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Veröffentlichungsjahr: 2020
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 359
Textanalyse und Interpretation zu
Arno Geiger
UNTER DER DRACHENWAND
Thomas Möbius
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Geiger, Arno: Unter der Drachenwand. München: dtv, 2019.
Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. phil. habil. Thomas Möbius, Studium der Germanistik/ev.Theologie/Philosophie, Studienrat an einem Gymnasium in Mannheim und an der German European School in Singapur, Akademischer Oberrat an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, nach Professuren in Freiburg, Osnabrück, Greifswald und Aachen, Professor für Germanistische Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Für Philipp
1. Auflage 2020
ISBN 978-3-8044-7055-2
© 2020 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Die Drachenwand © picture alliance / Westend61 © Moritz Schell (Fotograf), Wien
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INHALT
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Arno Geiger: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken²
3. Textanalyse und -Interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
Die narrative Handlungsstruktur des Romans
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Veit Kolbe
„Die Darmstädterin“ Margot
„Der Brasilianer“ Robert Raimund Perttes
Trude Dohm und ihr Ehemann Max Dohm
Margarete Bildstein
Kurt Ritler und Annemarie Schaller
Oskar Meyer (Sándor Milch, Andor Bakos)
Postenkommandant Johann
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Gattung, Erzählweise und -struktur
Wortwahl, Stil und Sprache
3.7 Interpretationsansätze
4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialien
Definition „Roman“
Definition „Krieg als literarisches Motiv“
Definition „Liebe als literarisches Motiv“
Definition „Adoleszenzliteratur“
Auszüge aus Gesprächen mit Arno Geiger
Andrea Gerk: „Jede Figur hat das Recht auf Atem und Pulsschlag“
Johannes Schröer: Wie man aus dem Bett des Teufels herauskommt
Zita Bereuter: „Der Liebesroman ist der wahre Antikriegsroman“
Auszüge aus Rezensionen zum Roman Unter der Drachenwand
Andreas Platthaus: Keine Hoffnung ohne Horror
Iris Radisch: Stimmen des Krieges
Klaus Zeyringer: Arno Geiger: Die Notwendigkeit, sich zu erinnern
Dietmar Jacobsen: Ein leerer Raum, in dem das Leben verschwindet
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 ***
Aufgabe 2 *
Aufgabe 3 ***
Aufgabe 4 *
Literatur
Zitierte Ausgabe
Weitere Ausgabe
Weitere Quellen
Sekundärliteratur
Rezensionen zu Unter der Drachenwand
Interviews und Gespräche mit Arno Geiger
Nicht in der vorliegenden Erläuterung verwendete, aber empfehlenswerte Interviews
Damit sich jeder Leser in unserem Band rasch zurechtfindet und das für ihn Interessante gleich entdeckt, hier eine Übersicht:
Im zweiten Kapitel werden das Leben von Arno Geiger und der zeitgeschichtliche Hintergrund beschrieben:
Arno Geiger wurde 1968 in Bregenz/Österreich geboren. Er studierte Deutsche Philologie, Alte Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Innsbruck und Wien. Seinen ersten Roman publizierte er im Jahre 1997.
Das Jahr 1944, in dem die Handlung des Romans spielt, war das sechste Jahr des Zweiten Weltkrieges, den das Deutsche Reich am 01. 09. 1939 mit dem Überfall auf Polen begonnen hatte. 1944 wurde die deutsche Wehrmacht bis in die ehemaligen Grenzen des Deutschen Reichs zurückgedrängt und es war nach der Landung der Alliierten im Sommer 1944 in Südfrankreich, Sizilien und der Normandie sowie nach der Zerschlagung der „Heeresgruppe Mitte“ durch die Rote Armee klar, dass die Niederlage des Deutschen Reiches unabwendbar geworden war.
Der Roman Unter der Drachenwand wurde 2018 veröffentlicht. Er zählt zum Genre der Antikriegsliteratur, hat aber auch Elemente eines Liebesromans; er beleuchtet kritisch die Auswirkungen des Krieges auf das Leben der Menschen. Geiger wollte einen Roman schreiben, der die Wichtigkeit sozialer Beziehungen als Gegensatz zur Anonymisierung durch den Krieg hervorhebt.
Im dritten Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation.
Unter der Drachenwand – Entstehung und Quellen:
Der Autor erwarb im Jahre 2008 auf einem Flohmarkt ein Bündel Briefe aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, in dem sich Kinder-, Eltern- und Behördenbriefe befanden, die im Kontext der Verschickung von Wiener Schulmädchen in das Lager Schwarzindien bei Mondsee entstanden. Diese Briefe öffneten den Imaginationsraum des Romans, den Geiger dann zehn Jahre später innerhalb weniger Monate zu Papier brachte.
Inhalt:
Veit Kolbe, Ich-Erzähler der Haupthandlung, wird an der Ostfront schwer verwundet und verbringt ein Jahr zur Genesung in Mondsee, wo er in Handlungszusammenhänge eines Alltags eingebettet ist, der für den Protagonisten trotz des allgegenwärtigen Krieges Normalität und eine Rückkehr ins Private bedeutet. Ein zweiter umfangreicher Handlungsstrang ist mit dem jüdischen Ich-Erzähler Oskar Meyer verbunden, der den erfolglosen Versuch unternimmt, sich und seine Familie vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten zu schützen. Außerdem kommen in Briefen Kurt Ritler, der Cousin von Annemarie Schaller (Nanni), sowie die Mutter von Veits Zimmernachbarin Margot zu Wort.
Chronologie und Schauplätze:
Die Erzählgegenwart des Romans umfasst den Zeitraum von der Verwundung Veits im November 1943 bis zu seiner Rückkehr zu seiner Truppe im Dezember 1944, zahlreiche Rückblicke und Perspektivenwechsel erweitern den Zeitraum der erzählten Zeit. Geografisch ist die Handlung Veits im Wesentlichen in der Marktgemeinde Mondsee im Salzkammergut angesiedelt, durch den Perspektivwechsel kommen Darmstadt, Wien, Hainburg und Budapest hinzu.
Personen:
Die Hauptpersonen sind
Veit Kolbe:
23 Jahre alt, seit seinem Abitur 1939 als Soldat im Krieg, wird verwundet und kommt zur Erholung nach Mondsee
kriegsmüde, kritisch gegenüber der politischen Führung, posttraumatisches Belastungssyndrom
beginnt Liebesbeziehung mit der verheirateten Margot
tötet seinen Onkel Johann
„Die Darmstädterin“ Margot:
verheiratet, Mann steht an der Ostfront
Zimmernachbarin von Veit
hat wenige Wochen alte Tochter Lilo
aufmerksam und fürsorglich, verliebt sich in Veit und will mit ihm eine Familie gründen
„Der Brasilianer“ Robert Raimund Perttes:
Bruder der Vermieterin Trude Dohm, war nach Brasilien ausgewandert, kehrte aber wieder zurück nach Mondsee
setzt sich für ein naturverbundenes, freies Leben von Menschen ein und spart nicht mit Kritik an der Diktatur, wegen der er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird und die am Ende das Leben des Ortsvorstehers kostet
Trude Dohm und ihr Ehemann Max Dohm:
Trude Dohm ist die Vermieterin von Veit und Margot
ihr Ehemann Max ist Lackierermeister, er arbeitet für die Regierung im Generalgouvernement
beide gehen konform mit den politischen Zielen der Diktatur, beide versuchen die Situation gewinnbringend zu nutzen
Margarete Bildstein:
Lehrerin der Wiener Mädchen im Lager Schwarzindien
streng, wirkt zuweilen überfordert
verhält sich gegenüber Veit reserviert, distanziert gegenüber Männern
Kurt Ritler und Annemarie Schaller:
Kurt ist 17 und Annemarie (Nanni) 13 Jahre alt, sie sind miteinander verwandt (Cousin und Cousine) und ineinander verliebt
beide schreiben sich adoleszenztypische Briefe, in denen sie ihre Zuneigung ausdrücken
Annemarie verunglückt tödlich in der Drachenwand, Kurt wird zum „Volkssturm“ eingezogen und fällt noch in den letzten Kriegstagen
Oskar Meyer (Sándor Milch, Andor Bakos):
ist jüdischen Glaubens, lebt mit Frau und zwei Kindern erst in Wien, dann in Budapest, einen Sohn kann er nach England in Sicherheit bringen, seine Frau und der zweite Sohn werden 1944 in Auschwitz ermordet
verpasst die Chance, sich und seine Familie zu retten
glaubt lange an einen guten Ausgang, hält die Familie durch seine Geschäftstüchtigkeit über Wasser
macht sich Vorwürfe, da er seine Familie nicht retten konnte
meldet sich zum Arbeitsdienst und kommt während eines Transports ums Leben
Onkel Johann:
als Postenkommandant von Mondsee hat er das ranghöchste Verwaltungsamt, er vertritt die staatliche Autorität
ist nikotinabhängig, sehnt sich nach einem ruhigen Leben ohne Anstrengung
verfolgt Gesetzesbrecher ohne Mitleid
Neben diesen Hauptpersonen treten die Eltern von Veit sowie die Mädchen aus dem Lager Schwarzindien als Nebenfiguren auf.
Stil und Sprache:
Charakteristisch für den Roman ist das Erzählen aus verschiedenen Perspektiven: In den privaten Tagebucheinträgen von Veit Kolbe finden sich neben den Schilderungen seines täglichen Lebens auch Bemerkungen, die strafrechtliche Relevanz in der NS-Diktatur entwickeln könnten (zumal der Mord an seinem Onkel für ihn sicherlich die Todesstrafe zur Folge hätte). Die anderen Figuren äußern sich in Briefen, sprechen also direkt einen Adressaten an. Stil und Sprache sind dabei behutsam der Figur, aus deren Perspektive erzählt wird, angepasst.
Interpretationsansatz:
Unter der Drachenwand lässt sich als ein Antikriegsroman verstehen, in dem es darum geht, die unmenschlichen Folgen eines Krieges und einer Diktatur in den privaten Beziehungen zwischen Menschen und in deren Alltag nachvollziehbar zu machen. Durch diesen Alltag werden Ansätze einer humanen Gegenwelt erahnbar.
Arno Geiger (* 1968)© picture alliance / Karl Schöndorfer / picturedesk.com
Arno Geiger wurde am 22. Juli 1968 in Bregenz (Österreich) geboren. Sein Vater August wurde am 4. Juli 1926 in eine bäuerliche Großfamilie geboren, wurde schon als Achtzehnjähriger im Februar 1945 als Kraftfahrer an die Ostfront geschickt und kam erst im September 1945 in seinen Heimatort Wolfurt, eine Marktgemeinde im Bezirk Bregenz, zurück, wo er bis zu seiner Pensionierung als Gemeindeschreiber arbeitete; die Mutter stammte aus St. Pölten und arbeitete als Lehrerin in Wolfurt. Arno Geiger wuchs mit drei Geschwistern dort auf.
Er studierte Deutsche Philologie, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Innsbruck und Wien. Seit dem Abschluss des Studiums 1993 lebt er als freier Schriftsteller in Wien und Wolfurt.
Die Anerkennung, die er für seine erzählende Literatur erhält, spiegelt sich in einer großen Zahl von Literaturpreisen wider (vgl. dazu in 2.3 die Übersicht, S. 20).
JAHR
ORT
EREIGNIS
ALTER
22. 7. 1968
Wolfurt/Bregenz (Österreich)
Geburt (Mutter aus St. Pölten, Vater aus Wolfurt)
0
1986–1993
Innsbruck und Wien
Studium der Deutschen Philologie, Geschichte und Vergleichenden Literaturwissenschaft
18–25
1986–2002
Bregenz
Videotechniker bei den Bregenzer Festspielen in den Sommermonaten
18–35
seit 1993
Wien/Wolfurt
freier Schriftsteller
25
1996
Klagenfurt
Teilnahme am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb
28
1997
Wien
Publikation des ersten Romans Kleine Schule des Karussellfahrens
29
2004
Klagenfurt
Teilnahme am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb
36
