.

Ein unbeschreibliches Glücksgefühl sowie vollständiges Geborgensein, Angenommensein und Angekommensein erfüllten mich. Ich war von warmer, intensiver Liebe eingehüllt und fühlte mich rundherum wohl.5

Und dann bekam ich Angst – eine schreckliche, unbeschreibliche Angst, wie ich sie wohl noch nie in meinem Leben empfunden habe: Mir war klargeworden, dass ich wieder auf diese Erde zurück musste. So gelitten habe ich noch nie – weder davor noch danach. Es war so entsetzlich, dass ich mir nichts Schlimmeres vorstellen kann. Ich wollte nicht zurück. Und jetzt, nachdem ich wieder hier bin, weiß ich genau, dass ich nicht zurückkommen wollte […] Die Erde ist ein wunderbarer Ort zum Leben, wenn man nichts anderes kennt. Aber ich kenne etwas anderes […].6

Das kann man fast gar nicht erklären […] Worte können diese Gefühle nicht einmal annähernd beschreiben, aber ich will es versuchen: vollkommene, bedingungslose, allumfassende Liebe, Mitgefühl, Frieden, Wärme, Geborgenheit, Verständnis, das überwältigende Empfinden, zu Hause zu sein, und Freude.7

Ich sah in der Ferne ein Licht, wie ich es auf Erden noch nie gesehen hatte. So rein, so intensiv, so vollkommen. Ich wusste, dies war ein Wesen, zu dem ich gehen musste. Ich weiß nicht, wie es geschah. Ich brauchte nicht zu denken, ich wusste alles. Meine Bewegungen waren nicht mehr eingeschränkt. Ich hatte keinen Körper mehr. Dieser Ballast war von mir abgefallen […] Ich bewegte mich durch alles hindurch. Mir war plötzlich klar: Zeit und Raum gab es hier nicht. Alles war immer gegenwärtig. Und das gab mir ein unbeschreiblich friedliches Gefühl. Das erlebte ich gleichzeitig mit dem Licht, das die Krönung allen Seins war, aller Energie und Liebe und vor allem aller Wärme und Schönheit.8

Die Farben waren nicht von dieser Welt – so tief, so leuchtend, so wunderschön.9

Ich hatte an diesem Ort, welcher Art er auch immer sein mag, nicht das begrenzte Bewusstsein, das man auf der Erde hat. Du hast das Gefühl, als hättest du 125 Sinne und nicht nur fünf wie sonst. Du kannst ohne jede Anstrengung alles tun, denken, begreifen und ich weiß nicht, was sonst noch alles. Es ist, als hättest du die Fakten unmittelbar vor dir, ohne jedes Risiko einer Falschinterpretation, weil die Wahrheit einfach da ist! Nichts ist verborgen. Kommunikation geschieht, indem du Fragen und Antworten einfach denkst. Gut ausformulierte Gedanken kommen dir wie von selbst in den Sinn, und du weißt, sie rühren von einer anderen Quelle her. Auch eigene Gedanken ließen sich auf diese Art und Weise projizieren. In diesem anderen Reich liegt alles, auch Wahrheiten zum Beispiel, einfach vor dir, und das Einzige, was du zu tun hast, ist, einfach nur an das zu denken, was du wissen willst, und schon hast du es. Der Geist steht an oberster Stelle. Was mich erstaunte, war meine Fähigkeit, gleichzeitig so viele Dinge zu denken, wie ich wollte. Ich weiß noch, wie verblüfft ich war, als ich merkte, dass ich viele, viele Gedanken gleichzeitig hatte und alles problemlos verstand.10

Zuerst nahm ich wunderbare Farben wahr, alle Farben des Regenbogens. Sie wirkten durch das kristallisierte Licht noch kräftiger, leuchteten hell nach allen Seiten. Es war, als fiele dieses Licht durch ein Prisma aus einem herrlichen, reinen Diamanten auf mich, andererseits hatte ich gleichzeitig das Gefühl, mich in seinem Zentrum zu befinden. Ich stand auf einer himmlischen Weide mit Blumen. Es war ein anderer Raum, eine andere Zeit und vielleicht sogar ein anderes Universum. Aber ganz bestimmt war es ein anderes Bewusstsein – vibrierend und lebendiger, als ich es von meinem irdischen Leben her kannte. In meinen Ohren klang Musik, so wunderbar, wie kein Komponist sie je zustande bringt. Sie war auch nicht von dieser Welt. Sie war besänftigend, zart und wärmend und schien tief aus meinem Inneren zu kommen.11

Der Tod ist sehr, sehr verführerisch, da er uns dieses starke Licht, diese Wärme und das Gefühl unendlichen Glückes vermittelt.12

Es erschien mir so viel realer als alles, was ich in meinem ganzen Leben je erlebt habe.13

Ich besaß ein totales, klares Wissen über alles, was je in meinem Leben passiert war. Ich erkannte, dass jeder Mensch auf die Erde geschickt wird, um bestimmte Dinge zu erkennen und zu lernen. Zum Beispiel mehr Liebe zu geben, anderen gegenüber liebevoller zu sein. Zu erkennen, dass das Wichtigste die menschlichen Beziehungen sind und Liebe und nicht materielle Dinge. Und zu erkennen, dass jede Kleinigkeit, die man im Leben tut, festgehalten wird und später einmal wieder zum Vorschein kommt.14

Die Lichtwesen, die dich erwarten, nehmen dich aus der Realität dieses physikalischen Universums heraus und transportieren dich in eine neue Wirklichkeit, wo du deine erste Begegnung mit den Wundern und der Macht Gottes haben wirst. Es gibt so viele Eintrittsmöglichkeiten in diese Dimension, wie es Individuen gibt. Jeder Mensch wird in diese himmlische Dimension eskortiert, abhängig von der jeweiligen Lebensführung, Kultur und spirituellen Ebene. So erklären sich die Berichte, dass der oder die Betreffende sich auf einmal in einer wunderbaren Landschaft wiederfindet, der/die Nächste in einem großartigen Schloss oder in dem ans Herz gewachsenen Haus der Großeltern. Für den ganz speziellen Komfort und zur Erbauung dieses Individuums kreieren Gott und seine Engel jede Kulisse individuell. Es ist für uns kaum zu glauben und zu verstehen, wie sehr dort unsere Individualität respektiert und geachtet wird.15

Anscheinend habe ich in einer sehr kurzen irdischen Zeitspanne sehr viel erlebt. Dort, wo meine Seele hingereist ist, kennt man keine Zeit, die so vergeht wie hier auf der Erde.16

Ich fühlte mich wie in einer total schützenden Kugel in absoluter Geborgenheit. Nie zuvor habe ich je ein ähnliches totales Glücksgefühl erlebt. Und das in einer Totalität, die unvorstellbar und unbeschreiblich ist. Es ist wie Liebe, ein ganzes Meer voll, unverdünnt, wovon wir während eines ganzen Lebens vielleicht einige Tropfen erhalten. Nie war mein Empfinden und Denken so klar.17

Ich sah eine unendlich große Welt voller Ruhe und Liebe und Energie und Schönheit. Es war, als wäre das menschliche Leben unwichtig, verglichen damit. Aber gleichzeitig betonte es den Wert des Lebens und zeigte den Tod als einen Weg zu einem anderen, besseren Leben. Alles war Sein, alles Schönheit, alles Bedeutung der wahren Existenz. Es war die Energie des Universums, auf ewig versammelt an diesem grenzenlosen Ort.18

Es war so, als ob ich alles wissen würde und nie wieder eine Frage zu stellen bräuchte. Neugier und Fragehunger waren wie weggewischt. Es war so, als ob ich alles über den Fortgang der Welten, über mich, auch über meine Zukunft wüsste.19

Ich war mit Wissen gespeist, alles, was man wissen, verstehen, denken kann. Ich wusste und war gänzlich Wahrheit und Schönheit. Ich war reine, ewige Liebe. Ich war eins mit allem, was ist, und ich war alles, was ist. Es gibt keine Worte, um dieses Erlebnis angemessen zu beschreiben. Es gibt nicht genügend Steigerungsmöglichkeiten, um diese Gesamtheit, Einheit, Harmonie, Schönheit und Reinheit von all diesem Wissen und dieser Liebe mitzuteilen.20

Währenddessen schwebte ich nach oben, und plötzlich kam es mir vor, als wüsste ich alles, was man nur wissen kann. Es war, als würden mir alle Geheimnisse der Welt enthüllt. Ich verstand die Naturwissenschaften, Mathe, das ganze Leben!21

Es war, als ob mit einem Schlag alles Wissen – über alles, was seit dem Urbeginn jemals geschehen ist und was immer und ewig weitergehen würde – es war, als ob ich für eine Sekunde sämtliche Geheimnisse aller Zeiten verstanden hätte, alle Rätsel des Universums, die Sterne, den Mond – einfach alles. Als ich mich aber zur Rückkehr entschlossen hatte, da ging mir dieses Wissen wieder verloren, und jede Erinnerung daran war weg. Während ich den Entschluss fasste zurückzukehren, wurde mir, scheint es, zu verstehen gegeben, dass ich das Wissen nicht behalten würde.22

Daraufhin war ich nicht nur auf einer Wellenlänge mit dem totalen Wissen, sondern ich durfte erleben, ein Teil des totalen Wissens selbst zu werden. Ich erlebte auch nicht nur das Gefühl der göttlichen Macht, sondern wurde mehr und mehr auch zu einem Teil von ihr. So wurde ich also zu einem Teil des totalen Wissens und der unmittelbaren Liebe.23

In diesen wenigen Minuten überblickte ich nicht nur meine gesamte Existenz, sondern ich fühlte mich lebendiger als jemals zuvor in meinem Leben. Ich erfasste in Sekundenbruchteilen alles Wissen des Universums und dass ich immer ein individueller Aspekt Gottes war und sein werde. Das Licht, von dem ich ein Teil geworden war, ist reine, bedingungslose Liebe und der Informationsträger von allem, was ist. Ich habe verstanden, dass der göttliche Funke in meine Seele eingewebt ist. Die Seele ist das größte Geschenk Gottes, da wir in der Begrenztheit unseres Daseins durch sie mit IHM in Verbindung bleiben, wenn wir uns dessen bewusst sind.24

Kein Traum und keine Halluzination hätte so intensiv sein können, dass mein ganzes Leben dadurch radikal verändert worden wäre. Ganz im Gegenteil – heute sehe ich mein restliches Leben als eine flüchtige Phantasie an, einen kurzen Traum, der enden wird, wenn ich in der ewigen Präsenz dieses Spenders von Leben und Segen wiedererwache. Denen, die in Trauer oder Angst leben, kann ich versichern: Es gibt keinen Tod, und die Liebe endet niemals. Und denkt auch daran, dass wir Aspekte des einen, vollkommenen Ganzen sind und als solche Gott und einander angehören. Eines Tages werden Sie, der Leser dieser Zeilen, und ich im Licht und in Liebe und unendlicher Glückseligkeit zusammen sein.25

Eine unendliche Liebe strömte von diesem Wesen aus, ich war vollkommen in Liebe gebadet. Ein kurzer Blick fiel auf meinen Körper, der reglos im Bett lag, es interessierte mich überhaupt nicht weiter. Ich wollte nur mehr bei diesem Wesen bleiben, egal, wohin es auch gehen würde. Jedoch, zu meiner großen Enttäuschung schwebten wir nicht durch die Türe, es wurde nicht hell, es war äußerst dunkel, und ich nahm eine Stimme in meinem Kopf wahr, die sagte: »Deine Zeit ist noch nicht reif.« Ich wollte mich wehren, plötzlich war ich wieder in meinem Körper. Mein Herz raste bis zum Hals. Ich war bitterlich enttäuscht, wieder zurück zu müssen. Dieses Erlebnis ließ mich lange Zeit nicht aus. Ich sehnte mich und sehne mich noch heute nach dieser unendlichen Liebe.26

Seltsame Wesen schwebten neben und über mir, sie führten mich und »ich« kam in ein unbeschreiblich helles Licht (es blendete nicht). Ich dachte überhaupt nicht an das irdische Leben, das Licht war ein Gefühl wie Geborgensein, wie unendliche Liebe, ich hörte wunderbare Klänge und roch wunderschöne Düfte. Dieses Licht war so unendlich schön, und das Gefühl (aber nicht so ein Gefühl, wie wir Menschen fühlen) so, dass ich eigentlich keine passenden Worte dafür finden kann.27

Ich habe einen Tunnel gesehen und ein wunderschönes helles Licht am Ende. Unendlich schön. Mit keinem Licht vergleichbar, welches es hier auf Erden gibt. Und es waren Liebe und Güte da. ln reinster Form. Und Frieden. Pur. Es gibt nichts Vergleichbares, und es ist äußerst schwierig, es mit dem sprachlichen Vokabular zu beschreiben. Es war unendlich schön und verlockend. Es hat mich richtig angezogen. Ich hatte überhaupt keine Angst, und es gab auch gar keinen Grund dafür. Ganz im Gegenteil. Ich war so unbeschreiblich glücklich in der Nähe dieses Lichtes, voller Frieden.28

Die Farben auf der anderen Seite sind so strahlend, dass noch die leuchtendsten Farben auf dieser Erde matt wirken im Vergleich zu der Helligkeit und Lebendigkeit der Farben, die es im Himmel gibt.29

Ich wurde zu einer wunderschönen Wiese mit den prächtigsten Blumen und Gräsern gebracht, in Farben, die so sehr strahlten, wie ich es noch nirgendwo sonst gesehen habe; es war zutiefst erstaunlich!30

Die Landschaft war wunderschön, blauer Himmel, sanft geschwungene Hügel, Blumen. Alles war lichterfüllt, es war, als leuchtete es aus sich heraus, als strahle es Licht aus und reflektiere es nicht nur.

Dort war so viel Schönheit, schöner, als man mit Worten ausdrücken kann. […] Alle Farben und Formen waren wunderschön […] überwältigend. Um mich herum sah und spürte ich wunderbaren Frieden und herrliche Ruhe, Liebe und Frieden […] Eine Musik, deren Klang sich mit Worten gar nicht beschreiben lässt, weil man sie auf dieser Welt einfach nicht in dieser Klarheit hören kann! Die Farben waren nicht von dieser Welt – so tief, so leuchtend, so wunderschön!31

Ich sah schöne Landschaften und herrliche Felder. Ich ging zu einem kleinen Haus am Ende des Waldes […] Ich sah eine breite, riesige Straße, die mit funkelndem Sand gebahnt war und leuchtete wie Diamanten. Die Straße war so weit, dass man kaum ihr Ende sehen konnte. Ich sah ein Tor und eine lange Mauer zum Tor, die von sechs Löwenstatuen beschützt zu werden schien. Ich sah die schönsten Blumen, die man sich vorstellen kann. Das einzige Gebäude, das ich sah, war die Hütte am Ende des Waldes, die wie eine Bibliothek war, in die man gehen und alles lernen konnte, was es gab. […] Ich habe am Ende einer hohen Klippe gestanden, weit unterhalb war ein grünes Tal […] Die Luft war so klar, ein herrlicher blauer Himmel und ein schwacher Hauch einer warmen Brise. Es war ein sehr schöner Tag. Die Felder schwangen mit einem Gemisch aus Farben. Sie sahen aus wie weicher goldener Hafer oder Weizen mit Flecken aus leuchtend farbigen Blumen. Immer war da dieses weiche Licht und das überwältigende Gefühl der Liebe.32

Zuerst bin ich geschwebt und war von einem sehr weißen, strahlenden Licht umgeben. Und als es wieder nach unten ging, merkte ich, dass das weiße Licht nicht bloß Licht war; ich glitt durch sehr, sehr weiße Wolken. Als ich durch die Wolken hindurch war, kam ich hinunter in eine sehr schöne Landschaft mit grünen Wiesen, Flüssen, Schmetterlingen und Vögeln. Ich ging auf einen Hügel zu, auf dessen Kuppe ein Baum stand. Das Gefühl, das ich dort empfand, kann ich nicht mit Worten beschreiben, aber es war so wunderbar beruhigend, dass ich die Sehnsucht habe, wieder dorthin zu gehen und es noch einmal zu spüren.33

Wenn der Tod auch nur annähernd dem gleichkommt, was ich erfahren habe, dann muss er das Schönste sein, auf das man sich freuen kann, das absolut Schönste […] Ja, es gibt ein Leben nach dem Tod! Und es ist schöner als alles, was wir uns erträumen können.34

Während der Nahtoderfahrung konnte ich einen Blick auf die Welt werfen, die uns jenseits unserer irdischen Existenz erwartet. Ich weiß nicht, wie dieses neue Leben aussehen oder wie es ablaufen wird, aber ich weiß, dass ich dort unendlich glücklich sein werde.35

Da könntest du weinen. Das ist so etwas Schönes, so voller Liebe, einmalig. Ich weiß, dass ich hier auf der Erde leben muss. Aber es gibt irgendwo eine Verbindung. Deshalb kann ich viele Dinge hier nicht mehr so annehmen, weil ich diesen Zugang geschenkt bekommen habe.36

Total glücklich, überglücklich, superglücklich. Glück ist dann gar kein angemessener Begriff mehr. Du weißt in dem Moment einfach: Du bist selig auf ewig. Dir kann gar nichts passieren. Du kannst gar nicht sterben. Den Tod gibt es überhaupt nicht.37

Man kann es nicht erklären, denn so ein Gefühl gibt es auf der Erde gar nicht. Es war kristallklar. Es war, als ob ich endlich, endlich nach Hause käme. Das Gefühl von Heimat, von Sinn, von Ganzheit.38

Es war wirklich so, als käme man heim […] Alle Erfahrungen brachten mir Erinnerungen an Vertrautes zurück […] wie wenn man nach Hause kommt, nachdem man eine sehr, sehr lange Zeit fort war.39

Ich habe eine Botschaft für andere, die ein normales Erdenleben führen […] Unsere Identität wird fortbestehen – auf eine höhere Art und Weise. Sie werden Ihre Freunde nicht verlieren. Sie werden eine Schönheit, einen Frieden und eine Liebe kennenlernen, und das liebevolle Licht, das Sie umgibt und erfüllt, ist Gott.40

Im Gesamtüberblick über diese kleine Auswahl aus vielen Tausend ähnlicher authentischer Aussagen von Menschen, die die Bereiche jenseits des Irdischen betreten hatten, fallen bei aller individuellen Verschiedenheit doch einige immer wiederkehrende Motive auf:

das Erlebnis der Außerkörperlichkeit: Loslösung des Bewusstseins vom Körper,

Erfahrung eines unbeschreiblichen, als göttlich empfundenen Lichts bzw. eines Lichtwesens, verbunden mit einem überwältigenden Gefühl von Liebe; (meist) intensive Glücksgefühle,

ein Tunnel, durch den man hindurch muss, um dieses Licht zu erreichen,

das durchdringende Gefühl von umfassendem Verständnis, der Geborgenheit und des Angenommenseins,

eine Lebensrückschau, als »Film« oder Gesamtpanorama,

beglückende Begegnungen mit verstorbenen Verwandten und Freunden, die einen dann aber wieder ins irdische Leben zurückschicken; die Aufforderung zur Rückkehr in das irdische Leben, d. h. den Körper, kann auch von dem Lichtwesen oder anderen Geistwesen ausgehen,

Erfahrung eines umfassenden Wissens, auch über Sinn und Zusammenhänge des Universums; universelles, kosmisches Bewusstsein,

geschärfte Wahrnehmung,

intensive unirdische, eben überirdische Farben und Düfte,

gänzlich »unerhörte« Musik,

unsagbar schöne, paradiesische Landschaften, Blumen, oder auch Städte, eine wahrhaft »himmlische Szenerie«,

das Gefühl, dass Raum und Zeit aufgehoben sind,

Erleben der Allverbundenheit,

ein durchdringendes Gefühl, endlich zu Hause zu sein, in die eigentliche Heimat zurückgekehrt zu sein,

die Wahrnehmung einer diesmal nicht zu übertretenden Grenze, die keine Rückkehr mehr zuließe,

die absolute Realität des Erlebten,

freiwillige oder unfreiwillige Rückkehr in den Körper; manchmal Wahlfreiheit, ob man da bleibt oder zurückkehrt. Nicht selten wird das Ereignis der Rückkehr als etwas gewaltsam empfunden, zum Beispiel »wie ein zurückschnappender Gummizug«,

schließlich, als Ergebnis alles dessen, keine Furcht vor dem Tod mehr, ja er wird als Zustand nach dem Sterben geleugnet: »Den Tod gibt es überhaupt nicht«, und dies ist gleichbedeutend mit einer starken Zunahme der Überzeugung von einem Leben nach dem Tod.

Allerdings wird nur in den seltensten Fällen das Aufgezählte (fast) vollständig erlebt. Meist tritt also nur eine gewisse Anzahl dieser Elemente je wechselnd bei den einzelnen Erlebenden auf. Angesichts der höchst lebendigen und als wirklich erfahrenen Wahrnehmungen könnte man wohl eher, wie auch bereits vorgeschlagen wurde, von »Lebenserfahrungen« sprechen.

Die Bemerkung über Raum und Zeit wäre dahingehend zu präzisieren, dass es sich erstens bei dem »Raum« keineswegs um ein mit unserem dreidimensionalen Raum Vergleichbares handelt, der sich etwa lediglich an einem anderen wo auch immer gelegenen »Ort« befände, sondern eher um einen hochdimensionalen Zustand, der dennoch ein raumähnliches Empfinden zulässt. Und die Zeit, wie wir sie kennen, existiert dort offensichtlich nicht. Treffend bezeichnet es die Aussage einer Zurückgekehrten:

Auf Erden leben wir mit einer geraden Zeitrichtung, die es uns ermöglicht, zu leben, ohne dass wir durcheinanderkommen. In der Gegenwart Gottes gibt es kein Zeitgefühl, wie wir es kennen. Alles geschieht zur selben Zeit, und doch gibt es kein Durcheinander oder ein Gefühl, dabei überwältigt zu werden.41

Es handelt sich um das, was wir als Ewigkeit bezeichnen. Diese ist keine endlose Dauer, sondern ein zeitloses Sein in der Gegenwart des göttlichen Lichtes (siehe auch Seite 264 ff.). Das dürfte inzwischen auch jener nachdenkliche Witzbold mit Freuden einsehen, der sich einst auf seinen Grabstein auf dem Friedhof einer norddeutschen Stadt den Stoßseufzer einmeißeln ließ: »O ewich is so lanck!«

Nahtoderfahrungen kommen bei allen Altersstufen, Völkern, Kulturen und Religionen vor. Etwa ein Viertel bis ein Drittel aller Menschen, die klinisch tot waren, konnte sich an ein solches Erlebnis erinnern. Da aber aus den verschiedensten Gründen nicht immer eine Erinnerung vorhanden ist, dürfte der Anteil wohl noch um einiges höher sein. So können entsprechende Erlebnisse zum Beispiel durch Hypnose ins Bewusstsein heraufgeholt werden. Auch mangelnde soziale Akzeptanz (durch Ärzte, Pfleger, Familie usw.) ist ein häufiger Grund. Im Übrigen machen auch Materialisten und Agnostiker Nahtoderfahrungen mit oft sehr eindrucksvollen Persönlichkeitsveränderungen.

Beschäftigt man sich mit der Forschungsliteratur, bekommt man es sehr viel mit Statistik und Prozentzahlen zu tun. Diese schwanken nicht unbeträchtlich je nach Untersuchung bzw. Autor. Die in Prozenten ausgedrückte Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Subphänomene variiert stark zwischen den verschiedenen Untersuchungen. Sie liegt in der Regel bei Werten zwischen 30 und 70 %. Die Prozentzahl derjenigen, die nach einer Wiederbelebung von einem Nahtoderlebnis berichteten, wird von dem niederländischen Kardiologen Pim van Lommel mit etwa 18 % angegeben, von Raymond Moody mit ungefähr 45 %. Ganz allgemein gilt inzwischen als gesichert, dass mindestens 5 % der Gesamtbevölkerung der westlichen Welt eine Nahtoderfahrung hatten. Das entspricht in den USA rund 16 Millionen Menschen, in Gesamteuropa ca. 35 Millionen, in Deutschland allein 4 Millionen! Weltweit dürfte nach Hochschätzungen die Anzahl der Menschen mit einer Nahtoderfahrung im dreistelligen Millionenbereich liegen.

Dabei ist eine hohe Dunkelziffer anzunehmen, da viele aus verschiedensten Gründen keinen Anlass sehen, darüber zu sprechen – auch wegen der Schwierigkeit, das Erlebte mangels geeigneter sprachlicher Mittel auszudrücken. Vielfach werden die Erlebnisse auch vergessen, wobei, wie der Anästhesiespezialist mit eigener Nahtoderfahrung Rajiv Parti berichtet, gewisse Narkosemittel, »bei denen Vergesslichkeit ein Teil des (Neben-)Wirkungsspektrums ist«, eine wichtige Rolle spielen.42 Auch wollen viele Betroffene dieses ausgesprochen Persönliche, als etwas sehr Heiliges Erlebte keinesfalls bezweifelt oder bespöttelt wissen. Man muss selbst diese immer noch hartnäckige und wohl weitverbreitete Weigerung erlebt haben, zum Beispiel dass man nur mit dem Versprechen zu schweigen auch von guten Bekannten oder Freunden etwas mitgeteilt bekommt. Manchmal gibt es hier auch Zufallserlebnisse, indem man beispielsweise mit einem jungen Mitarbeiter einer Kfz-Werkstatt ins Gespräch kommt und Erstaunliches aus dessen Erlebnissen erfährt … Jedenfalls steht fest: Das Reich des Nachtodlichen ist nicht mehr länger, wie Hamlet noch glaubte, »das unentdeckte Land, von des’ Bezirk kein Wandrer wiederkehrt«.

Sterbebettvisionen

Und der alte, von den wiedergekäuten Neuigkeiten der Erde übersättigte Mensch geht und stirbt neuen Wundern entgegen.

Jean Paul

Es sei aber zunächst noch ein anderes, verwandtes Phänomen betrachtet, die sogenannten Sterbebettvisionen. Im fortgeschrittenen Sterbeprozess, wenn sich das leiblich-seelisch-geistige Gefüge des Menschen mehr und mehr lockert, kommt es bei bis zu 80 % der Betroffenen zu besonderen, den Nahtoderfahrungen verwandten Wahrnehmungen und Erlebnissen vor dem Schwellenübergang: Die jenseitige Welt ragt in das Krankenzimmer herein. Den freudig erregten Sterbenden zeigen sich verstorbene Verwandte und Freunde, mit denen sie sich manchmal unterhalten und von denen sie sich »abgeholt« fühlen. Diese Visionen stehen »im krassen Gegensatz zu den Halluzinationen von geistig Kranken, bei denen die Mehrzahl der halluzinierten Personen entweder fremde oder bizarre Gestalten waren […] Patienten auf dem Sterbebett haben häufiger Erscheinungen, wenn sie bei vollem Bewusstsein sind, eine klare Wahrnehmung haben und die Fähigkeit, auf ihre Umgebung zu reagieren, als bei einer Schädigung der Wahrnehmung und der Kommunikation.«43

Im Gegensatz zur Nahtoderfahrung, wo das Gehirn ausgeschaltet ist und eine tiefe Bewusstlosigkeit vorwaltet (zum Beispiel durch Herzstillstand usw.), vollziehen sich die Sterbebettvisionen in prinzipiellem Wachbewusstsein. Viele, wenn nicht die meisten dieser Visionen werden jedoch noch immer von den Außenstehenden nicht als solche erkannt, sondern als »Verwirrtheit« oder »Halluzinationen« abgetan. Es ist fast unnötig, auf die Wichtigkeit und Notwendigkeit hinzuweisen, dass Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten, Pfarrer, Sterbebegleiter und nicht zuletzt Angehörige den eigentlichen Charakter dieser Visionen, aber auch Nahtoderlebnisse kennen und diese ernst nehmen. Das hat aber zur Voraussetzung, dass sie diese Phänomene nicht als wertlose »Halluzinationen« missverstehen. Zwar hat sich manches gebessert, vor allem in den Hospizen, doch besteht ansonsten noch ein riesiger Nachholbedarf.

Meine Nichte starb mit zehn Jahren an Krebs. Zum Schluss war sie so krank, dass sie den Kopf nicht mehr vom Kissen heben konnte. Doch wenige Stunden bevor sie starb, setzte sie sich plötzlich im Bett auf und sagte zu ihrer Mutter: »Du kannst nicht mit mir mitgehen! Das Licht kommt jetzt und holt mich, aber du kannst nicht mit! Wenn du es nur sehen könntest! Es ist so wunderschön!« Kurz darauf ist sie gestorben.44

Über eine sechzigjährige Frau, die an Krebs im Endstadium litt, wird berichtet:

Plötzlich öffnete sie ihre Augen. Sie rief ihren [verstorbenen] Mann bei seinem Namen und sagte, dass sie im Begriff sei, zu ihm zu kommen. Sie hatte das friedlichste und schönste Lächeln auf dem Gesicht, gerade so, als würde sie in die Arme eines Menschen eilen, an den sie ständig dachte. Sie sagte: »Guy, ich komme.« Sie schien nicht zu bemerken, dass ich anwesend war. Es war fast, als wäre sie in einer anderen Welt. Es war, als wenn sich ihr etwas Wunderschönes offenbart hätte; sie erlebte in diesem Augenblick etwas Wundervolles und Herrliches.45

Von einer Frau, die kurz nach der Geburt ihres Kindes starb, wurde Folgendes festgehalten:

Plötzlich sah sie aufgeregt in eine Ecke des Zimmers, während ein strahlendes Lächeln ihren Gesichtsausdruck erhellte. »Oh, wie schön, wie schön«, sagte sie. »Was ist schön?«, fragte ich sie. »Das, was ich sehe«, erwiderte sie in verhaltenem, leidenschaftlichem Ton. »Was sehen Sie?« – »Eine wunderschöne Helligkeit – allerliebste Geschöpfe.« Es ist schwer, den Eindruck der Wirklichkeit zu beschreiben, die bei ihr durch die starke Versenkung in die Vision hervorgerufen wurde. Dann, während sie ihre Aufmerksamkeit noch intensiver einem bestimmten Punkt zuwandte, stieß sie eine Art fast glücklichen Schrei aus und rief: »Wirklich, es ist mein Vater! Oh, er ist so froh, dass ich komme; er ist so froh.«46

Dieser Bericht aus dem Jahr 1924 stammt von der Frau William Barretts, einer Ärztin. Die geschilderten Erlebnisse waren der Auslöser für dessen systematische Erforschung dieser Phänomene, welche dann zu dem zwei Jahre später erschienenen Buch Deathbed-Visions führte, der ersten Publikation überhaupt zu diesem Thema.

Mit einer anderen Frau kam es zu folgendem Gespräch:

»Ach, wenn ich mich doch nur entspannen könnte«, beklagte sie sich. – »Was würde passieren, wenn Sie sich entspannen könnten?«, fragte ich. – »Dann würde dieses Licht näher kommen, und ich könnte all diese Personen kennenlernen.« Einen winzigen Moment lang glaubte ich, sie meine die anderen Patienten im Zimmer oder das Pflegepersonal. Zögernd fragte ich: »Welche Personen?« Emma schien erstaunt, als hätte ich eine alberne Frage gestellt. »All diese Personen um mein Bett herum natürlich!«, antwortete sie und wies mit großer Geste in die Runde, um die Menge der Leute zu zeigen, die ich nicht sehen konnte.47

Bei der folgenden Begebenheit handelte es sich um eine 78-jährigen Frau, die gewöhnlich als hinterlistig und böse beschrieben wurde:

Eines Nachts rief sie mich, damit ich sehen sollte, wie lieblich und schön der Himmel sei. Dann schaute sie mich an und schien überrascht: »O, aber Sie können es nicht sehen, Sie sind nicht hier [im Himmel], Sie sind dort drüben.« Die Patientin wurde sehr friedlich und glücklich. Sie fühlte sich erleichtert, erfreut und legte ihre Gemeinheit ab. Sie wurde um vieles besser. Ich glaube nicht, dass das Halluzinationen sind; es sind Visionen – sehr real.48

In gar nicht so seltenen Fällen können die sich darstellenden jenseitigen Gestalten oder auch der sich vom physischen Körper des Sterbenden trennende immaterielle Geistleib bzw. die »Seele« – in Gestalt einer durchscheinenden Kugel oder eines ebensolchen elliptischen Gebildes oder als weißer Dunstschleier – sogar auch von Dritten, nämlich den am Sterbebett Anwesenden wahrgenommen werden, ob allein oder zu mehreren. Raymond Moody, der auch dieses äußerst bemerkenswerte Phänomen empathischen Miterlebens erforscht hat (das ihn »sprachlos« macht), gibt unter vielen anderen eindrucksvollen Beispielen das Erlebnis eines Mannes beim Tod seiner Mutter wieder:

Zu meinem Erstaunen setzte sie sich auf und schlang ihre Arme um mich. […] Während wir uns so umschlungen hielten, formte sich um uns herum eine Kugel aus hellem Licht. […] Es klingt vielleicht unglaublich, aber in dieser Kugel war auch Christus bei uns. Ich konnte nicht seine menschliche Gestalt sehen, aber ich wusste, dass er in dem hellen Licht stand, das bei uns war. Seine Aufmerksamkeit war auf meine Mutter gerichtet, aber er sprach auch mit mir. Ich hatte mit ihm sogar einen ziemlich humorvollen Wortwechsel, der die Art meiner Beziehung zu Gott veränderte. Christus war da, um meiner Mutter bei den Szenen aus ihrem Leben beizustehen und um ihr zu helfen, sie zu verstehen. Als meine Mutter starb, spürte ich, wie ihr Körper sich entspannte und die Energie sie verließ. In diesem Moment verschwand die Kugel, in der wir waren, und ich war wieder in der Realität dieser Welt, die ich aber jetzt nicht mehr für die Realität halte. Die Welt in dieser Kugel war die Realität. Aus irgendeinem Grund gewährte mir Gott das Privileg, meine Mutter geradewegs bis an die Himmelstür zu begleiten.«49

Gerade die Tatsache, dass es sich bei den Miterlebenden um gesunde Menschen mit intakten Gehirnen handelt, ist das wohl unabweisbarste Argument gegen die abgegriffenen Behauptungen, diese Phänomene seien durch hirnphysiologische, neurologisch-elektrochemische Defekte verursachte Halluzinationen absterbender Gehirne. Für Raymond Moody sind gerade diese empathischen Erlebnisse mit Sterbenden der »Schlüssel […], mit dem sich die Existenz eines Lebens nach dem Tod beweisen lässt«.

Manche Sterbende sehen bereits in diesem Stadium ein helles Licht und/oder paradiesische Landschaften, in jedem Fall aber etwas in seiner Schönheit und Intensität Überraschendes, auf das sie von ihrer religiösen Überzeugung her nicht unbedingt vorbereitet sind. »Uns scheint, dass die Patienten im Endstadium […] etwas ›sehen‹, das unerwartet und für die Betreffenden völlig überraschend ist und zudem nicht in ihrer Erziehung gelehrt wurde. […] Die jenseitigen Figuren und Umgebungen, die von Christen erlebt wurden, waren alle wohlwollend und angenehm. […] Einige grundlegend hinduistische Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod waren niemals in den Visionen der Inder dargestellt.«50

Häufig bedienen sich die Sterbenden einer symbolischen Sprache, um ihren bevorstehenden Übergang zu bezeichnen (das in diesem Zusammenhang meistens gebrauchte Wort »Ende« ist nach all dem Vorgebrachten unangemessen und höchstens für das diesmalige irdische Leben zutreffend). Vorzugsweise ist von einer Abreise die Rede, vom Kofferpacken, Reisepass, Fahrschein usw. Das eigentlich Bedeutsame daran ist, dass die Vorstellung von einer Reise auf einen Weg und ein Ziel hinweist, eben das Gegenteil eines Endes aller Wege, als das allzu viele noch immer den Tod betrachten.

Oft tritt ein starkes Bedürfnis nach einer Ordnung der persönlich-menschlichen Verhältnisse auf, vordringliches Anliegen ist die Versöhnung, oft genug innerhalb der Familie. Eventuell wird auch eine Klärung im Verhältnis zur Religion und zu Gott angestrebt. Vor allem in der katholischen Kirche besteht noch die Tradition der Beichte und des Sterbesakramentes (Letzte Ölung). Alles dies erleichtert sehr das Loslassen und führt zu einem friedlichen, gelassenen, bei manchen sogar heiteren Lebensabschied.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Arzt und Seelenforscher Gotthilf Heinrich von Schubert bereits eine sachgemäße Beschreibung der transzendenten Erlebnisse von Sterbenden gegeben: »Es sahen Sterbende Dinge, wie von einer anderen Welt, für welche das gewöhnliche Auge nicht gemacht ist; das Ohr vernahm Unaussprechliches, und der singenden Stimme, der sprechenden Zunge wurden Töne und Worte gegeben, deren der noch gesunde Leib vorher niemals mächtig gewesen. Dieses Aufblitzen eines neubeginnenden jenseitigen Lebens [Hervorhebung M. L.] war indessen an keine Grenzen jener sogenannten ›Systeme‹ gebunden, von denen unsere Bücher wissen, sondern ein Leben, das nicht dem Staube gehörte, durchdrang und ergriff den sterbenden Leib, wo und in welcher Richtung es wollte.«51

Wenn Hans Christian Andersen in seinem bekannten Märchen das sterbende Mädchen mit den Schwefelhölzern die Vision erleben lässt, wie es von seiner Großmutter abgeholt und in den Himmel geleitet wird, dann ist das mehr als dichterisch-märchenhafte Erfindung, sondern beruht auf damals bereits vorhandenem Erfahrungswissen.

Das Wissen Thomas Manns um diese Dinge beweist er in seinem Roman Die Buddenbrooks eindrücklich in der Sterbeszene der alten Konsulin (Neunter Teil, Erstes Kapitel):

Die Konsulin, im Krampfe aufgerichtet und mit weit geöffneten Augen, stieß mit den Armen um sich, als griffe sie nach einem Haltepunkt oder nach Händen, die sich ihr entgegenstreckten, und antwortete nun unaufhörlich in die Luft hinein nach allen Seiten auf Rufe, die nur sie vernahm und die immer zahlreicher und dringlicher zu werden schienen. Es war, als ob nicht nur ihr verstorbener Gatte und ihre Tochter, sondern auch ihre Eltern, Schwiegereltern und mehrere andere, ihr im Tode vorangegangene Anverwandte irgendwo anwesend waren, und sie nannte Vornamen, von denen niemand im Zimmer sofort hätte sagen können, welche Verstorbenen damit gemeint seien. »Ja!«, rief sie und wandte sich nach verschiedenen Richtungen … »Jetzt komme ich … Sofort … Diesen Augenblick noch […].« Und dann, ganz plötzlich, ging über ihre gealterten und vom Leiden zerrissenen Züge ein Zucken, eine jähe, entsetzte Freude, eine tiefe, schauernde, furchtsame Zärtlichkeit, blitzschnell breitete sie die Arme aus, und mit einer so stoßartigen und unvermittelten Schnelligkeit, dass man fühlte: zwischen dem, was sie gehört, und ihrer Antwort lag nicht ein Augenblick – rief sie laut mit dem Ausdruck des unbedingtesten Gehorsams und einer grenzenlosen angst- und liebevollen Gefügigkeit und Hingebung: »Hier bin ich!« … und verschied.

Auch Franz Werfel hat das Phänomen einer Sterbebettvision in seinem Gedicht Der allerletzte Augenblick zum Ausdruck gebracht, das vielleicht auf eigenem, mittelbarem oder gar unmittelbarem Erleben beruht:52

Im Krankenzimmer, wenn’s zu Ende geht,

Links in dem Eck ein schmaler Engel steht.

Er ist gesandt, will Angst die Seele quälen,

Zu helfen ihr, sich leichter loszuschälen.

Es ist deshalb auch falsch zu sagen, jemand »gibt seinen Geist auf«. Stattdessen müsste es heißen, man gibt seinen Körper auf. Der Leib des Menschen bleibt zurück und vergeht, die unsterbliche Seele (das Bewusstsein, der Geist, oder, wie manche jetzt sagen, die »Information«) tritt aus diesem heraus wie der Schmetterling aus seinem Kokon und wandelt sich zu einer neuen, höheren Existenzform, ohne sich jedoch, zumindest vorerst, der irdischen und menschlichen Sphäre gänzlich zu entfremden.

Immer noch werden diese genannten transzendenten Erlebnisse der Menschen vor dem Schwellenübergang als pathologisch missdeutet, als Halluzinationen eines in Auflösung begriffenen, gegebenenfalls unter Medikamenteneinwirkung stehenden Organismus. »Die Fortentwicklung der medizinischen Technologie sowie das Verschwinden der religiösen Komponente bei der Heilung von Krankheiten und beim Sterben haben unsere Einstellung zum Tod grundlegend verändert. Das Augenmerk liegt allein auf den Lebenden und den Nachteilen, die ihnen drohen. Dagegen wird weiterhin angenommen, dass Menschen, die im Sterben liegen, den Lebenden nichts mehr mitzuteilen haben. Sterberituale sind aus unserem Alltag verschwunden. […] Die Medizin – fähig, nicht funktionierende Organe durch Maschinen zu ersetzen – hat die Religion als Schlüssel zur Unsterblichkeit längst abgelöst.« So fasst der Arzt und Nahtodforscher Melvin Morse seine Erfahrungen zusammen.53

Dagegen handelt es sich in der Regel um bedeutende geistige Erlebnisse, die sich bereits Tage vor dem Tod einstellen und auch zuweilen ihre Spuren im Äußeren des Betreffenden, vor allem im Gesichtsausdruck, hinterlassen können. »Einige Tage, bevor meine Schwester starb, hatte ihr Gesicht einen solchen Ausdruck menschheitsferner Erhabenheit, dass ich aufs Tiefste erschrak«, schrieb C. G. Jung am 11. Juli 1944 an eine nicht genannte Adressatin.54 Oft wird beobachtet, dass die entsprechenden transzendenten Erlebnisse bei Menschen auftreten und eine deutliche Veränderung ihrer geistigen Lebenseinstellung hervorrufen, die bisher als bekennende Atheisten jedes Weiterleben nach dem Tode leugneten.

Bei kreativen Menschen können sich Ausblicke auf ungeahnte Dimensionen ihrer Fähigkeiten eröffnen. »Wenn ich erst wieder besser bin, dann sollt ihr erst erfahren, was Poesie ist, ich habe herrliche Gedichte und Lieder im Kopfe«, äußerte Novalis wenige Tage vor seinem Tod gegenüber seinem Bruder Karl. Er beschäftigte sich auch mit einem ganz neuen Entwurf für sein Romanfragment Heinrich von Ofterdingen.55 Dies steht im Einklang mit heutigen Untersuchungsergebnissen. Nach dem Psychologen C. Garfield gibt es eine »vermehrte Wahrscheinlichkeit von Erfahrungen der Erleuchtung unmittelbar vor dem Tod«.56 Er hat damit das beobachtet, was schon Cicero wusste, nämlich »dass die Seele schon bei Herannahen des Todes um vieles göttlicher sei«.57

Oft wird vom Hören einer wunderbaren »himmlischen« Musik berichtet (dies ist auch Bestandteil mancher Nahtoderfahrungen, siehe Seite 77 ff.). So heißt es vom Hingang des Buddha: »Als der Meister auf der Bahre lag, ließen sich himmlische Melodien in den Lüften vernehmen, dem Vollendeten zu Ehren.«58 Der Biograf Jakob Böhmes, Abraham von Franckenberg, berichtet von dessen letzten Stunden:

Als er im Jahre 1624 etliche Wochen über bei uns in Schlesien war und neben andern erbaulichen Gesprächen von der hochseligen Erkenntnis Gottes und seines Sohnes, sonderlich aus dem Lichte der geheimen und offenbaren Natur, zugleich die drei Tafeln von göttlicher Offenbarung […] verfertigte, ist er nach meiner Abreise mit einem hitzigen Fieber überfallen, wegen zu vielen Wassertrinkens zerschwollen, und endlich seinem Begehren nach also krank nach Görlitz in sein Haus geführt worden; allwo er nach zuvor getanem reinevangelischem Glaubensbekenntnis und würdigem Gebrauch des Gnadenpfandes, folgenden 17. Nov. sonntags verschieden, da er zuvor seinen Sohn Tobiam rufte und fragte: Ob er auch die schöne Musik hörte? Als er sagte nein, sprach er: Man sollte die Türe öffnen, dass man den Gesang besser hören könne.59

Im ersten Heft von Karl Philipp Moritz’ Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (1783) wird von einem noch jungen Mann auf dem Sterbelager berichtet:

Bald nachher erheiterte sich auf einmal seine ganze Miene. Ei wie schön! sagte er lächelnd, o das ist was Herrliches! solch einen Gesang habe ich noch nie gehört! wenn doch das mein Bruder hören könnte! –

Der streitbare Privatgelehrte und Schriftsteller Georg Friedrich Daumer, der der Nachwelt vor allem als zeitweiliger Erzieher Kaspar Hausers und durch die Vertonungen zahlreicher seiner Gedichte durch Johannes Brahms in Erinnerung blieb, behandelt in seinem Buch Das Geisterreich eine Anzahl von Sterbebettvisionen, auch solche mit musikalischen Begleiterscheinungen. Eigens hebt er »die räthselhafte und unerklärliche Musik, die man nach Göthe’s Tod vernahm«, hervor:

Sie wurde von verschiedenen Personen gehört; sie kam dem einen wie Orgelton, dem anderen wie Gesang, dem dritten wie Clavierspiel usw. vor; sie ertönte bald mit längeren, bald mit kürzeren Pausen, bald an diesem, bald an jenem Orte, doch immer in Göthe’s Haus oder dicht daneben oder dicht darüber. Eine Ursache war nicht zu ermitteln.60

Der Dichter und Orientalist Friedrich Rückert äußerte sterbend: »Ach, ich glaub’, ich habe die Paradiesquellen rauschen hören.«61 Hierher gehört auch Ludwig Uhlands Gedicht Das Ständchen über ein sterbendes Kind, das Musik der Engel hört; dies dürfte, bedenkt man die damals noch hohe Kindersterblichkeit, dem Leben abgelauscht sein:

Das Ständchen

»Was wecken aus dem Schlummer mich

Für süße Klänge doch?

O Mutter, sieh! wer mag es sein

In später Stunde noch?«

»Ich höre nichts, ich sehe nichts.

O schlummre fort so lind!

Man bringt dir keine Ständchen jetzt,

Du armes, krankes Kind!«

»Es ist nicht irdische Musik,

Was mich so freudig macht;

Mich rufen Engel mit Gesang.

O Mutter, gute Nacht!«

Marie Luise Kaschnitz berichtet von einem Fall in Italien, wonach sich am ersten Todestag einer jungen Nonne, von dieser angekündigt, im ganzen Kloster eine wunderbare, überirdische Musik vernehmen ließ, welche bei allen, die sie hörten, und es waren offenbar viele, »ein unbeschreibliches Glücksgefühl« zurückließ.62

Es wäre eine interessante Frage, ob – in Analogie zu Novalis’ Vision – auch Komponisten eine musikalische Offenbarung hatten, die ihr bisheriges Schaffen transzendierte. Davon ist bis auf zwei Ausnahmen (siehe die weiter unten folgenden Ausführungen über Schubert und Schumann) nichts überliefert. Nicht gemeint sind melancholische Todesahnungen, zum Beispiel Mozarts Klarinettenkonzert, Mahlers vollendeter Satz der unvollendeten zehnten Sinfonie oder die Vier letzten Lieder und die Metamorphosen von Richard Strauss.63 Vielleicht ließe sich sagen, dass beispielsweise im Adagio von Franz Schuberts postumem Streichquintett op. 163 (D 956), einer seiner letzten Kompositionen, der Glanz überirdischer Schönheit aufleuchtet. Doch hat es gerade mit Schubert, der kaum älter als Novalis wurde, und seiner Musik ohnehin eine besondere Bewandtnis. Sein riesiges Œuvre, Ströme von Melodien ließ er, der auf Erden Heimatlose, in nur wenigen Jahren aus seiner rätselhaften, überreichen Seele herausquellen, zum Staunen seiner Mitwelt. »Die Menge der von Schubert geschriebenen Werke ist angesichts seines kurzen Lebens kaum begreiflich!«, hieß es schon bald in einem Lexikon.64 Schon als Kind zeigte er eine solch überragende musikalische Begabung, dass sein erster Musiklehrer ihn bald nichts mehr lehren konnte, denn »der Franzl hat doch die Harmonie im kleinen Finger«. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Schubert mit seiner musikerfüllten Seele nie ganz auf der Erde angekommen ist; er selbst bekannte einmal, es komme ihm manchmal vor, als gehöre er »gar nicht in diese Welt«, und in einem Brief an seinen vertrauten Bruder Ferdinand sprach er von seiner »ewig unbegreiflichen Sehnsucht«. Nach einer Aufführung von Schuberts großer C-Dur-Sinfonie Jahrzehnte später bekannte der Dirigent Hans von Bülow: »Man hatte in ewigen Räumen, in einer zeitlosen Zeit geweilt.« Die erste Zeile der im Schatten des Todes komponierten Winterreise: »Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus« lässt sich durchaus auf sein eigenes Leben übertragen. Er war in der Tat »im Grunde anonym«.65 Der erste Sänger von Schuberts Liedern, Michael Vogl, bezeichnete diese als »wahrhaft göttliche Eingebungen« und als »Hervorbringungen einer musikalischen clairvoyance [Hellsichtigkeit].« Aber selbst über dieses hinaus hat Schubert in unmittelbarer Todesnähe, gewissermaßen als Sterbebettvision – und dies erinnert an die zuvor zitierten Worte Novalis’ – noch eine ganz andere Dimension der Musik erleben dürfen, wie sein Freund Eduard Bauernfeld überliefert: »Auch völlig neue Harmonien und Rhythmen gingen ihm im Kopfe herum, versicherte er – mit diesen ist er eingeschlummert.«66

Schließlich sei noch Max Reger genannt, in dem sich die große alte, auf Bach gründende abendländische Musiktradition vollendete. »Welche Fülle! Welche Weite! Welche Tiefe!«, ruft Hans Lüthje angesichts von dessen musikalischem Lebenswerk aus, »… noch einmal ein unerschöpflicher Reichtum wie bei Bach, Händel und ihren Nachfolgern«, und zitiert dann einen Augenzeugen: »Den Ausdruck seines Gesichtes im Tode werde ich nie vergessen. Es ist das Monumentalste, was ich je auf einem Menschenantlitz gesehen habe. Auf dem Wege in das unbekannte Land muss er gewaltige Erscheinungen gesehen haben …«67 Und man möchte ergänzen, dass er auch gewaltige musikalische Offenbarungen gehört haben muss …

Aber hat nicht die Musik, diese geistigste der menschlichen Künste, als »Teil des schwingenden Weltalls« (Ferruccio Busoni)68 nicht per se die größte Nähe zur jenseitigen, göttlichen Welt? Robert Schumann zum Beispiel, der, wohl aufgrund einer gewissen Gelockertheit seines leib-seelischen Gefüges, besonders durchlässig für die geistigen Kundgebungen der Musik war, hielt die gesamte Welt der Töne und der Musik für jenseitige Offenbarungen. »Süße Töne, himmlische Klänge«, sprach er schon als Jugendlicher in einem seiner kleinen Texte (Polyrhythmen) im Besonderen die Töne einer Glasharmonika an, »saget, o saget mir, warum wein’ ich, wenn ich euch höre?« Worauf er die Töne antworten lässt: »Wir sind Vorboten einer Welt, nach der du dich sehnst, der du entgegenweinst, die du hier nimmer findest – wir kommen vom Jenseits.«69 Dann, am Ende seines bewussten Lebens, zwei Wochen vor seinem Zusammenbruch im Februar 1854, hatte sich sein Geist bereits so weit von seiner Leiblichkeit gelöst, dass er musikalische Wahrnehmungen hatte, die nicht von dieser Welt waren. Der damalige Düsseldorfer Konzertmeister überlieferte in seinen diesbezüglichen Aufzeichnungen wesentliche Vorgänge: »Es ist dies: das innerliche Hören von wunderschönen, in der Form vollkommenen Musikstücken! Der Klang ist ihm wie ferne Blasmusik; die herrlichsten Harmonien zeichnen diese noch besonders aus.«70

Drei Tage später schrieb er des Nachts ein ihm angeblich von Engeln vorgesungenes Thema in Es-Dur nieder, welches den anschließend noch entstandenen sogenannten Geistervariationen zugrunde liegt – »ganz eigentlich Schumanns letzter musikalischer Gedanke«, wie Johannes Brahms bemerkte, der seinerseits über dieses Thema seine Variationen op. 23 schrieb. Zuletzt war, wie obiger Gewährsmann weiter mitteilt, Schumann überzeugt, dass Franz Schubert ihm diese »herrliche Melodie« geschickt habe.

Die Frage liegt nahe, ob die Komponisten in ihrem nachtodlichen Dasein weiterhin ihrer Passion obliegen und nun »jenseitige« Werke schaffen. Sie müsste mit Ja beantwortet werden, falls man dem Wirken der medial, aber nur mäßig musikalisch begabten Engländerin Rosemary Brown (1916–2001) vertraut, die nach eigener Aussage Durchgaben von Kompositionen Franz Liszts und weiterer rund zwanzig Komponisten nach deren Diktat aufgezeichnet hat, darunter Beethoven, Schubert, Chopin und Brahms.71 Diese postmortalen Musikwerke sind nicht gerade spektakulär, wurden jedoch von mehreren Experten als für die jeweiligen Komponisten durchaus charakteristisch eingeschätzt (womit auch feststeht, dass Rosemary Brown für deren Herstellung bzw. »Fälschung« selbst keineswegs in der Lage gewesen wäre). Leonard Bernstein war jedenfalls von ihr beeindruckt und unter anderem von einer von ihr aufgezeichneten Komposition Sergej Rachmaninoffs sehr angetan, welche er als »vollkommen authentisch« bezeichnete. Wie dem auch sei, es muss trotz allem betont werden, dass diese medial empfangene Musik, wer immer sie gesendet haben mag, ihrem Wesen nach letztlich noch im Diesseits angesiedelte Menschenmusik ist und nicht im Entferntesten etwas mit jener wahrhaft »himmlischen« Musik zu tun hat, wie sie von Menschen im Sterbevorgang (wie oben beschrieben) oder von Nahtoderfahrenen (siehe Seite 77 ff.) immer wieder gehört wird.

Außerkörpererfahrungen

Ich weilte lang in andrer Welt …

Olav Åsteson

Die erste Stufe der eigentlichen Nahtoderfahrung stellt das Erlebnis dar, sich außerhalb seines Leibes zu befinden. Diese Außerkörperlichkeit kann verhältnismäßig leicht auftreten, aber auch am ehesten wieder rückgängig verlaufen.72

Was Ernest Hemingway als ein besonderes Kriegserlebnis, ausgelöst durch einen Granateneinschlag in unmittelbarer Nähe, beschreibt, dürften in ähnlicher Weise sehr viele Soldaten in den Kriegen aller Zeiten, vor allem aber in den neuzeitlichen, unter Einsatz von Bomben und Granaten geführten, erlebt haben:

Ich versuchte zu atmen, aber mein Atem blieb weg, und ich fühlte, wie ich sausend meinen Körper verließ, raus, raus, raus, und die ganze Zeit über spürte ich deutlich meinen Körper im Wind. Ich fuhr geschwind aus mir heraus, mein ganzes Ich, und ich wusste, dass ich tot war und dass es gar nicht wahr ist, wenn man denkt, man stürbe einfach. Dann trieb ich dahin und, anstatt dass es weiterging, fühlte ich mich zurückgleiten. Ich atmete, und da war ich wieder.73

In einem Brief an einen Freund hatte er dieses Erlebnis nicht lange danach so geschildert:

Ich fühlte meine Seele oder irgendwas glatt aus meinem Körper fahren, wie man ein seidenes Taschentuch am Zipfel aus der Tasche zieht. Sie flog umher, kam dann zurück, schlüpfte wieder hinein, und ich war nicht mehr tot.74

Der Schriftsteller hatte hier also eine keineswegs erdachte oder erdichtete, sondern höchst reale sonderbare Erfahrung wiedergegeben: die kurzzeitige Trennung seiner »Seele oder irgendwas«, seines »ganzen Ichs« von seinem Körper. Ein anderer Soldat berichtet von seinem Erlebnis durch einen Bombenangriff während eines Krieges in Westafrika:

Ich sah den Staub der Explosion, durch die ich das Bewusstsein verloren hatte, abziehen und meinen eigenen Körper im Sand liegen. […] ich entsinne mich, dass ich dachte »Du musst zurück«, und dann […] war ich wieder in meinem Körper und bemühte mich bewusst, die Augen aufzuschlagen. Merkwürdig war, dass ich zwar bewusstlos ausgezeichnet hören und später den andern erzählen konnte, was sie in der Zeit gesagt hatten, dass ich aber, wieder bei Bewusstsein, stocktaub war und das noch zwei Wochen blieb […] Die Erfahrung hat mich überzeugt, dass ein Teil der Persönlichkeit nach dem Tode weiterlebt […] Ich bin gewiss, dass bei meinem Tod oder vielmehr dem Tod meines Körpers ein Teil von mir weiterleben wird; wo oder wie weiß ich nicht.75

In den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts hatte ein Bergsteiger, ausgelöst durch einen Vorfall am Seil (wobei er einige Meter in die Tiefe fiel), ein außerkörperliches Erlebnis:

Es war eine überwältigende Empfindung, völlig jenseits alles Erlebten, als befänden sich all meine Lebenskräfte in einem fundamentalen evolutionären Umbruch […] dem Umbruch, den man Tod nennt […] Ich weiß jetzt, dass man den Tod nicht zu fürchten braucht, er ist eine herrliche Erfahrung, der Höhepunkt, nicht der Tiefpunkt des Lebens. Wie lange ich dieses Crescendo von Kraft erlebte, kann ich nicht sagen. Zeit war nicht mehr Zeit […] Dann wich dieses Gefühl plötzlich einer völligen Gleichgültigkeit und Losgelöstheit hinsichtlich dessen, was dem Körper zustieß oder wahrscheinlich zustoßen würde. Ich schien meinem Körper entrückt. Ich fiel nicht, weil ich mich in einer Dimension befand, in der Fallen ausgeschlossen war. Ich, das heißt mein Bewusstsein, war von meinem Körper getrennt, und es kümmerte mich nicht im Geringsten, was mit ihm geschah. […] Es steht mir nicht an zu erörtern, was nur der Tod zeigen kann; doch für mich war diese Erfahrung überzeugend; sie überzeugte mich, dass das Bewusstsein über das Grab hinaus weiterlebt.76

Heutige Berichte von Außerkörper- bzw. Ausleibigkeitserfahrungen kommen meist von Verkehrsunfallstellen oder aus Krankenhäusern, vor allem den Operationssälen:

Und was für eine tolle Perspektive ich hatte! Ich konnte alles sehen – wirklich alles! Ich sah die Deckenlampen von oben ebenso wie die Unterseite der Trage. Ich sah die Fliesen an der Decke und die Fliesen auf dem Boden, gleichzeitig: 360 Grad sphärische Perspektive. Und nicht nur sphärisch – ich erkannte auch jedes Detail! Ich konnte bei der Krankenschwester, die neben der Trage stand, jedes einzelne Haar sehen und den Haarfollikel, aus dem es wuchs. Ich wusste sogar genau, wie viele Haare sie auf dem Kopf hatte.77

Die Erlebenden sind mit einer stark gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit begabt, auch ein klares Bewusstsein sowie Gefühle bleiben erhalten. Viele sehen Dinge, die zum Beispiel vom Operationstisch aus physikalisch gar nicht in ihrem Blickfeld liegen können, abgesehen davon, dass sie in Vollnarkose waren: beispielsweise Staub oben auf den Operationslampen (dies öfters), Geräte samt Messskalen, Firmenschilder an Geräten, oder sie haben das während der Operation von Ärzten und Krankenschwestern Gesprochene genau gehört, oft auch in weiter entfernten Räumen – wie sie sich überhaupt frei schwebend nach eigenem Willen fortbewegen können, im ganzen Krankenhaus und darüber hinaus. Dabei nehmen sie Dinge wahr, von denen sie unmöglich auf normalem äußerem Weg hätten Kenntnis erlangen können, zum Beispiel einen Turnschuh auf einem von innen gar nicht einsehbaren äußeren Fenstersims in einem entfernten, dem Patienten unzugänglichen Gebäudeteil, in gleicher Weise einen irgendwie verirrten Schuh auf dem Dach. Und da ist die berühmte von van Lommel berichtete Anekdote mit der Zahnprothese. Diese wurde einem tief bewusstlosen Patienten auf der Intensivstation von einem Pfleger vor der Reanimation abgenommen. Tage später wollte man sie dem Patienten, der inzwischen wieder bei Bewusstsein war, zurückgeben, doch wusste niemand der gerade Diensttuenden von ihrem Verbleib. Der Patient selbst aber konnte genau angeben, welcher Pfleger sie ihm damals herausgenommen hatte und dass dieser sie in die Schublade eines ganz bestimmten Schränkchens gelegt hatte. Sie fand sich genau dort.78

Sehr oft schauen die aus ihrem Körper Ausgetretenen von der Decke des Raumes distanziert-interessiert oder teilnahmslos, manchmal sogar unwillig ihrer eigenen Wiederbelebung zu, oder sie schweben gegebenenfalls über der Unfallstelle, und zwar stets völlig schmerzfrei. Das Verlassen des Körpers wird unbedingt als Befreiung erlebt – als Weitung und Entgrenzung. Das Erleben selbst ist keineswegs traumartig oder verschwommen, sondern sehr real, und es handelt sich auch nicht entfernt um eine Halluzination, da diese nicht mit der objektiven Wirklichkeit übereinstimmt, während der Ausleibigkeit jedoch die Geschehnisse gerade mit besonderer Geistesklarheit deutlich wahrgenommen werden. Dem widerspricht nicht der Bericht eines Mannes, der beobachtete, wie bei seiner Operation, bei der er angeblich nur eine einprozentige Überlebenschance hatte, Engelwesen den Ärzten und Schwestern die Hand führten; er erholte sich außergewöhnlich schnell, und der ausführende Chirurg äußerte danach, dies sei die beste Operation seines Lebens gewesen.79

Selbst – auch von Geburt an – Blinde (oder auch stark Kurzsichtige) sind zu diesen Wahrnehmungen fähig, nur beschreiben sie das »Gesehene« anders wegen ihrer mangelnden Erfahrung. Gerade sie geben den entscheidenden Hinweis auf die Natur dieser Wahrnehmung: Diese geschieht weder bei den Blinden noch bei den normal Sehenden mittels der Augen (die ja zum verlassenen Körper gehören), sondern offenbar mit der ganzen Seele bzw. dem losgelösten Bewusstsein selbst – oder mit einem irgendwie anders gearteten »Körper«? Man darf wohl von einem »umfassenden Gewahrsein« sprechen.80 Kenneth Ring, der die grundlegenden Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt hat, drückt sich, ganz verantwortungsbewusster Wissenschaftler, fast zu vorsichtig aus: »Wenn wir diesen Berichten glauben können, dann dürfte es schwierig sein, die Folgerung zu umgehen, dass sich unter extremen Bedingungen ein bewusster Aspekt unseres Selbst vom physischen Körper loslösen kann und dann nicht mehr von dessen Einschränkungen behindert ist.«81

Von zentraler Wichtigkeit ist nämlich die Frage, was dies denn eigentlich ist, das sich vom Körper löst, das sehen und wahrnehmen kann, sich schwerelos nach Belieben da- und dorthin bewegen kann und dabei ein Bewusstsein der eigenen Identität bewahrt. Sofern diesbezüglich Aussagen gemacht werden, empfindet man sich zwar vom materiellen Körper gelöst, aber dennoch nicht völlig leibfrei, sondern mit einer gewissen (intakten) Körperlichkeit ausgestattet: »Dieses Ablegen des