Väter können das auch! - Fabian Soethof - E-Book

Väter können das auch! E-Book

Fabian Soethof

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Beschreibung

Welcher Vater willst du sein?

Viele Väter wollen heute nicht mehr nur finanzielle Verantwortung übernehmen, sondern Familie und Erziehung gleichberechtigt leben. Doch in vielen Köpfen stecken alte Rollen! Auch wenn sich Paare Fairness im Familienleben wünschen: Die meisten geraten schnell in traditionelles Fahrwasser – zum Leidwesen der Mütter, der Beziehung, der Kinder und der Männer selbst.

Journalist, Vater und Elternblogger Fabian Soethof kennt die Widersprüche, Erwartungen und Fragen seiner Generation: Was macht einen guten Vater aus? Wie schafft man Familie, ohne sich beruflich zu zerreißen? Und warum ist »gleichberechtigt« im Alltag so schwer? Mit scharfem Blick, viel Humor und im Austausch mit Expert*innen zeigt er, was Vätern (noch) im Wege steht. Eine Inspiration für Männer, Gewohntes in Frage zu stellen und herauszufinden, welche Väter sie selbst sein möchten.

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Seitenzahl: 264

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WIESOIST »GLEICHBERECHTIGT« IMALLTAGSOSCHWER?

Väter hadern heute oft mit ihrer Rolle: Nur Versorger sein, wie sie es von ihren eigenen Vätern kennen? Das ist längst nicht mehr zeitgemäß. Zugleich sind die wenigsten so präsent in Haushalt und Kinderbetreuung wie Mütter. Warum ist das so?

Fabian Soethof entschlüsselt, was Väter umtreibt, was sie nervt und welche Privilegien sie genießen. Mit klarem Blick, Ironie und Wortwitz zeigt er auf, warum es sich lohnt, alte Rollenbilder endlich hinter sich zu lassen – und skizziert, wie der Wandel in den Köpfen und den eigenen vier Wänden gelingt.

Fabian Soethof, 1981 am Niederrhein geboren, schloss sein Studium in Duisburg und Berlin als Kulturwirt und Kulturjournalist ab. Er schrieb u.a. für ZEIT Online, die Süddeutsche Zeitung, den Tagesspiegel, ELTERN und Men’s Health DAD. Seit 2016 leitet er die Online-Redaktion des Musikexpress. Soethof war mit www.newkidandtheblog.de einer der ersten Väter in Deutschland, der über das Elternsein bloggte. Mit seiner Frau und zwei Söhnen lebt er in Berlin.

Fabian Soethof

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Kösel

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Copyright © 2022 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Lektorat: Dr. Daniela Gasteiger

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: Hella Wittenberg

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-28166-3V001

www.koesel.de

Inhalt

Vorwort und Ausgangslage

Wo wir herkommen

Eine Kindheit unter Frauen

Eine sehr kurze Kulturgeschichte des Vaters

»Pappa ante portas«: Arbeit, Wahn, Sinn und Anstrengungsvermeidung

Nachgefragt: Ein Vater, ein Vollzeitarbeitnehmer

Väter und Vorbilder: Selbst Darth Vader hatte eine Wahl

Wo wir stehen

Der ach so moderne Vater

Eine unvollständige Liste meiner Privilegien

Es reicht wirklich

Die große Vereinbarkeitslüge, Teil 1

Der Aufschrei der modernen Frau

Der anstrengendste Job der Welt

Ich habe (nur) zwei Wochen versucht, die Stillnächte meiner Frau durchzumachen

Regretting Fatherhood

Reality-Stars, Rollenvorbilder und Realitäten

Like mich am Arsch: Der Einfluss von Instagram auf Eltern

Und die Jugend von heute?

#Coronaeltern

Eine Frage der Betreuung

Nachgefragt: Ein Vater, ein Hausmann

Toxische Männlichkeit

Meanwhile in der Gegenwart

Wo wir hingehen sollteN

Umbruchsjahre

Bitte treten Sie (mindestens einen Schritt) zurück

Ein Feminist, der keiner ist

12 sprachliche Ärgernisse, die der Vergangenheit angehören müssen

Die große Vereinbarkeitslüge, Teil 2

Andere Länder, andere Lebensentwürfe und Arbeitsmodelle

Die Vorteile des anwesenden Vaters

Auch Vaterschaft geht an die Psyche

New Work versus Old Jobs

SAP versus …

… Elektro-Sanitär Emmers

»New Work«-Lexikon: Das ABC der (schönen) neuen Arbeitswelt

Was wäre, wenn wir alle nur noch 20 Stunden arbeiten würden?

Die Zeiten gendern sich

»Väterurlaub«

Verpflichtende Elternzeit für Väter

Ehegattensplitting

Financial Load

Gender Care Gap

Gender Pay Gap

Frauenquote

Eltern-Antidiskriminierungsgesetz

Bedingungsloses Grundeinkommen

Gender Play Gap

Nachgefragt: Die Marginalisierten

Was erwarten Frauen von Männern?

Wieder ZU HAUSE

Anmerkungen

Ich danke meiner Frau für ihr jahrelanges Aushalten meiner teils kläglichen Versuche, allen gerecht werden zu wollen – und dafür, dass ich ohne sie nicht mal angefangen hätte, über Themen wie die hier beschriebenen nachzudenken. Ich danke meinen wilden Kindern dafür, dass sie so wunderbar sind, wie sie sind – und mein Leben weniger egozentrisch, durchaus anstrengender, aber auch sinnvoller und lustiger gemacht haben.

Vorwort und Ausgangslage

Früher war nicht alles besser, Familienstrukturen waren aber durchschaubarer: Der Vater ging zur Arbeit, die Mutter dem Haushalt nach, die Kinder ihr allein auf die Nerven. Die Aufgaben waren klar verteilt. Frauen und Männer taten vielleicht nicht das, was sie wollten. Aber das, was von ihnen erwartet wurde.

Diese Zeiten sind leider nur teilweise vorbei. Immer weniger Väter wollen abwesend sein, immer mehr Mütter wollen immer früher wieder erwerbsarbeiten. Die heutige Generation von Vätern ist die erste, die nicht mehr nur finanzielle Verantwortung zu Hause übernehmen soll und will. Viele Paare wollen gleichberechtigter leben, als ihre Eltern es getan haben. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erlauben es ihnen zunehmend, aber längst nicht zufriedenstellend. Trotz Elterngeld, Elternzeit, Teilzeitmodellen und Vereinbarkeitstagungen bleiben Fragen wie: Lassen sich »Kinder und Karriere«, wie es so oft heißt, jemals wirklich zusammenbringen? Inwiefern lassen Gesellschaft, Arbeitgeber*innen und eingefahrene Rollenbilder diesen Wandel zu? Warum wäre er so wichtig? Wie kann ich meinen Teil dazu beitragen? Was bedeutet der bisher oft noch vorrangig unter Müttern diskutierte Begriff des Mental Load – und warum geht er vor allem auch Männer und Väter etwas an? Und da es im Zuge der Corona-Krise vor allem wieder Frauen waren, die in sogenannten systemrelevanten Berufen und mit der Familienorganisation den gesellschaftlichen und privatpolitischen Laden schmissen: Wirft das Virus auch die Gleichberechtigung zurück? Oder entsteht gar eine Chance auf Fortschritt?

Ich finde, es braucht ein Plädoyer für eine private, gesellschaftliche und politische Veränderung von Familie, Arbeit, Vereinbarkeit und Rollenbildern. Das möchte ich in diesem Buch bieten. Väter sollen zu Hause nicht länger nur am Wochenende anwesend sein. Was Männer von dieser Veränderung hätten? Ich glaube fest daran, dass nicht »nur« Frauen und Kinder davon profitieren: Wer dankt es den Männern schon, wenn sie sechzig oder mehr Stunden pro Woche arbeiten? Ich will Väter dazu einladen, ihre Rolle zu reflektieren, kritisch zu hinterfragen und sich infolgedessen auch von überholten Erwartungshaltungen zu befreien. Väter müssen keine Angst verspüren, bisher als selbstverständlich wahrgenommene Privilegien abzugeben, wie das, sich nur um ihren Job zu kümmern. Sie dürfen selbstbestimmter und dadurch auch mental gesünder leben. Der Berater und Feminist Robert Franken weiß: Auch Männern geht es schlecht im Patriarchat.1 Er meint damit unter anderem den Leistungs- und Erwartungsdruck ihrer meist männlichen Chefs, beruflich abliefern zu müssen. Ich sehe die Probleme von Frauen: die strukturelle Benachteiligung in Form von Gender Pay Gaps und Gender Care Gaps, zum Beispiel. Ich kenne aber auch die von Männern, ohne beide gleichsetzen zu wollen. Für alle Seiten sollten die Vorteile des anwesenden Vaters eigentlich selbstverständlich sein. Solange sie das nicht sind, müssen Eltern als Team und wir als Gesellschaft darüber sprechen.

Während ich diese Zeilen schreibe, sind unsere Kinder in der Schule beziehungsweise im Kinderladen. Ich habe sie gebracht, vielleicht holt meine Frau sie ab, vielleicht ich. Da können wir, anders als andere Eltern, zum Glück spontan sein. Gerade arbeiten wir beide. Warum ich das erwähne? Damit mich später niemand fragt, wie ich das geschafft habe, Arbeit, Buch und Kinder unter einen Hut zu kriegen. Wie? Ihr hättet gar nicht gefragt? Weil Männer ihr Ding doch schon immer einfach weitergemacht haben, auch nachdem sie Väter wurden? Seht ihr, schon sind wir bei einem Teil des Problems – und dessen Lösung.

Wäre ich eine Frau, wäre das garantiert die erste Frage, mindestens aber der erste Gedanke gewesen: Wie kriegt sie das bloß zusammen, Kinder und Karriere? Dass ein Mann sich kümmert, wird zu oft gar nicht mitgedacht. Und wenn doch, dann über alle Maßen und jeden Verstand: Nachdem die Astronautin Insa Thiele-Eich als erste deutsche Frau ins Weltall flog, bekam im März 2019 nicht etwa sie einen Preis für ihre Leistung, sondern ihr Mann. Die Großbäckerei Mestemacher zeichnete ihn als »Spitzenvater des Jahres« aus – einfach deshalb, weil er sich in der Zeit, in der seine Frau beruflich verreist war, um seine Kinder kümmerte.

Wäre umgekehrt eine Mutter für diese »Leistung« prämiert worden? Natürlich nicht. Weil es schon immer ganz normal war und ist, dass Mütter sich kümmern, wenn Männer Karriere machen. Wie bei Boris Herrmann, der als erster deutscher Hochsee-Segler im November 2020 an der als härteste Einhandregatta der Welt geltenden Vendée Globe teilnahm, trotz eines Unfalls kurz vorm Ziel Fünfter wurde und im Ziel seine Frau nach achtzig Tagen wiedersah – gemeinsam mit ihrer sieben Monate alten Tochter. Klar, wir reden hier nicht von einer Dienstreise, die sich leicht verschieben ließe, und Familie Herrmann hat das sicherlich gemeinsam geplant, aber darum geht es nicht: Wäre Herrmann eine Frau, wäre ihr die lange Abwesenheit von der Familie um die Ohren gehauen worden. Wenn der Vater aber ein paar Tage, Wochen oder Monate wegmuss, wird er wohl einen guten und wichtigen Grund haben, so die vorherrschende Denkweise. Die gesellschaftlichen Erwartungen an Väter sind, was die Care-Arbeit betrifft, so viel geringer als die an Mütter. Sie müssen dringend überholt werden.

Wenn mich jemand nach diesem Buch fragte, traute ich mich anfangs kaum, über die darin behandelten Themen zu reden. Obwohl ich mir ja wünsche und auch fordere, dass Männer und Frauen genau dies zunehmend tun. Ich traute mich nicht, weil ich auch viel von dem wiederhole, was Frauen seit Jahren oft ungehört fordern – und weil es mir vermessen schien, als Mann ein Buch über Probleme zu schreiben, von denen viele noch zuerst Frauen betreffen. Andererseits soll sich eben dies ja ändern. Frauen sollen nicht länger die Betroffenen sein. Dafür müssen auch Männer ihre Elternschaft mit- und überdenken. Ich traute mich ferner nicht, weil es sich wie eine ungewollte Selbsterhöhung anfühlt, über all das zu schreiben. Dabei behaupte ich gar nicht, ein belesener Experte zu sein und die Superlösung in der Tasche zu haben – vielmehr will ich dieses Buch als Angebot verstanden wissen, an meinen Erfahrungen, Sichtweisen und Recherchen teilzuhaben. Vor allen Dingen aber traute ich mich nicht, weil ich mir bescheuert vorkam, über etwas zu schreiben, das selbstverständlich sein sollte. Ist es aber leider noch lange nicht. Wir sind uns doch auch einig, dass es Rassismus ist, wenn eine Black Indigenous Person of Color (BIPoC), also eine nicht-weiße Person, wegen ihrer Hautfarbe einen Job nicht kriegt. Warum aber soll es kein Problem sein, wenn Frauen bei Bewerbungen wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden? Weil sie Mütter sind oder welche werden könnten?

Zu meiner Person: Ich bin Journalist und leite hauptberuflich die Online-Redaktion vom Musikexpress, einem der letzten existierenden Popmagazine in Deutschland; seit Oktober 2017 mache ich das in Teilzeit. 2013 gründete ich mit newkidandtheblog.de einen der ersten von Vätern betriebenen deutschen Elternblogs. Ich werde als Talkgast zu YouTube-Formaten über Vasektomie, zu Eltern-Podcasts, zu »Väter-Summits« als Role Model und zu Gesprächsrunden über »Mental Load aus Männersicht« geladen. Ich mache nichts Besonderes: Ich schreibe und spreche über die Eltern- und Gesellschaftsthemen, die ich selbst erlebe und als wichtig (oder witzig) erachte. Weil ich ein Mann bin, ist das leider trotzdem etwas Außergewöhnliches.

Damit mich niemand falsch versteht: Alle Eltern sollen leben und arbeiten, wie sie wollen – wenn sie das, was sie täglich tun, denn auch wirklich wollen. Viele, glaube ich, möchten die Rollenbilder ihrer eigenen Eltern eigentlich gar nicht weiterführen. Allerdings sprechen sie nicht konkret darüber, treffen keine genauen Vereinbarungen und landen schneller als gedacht in vertrauten Mustern oder der Rolle, die gesellschaftlich von ihnen erwartet wird. Manche trauen sich vielleicht auch gar nicht, etwas anderes einzufordern. Niemand trägt hier irgendeine direkte, unmittelbare Schuld. Aber Veränderung beginnt mit Erkenntnis.

Mir ist bewusst, dass sich der Schwerpunkt dieses Buches auf privilegierte, heteronormative Beziehungen zwischen binären Cis-Menschen fokussiert. Ich will niemanden ausgrenzen. Da dieser Elternpaartyp aber der dominierende in Deutschland ist, ist er es auch, der zuerst überdacht und hinterfragt werden muss, um den Weg hin zu mehr Gleichstellung zu ebnen. Sonst bleibt Mainstream leider Mainstream – so wichtig es gleichzeitig ist, anders oder mehrfach Marginalisierte wie beispielsweise Menschen anderer Hautfarbe oder von Armut Betroffene mitzudenken.

Für alle Eltern gilt: Die Väterrolle befindet sich gerade grundlegend im Wandel, vielleicht so stark wie nie zuvor – und das geschieht gesamtgeschichtlich gesehen extrem rasch. Über Generationen hinweg war Vaddern der Malocher und Ernährer, und plötzlich darf und soll er auch zu Hause sein und sich um die Kinder kümmern? Ein unbedingt begrüßenswerter Fortschritt, der aber viel Umdenken verlangt: bei Passant*innen, die einen Vater mit Kinderwagen nicht gleich als großen Helden oder Arbeitslosen einordnen sollten. Im Freundeskreis, bei Verwandten und Bekannten, die sich staunende Blicke und Kommentare verkneifen müssen, wenn erauch mal zurücksteckt. In den Führungsetagen von Unternehmen, die Elternzeit für Väter mitbedenken sollten. Bei Instagram, wo die erfolgreichsten Eltern-Accounts immer noch die sind, in denen, auf Hochglanz poliert, überholte Rollenbilder von Wochenend-Dads und Bastelmuddis propagiert werden. Und bei den Vätern selbst.

Im »Väterreport. Update 2021« lesen wir nach: 69 Prozent der Väter von Kindern unter sechs Jahren sagen, dass sie sich gerne mehr an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beteiligen möchten, »wenn sie könnten«.2 55 Prozent möchten etwa die Hälfte der Betreuung übernehmen. Unter anderem als Folge der Einführung des Elterngeldes 2007 – davor nahmen nur drei Prozent der Väter die damals sogenannte Erziehungszeit – gehen heute 42 Prozent der deutschen Väter in Elternzeit, übrigens »sogar« mit einer Durchschnittszeit von 3,4 Monaten3 und damit länger als nur die obligatorischen zwei Monate, die es mindestens braucht, um Geld zu bekommen. Eine fraglos positive Entwicklung, die einerseits gut klingt. Andererseits heißt das aber, dass 58 Prozent aller Väter noch immer Vollzeit-Arbeitnehmer sind mit mindestens 38 Stunden pro Woche, die gar keine Elternzeit nehmen. Hinzu kommt: Väter in Elternzeit sind ein Phänomen der Mittelschicht. Familien mit kleinem Einkommen können sich Elterngeldbezug kaum leisten – ihr ohnehin knappes Gehalt würde nochmals reduziert, ein Polster aufzubauen ist ihnen oftmals nicht möglich.4

Es muss also noch viel passieren, damit Eltern in Deutschland eines Tages tatsächlich gleichberechtigt erziehen und arbeiten können. Wir müssen über Privilegien, Rollenbilder, Mental Load, Financial Load, Care-Arbeit, Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuung, Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Einschnitte durch die Corona-Krise, Männlichkeit, Mental Health und die Tücken unserer Sprache reden. In diesem Buch versuche ich mich in drei Abschnitten daran. Ich werfe einen subjektiven Blick auf unser elterliches Gestern, auf das Heute und das Morgen. Wo kommen wir her? Wo stehen wir? Wo gehen wir hin? Ich porträtiere dazu in Vollzeit arbeitende Väter und Hausmänner. Ich habe mit Müttern, die sich aktiv und öffentlich für mehr Gleichberechtigung einsetzen, darüber gesprochen. Ich interviewe einen Väterforscher. Ich stelle Literatur vor, die sich aus anderer Perspektive mit ähnlichen Problemen beschäftigt. Ich zitiere (ernüchternde) Zahlen zu Care-Arbeit aus aktuellen Studien. Ich habe bei einem großen DAX-Unternehmen und im kleinen Familienbetrieb meines Vaters nachgefragt, wie dort mit Arbeitnehmer*innen, die Eltern sind oder werden, umgegangen wird – und aus welchen Gründen.

Am Ende vieler Kapitel stelle ich Fragen, Aufgaben und biete Reflexionsanreize, die mir während der Recherche selbst kamen. Ich glaube: Nur so können Väter erkennen, welche Leistung Mütter stemmen, und dass es nicht nur Eltern, sondern auch Kindern und der Gesellschaft hilft, wenn wir hinterfragen, warum wir Familienarbeit so aufteilen, wie wir sie häufig noch aufteilen. Ich jedenfalls mache den überholten Scheiß nicht länger und um jeden Preis mit. Weil ich mir mein Geschlecht nicht ausgesucht oder gar verdient habe und täglich sehe, wie viele Frauen wegen des Zufalls der Geburt strukturell benachteiligt werden. Ich will nicht nur deshalb meinen kleinen Teil zu einem dringend nötigen Wandel beitragen. Ich will, dass meine Söhne und alle Kinder selbstverständlich lernen und verinnerlichen, dass Jungs und Mädchen, Männer und Frauen, Väter und Mütter nicht pauschal so oder so sind oder zu sein haben. Sie sollen wissen, dass Frauen all das machen können, was Männer machen, und umgekehrt. Sie selbst sollen – wie ihre Eltern übrigens auch – sein dürfen, wer sie wollen. Und anderen das gleiche Recht der Selbstbestimmung zusprechen. Sie dürfen lachen, weinen, Fußball spielen, tanzen, Kleider oder Latzhosen tragen, sich in Mädchen oder Jungs verlieben. Sie sollen nur keine Arschlöcher, Patriarchen oder Kleingehaltene werden. Wenn das für alle Kinder gilt, hätten wir als Gesellschaft schon viel gewonnen.

In diesem Buch werden immer wieder Begriffe wie die folgenden fallen. An dieser Stelle werden sie kurz erklärt – ausführlicher im Teil 3 »Wo wir hingehen sollten«.5

Care-Arbeit und Gender Care Gap: Care-Arbeit ist in der Regel unbezahlte Arbeit in Haushalt, Kinderbetreuung, Pflege und sozialem Engagement – die mehrheitlich von Frauen übernommen wird. Hier wird strukturelle Benachteiligung messbar: Frauen verbringen unabhängig davon, ob sie auch einer bezahlten Erwerbsarbeit nachgehen, durchschnittlich 52,4 Prozent mehr Zeit damit als Männer – täglich 5,18 Stunden im Vergleich zu 2,31 Stunden.

Gender Pay Gap: Im Schnitt verdienen Frauen 18 Prozent weniger als Männer, bei vergleichbarer Tätigkeit sind es sechs Prozent.6 Auch diese Benachteiligung ist (zu 71 Prozent) strukturell bedingt: Frauen arbeiten oft in schlechter bezahlten Berufen.

Mental Load: Unsichtbare Arbeit, die in der Regel die Organisation von Alltagsaufgaben umfasst. Wer ruft Oma an? Wer plant den nächsten Urlaub? Wer besorgt Geschenke für den Kindergeburtstag? Wer denkt an die Schulaufgaben? In den meisten Familien lautet auch hier die Antwort: Mama.

Financial Load: Pendant zum Mental Load, meint die Aufteilung des Haushaltseinkommens. Wenn zum Beispiel der Vater allein das Geld nach Hause bringt, sind beide Elternteile abhängiger: er von seinem Arbeitgeber, sie von ihrem Mann. Eine Neuverteilung durch zum Beispiel Teilzeitmodelle schafft mehr Flexibilität auf beiden Seiten – zumindest, wenn nicht wegen Jobs im Niedriglohnbereich zwei Vollzeiteinkommen benötigt werden.

Wo wir herkommen

Eine Kindheit unter Frauen

Ich kam 1981 am linken Niederrhein auf die Welt. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, erinnere ich mich zuerst an den Garten meiner Oma Paula. Ich lebte mit meiner Mutter von Geburt an in ihrem Elternhaus, das damit auch zu meinem wurde. Oma Paula, Jahrgang 1919, Weltkriegsüberlebende, war immer da, bis sie irgendwann nicht mehr da war.

Meine sehr junge Mutter arbeitete in Vollzeit im Finanzamt, meine in der Wohnung über uns lebende Tante ebenda in Teilzeit. Ihr Mann, ein Traktormechaniker, kam jeden Abend ölverschmiert nach Hause, ich habe den Geruch bis heute in der Nase. Nach Feierabend lag er auf der Couch vorm Fernseher, rauchend. Oft kamen die Schwestern meiner Mutter und meiner Tante zu Besuch, selten die Brüder.

Mein sehr junger Vater, Gas-Wasser-Installateur, der Jahre später die Firma seines Vaters übernehmen würde, lebte im zehn Kilometer entfernten Nachbardorf auf dem Dachboden seiner Eltern. Er war selbst noch ein Kind gewesen, als ich mich als Ergebnis einer kurzen Beziehung zweier Teenager ungewollt angekündigt hatte. Unser Verhältnis war gut, ich sah ihn an den Wochenenden. Und das verband mich mit meinen Kindergarten- und Grundschulfreunden: Obwohl ihre Eltern verheiratet waren, bekamen auch sie ihre Väter nur unwesentlich häufiger zu Gesicht. Der Vater eines Freundes pendelte täglich nach Düsseldorf, während seine Mutter daheimblieb. Ein anderer Vater fuhr täglich nach Essen, während seine Frau mit reduzierten Stunden in der örtlichen Apotheke jobbte. Zwei andere Papas wiederum arbeiteten zwar im Dorf, ihre Frauen waren trotzdem Hausfrauen, die später in Teilzeit an der Grundschule aushalfen. An welche Familie ich auch denke: Ein Großteil der Eltern, die ja damals höchstens so alt waren wie ich heute, lebte die klassische Rollenverteilung. Die Frauen kümmerten sich um Kind und Haushalt, die Männer waren außer Haus, um zu arbeiten. Dass Väter sich abseits von Reparaturarbeiten und Grillen am Haushalt beteiligten, stand meist nicht zur Debatte. Einkaufen? Putzen? Windeln wechseln? Kindergeburtstagsgeschenke besorgen? Frauensache.

Wenn ich alle diese Männer und Frauen heute fragen würde, ob sie das gerne taten, würde ich wohl die gleiche, naheliegende Antwort zu hören kriegen, die mir auch meine eigene Verwandtschaft gibt: So war das halt – und finanziell doch gar nicht anders denkbar! Zum Teil höre ich diese Antwort auch in meiner Generation noch, oder nehme sie unterschwellig wahr.

Mein Vater hat sechs Geschwister, meine Mutter war das jüngste von acht Kindern. Ihr Vater starb, als sie noch ein Kind war, seitdem hielt Oma Paula die Familie mit Hilfe ihrer größeren Töchter zusammen. Haushalt, tägliches Kümmern um die jüngeren Geschwister und alles mit minimalem Einkommen – eine schöne Kindheit und Jugend sei das nicht gewesen, erinnert sich meine zweitälteste Tante Heidi. »Mir tun heute noch die Hände weh, wenn ich nur an einen Wischmopp denke«, sagt sie, die schon als Zehnjährige die Böden schrubben musste. Erledigt hat sie ihre Aufgaben trotzdem. Von ihren Brüdern verlangte niemand diese Hausarbeit; vielen anderen Mädchen wurde damals eingebläut: Du musst eh nichts lernen. Du wirst ohnehin heiraten. Meinem Opa, den ich nie kennenlernte, soll immerhin wichtig gewesen sein, dass auch seine Töchter eine Ausbildung machen.

Warum ich von alldem erzähle? Ich bin, wie der Großteil meiner Generation, unter Frauen aufgewachsen, die immer da waren, die die ihnen von Elternhaus und Gesellschaft zugetragene Rolle stets erfüllten und sich, zumindest öffentlich, nicht dagegen auflehnten. Die ihren Männern das Abendessen auf den Tisch stellten, nachdem sie sich wie selbstverständlich um drei Dutzend andere Hausarbeiten, Erledigungen und die Kinderbetreuung gekümmert hatten, die bloß eben nicht als Erwerbsarbeit durchgingen. Auch wenn sie in Teilzeit arbeiteten: Für diese Frauen waren berufliche Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung über Jahrzehnte hinweg Fremdwörter.

Es liegt an uns, die stets als gegeben hingenommenen und durch unsere Sozialisation tief in uns verwurzelten Rollenbilder nicht unhinterfragt zu unseren eigenen zu machen. Aus Sicht unserer Eltern und Großeltern mag es ein Luxus unserer Generation sein, sich über Themen wie Gleichberechtigung überhaupt Gedanken machen zu können – gesellschaftlich ist das aber schrecklich notwendig. Weil jeder Wandel in den Köpfen und den eigenen vier Wänden beginnt.

HAUSAUFGABE

Wie wuchsen deine Eltern und Großeltern auf? Wie gefiel ihnen das damals, wie bewerten sie es heute? Frag mal nach – und lerne mehr darüber, welches Verhalten, welche Denkmuster oder Rollenbilder du vielleicht bewusst oder unbewusst übernommen hast.

Eine sehr kurze Kulturgeschichte des Vaters

»Deutschland ist ein Land, in dem es immer noch normal ist, dass Väter Vollzeit arbeiten und Mütter nicht. Vielleicht ist es einfacher, so zu leben wie alle. Dann muss man sich nicht gegenüber Bekannten, Freunden, Eltern erklären. Sich gegen stereotype Rollenbilder zu stemmen, kostet viele Menschen möglicherweise Lebenszufriedenheit.«

Dieses Zitat stammt von Prof. Dr. Martin Schröder. Schröder ist Soziologe an der Universität Marburg und sagte diese Sätze in einem Interview, das er der Wochenzeitung Die ZEIT im Sommer 2018 gab.7 Wer schon diese Einschätzung des Status quo für frustrierend bis pessimistisch hält, weil sie besagt, dass die Mehrheit deutscher Männer lieber mit dem Strom schwimmt, lese das Interview lieber nicht weiter. Doch Schröder sagt auch: Dass wir so leben, wie wir das häufig tun, bedeute nicht, »dass wir diese traditionellen Rollenbilder super finden, doch wir haben sie anscheinend in uns«. Warum ist das so? Und warum erscheint uns die als klassisch bekannte Rollenaufteilung so normal?

Zwar schildert die evolutionäre Anthropologin Dr. Anna Machin von der Universität Oxford in ihrem Buch Vater werden eine klassische Heldengeschichte: Früher, im Mittelpleistozän, haben Väter die Menschheit gerettet, weil sie als Homo Heidelbergensis weiterhin jagten und sammelten, während die Mütter durch den aufrechten Gang ein schmaleres Becken kriegten und die Kinder fortan früher und hilfloser zur Welt kamen und intensivere Betreuung brauchten.8 Wer aber jetzt denkt: »Ha, das ist der Beweis, die Natur hat unsere vorherrschende Rollenverteilung so vorgesehen!«, irrt. Erstens ist dieser aus purem Überlebensdrang entstandene Pragmatismus 500.000 Jahre her. Evolution bedeutet Veränderung, und wenn wir ernsthaft da stehen blieben, wo unsere Vorfahr*innen einst standen, würden wir nicht 80 Jahre alt, hätten kein Kinn, keine Smartphones und kein Netflix. Und das kann nun wirklich niemand wollen.

Außerdem fanden Forscher*innen 2013 in der archäologischen Stätte Wilamaya Patjxa in den Anden auf einer Höhe von 4.000 Metern rund 9.000 Jahre alte Skelette von Jägern – so glaubten sie zumindest.9 Die vergleichsweise leichten und kleineren Knochenreste machten aber stutzig: Handelte es sich bei den Funden etwa um Überreste von Frauen? Das würde ja unser gesamtes patriarchales Fundament des Jägers und Beschützers in einen Mythos verwandeln! Und siehe da: Untersuchungen von Zahnschmelz ergaben, dass die mutmaßlichen Jäger tatsächlich Jägerinnen waren. »Die Aufteilung der Arbeit nach Geschlechtern scheint in der Vergangenheit unter Jägern und Sammlern viel abgeschwächter oder gar nicht vorhanden gewesen zu sein«, schlussfolgert Randall Haas, Assistenzprofessor für Anthropologie und Hauptautor der 2020 veröffentlichten Studie Female hunters of the early Americas.10 Wie das soziale Leben in den Gruppen damals im Detail organisiert war, sei zwar weitgehend unbekannt. Denkbar sei aber, dass nicht jede biologische Mutter ausschließlich die eigenen Kinder versorgte, sondern auch anderen Aufgaben nachging.

Möglich ist das in jedem Fall: Der Psychologe und Väterforscher Prof. Dr. Andreas Eickhorst von der Hochschule Hannover erklärt mir im Gespräch, Rollenverteilungen seien immer schon kulturelle und gesellschaftliche Entscheidungen gewesen. Rein biologisch hätten Mütter und Väter die nahezu gleichen Fähigkeiten im Umgang mit Kindern. Klar, Väter können nicht gebären und mit der Brust stillen. Alles andere, so Eickhorst, können Väter aber auch: »Erziehung, Pflege, Babytalk, Bindungsaufbau – da macht die Natur keinen Unterschied. Sie hat es allen Geschlechtern ermöglicht.«

Hört, hört: Es liegt also entgegen der landläufigen Meinung nicht in unserer Natur, dass Frauen sich einfach besser um Babys und Haushalt kümmern können. Bleibt die Sozialisation. Und deren Veränderung ist träge.

Der 1948 geborene (und 2019 verstorbene) dänische Familientherapeut und Bestseller-Autor Jesper Juul deutete in seinem 2011 erschienenen Buch Mann & Vater sein an, warum selbstverständlichere Väter noch nicht in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind.11 Er schrieb: »Wir alle haben die Tendenz, das Verhalten unserer Eltern zu wiederholen, selbst wenn wir sehr darunter gelitten haben oder wir das Verhalten unserer Eltern auf einem intellektuellen Niveau sogar scharf kritisieren – wir wiederholen es trotzdem.«

Abwesende Väter waren zumindest in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft eher die Regel als die Ausnahme. Wegen Abhängigkeiten, Überlebensnotwendigkeiten, Traditionen. Die Aufweichung eines Familienmodells, in dem der Mann als Hauptverdiener fungierte und die Frau maximal als Zuverdienerin, war in der Bundesrepublik eine zähe Angelegenheit. Erst eine Reform des Ehe- und Familienrechts 1977 entfernte die Aufgabenverteilung der Geschlechter aus dem Gesetz und etablierte dort ein partnerschaftliches Verständnis von Ehe. Zuvor war die Frau nur berechtigt, erwerbstätig zu sein, wenn dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie »vereinbar« war, wie es im »Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts« hieß, das am 1. Juli 1958 in Kraft trat.12 Auch das Ehegattensplitting ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieses konservativen Familienbildes zu sehen – genauer nachzulesen in Teil 3. Forscher*innen der Bertelsmann-Stiftung machen unter anderem »Fehlanreize« wie das Splitting dafür verantwortlich, dass die Beharrungskräfte bei den Rollenbildern stark geblieben sind.13 Zwar stellte der gesellschaftliche Wandel seit den 1960er-Jahren in Westdeutschland bisherige Muster durch zunehmenden Wohlstand und emanzipatorische Bewegungen immer mehr infrage, aber das hieß noch lange nicht, dass der Patriarch den Patriarchen sein ließ und ein anwesenderer Vater wurde. Denn die Grundkonstellation vieler Familien blieb ähnlich: Vater Vollzeit, Mutter Teilzeit. 2019 gaben nur sieben Prozent der erwerbstätigen Väter an, in Teilzeit zu arbeiten.14 In welche Fußstapfen sollten sie auch treten? Andere als die klassischen Vorbilder gab es kaum. Sie fehlen oft bis heute.

Für Juul ist aus historischer Sicht nicht verwunderlich, dass Männer Verunsicherung, Angst und sogar Widerwillen verspüren, wenn sie Väter werden. Ihr Hintergrund und Erfahrungsschatz sei arm und sie stünden Frauen gegenüber, die immer stärker, selbstständiger und fordernder geworden seien. Diese Einschätzung klingt auf den ersten Blick leider nicht nur wie eine Entschuldigung für Männer, weiterzumachen wie bisher – sie kommt auch einer subtilen Unterstellung nahe, Frauen wollten zu viel. Und das, obwohl sie nur ein größeres Stück von dem Kuchen abhaben wollen, den Männer bisher allein verputzt haben.

Könnten »wir« Männer also einfach so weiterleben wie bisher? Zum Überleben würde es reichen. Zum besseren, erfüllteren und selbstbestimmteren Leben nicht. Und das ist doch das, was wir alle wollen, oder? Und wenn selbst unser Bild von frühmenschlicher Geschichte, dem ach so archaischen Ursprung, ein überholtes ist, warum nicht dann auch unser heutiges?

»Pappa ante portas«: Arbeit, Wahn, Sinn und Anstrengungsvermeidung

Bei Jack Nicholsons Figur Jack Torrance in »The Shining« kommt die Einsicht zu spät. Als er den Satz »All work and no play makes Jack a dull boy« manisch immer und immer wieder in seine Schreibmaschine haut, ist er längst von allen guten Geistern verlassen. Muss es bei uns auch so weit kommen? Müssen wir Männer erst wahnsinnig oder sehr alt werden, um einzusehen, dass Arbeit allein das Leben nicht erfüllt? Und dass wir mit diesem Immer-Weitermachen nicht nur uns, sondern auch unsere Partner*innen krank machen und damit unsere Gesellschaft ausbremsen? Gut, Kindererziehung und -bespaßung rund um die Uhr treibt Elternteile mitunter auch in den Wahnsinn, aber das ist ein anderes Thema (in den meisten Familien immer noch eines der Frau).

Dass Ehe und Erziehung damals, in der Generation unserer Eltern, überhaupt so funktionierten, wie sie nun mal funktionierten, lag auch an anderen Familienstrukturen als den heutigen: Selbst die klassische Kleinfamilie lebte oft umgeben von ihrer Großfamilie. So wie bei mir im Dorf immer jemand da war, der einspringen konnte, Oma, Tante, Nachbarin, so haben auch – um mich doch einmal auf unsere Vorfahr*innen zu berufen – vor Tausenden von Jahren wahrscheinlich nicht einzelne Mütter auf ihre Kinder aufgepasst, sondern Gruppen. Der Spruch »Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen« kommt schließlich nicht von ungefähr. Weil dieses Kooperationsmodell heute nicht mehr selbstverständlich ist und vor allem Eltern in Großstädten fehlt, hat die Pädagogin, Familienbegleiterin und Autorin Susanne Mierau schon 2013 ausgerufen: »Bildet Online-Clans!«15 Sie rät Eltern, denen die Unterstützung vor Ort fehlt, sich gegenseitig in Eltern-Bubbles zu suchen, zu finden und zu empowern, über Blogs oder auf Social-Media-Plattformen wie Instagram. Dass die moderne Mutter heute mit der Kindererziehung allein ist, ist nicht nur wegen fehlender Nähe zur eigenen Verwandtschaft kein Wunder. Die beständig wachsenden eigenen und fremden Ansprüche, dass vor allem Mütter alles sein und können sollen,16 kommen erschwerend hinzu – vor allem aber der Druck der Arbeitswelt. Ob nun ihrer eigenen oder der ihres Partners.

Im 20. Jahrhundert arbeiteten Männer noch deutlich mehr als heute. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die wöchentliche Arbeitszeit bei 48 Stunden (sechs Arbeitstage à acht Stunden). Wegen guter Konjunktur, Lohnerhöhungen durch Gewerkschaftsverhandlungen und unter dem aus heutiger Sicht absurd klingenden Slogan »Samstags gehört Vati mir« kam es in den 1960er-Jahren zur Einführung der Fünftagewoche mit vierzig Stunden wöchentlicher Standard-Arbeitszeit. Es verbesserte sich also durchaus etwas. Zum vermeintlichen Wohle der Kinder und Familien, aber nur mittelbar aus Rücksicht auf die Frauen.

Heute sind wir uns einig, dass vierzig Stunden Arbeit pro Woche immer noch sehr viel sind. Studien besagen, dass dieses Modell nicht zwingend die produktivsten Mitarbeiter*innen hervorbringt.17 Dabei könnten wir auch anders: Es gibt inzwischen gute Gründe, die etwa für ein bedingungsloses Grundeinkommen, mindestens aber für eine Verkürzung der Arbeitszeit bei finanziellem Ausgleich sprechen. Männer arbeiten nach der Geburt ihres ersten Kindes in der Regel allerdings mehr. Viele, vor allem Geringverdiener, müssen das vielleicht tun. Sie können sich finanziell keine Elternzeit und gemeinsamen Elternmonate leisten, weil ihr Einkommen dann nochmals schrumpft. Manche Väter fühlen sich sicher auch in alte Ernährer-Rollen zurückversetzt. Wir erinnern uns an das Zitat von Martin Schröder, den Soziologie-Professor an der Universität Marburg. Seine Forschung ergab auch, dass die meisten Väter sogar glücklicher sind, wenn sie noch mehr arbeiten als vor der Geburt ihres ersten Kindes.18 Es wird noch schräger: Den Müttern spielt dies, zumindest statistisch, in die Hände. Laut einer von Schröder ausgewerteten und unter dem Titel Wann sind wir wirklich zufrieden? veröffentlichten Langzeitstudie, in der über dreißig Jahre hinweg 80.000 Menschen befragt wurden, seien Mütter zufriedener, wenn der Vater aus dem Haus ist. Zudem wollen sie angeblich gar nicht mehr arbeiten, selbst wenn sie könnten. In einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur gibt Schröder zu, dass ihm viele der Ergebnisse selbst unangenehm seien.19»Als Soziologe ist man meist Teil eines linksliberalen, grünen Milieus«, sagt er darin, und vieles, was die Untersuchung hervorgebracht habe, passe nicht unbedingt zu dieser Sichtweise.

Wie sind solche Ergebnisse möglich? »Am besten passt das Erklärungsmuster der traditionellen Rollentheorie. Die argumentiert, dass die traditionelle Rolle für Männer die des Familienernährers und Vollzeitarbeiters ist. Männer scheinen sich in dieser Rolle am wohlsten zu fühlen. Das heißt aber nicht, dass es direkt die Arbeitsstunden sind, die Männer zufrieden machen«, erklärte Schröder schon 2018, und sagt dann die entscheidenden, bereits zitierten Sätze, laut denen es einfacher ist, so zu leben wie alle.20

Aus psychologischer Sicht kann Andreas Eickhorst einordnen, warum ein Wandel unserer Rollenbilder nur schleppend vorangeht – sein Stichwort lautet »Anstrengungsvermeidung«: