Unter Beschuss  U.S.S. Seawolf - Patrick Robinson - E-Book

Unter Beschuss U.S.S. Seawolf E-Book

Patrick Robinson

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Beschreibung

«Ein Thriller der Spitzenklasse!» Jack Higgins
China baut seine Seemacht systematisch aus und Taiwan fühlt sich zunehmend bedroht. Der amerikanische Admiral Arnold Morgan muss handeln: Er schickt sein modernstes Atom-U-Boot, die U.S.S. Seawolf, zur Aufklärung in die gefährlichen Gewässer. Ein riskantes Unternehmen, das schon bald in eine Katastrophe mündet.

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Das Buch

Das Reich der Mitte rüstet auf und die Amerikaner, durch das Seemachtbestreben der Chinesen beunruhigt, sind alarmiert. Verfügt die Volksrepublik über Waffensysteme, durch die nicht nur Taiwan und die wichtigsten Welthandelsrouten, sondern auch Städte in den USA bedroht sein könnten?

Um die Lage auszukundschaften, startet die U.S.S. Seawolf, das modernste Atom-Unterseeboot der U.S. Navy, zu einer geheimen Aufklärungsmission. Dabei fällt das U-Boot mitsamt der Mannschaft in die Hände der Chinesen. Alle Versuche, auf diplomatischem Weg die Herausgabe des gekaperten U-Boots zu erlangen, sind zum Scheitern verurteilt. Die Lage ist äußerst alarmierend: Nicht nur, dass die Chinesen die erbeutete Technik kopieren werden, um ihre Macht weiter auszubauen – der Besatzung droht überdies die Verurteilung durch ein chinesisches Kriegsgericht. Was der Gegner nicht weiß: Unter den Gefangenen befindet sich auch der Sohn des amerikanischen Präsidenten.

Wieder einmal ist es die Aufgabe des nationalen Sicherheitsberaters Admiral Arnold Morgan, mit allen Mitteln und unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Wettlauf mit der Zeit aufzunehmen.

»Robinson, der Großmeister von Technothrillern der Seefahrt, schreibt geschliffener als Tom Clancy.«

Kirkus Reviews

Der Autor

Patrick Robinson, geboren in Kent/England, schrieb zahlreiche Sachbücher zum Thema Seefahrt und schaffte mit seinem Aufsehen erregenden Debüt Nimitz Class auf Anhieb den Durchbruch als Romanautor. Mit den folgenden U-Boot-Thrillern, die zu internationalen Erfolgen wurden und alle bei Heyne erschienen sind, konnte er sich im Genre Militärthriller etablieren. Patrick Robinson lebt heute in Irland und den USA. Außerdem liegen vor: Barracuda 945/Gefährlicher Einsatz – Kilo Class – Tödliche Flut/Scimitar SL-2 – Tödliche Tiefe/U.S.S. Shark

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorWidmungPERSONEN DER HANDLUNGPROLOGKAPITEL EINS KAPITEL ZWEI KAPITEL DREI KAPITEL VIER KAPITEL FÜNF KAPITEL SECHS KAPITEL SIEBEN KAPITEL ACHT KAPITEL NEUN KAPITEL ZEHN KAPITEL ELF KAPITEL ZWÖLF KAPITEL DREIZEHN EPILOG DANKSAGUNGCopyright

Das Buch USS Seawolf widme ich mit allem schuldigen Respektden Männern der U.S. Navy SEALs,der Kampftruppe, die stets unter großenGefahren operiert und bei der die Tapferkeit zu denganz normalen Tugenden gezählt wird.

PERSONEN DER HANDLUNG

Oberste Militärführung

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (Oberster Befehlshaber der US-Streitkräfte)

Vice-Admiral Arnold Morgan (Nationaler Sicherheitsberater)

General Tim Scannell (Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs)

General Cale Carter (Oberbefehlshaber der U.S. Air Force)

Harcourt Travis (Außenminister)

Bob MacPherson (Verteidigungsminister)

Rear Admiral George R. Morris (Direktor der National Security Agency)

Oberkommando der U.S. Navy

Admiral Joseph Mulligan (Chef der Marineoperationen [CNO])

Rear Admiral John Bergstrom (Oberbefehlshaber des Special War Command [SPECWARCOM])

Admiral Archie Cameron (Oberbefehlshaber der Pazifikflotte [CINCPAC])

Rear Admiral Freddie Curran (Oberkommandierender der Unterseebootflotte Pazifik [COMSUBPAC])

USSSeawolf

Captain Judd Crocker (Kommandant)

Lt. Commander Linus Clarke (Erster Offizier)

Lt. Commander Cy Rothstein (Waffensystemoffizier)

Lt. Commander Mike Schulz (Leitender Ingenieur)

Lt. Commander Rich Thompson (Leitender Ingenieur Marinesysteme)

Lieutenant Kyle Frank (Sonaroffizier)

Lieutenant Shawn Pearson (Navigationsoffizier)

Lieutenant Andy Warren (Offizier der Wache)

Master Chief Petty Officer Brad Stockton (Seemännische Nummer eins)

Chief Petty Officer Jeff Cardozo

Petty Officer Chase Utley (Funker)

Petty Officer Third Class Jason Colson (Schreiber des Kommandanten)

Petty Officer Third Class Andy Cannizaro

Seaman Engineer Tony Fontana

Seaman Kirk Sarloos

Weiteres Personal der U.S. Navy

Commander Tom Wheaton (Kommandant der USS Grenville)

Captain Chuck Freeburg (Kommandant der USS Vela Gulf)

Lt. Commander Joe Farrell (Pilot eines Bombers vom Typ Hornet)

U.S. Navy SEALs

Colonel Frank Hart (Stabsoffizier bei den SEALs, Einsatzoffizier auf der USS Ronald Reagan)

Lt. Commander Rick Hunter (taktischer Einsatzoffizier)

Lt. Commander Russell »Rusty« Bennett (Kommandeur des Spähtrupps, der Strandevakuierungseinsätze und des Stoßtrupps A)

Chief Petty Officer John McCarthy (Stoßtrupp A)

Lieutenant Dan Conway (Führer des Stoßtrupps B)

Lieutenant Paul Merloni (Stoßtrupp B)

Lt. Commander Olaf Davidson (Kommandeur der vorgeschobenen Landungsgruppe und des Stoßtrupps C)

Lt. Ray Schaeffer (Stoßtrupp C)

Lt. Bobby Allensworth (persönlicher Leibwächter von Lt. Commander Hunter)

Petty Officer Catfish Hunter

Petty Officer Rocky Lamb

SEAL Riff »Rattlesnake« Davies

SEAL Buster Townsend (Funker des Kommandos)

Chief Petty Officer Steve Whipple (Sprengstoffexperte und Maschinengewehrschütze)

Britisches SAS-Personal

Colonel Mike Andrews (Kommandeur der Bradbury Lines)

Sergeant Fred Jones (vorübergehend versetzt zum Stoßtrupp B der SEALs)

Corporal Syd Thomas (vorübergehend versetzt zum Stoßtrupp B der SEALs)

Sergeant Charlie Murphy (vorübergehend versetzt zum Stoßtrupp B der SEALs)

Leiter und Feldoffiziere der CIA

Jack Raeburn (Abteilungsleiter Fernost)

Rick White (California Bank in Hongkong)

Honghai Shan (Internationaler chinesischer Reisedienst)

Quinley Dong (Marinestützpunkt Guangzhou)

Quinley Zhao (Händler auf dem Perlfluss)

Kexion Gao (Händler auf dem Perlfluss)

Marine der Volksbefreiungsarmee

Admiral Zhang Yushu (Oberbefehlshaber)

Vizeadmiral Sang-Ye (Chef des Marinestabes)

Admiral Zu Jicai (Oberbefehlshaber der Südflotte)

Admiral Yibo Yunsheng (Oberbefehlshaber der Ostflotte)

Oberst Lee Peng (Kommandant des Zerstörers Xiangtan)

Fregattenkapitän Li Zemin (Sicherheitschef des Marinestützpunkts Guangzhou)

Stab des Weißen Hauses

Kathy O’Brien (Privatsekretärin von Admiral Morgan)

Anwälte des Kriegsgerichts

Lt. Commander Edward Kirk (Marinejurist des Pentagons)

Rechtsanwalt Philip Myerscough (Lt. Commander Clarkes Anwalt)

Rechtsanwalt Art Mangone (Captain Crockers Anwalt)

PROLOG

27. April 2006, 1330 (Ortszeit) Luftraum-Überwachungsstation der U.S. Navy Westlich von Hsinchu im Norden der Insel Taiwan

Schon seit dem ersten Morgengrauen hatten sie beobachten können, wie die Hochseeflotte der Volksbefreiungsarmee auf einem klassischen »Rennstrecken«-Kurs 50 Seemeilen vor der Küste in bedrohlicher Weise auf und ab fuhr. Insgesamt handelte es sich um 22 Kriegsschiffe, einschließlich des neuen 80 000-Tonnen-Flugzeugträgers aus Russland. Und der war so neu, dass er noch nicht einmal einen Namen trug.

Die Taiwaner hatten auch mit steigender Nervosität den Kurs der Zerstörer verfolgt, die, vom chinesischen Festland kommend, angelaufen waren. Dabei handelte es sich sowohl um Schiffe der Luhu-Klasse als auch alte Ludas und neue Luhais. Bei dieser Gelegenheit registrierten sie auch den Start von Boden-Boden-Marschflugkörpern, die kurz hintereinander in Feuerbällen von den Fregatten der Jiangwei-Klasse aufstiegen. Damit schien es sich wieder einmal um dasselbe Spiel zu handeln, das die Rotchinesen in den vergangenen 18 Monaten schon drei Mal veranstaltet hatten.

Sie konnten jetzt beobachten, wie die Flotte immer näher kam und schließlich die unsichtbare, mitten durch die Meerenge verlaufende Grenze überschritt, um in die Hoheitsgewässer Taiwans einzulaufen. Sofort gaben die Schichtleiter die Meldung nach Tsoying durch, wo ihr wichtigster Marinestützpunkt lag. Von dort aus wurde via Satellit umgehend der automatische Alarm für die amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbor ausgelöst.

Als Reaktion befahl der amerikanische Admiral an Bord des gigantischen Nimitz-Klasse-Flugzeugträgers John C. Stennis, der sich gerade zweihundert Meilen weiter im Osten von Taiwan befand, die ihm unterstellten Kriegsschiffe nach Westen. Zusätzlich lief eine schwer bewaffnete, zwölf Einheiten zählende Flotte lenkwaffenbestückter Schiffe aus San Diego aus, um dann finsteren Sinnes ihre Buge herumzuschwenken und Kurs in Richtung ihrer Freunde auf dem unabhängigen Inselstaat zu nehmen, die gerade den heißen Atem des chinesischen Drachen zu spüren bekamen.

Aber um genau 1357 an diesem kühlen, klaren Tag im April wurde gleich welcher jemals von einer der Überwachungsstationen Taiwans ausgelöster Alarm praktisch zur Bedeutungslosigkeit herabgestuft. In dieser Minute fand nämlich der Start eines Kurzstrecken-Landziel-Marschflugkörpers auf dem chinesischen Festland statt. Und dieser Flugkörper nahm direkten Kurs auf Taipeh, die Hauptstadt Nationalchinas.

Die militärischen Kursverfolgungsradare einer Küstenstation Taiwans im Westen von Hsinchu erfassten den aus der Provinz Fujian kommenden Flugköper 45 Meilen vor der Küste, als dieser mit einer Geschwindigkeit von über 500 Knoten im Tiefstflug, kaum mehr als 60 Meter über der Oberfläche, die Meerenge überquerte und dabei einen geschätzten Kurs von null-acht-null beibehielt. Zuerst hatten sie in der Station noch gedacht, es handele sich um ein Flugzeug, das die chinesische Flotte überflog, doch schon bald war ihnen klar, dass dieses Objekt dafür zu tief und mit einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Minute auch einfach zu schnell flog.

Es war zu spät, es jetzt noch mit Aussicht auf Erfolg abschießen zu können, und Störmittel gegen diese Art vorprogrammierten und mit einem Trägheitsnavigationssystem ausgerüsteten Marschflugkörper, bei dem es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein M-11 Cruisemissile aus russischer Produktion handelte, einsetzen zu wollen, schied von vornherein aus. Die Militärs hatten kaum noch die Zeit, die von dem Marschflugkörper ausgehende Bedrohung richtig einzuschätzen, als dieser auch schon über die Küstenlinie hinwegjaulte und dabei von jedem Zivilisten mit bloßem Auge hätte wahrgenommen werden können, sollte dieser rein zufällig den Blick nach oben gerichtet haben.

Zu diesem Zeitpunkt herrschte auf der Westküstenautobahn um Taipeh gerade außerordentlich dichter Verkehr. Der Fahrer eines Militärlasters erspähte die Lenkwaffe, wollte seinen Augen nicht trauen, steuerte sein Fahrzeug ungebremst in einen Touristenbus und drückte diesen durch die Leitplanke, welche die beiden gegenläufigen Fahrbahnen voneinander trennte. Dadurch geriet der Bus in den entgegenkommenden Verkehr und löste eine Massenkarambolage aus, in die 59 Fahrzeuge verwickelt waren, einen Unfall, bei dem schließlich 14 Menschen ums Leben kamen.

Gleichzeitig liefen die Notfallmaßnahmen im Radio an, in deren Rahmen die Menschen aufgefordert wurden, so schnell wie möglich ihre Häuser aufzusuchen, diese nicht mehr zu verlassen und wenn möglich in Kellerräumen Schutz zu suchen. Als Begründung wurde ein unmittelbar bevorstehender Raketenangriff gemeldet. Niemand konnte sagen, ob das Cruisemissile nun einen Atomsprengkopf trug oder nicht, doch geisterte die Vorstellung einer möglichen radioaktiven Verstrahlung des Einschlagsgebietes in den Köpfen der Befehlshaber herum.

Jeder Einzelne im Luftraumüberwachungszentrum des internationalen Flughafens, der nur knapp sieben Kilometer vom Ort der Massenkarambolage entfernt lag, konnte beobachten, wie der Flugkörper durch den Luftraum Taiwans zischte, und das nicht nur auf den Bildschirmen, sondern bei einem Blick durch die riesigen Panoramascheiben auch mit bloßem Auge. Die Lenkwaffe schien jetzt eine leichte Kursänderung vorzunehmen und jagte anschließend unmittelbar über das Stadtzentrum von Taoyuan. Ihre Geschwindigkeit lag immer noch deutlich über 500 Knoten und auch die Flughöhe hatte sich nicht geändert, als sie den Hauptbahnhof passierte und geradewegs über das neue McDonald’s-Restaurant an der Fuhsing-Straße raste.

Jetzt war der Flugkörper nur noch 120 Sekunden von der Hauptstadt Taiwans entfernt und alles, was das Militär noch auszurichten vermochte, war, die Bevölkerung zu warnen und aufzufordern, so schnell wie möglich in Deckung zu gehen. Man informierte die Hauptquartiere der Vereinigten Staaten und der Vereinten Nationen darüber, dass man gerade von Rotchina mit Raketen angegriffen wurde. Um genau 1406 war es dann schließlich so weit, dass der Marschflugkörper zum ersten Mal über Taipeh gesichtet wurde.

Doch zur völligen Verblüffung des gesamten Militärs flog das Cruisemissile anschließend genau über das Stadtzentrum und den Fluss Tanshui hinweg weiter und hielt auf Chlung an der Nordküste der Insel zu, den zweitgrößten Container-Umschlaghafen des Landes. Doch auch hier beendete es seinen Flug keineswegs, sondern röhrte weiter hinaus über den Pazifik, wo es schließlich aufschlug und 30 Meilen vor der Küste Taiwans explodierte.

Das Militär Nationalchinas protestierte in Peking aufs Schärfste und verlangte die Zusicherung, dass sich keine weiteren Lenkwaffen in Richtung ihres Landes befanden. Der Premierminister nahm persönlich direkten Kontakt mit Peking auf, um die oberste Führung Chinas eisig davon in Kenntnis zu setzen, dass seine Streitkräfte bereit seien, den Boden seines Landes bis zum letzten Zentimeter zu verteidigen, und die Soldaten seien darauf vorbereitet, für die Aufrechterhaltung der Freiheit des Landes ihr Leben zu lassen. Und, so fügte er hinzu, Taiwan werde andernfalls mit in Amerika hergestellten Lenkwaffen gegen China zurückschlagen, und diese Waffen seien allem weit überlegen, was Rotchina auch in seinen Arsenalen haben mochte.

»Kann sein«, schloss der Premier, »dass wir dabei draufgehen, aber dann werden wir Peking mitnehmen. Das kann ich versprechen.«

Die Rotchinesen fanden sich jedoch weder zu einer Entschuldigung noch zu einer Zusicherung bereit, dass sich ein solches Vorkommnis nicht wiederholen würde.

27. April, 0900 (Ortszeit) Büro des Nationalen Sicherheitsberaters (NSA) Weißes Haus, Washington, D. C.

Admiral Arnold Morgan hörte sich gerade mit wachsender Wut die Begründung an, weshalb der Botschafter der Volksrepublik China in Washington angeblich nicht in der Lage war, der Einbestellung ins Weiße Haus innerhalb der nächsten 20 Minuten Folge zu leisten.

»Man hat mir gesagt, er befindet sich zur Zeit in einer Konferenz«, sagte Morgans Sekretärin. »Man hat mich noch nicht einmal zu seinem Assistenten durchgestellt. Das Einzige, was man mir zusagen konnte, war, dass man ihm eine Nachricht zukommen lassen wird und er dich innerhalb der nächsten halben Stunde zurückrufen wird. Augenblicklich spricht er wohl persönlich mit dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei, und der diniert heute Abend, wie du weißt, mit dem Präsidenten.«

»Kathy O’Brien«, sagte der Nationale Sicherheitsberater grollend, »du weißt, dass ich der Mann bin, der den Luftraum zwischen den Schritten anbetet, die du tust. Aber ich möchte, dass du mir jetzt ganz genau zuhörst. Es ist mir so etwas von egal, ob sich der ehrenwerte Genosse Ling Scheiß Guofeng, der bei uns akkreditierte Botschafter, vielleicht gerade in spiritueller Vereinigung mit Tschiang Kai-schek befindet, mit dem geistesgestörten Gespenst von Mao Tse-tung konferiert oder sich mit sonst irgendwelchen Kulis unterhält, die da drüben an die Macht gekommen sind. Ich wünsche ihn genau hier zu sehen, und zwar innerhalb der nächsten zwanzig Minuten, sonst wird dieser Ling Scheiß Guofeng der ehemalige chinesische Botschafter in unserem Land sein. Ich will, dass man ihn bis spätestens 1700 hier anschleppt.«

»Ich werde deine Wünsche an die höchstmögliche Stelle weiterleiten, Arnold.«

Genau siebzehn Minuten später wurde Botschafter Ling in Arnold Morgans Büro geleitet.

»Nehmen Sie Platz. Es geht um eine ernste Angelegenheit. Also hören Sie zu.« Der Admiral war offensichtlich nicht gerade in verträglichster Laune.

Der Botschafter setzte sich. »Wäre es meinerseits ungebührlich, Admiral«, sagte er dann mit ausgesuchter Höflichkeit, »wenn ich Ihnen zunächst einmal einen guten Tag wünsche?«

»Jetzt, wo Sie es ansprechen, ja, das wäre es allerdings. Ich mache mir nämlich ganz erhebliche Sorgen über eine Tatsache, die sich vor wenigen Stunden herausgestellt hat, nämlich dass Ihr gottverdammtes Land, das ich etwa so mag wie ein Geschwür am Arsch, beinahe einen beschissenen Krieg vom Zaun gebrochen hat.«

»Admiral, Sie wollen damit doch ganz sicher nicht auf diesen belanglosen Vorfall in der Formosastraße anspielen?«

»Belanglos, hä? Ihr verrückten Hurensöhne feuert ein Cruisemissile vom Typ M-11 quer über die Meerenge direkt auf das Stadtzentrum von Taipeh, und das nennen Sie belanglos?«

»Admiral, ich verfüge über ein äußerst zuverlässiges Kommuniqué, dass es sich dabei lediglich um einen Unfall gehandelt hat. Irgendwie ist der Flugkörper außer Kontrolle geraten. Auf jeden Fall verlief die Fehlfunktion jedoch glimpflich, und die Waffe ist in den Pazifik geflogen, ohne Schaden anzurichten. Also, wie gesagt, völlig belanglos.«

»Ling, ich glaube Ihnen kein Wort. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass ihr Typen mit einem neuen Sport des 21. Jahrhunderts begonnen habt, der ›Wie jagt man den Taiwanern eine Todesangst ein‹ heißt. Was ich damit sagen will: Ihr habt schließlich genau zu dem Zeitpunkt, als die Lenkwaffe anflog, bereits eine ganze Flotte von Kriegsschiffen in den Hoheitsgewässern Taiwans stehen gehabt. Was zum Teufel hätten die denn sonst denken sollen?«

»Na ja, in gewisser Hinsicht kann ich deren Angst schon verstehen.«

»Jetzt sagen Sie mir mal eines, Ling. Was hätten Sie denn gemacht, wenn die Taiwaner auch nur ein ganz klein wenig mehr Zeit gehabt und unser Flugzeugträger-Gefechtsverband sich nur ein ganz klein wenig näher am Ort des Geschehens befunden hätte? Oder wie wäre die Sache wohl weitergegangen, wenn die Taiwaner ihrerseits Marschflugkörper in eure Richtung gestartet hätten? Oder wenn wir uns entschlossen hätten, einige eurer Marinestützpunkte auszuschalten und bei dieser Gelegenheit auch noch gleich ein paar von euren Raketenstellungen dazu? Was dann?«

»Das, Admiral, wäre meiner Ansicht nach weder seitens der Taiwaner noch Ihrerseits besonders klug gewesen. Wir hinken technologisch schon lange nicht mehr hinter dem Rest der Welt her und sind auch nicht mehr die militärische Hausmannskost, für die Sie uns immer noch zu halten scheinen. Heute verfügen wir über Lenkwaffen, die es durchaus mit den Ihren aufnehmen können, und das gilt sowohl für deren Reichweite wie auch deren Sprengkraft. Ich spreche hier von etwas, was man in Ihrer Sprache als Inter-Continental Ballistic Missiles oder kurz ICBMs bezeichnet, also durchaus ernst zu nehmende Interkontinentalraketen mit Atomsprengköpfen. Made in China, Admiral. Sie täten gut daran, dies nicht außer Acht zu lassen.«

»Ling, das Äußerste, was ihr Typen je zuwege gebracht habt, ist, eine Reihe von hinterhältigen kleinen Spionen und diebischen Fieslingen zu engagieren und ihnen den Auftrag zu geben, uns alles zu stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Aber sobald ihr das Zeug dann in Händen hattet, war es stets viel zu fortschrittlich, als dass ihr es wirklich hättet übernehmen können. Ihr habt doch mehr Fehlschläge bei Raketentests gehabt, als ich zählen kann. Ihr habt immer nur gedacht, dass ihr im Bereich militärischer Hardware und Technik mit uns auf gleicher Höhe seid. Aber das werdet ihr niemals sein. Genauso wenig wie wir es jemals schaffen werden, mit euch in der Bereitung von Hühnchen süß-sauer gleichzuziehen.«

Der Botschafter ignorierte diese Beleidigung geflissentlich. »Admiral«, sagte er, »Ihre Einschätzung der Fähigkeiten Ihres Landes mag sicherlich für etliche der vergangenen Jahre zutreffend gewesen sein. Doch heute gilt dies nicht mehr. Wir verfügen inzwischen über außerordentlich wirkungsvolle Langstreckenraketen. Was das Bedrohungspotential angeht, sind wir für Sie inzwischen genau das, was Sie immer für uns gewesen sind.«

»Mag sein. Aber wir laufen deswegen noch lange nicht herum und schleudern Cruisemissiles auf die Hauptstädte anderer Länder, erschrecken deren Bevölkerung damit zu Tode und treiben ganze Nationen in den Krieg. Nehmen Sie bitte Folgendes zur Kenntnis: Hiermit warne ich Sie als Stellvertreter für Ihre gesamte Regierung genau an dieser Stelle und genau in diesem Augenblick, nachdrücklich. Wenn Sie scharf darauf sind, mit den Vereinigten Staaten von Amerika um die Nation Taiwan mit harten Bandagen zu kämpfen, sollten Sie, verdammt noch mal, zuerst einmal einen Blick auf die Spielregeln werfen. Denn wenn wir uns erst einmal entschieden haben, in ein Spiel einzusteigen, spielen wir, um zu gewinnen.«

Botschafter Ling antwortete nicht sofort. Stattdessen blickte er gedankenverloren und irgendwie gelehrt vor sich hin, eben ganz wie ein Professor, der er schließlich auch einmal gewesen war. Als er wieder zu sprechen anhob, geschah dies ruhig und auf eine Weise, als hätte er sich jedes einzelne Wort genau überlegt.

»Wie dem auch immer sein mag, Admiral«, sagte er. »Sollte es zwischen unseren Ländern zu einem Schlagabtausch mit ICBMs kommen, frage ich mich allen Ernstes, ob Sie wirklich bereit wären, die Ausradierung von Los Angeles für die Erhaltung Taiwans aufs Spiel zu setzen.«

KAPITEL EINS

Freitag, 7. Oktober 2005 Pazifischer Ozean 120 Seemeilen west-südwestlich von San Diego, Kalifornien

Immer weiter kroch die Dunkelheit über den leicht bedeckten Himmel in Richtung Westen und der böige Nordwest peitschte weißen Gischt von den Kämmen der Wellen. In jener zwielichtigen Zeit des Abends, also etwa den zwanzig Minuten, in denen die Sonne gerade untergegangen ist und die Nacht über dem unendlich weiten Ozean ihren Einzug hält, wirft sich der Pazifik seinen zutiefst boshaften Umhang über. Dann glitzern seine eindrucksvollen dunklen Wellentäler und Wogen noch ein letztes Mal im schwindenden Licht des Tages. In solch bodenlosen Gewässern, dort weit draußen auf dem Ozean, wird man vergeblich auf das Auftauchen heller, freundlicher Phosphoreszenz auf der Oberfläche warten. Der Blick hinab auf das dunkle Panorama des Meeres gleicht selbst dann noch dem in einen tiefen Abgrund, wenn er von der beruhigenden Höhe des Decks eines Kriegsschiffs erfolgt. O Gott, Dein Ozean ist so unermesslich, und mein Schiff ist so klein.

250 Meter unter dieser zwielichtigen Melancholie der Oberfläche donnerte die USS Seawolf mit einer Geschwindigkeit von 40 Knoten über die Murray Fracture Zone. Das 9000 Tonnen verdrängende taktische Unterseeboot der U.S. Navy durchlief gerade die wichtigste Phase seiner monatelangen Probefahrten. Solche wurden grundsätzlich fällig, wenn die übliche alle drei Jahre stattfindende Grundüberholung abgeschlossen war. Obwohl sich die Seawolf also keineswegs im Gefechtseinsatz befand, sollte man jedoch einem eventuell vorbeischwimmenden Wal verzeihen, wenn dieser sehr wohl einen solchen Eindruck gewonnen haben mochte. Aber schließlich sind 40 Knoten auch eine höllische Geschwindigkeit für ein immerhin 350 Fuß langes Unterseeboot. Die Seawolf war nun einmal für das Erreichen hoher Geschwindigkeiten optimiert und gebaut worden. Schließlich hatte man ja speziell sie dazu auserkoren, die Unterwasser-Kavallerie der United States Navy anzuführen – und zwar immer und überall. Und gerade jetzt befand sie sich in der Phase der Tieftauch-Testfahrten, in der sämtliche Systeme überprüft werden sollten, in der sie hier in der abgelegenen Wildnis des Ozeans vor dem amerikanischen Westen einmal richtig ihre Muskeln spielen lassen konnte.

Von zwei 45 000 PS starken Turbinen angetrieben, die ihren Dampf von einem Westinghouse-Atomreaktor bezogen, der sich auf dem neusten Stand der Technik befand, war die Seawolf das teuerste sämtlicher jemals für die Navy gebauten Unterseeboote. Genau genommen hatte sie sich letzten Endes sogar als zu teuer erwiesen. Das war dann auch der Grund, weshalb man der Navy schließlich gerade noch gestattet hatte, den Bauauftrag für insgesamt drei Muster dieser Klasse – die USS Connecticut und USS Jimmy Carter waren die beiden anderen – zu erteilen, bevor dann Haushaltskürzungen für den Bau noch weiterer dieser pechschwarzen Herrscher der Tiefe das endgültige Aus bedeuteten. Als die Seawolf im Jahre 1997 endlich in Dienst gestellt wurde, waren bereits mehr als eine Milliarde US-Dollar allein schon für die Forschung und Entwicklung ausgegeben worden.

Jetzt, nach einer mehrere Millionen Dollar teuren Überholung, war das Unterseeboot ohne Frage das beste Unterwasser-Kriegsschiff der Welt und gleichzeitig das schnellste und dabei auch leiseste jemals gebaute Atom-Unterseeboot. Bei einer Geschwindigkeit von etwa 20 Knoten war von ihr nicht mehr zu hören als das Geräusch des an ihrem Druckkörper entlanggleitenden Wassers. Über ihre Lautlosigkeit hinaus verfügte sie auch noch über eine geradezu furchterregende Schlagkraft. Die Seawolf nannte eine ganze Phalanx von Tomahawk-Landziel-Angriffsflugkörpern ihr eigen, die bei einer Geschwindigkeit von mehr als 1500 Kilometern pro Stunde eine Reichweite von 2250 Kilometern erzielten. Außerdem konnte sie Flugkörper von der Leine lassen, die mit einem 454 Kilogramm schweren Gefechtskopf ausgerüstet waren, und damit ein Schiff noch in einer Entfernung von über 400 Kilometern sicher treffen. Die Seawolf war mit insgesamt acht 26-Zoll-Torpedorohren gespickt, die als Startrampen für die gewaltigen drahtgelenkten, zielsuchenden Gould Mk 48er dienten. Diese Torpedos schafften ohne weiteres Reichweiten von 50 Kilometern. Mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 50 Prozent waren diese Waffen äußerst effektiv. Wahrscheinlich war der britische Spearfish-Torpedo die einzige ähnliche Waffe, die überhaupt mit solchen Werten mithalten konnte.

Die Seawolf hatte Sonargeräte an Bord, die schätzungsweise dreimal so wirkungsvoll waren wie selbst die modernsten Geräte an Bord der weiterentwickelten Boote der Los-Angeles-Klasse. Sie verfügte sowohl über die TB16- als auch die TB29-Überwachungs- und Schleppsonareinrichtungen, und für die Zielerfassung über kurze Entfernungen befand sich auch noch das BQS24-System an Bord. Aber auch ihre ESM-Garnitur, die der Unterstützung und Verknüpfung an Bord befindlicher Elektroniksysteme diente, war keinen Deut weniger sensationell. Jedes Schiff, das sich in einem Umkreis von 80 Kilometern befand, konnte sich nicht bewegen, keinen Funkverkehr führen oder auch nur sein Radar oder Sonar einschalten, ohne dass die Seawolf davon alles bis ins kleinste Detail mitbekommen hätte. Damit war sie fast so etwas wie ein Elektronik-Staubsauger, der zusätzlich mit allem ausgerüstet war, was Amerika durch geheime und kommerzielle Forschung aufzubieten hatte.

Captain Judd Crocker hatte also jeden erdenklichen Grund, verdammt stolz auf sein Schiff zu sein. »Noch nie hat es ein Unterseeboot gegeben, das es mit diesem hier hätte aufnehmen können«, pflegte er zu sagen. »Und ich bezweifle auch stark, dass es jemals ein solches geben wird. Zumindest nicht, solange ich lebe.«

Ein wirklich ernst zu nehmendes Lob aus berufenem Munde. Er war der Sohn eines Admirals bei den Oberflächeneinheiten und auch schon sein Großvater war Admiral gewesen. Judd war in eine Familie von Regatta-Jachtseglern aus Cape Cod geboren worden und hatte dadurch, kaum dass er laufen konnte, schon mit Schiffen zu tun gehabt. Er hatte zwar nicht das einzigartige Steuermannstalent seines Vater geerbt, aber er war dennoch gut, zumindest besser als die meisten anderen. Was ihn allerdings keineswegs davor bewahrte, immer wieder vom scharfäugigen Admiral Nathaniel Crocker deklassiert zu werden.

Judd war jetzt 40 Jahre alt. Zeit seines militärischen Lebens schon ein Unterseebootfahrer, hatte er seit 1997 auf der Seawolf zunächst als Erster Offizier gedient, bevor er fünf Jahre später selbst das Kommando über das Boot übernahm. Unmittelbar bevor sie zur Überholung eingelaufen waren, war er zum Captain befördert worden und setzte dieses Kommando jetzt, im Hochsommer des Jahres 2005, fort.

Kommandant der Seawolf sein zu dürfen war nicht nur die Erfüllung all seiner Jugendträume, sondern zugleich auch die Umsetzung eines Plans, den er schon als Fünfzehnjähriger geschmiedet hatte, als ihn sein Vater zur jährlich stattfindenden Regatta von Newport nach Block Island und zurück mitgenommen hatte. Damals fuhr der Admiral die Regatta nicht selbst mit, sondern befand sich lediglich als geladener Gast zusammen mit seinem Sohn an Bord eines Boots des New Yorker Jachtclubs, von dem aus die Überwachung des Rennens geleitet wurde. An jenem Tag zogen immer wieder Nebelbänke durch die Bucht, wodurch etliche der Teilnehmer in navigatorische Schwierigkeiten gerieten.

Selbst die Jacht, auf der sich Judd befand, lag am frühen Nachmittag leicht ab vom Kurs und lief etwas zu weit im Südwesten der Insel. Dadurch geriet sie kaum eine halbe Meile entfernt an den Ansteuerungspunkt eines 7000 Tonnen verdrängenden Unterseeboots der Los-Angeles-Klasse, das dort an die Oberfläche kam, um den Rest seines Wegs zum Marinestützpunkt New London in Überwasserfahrt zurückzulegen. Als das mächtige Unterseeboot die Wasseroberfläche durchbrach, hatte sich die Sonne gerade wieder einmal durch den Nebel gekämpft und verschaffte Judd damit die Gelegenheit, eines der großen schwarzen Schlachtrösser der U.S. Navy durch sein Fernglas ganz aus der Nähe und unter Fahrt zu erleben. Obwohl von diesem Anblick wie gebannt, erkannte er dennoch die auf dem Turm angebrachte taktische Nummer 690, und als er sah, dass einige der Offiziere auf der Brücke des Boots über das Wasser hinweg zur Jacht herüberwinkten, glaubte er vor Aufregung fast sterben zu müssen. Noch lange nachdem die nach Hause zurückkehrende USS Philadelphia hinter dem Horizont außer Sicht verschwunden war, starrte er ihr noch nach.

Nicht selten üben Unterseeboote selbst auf solche Menschen, die nicht das Geringste mit dem Militär zu tun haben, eine derartige Wirkung aus. Kriegsschiffe dieser Art haben etwas an sich, was zutiefst unheilverkündend zu sein scheint und dem Betrachter eine gewisse Gänsehaut verschaffen kann. Judd hatte damals gerade einen Blick auf die ultimative eiserne Faust der amerikanischen Seemacht geworfen und etwas wie Ehrfurcht verspürt. In seinem Bauch hatte sich buchstäblich ein Knoten gebildet, doch gleichzeitig wusste er irgendwie, dass dieses Gefühl nichts mit Angst zu tun hatte. Nein, es war wirklich Ehrfurcht. Und zwar eine Art von Ehrfurcht, die wohl auch derjenige verspürt, vor dem ein 200 Stundenkilometer schneller D-Zug in einem ländlichen Bahnhof kreischend zum Stehen kommt: das Erleben einer alles erzittern lassenden, ohrenbetäubend heulenden Dokumentation gewaltiger Kraft mit dem Potential, den gesamten Bahnhof und gleich noch die Hälfte des ganzen Ortes dem Erdboden gleichzumachen, sollte sie einmal außer Kontrolle geraten. Der grundlegende Unterschied zu einem Unterseeboot besteht allerdings darin, dass es die gleichen Gefühle in fast völliger Lautlosigkeit auszulösen vermag, die aber deswegen nicht weniger bedrohlich erscheint.

Judd hatte vor diesem Unterseeboot also nicht die geringste Furcht verspürt. Er war ganz einfach fasziniert. Fasziniert von einer Maschine, die problemlos eine Stadt wie Boston in Schutt und Asche legen könnte, wenn ihr einmal der Sinn danach stehen sollte. Als er sich schließlich wieder den ungleich weniger großen Aufregungen der Regatta zuwandte, wurde sein Verstand nur noch von einer einzigen Sache beherrscht. Ihm war nämlich auf einmal klar geworden, was er wirklich mehr als andere wollte: eines Tages selbst die USS Philadelphia zu kommandieren. Das allerdings bedeutete für ihn, dass er sich drei Jahre später auf der United States Naval Academy in Annapolis würde einschreiben müssen. Für einen Jungen seines Alters eine scheinbar endlose Zeit. Aber Judd verlor in den auf dieses Erlebnis folgenden Jahren nie sein Ziel aus den Augen. Und diese Beharrlichkeit dürfte letztlich ein Grund dafür gewesen sein, weshalb er jetzt, rund ein Vierteljahrhundert später, als Kommandant in der Zentrale des eindrucksvollsten Unterseeboots stand, das jemals eine Werft verlassen hatte.

»Zentrale. Hier spricht der Captain. Fahrtstufe auf zwanzig Knoten herabsetzen. Vorn unten fünf, auf fünfhundert Fuß gehen. Standardmodus. Neuer Kurs zwo-zwo-null.«

Judds Befehle kamen stets in ruhigem Tonfall, aber es lag ein unmissverständlicher Nachdruck ihn seiner Stimme, die keinen Raum für Zweifel ließ und jedem eindeutig klarmachte, dass er jedes Wort wohl durchdacht hatte, bevor er es aussprach.

»Zentrale. Aye, Sir.«

Judd drehte sich zu seinem Ersten Offizier, Lt. Commander Linus Clarke, um, der gerade von einer kurzen Besprechung mit den Maschinisten aus dem Achterschiff zurückgekehrt war.

»Alles klar da hinten, Linus?«

»Ein kleineres Problem mit einem klemmenden Schieber, Sir. Chief Barrett hat ihn wieder gängig gemacht. Meint, es würde jetzt nicht wieder vorkommen. Wir gehen tiefer?«

»Für den Augenblick nur ein wenig, aber in ein paar Stunden will ich sie auf tausend Fuß haben.«

Die beiden bildeten im Kommando über ein Unterseeboot ein mehr als ungewöhnliches Team. Der Captain, ein athletischer Mann mit einem fassartigen Brustkorb, war knapp eins achtzig groß und hatte pechschwarzes Haar, ein Erbteil seiner Mutter Jane Kiernan, deren Vorfahren aus Irland stammten. Von ihr hatte er auch die haselnussbraunen Augen und von den männlichen Vertretern dieser Familie die Bullenkräfte geerbt. Judds Ahnen hatten nämlich als Farmer und Fischer an den sturmumtobten Westküsten Irlands in der Nähe des Ortes Connaught gelebt.

Judd war ein Fels von einem Marineoffizier: zuverlässig, erfahren und ein Mann, der selbst unter Druck einen kühlen Kopf behielt und in der Kunst der Panikunterdrückung im Feuer eigener Erfahrung gestählt worden war. Captain Crocker war bei seiner mehr als 100 Mann starken Crew sehr beliebt, wozu nicht nur sein ausgezeichneter Ruf, sondern auch seine glänzende Karriere beigetragen hatte, was ihm einen gehörigen Respekt verschaffte. Dazu kam noch sein ganzes Auftreten, eine gelungene Mischung aus gelassenem Selbstvertrauen, Professionalismus und einem reichen Erfahrungsschatz – alles wiederum gemischt mit einem ausgeprägten Sinn für Humor. Das alles hatte dazu geführt, dass die Männer ihr völliges Vertrauen in ihn setzten.

Er verfügte mindestens über das gleiche Wissen wie jeder andere aus der Mannschaft, die sich fast ausschließlich aus Experten zusammensetzte, und manches Mal war er diesen sogar noch voraus. Trotzdem achtete er stets darauf, seinen Männern das Gefühl zu vermitteln, dass er ihre Arbeit zu schätzten wusste und dass er auf ihre Meinung Wert legte. Nur wenn es wirklich unumgänglich war, wurde er – wenn auch sehr milde – etwas nachdrücklicher, und selbst das geschah meist nur durch eine offensichtlich einfach zu beantwortende und scheinbar harmlose Frage, die den Entsprechenden dazu veranlasste, alles noch einmal zu durchdenken, um dann selbst auf die richtige Lösung zu kommen. Es gab wohl niemanden, für den er nicht der Inbegriff des perfekten Kommandanten gewesen wäre.

Judd verfügte über die höchste Qualifikation in Sachen Hydrodynamik, Elektronik, Antriebssysteme und Atomphysik. Der Vorschlag, ihn zum Kommandanten der Seawolf zu machen, war von ganz oben gekommen, und zwar von Admiral Joe Mulligan, dem Chief of Naval Operations (CNO) höchstpersönlich, und der war früher schließlich selbst einmal Kommandant eines Atom-Unterseeboots gewesen.

Die Gründe jedoch, die hinter der Kommandierung von Linus Clarke als Captain Crockers Erster Offizier standen, schienen dagegen weit weniger nachvollziehbar. Der Lt. Commander war gerade einmal 34 Jahre alt, und es war allgemein bekannt, dass er etliche Monate ans Hauptquartier der CIA in Langley, Virginia, abgestellt worden war. Niemand stellte irgendwelche Fragen, was er dort genau getrieben hatte. Allerdings wurden aktive Marineoffiziere, die über einen Geheimdiensthintergrund in ihrer Karriere verfügten, eigentlich eher selten als stellvertretende Kommandanten auf taktischen Atom-Unterseebooten verwendet.

Linus, ein hoch gewachsener, schlanker Mann aus Oklahoma mit rötlichen Schnittlauchhaaren, genoss es durchaus, in einem etwas mysteriösen Ruf zu stehen. Er trug das Haar etwas länger, als es im eher konservativ eingestellten Offizierskorps der amerikanischen Marine für angemessen gehalten wurde. Seine Laufbahn war offensichtlich recht beständig gewesen. An der Marine-akademie von Annapolis war er im oberen Viertel unter den Absolventen gewesen. Damals hatte sich aber noch niemand besonders für ihn interessiert, weshalb er auch, ohne großes Aufsehen zu erregen, für ein paar Jahre recht erfolgreich von der Bildfläche verschwinden konnte, um anschließend mit einer eher fragwürdigen CIA-Reputation wieder ins normale Marineleben zurückzukehren.

Insgesamt saßen 14 Offiziere um den Tisch in der Offiziersmesse der Seawolf, aber obwohl jeder irgendetwas über Lt. Commander Clarke wusste, fehlte ihnen allen doch der vollständige Durchblick – mit Ausnahme von Captain Crocker, der jedoch dem Thema tunlichst aus dem Weg ging. Natürlich gab es auch unter den Unteroffizieren und Mannschaften jede Menge Gerüchte, die in erster Linie aber alle von einem Seemann in der Schiffswäscherei in die Welt gesetzt worden waren. Dieser Matrose hatte unter anderem behauptet, dass auf den Wäschezeichen des Ersten Offiziers ein Name stand, der ganz gewiss nicht Linus Clarke lautete. Er konnte sich allerdings nie erinnern, welcher Name das denn nun tatsächlich war, was zur Folge hatte, dass man seiner Behauptung auch nicht so recht Glauben schenken wollte. Trotzdem hielt sich das Gerücht.

Hinzu kam, dass sich auch Linus Clarke selbst äußerst geheimnisvoll gab und den Gesamteindruck auch noch durch ein gewisses Maß an Ironie verstärkte, die er in seine Gespräche einfließen ließ. Solche Gespräche würzte er gern mit einem dünnen, wissenden Lächeln, das er von Fall zu Fall über seine offenen, sommersprossigen Gesichtszüge huschen ließ. Außerdem hatte er sich die leicht arrogante Haltung eines Mannes zugelegt, der sich eigentlich für ein wenig zu kühn und abenteuerlich hält, um sich längere Zeit in der Gesellschaft von harten, realistisch eingestellten Männern aufhalten zu können, die an der vordersten Front der U.S. Navy standen. Ohne Zweifel sah er sich selbst gern mehr als in der Figur eines Hornblower, in der eines Rickover (der als Vater der atomgetriebenen Unterseeboote gilt).

Ein typischer Auftritt Clarkes in der Messe spielte sich etwa nach dem Muster ab: »Okay, Männer, gibt es irgendein wirklich schwieriges Problem, das ich für euch lösen kann?« Er grinste zwar jedesmal, wenn er etwas in dieser Art von sich gab, aber die meisten der Anwesenden waren sich völlig sicher, dass er jedes einzelne seiner Worte auch genau so meinte, wie er es sagte.

Etwa eine Woche nach seiner Kommandierung auf die Seawolf, als das Boot noch längsseits festgemacht am Pier von San Diego lag, gab es eine kleine Cocktailparty an Land. Nach drei zweifelsfrei recht anstrengenden Gläsern Bourbon on the rocks, hatte sich Lt. Commander Clarke dann mit der Absicht zu seinem neuen Captain gesellt, ihm etwas anzuvertrauen. »Sir, wissen Sie eigentlich den wahren Grund, weshalb ich auf Ihr Schiff abkommandiert worden bin?«

»Nein, da müsste ich schon lügen«, sagte Judd.

»Nun, Sir, wir treten eine höchst geheime Mission an, was für mich ja nichts Neues ist. Wie Sie wissen, habe ich so was schon häufiger gemacht. Im Grunde bin ich also eigentlich nur hier, um sicherzustellen, dass Sie die Sache nicht versauen. Sie wissen schon, aus Mangel an Erfahrung.«

Captain Judd Crocker blickte ihn auf diese Bemerkung hin lediglich, ohne mit der Wimper zu zucken, an. Auf diese Weise versuchte er seine Verblüffung darüber zu verbergen, dass irgendein dahergelaufener Zweieinhalbstreifer, selbst wenn es sich dabei um einen wie diesen hier handelte, die Stirn haben könnte, so mit ihm zu reden. Aber eigentlich stand er über solchen Dingen. Daher lächelte er sardonisch und hätte sich gewiss eher die Zunge abgebissen, als das zu antworten, wonach ihm wirklich der Sinn stand. »Ach, tatsächlich? Na, dann bin ich aber zutiefst beruhigt, dass ich jetzt eine so außergewöhnliche Erscheinung wie Sie zu meiner Mannschaft zählen darf.«

Linus Clarke machte sich eine gedankliche Notiz, die besagte, dass er in Zukunft im Umgang mit diesem Kommandanten wohl lieber besonders vorsichtig sein sollte. »Das ist vielleicht ein eiskalter Pinkel«, dachte er. »Meine kleine Rede war doch dazu gedacht, ihn an die Wand zu drücken, aber der Kerl hat noch nicht einmal geblinzelt.«

Was Linus Clarke nicht ins Kalkül gezogen hatte, war die Tatsache, dass Judd Crocker praktisch sein ganzes Leben lang im Kreise hochrangiger Admiräle und damit in Gesellschaft von Männern enormer Intelligenz verbracht hatte. Außerdem war er an der Ostküste im New Yorker Jachtclub mit den Spitzenleuten der Finanzwelt gesegelt, wo er zu deren Crews gehört hatte, wenn diese Jahr für Jahr den Törn die Küste Neuenglands in Richtung Norden unternahmen. Bei solchen Gelegenheiten hatte er mehr als einmal bis hinauf zu den Inseln vor Maine als Navigator fungiert. Schon als kleiner Junge und erst recht später, als er ein junger Seekadett war, hatte er in den teuersten Salons einiger der größten Hochseejachten der Vereinigten Staaten von Amerika gesessen und Unterhaltungen von enormer Tragweite lauschen dürfen. Also brauchte es für Judd schon einiges mehr als lediglich eine anmaßend klugscheißerische Bemerkung seitens eines leicht angesäuselten Lt. Commander, ihn aus der Ruhe zu bringen. Aber es war ihm dennoch nicht entgangen, dass auch der junge Clarke wohl über einige Kontakte zu den Hohen und Mächtigen verfügte.

Gleichwohl bildeten die beiden nicht gerade das, was man bei der Navy gern als natürlich gewachsene vertrauensvolle Partnerschaft in der Führung eines Schiffs sah, das fast den Wert der gesamten Staatsverschuldung repräsentierte.

Außer mit dem Silent Service, wie die Unterseebootflotte der Vereinigten Staaten gern bezeichnet wird, war Judd Crocker auch noch mit der zehn Jahre jüngeren Nicole, einer geborenen Vanderwolk, verheiratet. Sie war die Tochter des mächtigen Bankiers und Finanziers Harrison Vanderwolk, der über seine geschäftlichen Aktivitäten in Florida hinaus auch noch mindestens drei einflussreiche Holding-Gesellschaften in anderen Bundesstaaten kontrollierte. Wie die Crockers hatten auch die Vanderwolks auf der vornehmen Sea View Avenue in Osterville ein Sommerhaus mit Seeblick. Ihre Villen lagen in unmittelbarer Nachbarschaft der ehemaligen Residenz des jüngsten Generals aller Zeiten in der U.S. Army. Dieser »Jumping« Jim Gavin von der 82nd Airborne war während des Zweiten Weltkriegs bei der alliierten Fallschirmjägerinvasion in der Normandie zu einer lebenden Legende geworden.

Die Vanderwolks, Gavins und Crockers waren schon ein Leben lang miteinander befreundet. Als Judd seine Nicole heiratete, war es also kein Wunder, dass dieses Ereignis an der sonnenbeschienen Küste des Nantucket Sound in einer Art Massenfeierlichkeit unter dem Dach eines gelb-weiß gestreiften Zeltes stattfand, das etwa die Größe des Pentagons hatte.

Unglücklicherweise blieben den beiden eigene Kinder versagt. Deshalb hatte das Paar 1997, unmittelbar nachdem Judd das Kommando auf der Seawolf übernommen hatte, zwei vietnamesische Mädchen im Alter von drei und vier Jahren adoptiert, die sie Jane und Kate tauften. Zur Jahrtausendwende verlegte Judds Familie ihren Wohnsitz hinaus nach Point Loma in San Diego. Dazu hatten Eltern und Schwiegereltern zusammengelegt und für die Zeit, in der Judd an der Westküste unter dem Oberbefehl des COMSUBPAC stand, ein rund zwei Millionen teures Anwesen quasi als Investitionsobjekt gekauft. Der damit verbundene Handel war für alle Beteiligten ebenso einfach wie einträglich. Wenn einmal der Zeitpunkt gekommen war, das Haus wieder zu verkaufen, würden der Admiral und Harrison jeweils 1,1 Millionen Dollar zurückerhalten, und was anschließend vom Verkaufspreis noch übrig blieb, sollte dann Judd und Nicole gehören. Die Art und Weise, wie sich der Immobilienmarkt für exklusive Objekte in Kalifornien entwickelte, ließ durchaus den Schluss zu, dass Judd und Nicole letzten Endes die eigentlichen Gewinner sein würden. Und das, ohne einen Finger dafür krumm gemacht zu haben.

Das Privatleben des Linus Clarke stellte sich dagegen um einiges geheimnisvoller dar. Fest stand, dass er unverheiratet war, obwohl sich die Gerüchte hartnäckig hielten, dass er in der Nähe des Stammsitzes seiner Familie in Oklahoma eine feste Freundin hatte. Dorthin zog es Linus nämlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Bei solchen Urlauben bestieg er grundsätzlich den Jet einer zivilen Fluglinie, der ihn nach Amarillo in Texas brachte, wo er zum letzten, nach Norden führenden Abschnitt seiner Reise in eine kleine einmotorige Beechcraft-Privatmaschine umstieg, die seinem Vater gehörte.

War er aber erst einmal auf der Rinderranch der Familie tief im Panhandle Oklahomas angekommen, verschwand Linus für gewöhnlich spurlos. Berücksichtigte man die Verbindungen, über die seine Familie verfügte, grenzte es eigentlich schon an ein Wunder, dass bei solchen Gelegenheiten nicht ein einziges Wort über ihn in den Lokalzeitungen erschien. Aber eigentlich noch ungewöhnlicher erschien einem dabei die Tatsache, dass er den Medien offenbar ganz bewusst aus dem Wege ging, und das galt nicht nur während seiner Dienstzeit in Washington, sondern sogar noch jetzt, seit er auf dem Marinestützpunkt von Norfolk in Virginia stationiert war.

Judd Crocker hielt das alles schon für eine enorme Leistung des jungen Lt. Commander. Aber auf der anderen Seite hatte es schließlich auch die britische Königsfamilie jahrzehntelang geschafft, Prinz Charles und Prinz Andrew sehr wirkungsvoll »abzuschirmen«, während diese, genau wie die meisten männlichen Verwandten vor ihnen, zu denen auch König George V. und Prinz Philip zählten, ihre Dienstzeit bei der Royal Navy ableisteten. Im Grunde war es kaum zu glauben, dass es tatsächlich ein Foto von Prinz Andrew gab, auf dem zu sehen war, wie er während des Falkland-Kriegs gerade mit seinem Hubschrauber vom Deck der HMS Invincible abhob. Nicht anders war es bei Linus Clarke und so schien es auch bleiben zu sollen.

Folglich umgab Linus auch hier die Aura des Mystischen. Bei den Mannschaften wusste man nur, wie er hieß und dass er über Verbindungen zur CIA verfügte. Aber man hängte Letzteres nicht an die große Glocke. In der Messe begegnete man ihm mit Vorsicht und es war eine unausgesprochene Tatsache, dass sich niemand wünschte, dass ihm ein Fehler unterlief.

»Schätze«, bemerkte der Waffensystemoffizier Lt. Commander Cy Rothstein einmal, »wir sollten nicht vergessen, wer er ist.«

»Das ist nun mal eine Sache, die wir lieber doch vergessen sollten«, sagte der Captain. »Und hoffen wir, dass er das auch tut. Clarke hat nun einmal eine sehr wichtige Position auf diesem Schiff, ganz gleich, wer und was er auch immer sein mag.«

Im Augenblick kreuzte die Seawolf unverändert mit einer Geschwindigkeit von rund 20 Knoten durch die pechschwarze Finsternis des Pazifiks, und Judd Crocker traf alle notwendigen Vorbereitungen, das Boot tiefer gehen zu lassen. 1000 Fuß waren für die Testläufe der Torpedorohre vorgegeben und damit eine weitere Bewährungsprobe, die für ihren Fronteinsatz unabdingbar war.

Hinter Judd Crockers Mannschaft lagen Wochen, in denen sie alles immer und immer wieder überprüft hatte und in denen jedes einzelne primäre, sekundäre und tertiäre System des Boots durchgetestet worden war. Sie hatten auch schon ihren »Leinen-Törn« hinter sich – bei dem sämtliche Systeme bis an ihre Grenzen belastet wurden, während die Seawolf noch längsseits festgemacht an der Pier lag. Auch die »Feuer, Flut und Hungersnot«-Übungen, wie man bei der Navy alle möglichen sich anbahnenden Katastrophen nannte, lagen schon hinter ihnen. Sie hatten sämtliche Drills über sich ergehen lassen, alle Feineinstellungen vorgenommen und jede bekannte Routine durchlaufen. Das Wasser war analysiert und ausgewechselt worden, die Luft im Boot hatte man komplett ausgetauscht, der Reaktor wurde hochgefahren, die Sehrohre wurden überprüft und schließlich waren sogar die Masten auf das Vorhandensein von Fehlern abgesucht worden.

Natürlich hatten sie dabei Defekte gefunden, und Ingenieure aus New London von der General-Dynamics-Werft, auf der die Seawolf gebaut worden war, hatten sich wochenlang an Bord herumgetrieben und dabei Dutzende von Teilen instand gesetzt, ganz ausgetauscht oder neu justiert. All diese Aktivitäten waren ebenso umfassend wie pedantisch über die Bühne gegangen, denn eines durfte nie vergessen werden: Sollte ein Unterseeboot einmal in Schwierigkeiten geraten, können die sich ergebenden Probleme, die an Bord eines Oberflächenschiffs vielleicht im Handumdrehen zu bewältigen sind, für die Unterwasserkrieger sehr leicht deren Ende bedeuten. So arbeitsintensiv und zeitraubend diese Probefahrten auf See auch sein mögen, es steht für jedes einzelne Mitglied der Besatzung eines Unterseeboots außer Frage, dass es sein hundertprozentiges persönliches Engagement bei diesen gemeinsamen Anstrengungen einbringen muss und wird. Seitenlange Berichte waren geschrieben worden, die dann gegengezeichnet und immer wieder bei erneuten Tests zu Vergleichen herangezogen wurden.

Jetzt durchliefen sie hier draußen im Pazifik noch einmal dieselben Testserien wie bei ihrem »Leinen-Törn«. Doch diesmal befanden sie sich in See, wodurch die Sache eine erheblich andere Dimension erhielt. Diese Testserien wurden nämlich nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in Tauchfahrt durchgeführt.

»Zentrale. Hier spricht der Captain. Vorn unten zehn. Auf tausend Fuß gehen. Umdrehungen für fünfzehn Knoten. Standardmodus. Neuer Kurs drei-sechs-null.«

Judd Crockers Kommandos kamen wie üblich knapp und klar, und kurz darauf nahm ein jeder an Bord die leichte Klangveränderung des Turbinengeräuschs wahr, als die Seawolf mit der Fahrt herunterging, auf Kurs Nord eindrehte und sich auf den Weg in die eisigen Tiefen machte.

Dann wandte sich der Captain an seinen Ersten Offizier. »Ich habe jetzt vor, die Torpedorohrtests laufen zu lassen. Vielleicht machen Sie sich in ein paar Minuten auf den Weg ins Vorschiff und behalten dort die Dinge einmal etwas im Auge. Ich bin nämlich immer noch der Ansicht, dass da bei den Schaltern nicht alles astrein ist.«

Eine Viertelstunde später befand sich Linus auf dem Weg durch die Abteilungen im vorderen Teil des Boots, in denen sich die Abschussmechaniken für die wichtigste Waffe der Seawolf befanden. Zum Zeitpunkt von Clarkes Eintreffen, hatte Chief Petty Officer Jeff Cardozo schon das Laden und Einführen der Torpedos durch die massiven runden, an ihren mächtigen Scharnieren nach innen schwingenden Luks in ihre Rohre beaufsichtigt. Natürlich waren bei diesem Vorgang die seeseitigen, aber sonst identischen Mündungsklappen am anderen Ende der Rohre dicht verschlossen geblieben, und das nicht nur durch den hydraulischen, sondern auch durch den gigantischen Wasserdruck bedingt, der hier in 1000 Fuß Tiefe herrschte.

Der eigentlich schwierige Teil der Arbeit sollte jedoch erst noch in Angriff genommen werden. Jetzt hieß es nämlich, die Luft aus den Rohren abzulassen. Dazu musste das Flutungsventil des jeweiligen Torpedorohrs geöffnet werden, damit Seewasser von außen einströmen und so ein Ausgleich zwischen dem Druck im Torpedorohr und dem der außen liegenden See stattfinden konnte. Ohne eine solche Maßnahme würde sich die äußere Mündungsklappe gar nicht erst öffnen lassen. Wenn Chief Cardozo Dienst hatte, konnte man davon ausgehen, dass er seine Rohrmannschaft mit Argusaugen beobachtete.

Der gerade einmal 19 Jahre alte Rekrut Kirk Sarloos aus Long Beach befand sich auf seiner Station vor der Konsole, auf der die Schalter für die Steuerung der Torpedorohre angeordnet waren. Sobald die Rohre geflutet waren und der Druck innerhalb der Rohre dem der umgebenden See entsprach, sollten die äußeren Mündungsklappen geöffnet werden, damit das Luftturbinensystem die Torpedos mit geradezu brutaler Gewalt hinaus in den Ozean pressen konnte, ohne dass dabei an der Wasseroberfläche mehr als nur ein paar Luftblasen zu sehen sein würden. Wenn sich Flugkörper mit scharfen Gefechtsköpfen in den Rohren befanden – was heute allerdings nicht der Fall war –, bedeutete diese Prozedur für einen Gegner das Nahen seines Todes.

»Rohr eins und Rohr zwei fertig zum Fluten.«

»Rohr eins fluten!«

Kirk drückte auf die beiden Schalter für Rohr eins und lauschte dann dem typischen Zischen, das darauf hinwies, dass jetzt die Luft mit enormem Druck durch die Öffnung im Ventil gepresst wurde, während gleichzeitig, und mit absolut identischem Druck, Seewasser von außen ins Rohr nachströmte. Als aus dem Zischen ein gurgelndes Geräusch wurde, war dies das Anzeichen dafür, dass auch die letzten Reste Luft im Rohr durch Wasser ersetzt worden waren und für Kirk der Zeitpunkt erreicht war, die beiden Ventile wieder zu schließen. Dann betätigte er einen dritten Schalter, der eine automatische Angleichung der Druckverhältnisse herbeiführte, sobald die Tauchtiefe verändert wurde.

»Druckausgleich in Rohr eins erfolgt«, meldete er. »Rohr geflutet und Ventile geschlossen.«

»Mündungsklappe Rohr eins öffnen!«

Erneut betätigte Kirk einen Schalter. »Mündungsklappe Rohr eins offen.«

Damit war Rohr eins abschussbereit.

»Rohr zwei fluten.«

Kirk huschte mit den Augen über die Schalttafel und wollte die beiden notwendigen Schaltungen durchführen. Irrtümlich betätigte er jedoch erneut die Flutungs- und Entlüftungsschalter für Rohr eins, weshalb in der gleichen Sekunde ein stahlharter Wasserstrahl ungehindert durch das nun offene Ventil von Rohr eins schoss, ihn hart in Höhe des Brustbeins traf und mit kolossaler Gewalt fast drei Meter weit nach hinten durch die ganze Abteilung wirbelte, um ihn schließlich gegen die Maschinen zu schleudern. In der Tiefe, auf der sich das Boot zur Zeit befand, betrug der hinter diesem Wasserstrahl stehende Druck beinahe 30 Bar.

Jetzt donnerte also eine mehrere Zentimeter starke Säule des Ozeans ungehindert in die Abteilung und traf dort auf das Torpedo-Ladegeschirr, wo sie in einen alles verhüllenden Nebel feinster Wasserpartikel zerstäubte. Kirk lag bewegungslos und mit dem Gesicht nach unten im ohrenbetäubenden Donnern des heinströmenden Ozeans. Es hörte sich an, als käme das Röhren direkt aus dem Mittelpunkt der Erde. Das Zischen veränderte sich zum Kreischen, während der einzelne Strahl weiter durch den Raum peitschte und diesen immer mehr mit undurchsichtigem Nebel füllte. In diesem Fegefeuer der Hölle konnten die drei Männer weder etwas sehen noch etwas hören, geschweige denn selbst gehört werden.

Chief Cardozo wusste zumindest grob, wo sich Kirk befinden musste. Also bedeckte er die Augen mit den Händen, um jene vor dem stechenden Gischt zu schützen, und kämpfte sich mit gesenktem Kopf durch das steigende Wasser. Es waren letzten Endes kaum fünf Meter, die er zurücklegen musste, aber als er sich jetzt durch die blendenden Fluten vorwärts kämpfte, kamen sie ihm vor wie fünf Kilometer. Dann hatte er endlich den jungen Matrosen gepackt und zerrte ihn aus dem donnernden Strahl des Seewassers. Gott sei Dank war Kirk nur angeschlagen und noch nicht ertrunken.

Lt. Commander Clarke, der es bislang noch nie mit der ungebändigten Kraft des Ozeans in einer solchen Tiefe zu tun gehabt hatte, schnappte sich das nächstliegende Mikrofon der Bordsprechanlage und brüllte los: »Wir haben ein massives Leck im Vorschiff. Hauptzellen anblasen … Captain, auftauchen … Um Gottes willen …« Damit stürzte er aus dem Torpedoraum und rannte in Richtung Zentrale los.

Captain Crocker, zwar einigermaßen erstaunt über das ziemlich unkonventionelle Eingreifen seines Ersten Offiziers, aber durchaus der Tatsache bewusst, sich mit einem Problem konfrontiert zu sehen, widerrief dennoch die eben erteilten Befehle seines Stellvertreters. »Alles hört auf mein Kommando … Rudergänger … belege den letzten Befehl des Ersten … alle oben zehn … auf zweihundert Fuß Tauchtiefe gehen …«

Inzwischen in der Zentrale angekommen, glaubte Lt. Commander Clarke seinen Ohren nicht zu trauen. Völlig erschüttert und noch halb taub vom schmetternden Donnern des Lecks, wandte er sich an den Master Chief Petty Officer Brad Stockton aus Georgia, den ranghöchsten Unteroffizier an Bord des Unterseeboots und damit die seemännische Nummer eins, der sich inzwischen auch in der Zentrale eingefunden hatte. »Ist der denn total verrückt geworden? Das Boot sinkt! Wir haben ein unglaubliches Leck im Torpedoraum. Herr im Himmel! Wir müssen auftauchen!«

ENDE DER LESEPROBE

Die Originalausgabe U.S.S. SEAWOLF erschien 2002 bei Harper Collins Publishers Inc., New York

Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 02/2007 Copyright © 2000 by Patrick Robinson Copyright © 2001 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlagillustration: © Martin Macrae/Folio, London Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: Leingärtner, Nabburg

eISBN: 978-3-641-18406-3

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