Unter Affen - Michelle Schreiber - E-Book

Unter Affen E-Book

Michelle Schreiber

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Beschreibung

Was passiert, wenn ein bodenständiger Beamter und eine tollkühne Tierschützerin aufeinandertreffen und die beiden spontan heiraten? Schlaflose Nächte, stinkende Gehege und bei 40 Grad im Schatten rotzfrechen Affen hinterherjagen? Das klingt nicht gerade nach den perfekten Flitterwochen! Und doch begleitet Marc seine frischgebackene Frau Michi nach ihrer Hochzeit ans andere Ende der Welt und tauscht das vertraute All-Inclusive-Hotel mit Cocktailbar und Pool gegen Lehmhütten, Affenkacke und Macheten ein. Mit viel Liebe und noch mehr Eskapaden im Schlepptau retten die beiden nicht nur das Leben eines ihrer Schützlinge, sondern stellen plötzlich fest, dass ihre Welten gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie sie eigentlich dachten. Begleiten Sie das Paar auf einer ungewöhnlichen Reise und erkennen Sie sich an den ein oder anderen Stellen vielleicht selbst wieder. Denn auch wenn nicht jeder so verschieden ist wie die beiden, kann das Abenteuer Ehe manchmal einem Affenzirkus gleichen.

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Michi & MarcSchreiber

Unter

AFFEN

Unsere Reise alsFreiwilligenhelferin Südafrika

Impressum

© 2024 CONBOOK Verlag in der Bruckmann Verlag GmbH

Infanteriestraße 11a

80797 München

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95889-476-1

eISBN 978-3-95889-480-8

Autoren: Michi und Marc Schreiber

Verantwortlich: Matthias Walter

Produktmanagement: Svenja Müller

Lektorat: Claudia Alt

Korrektorat: Simona Fois

Einbandgestaltung: Favoritbuero, München, unter Verwendung eines Fotos von Michi & Marc Schreiber, Lars Michael Wendt und Motiven von Dom Toretto / Shutterstock und Mathias Sunke / Shutterstock

Satz: Conbook Medien GmbH, Neuss

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Nachweise Bildteil: Seite 1–3: Marc und Michi Schreiber, Seite 4–8: Ulla Schreiber

INHALT

Vorwort von John Strelecky

Prolog

Tierschützerin trifft Kriminalbeamten

Abenteuer Südafrika

Marcs erstes Mal

TIA – This is Africa

Die ersten gemeinsamen 36 Körbe

Baboons und Bananen

Hilfe, wir haben ein Baby!

Wir sind verbunden

Ein Affe namens Kiwi

Affeneltern

Wir schmeißen alles hin und werden Kammerjäger

Stromausfall

Ein ungebetener Gast

Wie versprochen

Teamwork

Leg dich nicht mit Michi an

Lass uns dieses Leben erschaffen

Blyde River Canyon

Abschied von Hudini

Einfach glücklich

Zwei Herzen, die für Affen schlagen

Auf Safari

Affenliebe

Epilog

Anmerkung der Autoren

Danksagung

Für die Tiere. Möge dieses Buch euch eine Stimme schenken.Für Andrea, Horst, Karin und Michael.Die Menschen, die uns eine Stimme geschenkt haben.

Vorwort von

JOHN STRELECKY

I have had the pleasure of knowing Michi and Marc for a number of years now. Their spirit for adventure and willingness to follow their hearts is something I genuinely admire. It’s a courage which took me a lot longer on my life timeline to develop than it has taken them.

Their path is not an ordinary one. That’s for sure. Which is perhaps part of what makes this story so fun to read and so inspiring to understand. In one of my books I share an Aha! moment I had one day – »It’s easy to take the high road when there are no potholes.« Michi and Marc’s story beautifully illustrates the way our challenges test our conviction to who we are, the paths we want to walk, and what we think we’re capable of. Despite all the potholes they encountered on this part of their life journey, they stayed true to their selves, their calling, and to each other.

One of my favorite stories in the book is Marc’s experiences with a baboon named Abigail. It’s a story I heard while having dinner one night with Marc and Michi and they had me amazed, inspired, and laughing so hard my stomach hurt as they told it. It’s one of those where you just can’t believe that while you were busy living your regular life, doing regular things, someone was doing that with their day.

We do not choose where we’re born in life, but we do choose where we stay. We do not choose who we’re born to, but we do choose who we stay around. Michi and Marc are living proof that with courage, commitment, and a calling which inspires you, it’s possible to create a life for yourself and with the person you love, that pushes the boundaries in whatever directions you feel called to go.

Enjoy the read!

Your fellow traveler,

John

John Strelecky

Autor von Das Café am Rande der Welt und Safari des Lebens

PROLOG

Die Sonne Südafrikas verschwindet hinter dem Maschendrahtzaun, während immer wieder ein Affe durch mein Blickfeld springt. Penny landet auf meinem Kopf und beginnt freudig zu giggeln. Sorgfältig laust sie eine Strähne nach der anderen. Ich lächle, und ein Gefühl von Glückseligkeit breitet sich in mir aus. Vollkommen frei von Gedanken und ganz präsent genieße ich einfach nur den Moment – der zu den schönsten meines bisherigen Lebens gehört. Denn was ich gerade sehe, bestärkt mich in meinem Glauben an grenzenlose Liebe, Glück und Wunder.

Marc sitzt an der Wand mir gegenüber. Er kuschelt einen kleinen Affen namens Tyga und schließt glücklich die Augen. Die Haare meines Mannes sind vollkommen zerzaust, sein beiges XXL-Poloshirt ist voller Affenkacke, und seine alten Gummistiefel sind ganz zerbissen von den frechen Affen. Ja, er schaut aus, als wäre er zu Fuß von Deutschland nach Südafrika gegangen und hätte daher seit Tagen nicht geduscht. Aber das ist mir egal.

In jenem Moment sehe ich nicht, was ihn augenscheinlich ausmacht, sondern blicke in sein Herz. Plötzlich sind wir vollkommen miteinander verbunden. Ich spüre, was er spürt: Zufriedenheit, Entspannung und das Gefühl, endlich angekommen zu sein. Und auf einmal verschwimmt die Welt, und wir werden eins. Ein gemeinsames Herz, das für Affen schlägt. Und wann immer ich Marc ab jenem Moment anblicken werde, werde ich mein Spiegelbild sehen – das Gesicht eines Menschen, der bereit ist, ein Leben für die Affen zu leben.

Tierschützerin

TRIFFT KRIMINALBEAMTEN

Meine Worte waren immer: »Ich heirate nur einen Mann, der verrückt genug ist, mit mir in Südafrika bei den baboons, den Pavianen, zu flittern.« Ich bin Michi, Tierschützerin für Primaten, die nun seit fast zehn Jahren ihren gesamten Jahresurlaub aufspart, um als Freiwilligenhelferin verwaiste Affenkinder in Südafrika aufzuziehen und auszuwildern. Denn mein Herz schlägt seit meiner ersten Begegnung mit dem kleinen Pavianbaby namens Barney am 3. Oktober 2015 für die Welt dieser Tiere. Da ich nie davon ausgegangen bin, einem Menschen zu begegnen, der seine Flitterwochen lieber mit harter Arbeit, Affenkacke und Gemeinschaftsduschen verbringt als in einem 5-Sterne-Hotel, hatte ich die Ehe für mich immer ausgeschlossen und stolz gesagt: »Ich bin alleinerziehende Mama von einhundert Affen. Da brauche ich keinen Mann.«

Doch das Leben spielt meist ganz anders, als man denkt, und noch ehe ich mich versah, belehrte es mich eines Besseren. Immerhin habe ich am Ende mit gerade einmal zweiundzwanzig Jahren und nach zehn Monaten Beziehung geheiratet.

Viele nannten das verrückt, aber ich muss gestehen, dass ich bei großen Veränderungen immer aus dem Herzen heraus entscheide, ganz ohne nachzudenken. Wenn es sich tief im Herzen richtig anfühlt, dann vertraue ich darauf, dass es auch richtig sein wird.

Daher gehöre ich freudigerweise zu den Menschen, die das Glück hatten, der großen Liebe (bisher) zweimal begegnet zu sein. Auch wenn ich die wahre Liebe nie sofort erkannt habe.

Bei den Affen musste ich erst am Scheidepunkt stehen, kurz davor, sie vermutlich für immer hinter mir zu lassen, bis ich erkannte: Das ist wahre Liebe! Wenn du mein erstes Buch Unbändig (erschienen 2022) gelesen hast, dann kennst du die Geschichte von mir und Barney. Und falls nicht, dann möchte ich nicht zu viel verraten, aber glaub mir: Die besten Geschichten beginnen auf einer Flughafentoilette.

Bei meiner zweiten großen Liebe – meinem Mann – war es ähnlich, und dieses Buch erzählt nicht nur davon, wie ich mich spontan und voller Vertrauen in das Abenteuer Ehe stürzte, sondern vielmehr, wie sich die Affen und Marc das erste Mal begegnet sind. Eine Begegnung, die mein Leben auf so vielen Ebenen bereichert hat. Denn ja, ich habe Marc einfach ins kalte Wasser geschubst. Oder sollte ich besser sagen, in den schmutzigen Affenkäfig?

Es ist der 2. September 2018. Nach einer sechsstündigen Busfahrt kommen wir in Rainbow Beach an, einem kleinen, traumhaft schönen Strand in Australien. Hä, Australien? Ja, verlobt haben wir uns in Australien. Geflittert wurde in Südafrika. Doch ich könnte nie die Geschichte unserer Flitterwochen erzählen und dabei den vermutlich außergewöhnlichsten Heiratsantrag aller Zeiten auslassen. Was ihn so sonderbar macht, ist, dass er so simpel war, dass ich nicht einmal verstand, was Marc von mir wollte.

Nach unserer Ankunft in Rainbow Beach gingen wir gemeinsam mit der Reisegruppe wandern, um den langen anstrengenden Tag auf einer der schönsten Sanddünen der Welt ausklingen zu lassen, der Carlo Sand Blow. Nach einer knappen Stunde kamen wir endlich an. Zu unserer Rechten lag eine atemberaubende Bucht mit schneeweißem Sandstrand, während uns zu unserer Linken die schönste Aussicht aller Zeiten begrüßte. Vor uns erstreckte sich die Küste mit ihren grünen Urwäldern, dem wilden tosenden Meer und der untergehenden Sonne Australiens im Hintergrund. Von diesem Naturspektakel überwältigt, liefen wir Hand in Hand der Sonne entgegen, ließen uns am Rand der Klippen nieder und zählten die Sekunden, bis die Sonne untergehen würde. Denn in Australien ist das binnen weniger Augenblicke der Fall. Ich atmete glücklich und zufrieden ein, legte meinen Kopf an Marcs Schulter und lächelte beseelt. Sanft küsste er meinen Kopf. Ich spürte, dass seine Lippen zitterten, während er nervös einen Arm um mich legte und zu drucksen begann: »Hast du schon einmal überlegt, etwas Verrücktes zu tun?«

Ja, andauernd!, war mein erster Gedanke. Immerhin stellte er diese Frage der Frau, deren zweiter Vorname »abenteuerlustig« ist. Dennoch irritierte mich die Frage, denn um ehrlich zu sein, verstand ich keineswegs, was er in diesem Moment damit bezwecken wollte, und das einzig Verrückte, was man dort hätte tun können, wäre Sandboarden gewesen. Aber Marc wäre doch nie verrückt genug gewesen, um sich hier in den Tod zu stürzen. Denn alle zwei Meter standen große Hinweisschilder mit »Sandboarding prohibited«, da das wegen der Klippen und Abhänge lebensgefährlich war.

»Sandboarden ist hier verboten«, meinte ich und zwinkerte ihm zu.

Marc, der nun genauso verwirrt war, zog die Brauen zusammen und schnaubte fragend. Das war wohl nicht die Antwort, die er sich gewünscht hatte.

»Oder was meinst du?«, fragte ich nun noch irritierter.

Für einen Moment druckste er erneut unsicher herum, bevor er ganz leise flüsterte: »Nein, so verrückte Dinge wie Heiraten zum Beispiel.«

In jenem Moment wurde alles um uns herum ganz still, und auch ich war ausnahmsweise voller Ruhe. Sprachlos, gedankenlos, atemlos. Liebend gerne würde ich erzählen, was ich in diesen Augenblicken gedacht habe, doch ich kann mich nicht erinnern. Ich weiß nur, dass mein Herz schnell pochte, dass ich vermutlich Ja gesagt haben muss und dann voller Lebensfreude über die Düne tanzte, während Marc mir einfach nur dabei zusah, wie in mir ein Feuerwerk der Gefühle explodierte. Bis ich mich schließlich beruhigt hatte und ihm freudig in die Arme sprang, um ihn zu küssen. Yes, die Frau, die nie heiraten wollte, war nun verlobt.

Kichernd wie kleine Kinder saßen wir im Sand, konnten nicht aufhören zu lachen oder den Kopf zu schütteln. Keiner von uns konnte glauben, was wir da beschlossen hatten. Marc wurde immer wieder rot bei dem Gedanken, sich getraut zu haben, mich zu fragen, während ich immer wieder verlegen lächelte, weil ich tatsächlich eingewilligt hatte.

In jenem Moment waren wir beide unfassbar überrascht von uns selbst. Marc, der sonst immer sehr rational ist, hatte sich einmal voll und ganz seinen Emotionen hingegeben, und ich, die sich geschworen hatte, nie zu heiraten, hatte Ja gesagt!

Den restlichen Abend verbrachten wir in unserem romantischen Zwei-Sterne-Hostel, aßen Fertignudeln von bunten Plastiktellern und stießen mit einem halben Liter Limonade auf unsere Verlobung an. Kein Ring, keine Kerzen, keine Rosen.

»Du weißt schon, dass wir unsere Flitterwochen bei den Affen verbringen werden, oder?«, sagte ich und zwinkerte ihm zu, während er die viel zu weich gekochten Spaghetti mit Tomatensoße aß.

»Du weißt, dass ich sowieso mitgekommen wäre!«, konterte er, und in jenem Moment sagte mein Herz es noch mal ganz laut: Ja, auf in ein neues Abenteuer!

Marc

Wer bin ich? Mein Name ist Marc. Würde ein Außenstehender mich beschreiben, so wären vermutlich Worte wie »gewöhnlich« und »bodenständig« jene, die ihm in den Sinn kommen würden. Stets überlegt und rational. So, wie es der Job eines Kriminalbeamten wohl mit sich bringt.

Jeder, der mich also nur ein kleines bisschen kennt, hätte mir diese Art des Heiratsantrags sicher nicht zugetraut – inklusive ich selbst. Und auch wenn ich es manchmal noch immer nicht glauben kann, hat sich all das tatsächlich so ereignet. Mal von der Verwechslung der Richtung, aus welcher der Sonnenuntergang kam, abgesehen, was wohl Michis Rechts-links-Schwäche zuzuschreiben ist. Im Endeffekt war ich wohl genauso überrascht und verwirrt von meinem Antrag wie Michi. Geklappt hat es ja zum Glück trotzdem, auch wenn ich eigentlich alles ganz anders geplant hatte!

In meiner damals noch naiven Vorstellung von Affen dachte ich: ›Michi liebt Affen, also was könnte es Besseres geben als ein süßes Affenbaby, welches ihr den Ring überbringen würde, wenn ich sie nach Südafrika begleite?‹

Oh Gott, wie dieser Antrag mich direkt ins Chaos geführt hätte, nachdem ich nun weiß, wie sich diese Situation tatsächlich zutragen würde.

Die harmloseste Variante wäre wohl, dass das Äffchen den Ring einfach verloren hätte. So hätte ich mich im Anschluss auf die verzweifelte Suche nach der Nadel im Heu- oder – besser gesagt – Affenmisthaufen machen dürfen. Allerdings hätten vermutlich zwanzig andere Affen mit mir gesucht und das ohne die Absicht, mir mein Schmuckstück zurückzugeben.

Als zweite und wahrscheinlichere Möglichkeit hätte das kleine Äffchen die Option gehabt, den Goldring einer Geschmacksprobe zu unterziehen, was ebenfalls in einer Such- und Wühlaktion durch den Mist geendet hätte, nur eben einen Tag später.

Aber so, wie ich die kleinen Racker mittlerweile kennengelernt habe, weiß ich, dass er sich für eine Mischung aus allem entschieden hätte, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen. Statt sich erwartungsgemäß schnurstracks zu meiner Traumfrau zu begeben und meinen filmreifen Antrag in die Tat umzusetzen, wäre er einfach blitzschnell den Zaun hinaufgeklettert und hätte sich auf den höchsten Ast begeben, um seine neuste Errungenschaft in Augenschein zu nehmen. Mein wohl verzweifelter Versuch, die Situation zu retten und den Ring zurückzuholen, wäre ohne Zweifel in einer Katastrophe geendet. Unwissend wäre ich dem Affen nachgejagt und hätte ihm schlimmstenfalls den Ring gewaltsam entrissen. Ein kleiner Schrei dieses Affen – und statt des erhofften Kusses und eines »Ja« wäre eine Befreiung meinerseits durch Michi aus einem aufgebrachten Affenmob notwendig gewesen. Obwohl diese Affen selbst noch Babys sind, haben sie ein außerordentliches Gruppengefüge und sind gewillt, sich gegen vermeintliche Bedrohungen, wie etwa Ringdiebe, zur Wehr zu setzen. Dies erfolgt, bei ihrer Größe, durch kleine schmerzhafte Bisse in die Waden, was zu münzgroßen Blutergüssen führt – nicht die Art von Knutschfleck, die man sich bei seiner Verlobung wünscht.

So habe ich – Gott sei Dank vor diesem Affentheater – gelernt, dass manchmal ein wenig Spontanität von Vorteil sein kann. Der Mob sollte mir jedoch trotzdem nicht erspart bleiben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Vorerst hieß es nun noch einmal, aus dem Rahmen, der Erwartungen anderer auszubrechen und dem Herzen zu folgen. Nach zehn Monaten Beziehung war es schließlich an der Zeit, zu heiraten.

Abenteuer

SÜDAFRIKA

Am 18. Dezember 2018 war es dann so weit. Nachdem Marc sich am Abend zuvor beim Squash eine Platzwunde an der Stirn zugezogen hatte, musste ich am Morgen unserer Hochzeit ganze Arbeit leisten, um den Fauxpas gekonnt zu überdecken. Eigentlich sollte ich geheim halten, dass er mit dem Schläger gegen die Wand geschlagen hatte und dieser beim Rückstoß gegen seine Stirn geprallt war. Aber nun ja, jetzt ist es raus.

Die Stunden vor unserer Hochzeit waren verrückt. Ich erinnere mich noch genau an die Lieder, die wir gesungen haben, während ich, die Braut, Marc, dem Bräutigam, die Wunde überschminkte. Oder an Marcs zittrige Hände, als er seine Haare machte, und diese eine kleine Strähne, die einfach nicht richtig stehen wollte und ihn damit fast um den Verstand brachte. Ich selbst war die Ruhe in Person. Meine Haare waren gelockt wie immer, und abgesehen von Mascara war auch mein Make-up dezent gehalten. Ich wollte einfach nur als ich selbst heiraten. Und Michi ist eben einfach.

Es war 10:15 Uhr, als die Haustür ins Schloss fiel und mir plötzlich eines bewusst wurde: Ich werde in einer Dreiviertelstunde heiraten. Ab diesem Moment war es vorbei mit der Ruhe. Plötzlich war ich es, die zitternd aus dem Fenster starrte, während Marc nun freudestrahlend am Steuer saß.

Wir hatten uns für eine weiße Winterhochzeit im Dezember entschieden, aber stattdessen war der Himmel grau, und die Reste des Schnees waren bestenfalls brauner Matsch.

»Romantisch«, neckte ich Marc, um meine Nervosität zu überspielen.

»Ich brauche kein gutes Wetter, um romantisch zu sein!«, erwiderte er und zwinkerte mich entspannt an.

Am Standesamt angekommen, parkten wir in erster Reihe und schlichen uns, so gut das in Smoking und Brautkleid möglich war, zu unserer Trauung. Ab dann ging alles ganz schnell, und keine Stunde, nachdem wir angespannt durch die riesige hölzerne Tür gehuscht waren, kamen wir freudestrahlend heraus.

»Flitterwochen«, jubelte ich meinem frischgebackenen Ehemann ins Ohr.

»Flitterwochen mit Affen«, verbesserte er mich frech.

Nun musste ich nur noch meinen Reisepass beantragen, und drei Monate später standen wir mit ebendiesem Pass, dem gleichen Nachnamen und ganz vielen Schmetterlingen im Bauch am Check-in-Schalter in Luxemburg, von wo aus unser Flug nach Südafrika ging. Mein Vater hatte uns zum Flughafen gebracht, denn er war meine Abenteuerreisen mittlerweile gewohnt, weshalb der Abschied kurz und schmerzlos verlief. Koffer aus dem Auto, eine Umarmung und »tschüss«.

Nachdem wir unser Gepäck aufgegeben hatten, nahmen wir in einem Bistro Platz, bestellten völlig überteuerten Kaffee und sprachen darüber, dass wir vor knapp einem Jahr genau hier gesessen hatten. Jedoch ich noch unter anderem Namen und mit nur einem Flugticket in der Tasche. Damals war ich nämlich ohne Marc nach Südafrika geflogen, und das, nachdem wir gerade mal fünf Tage zusammen waren. Freudig kicherten wir jetzt darüber, aber damals war es die pure Hölle gewesen. Selbst die Liebesbriefe, die wir uns geschrieben hatten, konnten den Trennungsschmerz nicht lindern. Zum Glück mussten wir uns diesmal nicht voneinander verabschieden, denn wir waren in den Flitterwochen und würden ausnahmsweise gemeinsam hin- und zurückfliegen. Eine absolute Premiere, denn auch in Australien hatte Marc die Heimreise alleine antreten müssen.

Immer wieder griff mein frischgebackener Mann nervös meine Hand, und ich lächelte ihm zuversichtlich zu. Marc war sichtlich aufgeregt, die Affen kennenzulernen und endlich hautnah zu erleben, wovon ich jeden Tag meines Lebens schwärmte.

Auch ich konnte die Vorfreude kaum aushalten.

»Ich freu mich so«, platzte es ganz spontan aus mir raus, und ich fiel Marc um den Hals.

»Ich auch«, sagte er unbeholfen. Während die Aussicht auf Abenteuer in mir ein Gefühl von purer Lebensfreude auslöst und ich es liebe, außerhalb meiner Komfortzone durch die unbekannte Wildnis zu streunern, ist Marc im »Fight-flight-freeze«-Modus, wenn ihn etwas Neues erwartet. Kein Wunder also, dass er kaum ansprechbar war und mit jeder Sekunde, die unser Flug näher rückte, starrer wurde. So in Gedanken vertieft, erschrak er sogar, als ich ihn zurück ins Hier und Jetzt holte, damit wir unseren Flug nicht verpassten.

»Auf geht’s!«, freute ich mich, als es Zeit war, durch die Sicherheitskontrolle zu gehen, und hüpfte wie ein kleines Äffchen davon.

Unser erster Flug brachte uns nach London, wo wir einen Zwischenstopp von zwölf Stunden einlegen mussten. Das war nicht schlimm, denn ich hatte bereits jede Sekunde mit Museumsaufenthalten, Parkbesuchen und Shoppingtouren verplant.

Am Ende saßen wir jedoch ziemlich lange in einem kleinen Café in einer Londoner Seitenstraße, wo wir stundenlang über Gott, die Welt und Affen philosophierten. Ich war schon immer genügsam gewesen, doch seit ich Marc kannte, war selbst ein kleiner geteilter Latte macchiato in einem gemütlichen Café ein Abenteuer. Genug, um den Alltag besonders zu machen. Denn es braucht nicht die wilde Achterbahn, um mein Herz pochen zu lassen, oder eine große Shoppingtüte, um mich glücklich zu machen. Alles, was es bedarf, ist dieser eine Mann, der im Herzen genauso frech ist wie meine Affen!

Nach drei geteilten Kaffees und neun Stunden in der Innenstadt fuhren wir zurück zum Flughafen, von wo aus wir den Nachtflug nach Johannesburg nahmen. Ich muss gestehen, dass ich mich die kompletten zwölf Stunden auf Marc breitgemacht und durchgeschlafen habe. Denn ich wusste, dass nach diesem Flug weitere sechs Stunden Busfahrt auf uns warteten und ich für die Weiterreise all meine Energie benötigen würde. Marc bekam kein Auge zu. Plötzlich schien ihm das Land mit den speienden Kobras und den frechen Affen nicht mehr ganz geheuer. Tausend Fragen schossen ihm durch den Kopf, und als ich nach einem langen, erholsamen, kuscheligen Schlaf die Augen öffnete, bombardierte er mich mit diesen. Allerdings war nun nicht die Zeit für Fragestunden, denn nach der Landung musste alles ganz schnell gehen.

»Erst besorge ich uns eine Handykarte, dann das Zugticket und zuletzt die Busfahrkarten, okay? Einfach mir nach. Alles andere besprechen wir später«, erklärte ich Marc.

In Südafrika gelandet, mussten wir uns beeilen, unseren Bus zu erreichen. Jede Verzögerung hätte dazu führen können, dass wir erst 24 Stunden später hätten weiterfahren können. Daher hetzte ich von einem Laden zum nächsten, während Marc immer wieder ganz unnötige Dinge fragte. »Wie lange dauert die Fahrt?«, »Wann können wir was essen?«, »Kann man hier auf die Toilette gehen?«, »Wie warm wird es heute?«, »Sieht man auf der Fahrt Giraffen?«, »Was ist dies?«, »Was ist das?«

Gestresst ignorierte ich jede einzelne dieser Fragen, abgesehen von der Toilette. Die zeigte ich ihm natürlich, da ich selbst auch musste und ich mir nach einem langen Flug erst einmal die Zähne putzen wollte.

Zu sagen, dass ich ein geduldiger Mensch bin, wäre eine absolute Lüge. Ich bin dermaßen ungeduldig, dass ich kaum zwanzig Sekunden auf etwas warten kann, ohne unruhig zu werden. Zu atmen hilft mir immerhin, vierzig Sekunden ruhig zu bleiben. Doch nachdem Marc mir die fünfundzwanzigste, meiner Ansicht nach unnötige, Frage stellte, obwohl ich mehrfach um Ruhe gebeten hatte, riss mir der Geduldsfaden.

»Beim nächsten Mal fahre ich wieder alleine!«, meckerte ich, während ich Marc sein Ticket in die Hand drückte und Richtung Zug hetzte. Doch mein Mann machte keine Anstalten, sich zu beeilen. Wann immer ich zurückschaute, trödelte er rum, und für einen kurzen Moment überlegte ich tatsächlich, ihn einfach stehen zu lassen. Aber der Liebe willen oder eher aus Angst, dass er dann nie wieder zurückfinden würde, bremste ich mich, und so biss ich mir vermutlich hundertmal auf die Zunge, bis wir beide schweißgebadet am Busbahnhof ankamen.

»Ich hole die Bustickets, und du bleibst einfach hier stehen. Halte beide Koffer gut fest, lass dich von niemandem ansprechen und guck so unfreundlich, wie du immer auf der Arbeit schaust, in Ordnung?«

Marc nickte nur, denn er spürte, dass ich gerade nicht nur unfassbar gereizt war, sondern auch unter großem Zeitdruck stand. Im Affentempo besorgte ich unsere Tickets, suchte die Haltestelle raus und marschierte los. Am Ende hatte unser Bus, wie eigentlich zu erwarten war, Verspätung, sodass wir beide anfänglich genervt, später jedoch wieder Hand in Hand auf einer Bank saßen und warteten. Diese Gelegenheit ließ Marc sich natürlich nicht entgehen, um seine Fragenliste wieder auszupacken, die ich nun geduldig mit ihm abarbeitete. Mit zehnminütiger Verspätung fuhr unser roter Reisebus vor, und ich schaute Marc mit hochgezogener Braue an.

»Noch irgendwelche Fragen?«

»Nein. Du besorgst die Sitzplätze, damit wir nicht stehen müssen, und ich lade das Gepäck ein.«

»Genau«, sagte ich erleichtert.

›Dann kann nichts mehr schiefgehen‹, dachte ich mir und drängte mich in die Menschenmenge, die ebenfalls versuchte, einen Platz zu ergattern. Immer wieder hatte ich einen Ellenbogen in der Magengrube, oder fremde Füße standen auf meinen. All das war ich jedoch gewohnt, und am Ende hatte ich uns beiden zwei halbwegs saubere Plätze nebeneinander erkämpft. ›Durchatmen‹, dachte ich, und im selben Moment blieb mir das Herz stehen, denn Marc lief einem Südafrikaner hinterher, der scheinbar einen unserer Koffer geklaut hatte. Geschockt legte ich mir die Hände vors Gesicht und überlegte für einen Moment, was ich tun sollte. Entweder ich würde mich wieder aus dem Bus drängeln und unsere sicheren Sitzplätze aufgeben, nur um Marc nicht helfen zu können. Denn alles, was ihm übrig blieb, war, den Koffer zurückzukaufen. Oder ich würde sitzen bleiben, auf meinen Mann vertrauen und mir sagen: Er schafft das schon! Ich nahm die Hände vom Gesicht, und nun waren die beiden, also der Kofferdieb und Marc, aus meinem Sichtfeld verschwunden. Gut, damit war die Entscheidung gefallen. Marc würde das schon schaffen! Sollte er nicht zurück sein, sobald der Busmotor ansprang, könnte ich immer noch aussteigen. Aber bis dahin würde ich unseren Platz bewachen. Es dauerte eine ganze Weile, und nachdem bereits alle anderen Passagiere eingestiegen waren, kam endlich die dunkelblaue Kappe in den Bus, die Marc auf dem Kopf trug. Als ich sein gestresstes Gesicht sah, atmete ich tief ein, und sämtliche Anspannung fiel von mir ab.

»Mir wurde der Koffer geklaut«, keuchte er entgeistert, und in diesem Moment entschied ich mich, so zu tun, als hätte ich von allem nichts mitbekommen. Wenn die Situation sich beruhigt hatte, würde Marc mein Vertrauen in ihn sicher ganz anders auffassen. Immer noch außer Atem nahm er neben mir Platz und legte seinen Kopf an meine Schulter.

»Willkommen in den Flitterwochen«, sagte ich und küsste seine Wange.

Marc

Getrost kann ich mein Leben in zwei Abschnitte aufteilen: Ein Leben ohne Michi und ein Leben mit ihr an meiner Seite. Denn sie brachte mir nicht nur eine Horde Affen, sondern auch so einiges an Abenteuer und Spannung in mein bis dato ruhiges Dorfleben, in einem Ort mit gerade einmal um die neunhundert Einwohnern.

Bevor ich sie kennenlernte, gestaltete sich mein Urlaub immer gleich. Eine Pauschalreise in »gewöhnliche« Urlaubsgebiete: türkische Riviera, Kanaren und dergleichen. Ziele, von denen man wusste, sie haben sich durch die Reise Millionen anderer Urlauber bewährt und bieten keinerlei Überraschungen. Und wenn ich das Bedürfnis hatte, meine All-inclusive-Reise mal etwas abenteuerlicher zu gestalten, buchte ich sie online statt in einem Reisebüro.

Daher war ich auch gewohnt, dass ich nach meiner Ankunft mehr oder weniger an der Hand meiner Reiseleitung zum Bus gebracht wurde, der mich ohne Umwege und die Gefahr, mich zu verirren, ins Hotel brachte.

In Südafrika begann mein Abenteuer bereits, bevor ich richtig angekommen war. Nämlich als mich eine monotone, unfreundliche Stimme an der Grenzkontrolle aus meinen Tagträumen riss.

»Welcome to Johannesburg. What is your destination in South Africa and what is the reason for your entry?«

Überrumpelt, dass man mir Fragen bei der Passkontrolle stellte, statt einfach einen Stempel in den Pass zu drücken, verlor ich für einen kurzen Moment meine für gewöhnlich vorhandenen Englischkenntnisse.

Ich wollte gerade »Honeymoon« sagen, da hörte ich Michi schon vom Nachbarschalter rufen.

»Volunteering in Limpopo!«

Der Beamte schaute mich daraufhin fragend an, und ich nickte nur. Obwohl ich es nicht sehen konnte, bin ich mir sicher, dass Michi in jenem Moment die Augen verdrehte, da sie dachte, dass sie mir diese Info vermutlich eben mitgeteilt und ich ihr vorher nur nicht richtig zugehört hätte.

Nachdem die Einreise nun halbwegs unproblematisch verlaufen war, warteten wir auf unsere Koffer. Auch wenn Michi gewiss keine gewöhnliche Frau ist, bleibt sie nicht von gewissen Stereotypen verschont. Einer davon ist ihre viel zu kleine Blase. Während sie zur Toilette ging, wurde ich damit beauftragt, die Koffer zu holen. Gefühlt eine halbe Stunde später fand ich mich allein in der großen Halle wieder. Keine Spur von Michi, und für einen Moment befürchtete ich, dass meine Frau die Flucht ergriffen hatte. Dabei war ich doch bisher recht pflegeleicht gewesen, wunderte ich mich, als zwei Polizisten mich ansprachen. Scheinbar war mein Warten und die Anzahl meiner Gepäckstücke für sie verdächtig, sodass mich einer von ihnen fragte, worauf ich warten würde, während der andere mein Gepäck begutachtete. Neben meinem und Michis Koffer hatten wir nämlich noch ein weiteres Gepäckstück mit Sachspenden für die Affen dabei. Meine ehrliche Erklärung, ich würde seit Ewigkeiten auf meine Frau warten, und meine hilflose Miene schienen mich glaubwürdig wirken zu lassen, sodass sie es bei der einen Frage beließen und davonzogen. Gefühlt sollte ich noch weitere zwanzig Minuten auf meine Frau warten, und das gab mir ausreichend Zeit, mir so einige Fragen bezüglich unserer Reise zu stellen.

Wie würde es jetzt weitergehen? Kann ich auch noch zur Toilette? Wo ist der Zug? Wie kommen wir zum Bus?

Die meisten von ihnen blieben unbeantwortet, aber da ich wusste, dass wir nicht zu Fuß gehen würden, war ich beruhigt. Manch einer mag nun lachen, doch wenn man eine Frau wie Michi heiratet, sind solche Überlegungen tatsächlich gar nicht so abwegig.

Zum Glück hatte ich aber bereits vor der Abreise ihrem Plan, aus Kostengründen zu trampen, heftig widersprochen und einen Bustransfer aushandeln können. Damals konnte ich ja noch nicht wissen, dass einem auch an einem Busbahnhof »Gefahren« drohen. Letztlich konnte ich meinen Fauxpas mit dem Koffer für umgerechnet fünf Euro aus der Welt schaffen und mich in den bequemen Sitz fallen lassen, welcher sich in diesem Moment wie ein Thron anfühlte. ›Geschafft‹, dachte ich mir und lehnte den Kopf an meine Traumfrau. Ihr Lächeln sagte mir, dass sie noch nicht ganz den Glauben an unsere Ehe verloren zu haben schien, und in diesem Moment wollte ich auch nur noch eine einzige Frage stellen: Wann sind wir endlich da?

Marcs

ERSTES MAL

Der Bus rollte los, und endlich ging es für uns beide in Richtung Auffangstation. Erleichtert lehnte ich gegen den alten, staubigen Sitz und grinste.

»Und das machst du sonst immer alleine?«, fragte Marc, noch immer sichtlich aufgewühlt.

»Ja, alleine ist es sogar wesentlich entspannter!«, neckte ich ihn. Doch es war die Wahrheit.

Eine Antwort sparte er sich in jenem Moment und schnaubte stattdessen wie ein sturer Esel.

»Ich bin trotzdem froh, dass du dabei bist«, flüsterte ich, bevor ich mir die Kopfhörer ins Ohr steckte und mich mit Africa von Toto schon mal auf die schönste Zeit meines Lebens einstimmte.

Während der Fahrt tippte Marc mich immer wieder an, da er langsam Hunger bekam.

»In etwa zwei Stunden kommen wir bei einer Raststätte an, wo du dir etwas zu essen kaufen kannst. Da gibt es auch Toiletten, die mäßig sauber sind. Also keine Sorge!«

»Gut, denn ich sterbe vor Hunger!«, sagte er wehleidig.

Als wir zwei Stunden später auf den Parkplatz rollten, wo zwölf Monate zuvor noch eine Raststätte war, verzog ich das Gesicht. Von der einstigen Tankstelle waren nämlich nur noch ein abgebrannter Dachstuhl und verkohlte Mauern übrig. ›So viel zu meinem keine Sorge‹, dachte ich mir.

»Marc?«, flüsterte ich, um den hungrigen Löwen vorsichtig zu wecken.

»Sind wir da?«, fragte er schlaftrunken, und ich hörte seinen Magen meckern.

»Ähm, nein. Die Raststätte ist abgebrannt«, sagte ich und deutete auf das völlig verkohlte Gebäude.

»Also keine Pommes für mich?«

Ich schüttelte mitfühlend den Kopf. Der Bus stoppte dennoch, was uns weiter hoffen ließ, wir könnten uns hier mit Snacks eindecken. Doch die Suche nach etwas Essbarem war vergebens. Zwar stand dort ein blauer Container, an dessen Tür ein Schild hing, auf dem »Shop« geschrieben stand, jedoch war der Laden geschlossen. Uns blieb daher nichts anderes übrig, als mit knurrendem Magen zurück in den Bus zu steigen.

»Tut mir leid«, sagte ich mit schlechtem Gewissen. Denn als Marc sich am Flughafen noch etwas zu Essen hatte kaufen wollen, hatte ich ihm versprochen, dass wir hier etwas essen könnten, weil dann mehr Zeit wäre. Nun hatten wir weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen. Die restliche Fahrt schliefen wir beide oder spielten »Ich sehe was, was du nicht siehst«, was allerdings ziemlich witzlos war, da meine Brille noch im Koffer lag und ich während langer Reisen keine Kontaktlinsen trug, und ich somit alles nur verschwommen sah. Daher lehnten wir beide uns nach einer Weile aneinander, lauschten unserer Musik und ließen die Landschaft an uns vorüberziehen. Die Sonne schien immer wieder durchs Fenster, und wann immer ich eine Abfahrt sah, die uns unserer Station näher brachte, zuckte ich vor Freude.

Etwa eine Stunde bevor wir in Tzaneen ankamen, stand der Stadtname zum ersten Mal auf einem Straßenschild, und ab dort schien mir jeder Baum, jeder Stein und jedes Haus so bekannt. Ich erzählte Marc über die eine kleine Farm, die ich am liebsten kaufen würde, den Fluss mit den Flusspferden, den Kletterpfad, den man hier besuchen konnte, und schließlich alles über die Affen. Ich sprudelte wie ein Wasserfall und gab ihm nicht nur die Antworten, die er den ganzen Morgen haben wollte, sondern plauderte wild drauflos von allem, was mir in den Kopf kam.

»Wir sind da! Wir sind da! Wir sind da!«, kicherte ich, als wir den Hügel hinab in die Stadt fuhren. Wie ein Flummi hüpfte ich auf meinem Sitz auf und ab und blickte immer wieder in Marcs nervöse Miene.

»Ich bin so gespannt«, murmelte er aufgeregt.

»Ich auch!«, jubelte ich, drückte seine Hand und konnte alleine über seine Finger sein stark pochendes Herz spüren. In jenem Moment versuchte ich mich an meine erste Fahrt zur Station zu erinnern und damit ein wenig nachzuempfinden, wie es Marc wohl gehen mochte. Vor vier Jahren war ich diese Straße das erste Mal entlanggefahren, und hätte ich damals gewusst, dass ich genau hier das Glück auf Erden finden würde, wäre ich wohl weniger besorgt gewesen. Doch damals war ich unfassbar nervös, versuchte immer wieder mit meinem Fahrer Matt zu quatschen, der allerdings nicht sonderlich gesprächig war. Verunsichert und ängstlich betete ich damals, dass das neue Projekt kein Reinfall sein würde. Hätte ich damals nur gewusst, dass ich heute die bin, die mit den Affen springt. Aber das Leben kann man nur vorwärts leben, auch wenn man es rückwärts versteht. Alles ergibt irgendwann einen Sinn!

Während mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, hielt der Bus, ich nahm Marc bei der Hand und grinste ihn wie ein Honigkuchenpferd an.

»Wir sind fast da!«