Venuswelle - Karin Rick - E-Book

Venuswelle E-Book

Karin Rick

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  • Herausgeber: konkursbuch
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Mit dem Rauschen der Brandung, mit den Sommerhits in einer open-air Disco am Hafen beginnt es. Sie trifft sie. Oder ihn? Eine ménage à trois für zwei Personen plus einer Persona bahnt sich an. Die Promi-Fotografin Nina, die in die Lust verliebt ist, der DJ Steve, der ein dunkles Geheimnis hat und Nina verfällt, die schwarze Diva Cindy – sie alle treten in Beziehung zueinander. Eine Insel, zwei Personen, eine Sommerliebesgeschichte. Aus dieser klassischen Konstellation entwickelt die Autorin eine vielschichtige Story mit vielen twists und turns. Und der Ort ist jenseits der Alltäglichkeit: die Insel Caldera (vulkanisch und atlantisch) als Zufluchtsort, der niemanden mehr loslässt, mal aufnehmend, dann wieder schroff abweisend ist. Eine hinreißend und schnell komponierte Erzählung, die die existenziellen Fragen des Lebens auf leichte Weise stellt: will denn alle Liebe Ewigkeit? Was ist wichtiger? Schein oder Sein? Welche Launen der Lust halten der Vergänglichkeit stand? Karin Rick, Meisterin der erotischen Spannung, konfrontiert uns in diesem neuen Roman einmal mehr mit den grundlegenden Themen ihres Schreibens. Die sexuelle Identität ist wie das Begehren etwas Fließendes, das sich nicht festmachen lässt an fixen Kategorien, Definitionen und Grenzen und nur im ständigen Wandel spannend bleibt.

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Karin Rick

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Venuswelle

Zum Buch

Prolog

1

Steve

Nina

Steve

Nina 

Steve

Nina

Steve

Nina

Steve

Nina

2

Steve

Nina

Steve

Nina

Steve

3

Nina

Steve

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Nina

Steve

4

Nina

Steve

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5

Steve

Nina

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6

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Steve

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Steve

7

Nina

Steve

Nina

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Steve

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13

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Steve

Nina

Steve

Nina

Steve

Nina

Steve

Zur Autorin

Impressum

Venuswelle

Roman

konkursbuch Verlag Claudia Gehrke

Zum Buch

Mit dem Rauschen der Brandung, mit den Sommerhits in einer open-air Disco am Hafen beginnt es. Sie trifft sie. Oder ihn? Eine ménage à trois für zwei Personen plus einer Persona bahnt sich an. Die Promi-Fotografin Nina, die in die Lust verliebt ist, der DJ Steve, der ein dunkles Geheimnis hat und Nina verfällt, die schwarze Diva Cindy – sie alle treten in Beziehung zueinander. Eine Insel, zwei Personen, eine Sommerliebesgeschichte. Aus dieser klassischen Konstellation entwickelt die Autorin eine vielschichtige Story mit vielen twists und turns.Der Ort ist jenseits der Alltäglichkeit: die Insel Caldera (vulkanisch und atlantisch) als Zufluchtsort, der niemanden mehr loslässt, mal aufnehmend, dann wieder schroff abweisend ist. Eine hinreißend und schnell komponierte Erzählung, die die existenziellen Fragen des Lebens auf leichte Weise stellt: will denn alle Liebe Ewigkeit? Was ist wichtiger? Schein oder Sein? Welche Launen der Lust halten der Vergänglichkeit stand?

Karin Rick, Meisterin der erotischen Spannung,  konfrontiert uns in diesem neuen Roman einmal mehr mit den grundlegenden Themen ihres Schreibens. Die sexuelle Identität ist wie das Begehren etwas Fließendes, das sich nicht festmachen lässt an fixen Kategorien, Definitionen und Grenzen und nur im ständigen Wandel spannend bleibt.

Presse zur Autorin:

Das Fesselnde ist die Demaskierung, die Offenlegung des Individuums als Wesen, das  der Emotion (oder der Gier) Rechnung zollt.  Geil ja, für Voyeure nein. (Buchkultur)

Eine Welle von Sehnsucht, Lust und Eifersucht. Ein ungewöhnliches Buch, in dem auch Ironie und Humor Platz haben (Brigitte)

Niemand kann heimliche, heftige Sexszenen so schön beschreiben wie die Wiener Autorin Karin Rick.“

 (Manuela Kay, L-Mag)

Prolog

Von der Strandpromenade dringen die Klänge von Karnevalsmusik durch das geschlossene Fenster. Er achtet nicht darauf, er zieht an den Schranktüren, die knarrend auffliegen, holt aus dem obersten Fach die Reisetasche, wirft sie aufs Bett, dann nimmt er ein Kleidungsstück nach dem anderen heraus und legt es in die Tasche. Er zittert vor Wut. Er will einfach nur weg. Sein linkes Lid zuckt mehr denn je, und sein Kopf wippt immer wieder bestätigend nach vorn, ich hab’s gewusst, ich hab’s ja gewusst. Zu weiteren Gedanken ist er nicht fähig. Seine Kehle ist vom Schreien heiser. Seine Hände beben, und ein T-Shirt landet zuerst auf dem Boden, bevor es seinen Platz in der Tasche findet. Steve möchte alles so schnell wie möglich hinter sich haben. Er hat vor, zu Bob zu ziehen, und dann ab, zurück nach Blackpool und das war’s dann. Er hat versagt. Caldera hat versagt, seine schwarze Insel mit weißem Sand im Atlantik.

Caldera ist unbequem. Das Wasser ist kalt. Es kann regnen, frisch sein, gelegentlich heiß. Die Wolken ziehen schnell, denn ein lebhafter Wind weht zumeist. Die Sonne ist stark und kann dich richtig niederbügeln. Caldera macht süchtig. Wer einmal dort auf Urlaub war, kommt immer wieder zurück, so wie Nina, manche versuchen sogar, dort ein neues Leben anzufangen, so wie er.

Caldera, der Traum hat sich als Alptraum entpuppt, bevölkert von Sharon und ihrer Mutter, ihrer unsäglichen Tante, ihren kindischen Freundinnen, und dies vor dem Setting all der Bars und Kneipen, die ihn nie willkommen geheißen hatten.

Es war ein langes Scheitern vom ersten Tag an gewesen, nur hat er zu lange gebraucht, das einzusehen. Der letzte Streit mit Sharon hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Er will nichts mehr hören, nichts mehr sehen von ihr, er flüchtet vor dieser eingebildeten, dummen, beschränkten Furie, der er ein Jahr seines Lebens gewidmet hatte, was ihm nichts gebracht hat.

Die Tasche ist geräumig, und er verfügt ohnehin nicht über allzu viele Kleidungsstücke, drei, vier Jeans, die Oxbow-Shirts, kein Hemd, etwas Unterwäsche, Socken trägt man in Caldera nicht.

Er will den Zipp schon zuziehen, und weil der sich nicht schließen lässt, tastet er von außen das Seitenfach ab. Eine gröbere Ausbuchtung ist auszumachen, er öffnet das Fach, ein verschnürtes, verklebtes Paket wird sichtbar. Er hält inne und zieht es dann vorsichtig heraus. Zuerst hält er es widerwillig zwischen den Fingerspitzen, als würde er sich durch den Kontakt mit den Klebestreifen mit einer unheilbaren Krankheit anstecken. Er sackt leicht in sich zusammen und lehnt sich mit den Schultern gegen die Spiegelwand der Schranktür. Er wird schon wieder von seiner anderen Welt eingeholt. Die hat er so lange verleugnet, wie konnte das passieren? Wie konnte er es so weit kommen lassen, dass er dieses Paket nicht mehr geöffnet hatte, seine Büchse der Pandora, die nie ihre gefährdende, seltsame Daseinsberechtigung offenbaren konnte?

Auf einmal ist jede Eile von ihm gewichen. Er wird ruhig. Er geht in die Küche, trinkt ein Glas Wasser, holt eine Schere aus einer Schublade. Vorsichtig schneidet er das Klebeband auseinander. Das Plastik entfaltet sich zu einer Tüte, er fasst hinein und zieht ein Knäuel schwarzen Stoff heraus. Als der auseinanderfällt, hält er ein Kleid in den Händen, billiges, glitzerndes Material. Er hält es an seine Nase und riecht Spuren von Körperpuder und Schweiß, o Gott, wie lange ist das her? Als Nächstes fällt eine schwarze Perücke heraus, glänzendes seidiges Haar. Er setzt sie auf, schaut sich im Spiegel an und kichert. Und wie von selbst streift er die Jeans herunter und das Fetzchen von Kleid hinauf, er zwängt seine breiten Schultern in die Spaghettiträger und streicht den Stoff über den Hüften glatt. Er wagt es nicht, wieder einen Blick in den Spiegel zu machen, setzt sich hin und zieht schwarze Stay-ups aus dem Plastik, lässt sie über die Beine gleiten, schlüpft in goldene Riemchenschuhe mit Bleistiftabsatz, steht auf, wankt, hält sich an der Schranktür an, balanciert breitbeinig aus und blickt in den Spiegel. Er lächelt über das, was er sieht, und auf einmal geht ein Ruck durch seine Gestalt, er wirft die Schultern zurück und stützt die Hände provozierend an den Hüften ab, wiegt sich hin und her, dreht sich zur Seite und betrachtet seinen Arsch, die Beine. Lächelnd geht er auf und ab und dann einer Eingebung folgend ins Bad, wo er in Sharons Schminktäschchen kramt, bis er Kajal und Wimperntusche gefunden hat, er stellt sich vor den Badzimmerwaschtisch und mit zuerst ungeübter dann immer selbstsicherer Hand zieht er einen Lidstrich, den zweiten, dann tastet sich das Bürstchen der Tusche über die Wimpern. Zu guter Letzt zieht er die Lippen mit Sharons rubinrotem Lippenstift nach.

So beschäftigt, hat er schon bald keine Distanz mehr zu dem Bild im Spiegel, immer weniger fremd erscheint es, immer mehr ist es er selbst, ganz er selbst.

Ein Windstoß fegt durch die Wohnung, und die Karnevalsmusik wird lauter. Wahnsinn, der Faschingszug scheint quer durch den Vorgarten zu gehen, so laut ist es auf einmal, da hört er einen Knall, eine zufallende Tür, Schritte im Apartment, er dreht sich um und starrt Sharon ins Gesicht, die versteinert im Türrahmen steht.

1

Steve

Wind ist wie ein Anruf der Geliebten. Du wartest endlos darauf, und weil er nicht und nicht kommt, wirst du zum Tiger im Käfig. Wenn’s aber klingelt und du ihre Stimme hörst, bist du auf einmal sanft wie ein Kätzchen. Nur dass ich im Moment keine Geliebte habe, nope, nada, und der Wind in Caldera ist noch eigenwilliger und unberechenbarer als sämtliche Anrufe sämtlicher Girls auf der ganzen Welt. Es gibt ihn, seit wir da sind, schlicht nicht. Kein Lüftchen weht. Die Boys sind sauer auf mich, weil wir seit drei Tagen nur herumsitzen und die Segel und die Boards in der Garage verrotten. Natürlich ist es meine Schuld, ich habe sie überredet, gerade jetzt nach Caldera zu fliegen, ich habe die Wetterkarten und Windprognosen studiert, ich habe mich von dem Atlantiktief einlullen lassen, aus dem viel zu schnell ein stabiles Hoch wurde, ich habe die Billigflüge und das Quartier organisiert. Jetzt sitzen wir da, es ist Abend in Roruengo im Blue Moon, und wenn ich nicht hie und da eine trockene Bemerkung fallen lassen würde, über Franks Bauch, über Jasons neue Flamme, wir würden vor Langeweile sterben. Was wird heute noch viel los sein, außer ein paar Bier und das Monasterio, eine Tanzhalle in einer alten Klosterkirche, in der der DJ auf einer Kanzel steht und mit viel zu vielen Sommerschnulzen viel zu wenig richtig guten Sound macht. Ein zentnerschwerer Kenianer mit einem erbärmlich schlechten Musikgeschmack. Ach, wär ich nur an seiner Stelle. Auf fünf gut bezahlte Auftritte in Blackpool hab ich verzichtet, um mir hier den Inselschrott anzuhören. Mal sehen, vielleicht komm ich mit ihm in Kontakt. Ein halbes Stündchen Plätzetausch. Und er könnte von der Bar aus beobachten, wie die Masse mitgeht, sobald ich’s denen richtig groovig geb. Aber keine Chance. Machen die Typen ohnehin nie, so wenig Kohle gibt’s dafür.

Die Boys drehen die Köpfe. Alexa kommt. Fremdenführerin. Sie begrüßt uns mit einem Redeschwall und hat nur Augen für Joe, den Kellner.

Und da seh ich sie. Mit Alexa gekommen. Die Umgebung verschwimmt sofort, ich starre sie an und versinke willenlos in meinem Stuhl. Love at first sight? Gibt es das denn? Bin ich denn wegen der Flaute verrückt geworden? Sie hat blondes Haar, klassischer Blickfang vor allem in Roruengo, in der Sonne würde es sicher wie Gold leuchten, kurzer, strenger Schnitt, aber die Locken wollen sich einfach nicht an diese Strenge halten, plustern sich auf und wellen sich um Stirn, Ohren und Nacken. Sie trägt einen Blazer. Weißes, glattes Leder, tailliert, aufgestellter Kragen, das sieht dominant aus. Fantastisch. Ich setze mich auf. Alexa stellt sie vor. Sie heißt Nina. Sie lacht und quatscht nicht so drauflos wie Alexa, grüßt flüchtig in die Runde, ihr Blick bleibt an niemandem hängen, leider auch nicht an mir. Sie dreht sich weg und setzt sich an den Nebentisch, sodass sich Alexa bald auch von unserer Runde entfernt. Viel zu bald gehen beide. Wie ich höre, ins Monasterio.

Nina

Verführung ist Ninas Geschäft, und ihre Leidenschaft. Wenn sie fotografiert, liegt Erotik in der Luft und ist danach als Aura im Bild zu spüren. Wenn Nina etwas gut kann, dann dies. Mühelos schafft sie es, dass das Model sich entkrampft, sobald sie die Leica zum Gesicht hebt und der Auslöser klickt. Prominente bringt sie zum Lachen. Mit Politikern übt sie Tanzschritte, bevor sie loslegt. Unbemerkt durchmessen ihre Augen den Raum schon, wenn sie eine Wohnung betritt, fixieren Motive noch während des Small Talks, erkennen ideale Winkel und Fluchtlinien, ziehen Parallelen zwischen Gesichtszügen und den Konturen der Möbel oder Fensternischen, stimmen sich auf Farben ein. Mit Nina loten Menschen ihre Grenzen aus, sprechen von selbst über geheime Wünsche, öffnen sich im Gespräch und dann in der Körperhaltung, werden plötzlich jünger.

Ninas Tag sollte doppelt so lang sein, um alles unterzubringen. Täglich zieht sie ihre Runden von einem Auftraggeber zum anderen, von einer Location zur nächsten, im Hintergrund ihrer Gedanken immer eine andere Sehnsucht: die Fotos, denen ihre Träume wirklich gelten, die noch warten, geschossen zu werden. Genaues über diese Fotos weiß sie noch nicht. Nur dass sie eines Tages das Licht der Welt erblicken werden. Und dass sie Haut fotografieren will, umhüllt von Stofflichem, von glänzendem, grobem oder feinem Material, in das man sich verlieben kann. Der Gedanke an diese Fotos genügt, um sie glücklich zu machen.

Nina verbringt den Urlaub wie jedes Jahr in Caldera. Vor der Reise hat sie eine Liebesbeziehung beendet, die keine Zukunft mehr hatte. 

»Wir haben ja nur noch gestritten«, sagt sie zu Alexa, ihrer Nachbarin auf der Insel, »ich konnte es schon nicht mehr hören, über meine angebliche Liebesunfähigkeit, meine angebliche Kälte und Härte, meine Karrieresucht und was weiß ich nicht noch alles.«

Alexa und sie gehen am Strand spazieren und kämpfen gegen den Wind an.

»Und du gibst euch keine Chance mehr?«

»Nein«, antwortet sie bestimmt. »Das hat mich nur ausgelaugt. Ich kann mir in meinem Beruf solche Melodramen nicht leisten.«

Auf dem Heimweg schauen sie in einem Dorf vorbei, wo eines der üblichen Sommerfeste stattfindet. Buden und eine Freilichtbühne kommen in Sicht, eine Band spielt.

Außer Nina und Alexa sind nur Einheimische da. Sie stehen in Gruppen zusammen, tratschen und lachen. Bald tanzen vom Kleinkind bis zum Großvater alle miteinander. Nina steht mit Alexa zuerst am Rand der Bühne und schaut zu. Dann fängt sie mit den Füßen, den Hüften den Takt auf. Sie mischt sich unter die Menge und tanzt mit – angesteckt von sorgloser Ferienfröhlichkeit. Tanzen ist ein Sprung in eine andere Welt für sie, verwandelt sie, dieses Einswerden von Bewegung und Musik. Jetzt fühlt sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder lebendig.

Und ihre Libido kommt auf Touren. Überrascht bemerkt sie, dass einer der Männer sie antörnt. Ein Fischer vielleicht – mit schwerem Gang und gerissenem Grinsen. Immer wieder tanzt Nina an ihn heran und produziert sich mit eindeutigen Beckenbewegungen, wenn er einmal das Gespräch mit seinen Dorfkumpels unterbricht und ihre Blicke sich treffen. Alexa schaut ihr vom Rand aus zu und grinst aufmunternd.

Der Fischer reagiert überrascht, wenn auch mit Verzögerung, und starrt sie nun unverhohlen und schmierig gierig an. Sie fühlt sich toll dabei. Irgendetwas in ihr denkt auf einmal an schnellen, spontanen, heimlichen Sex mit einem Unbekannten, der wild und unberechenbar ist wie das Meer.

Dieses Erlebnis berauscht sie. Im Auto ist sie aufgekratzt und euphorisch und reißt einen schlüpfrigen Witz nach dem anderen über den Fischer. Sie ist im Turbomodus, ihre Haut prickelt, sie lacht noch lauter und übermütiger als sonst, steckt Alexa an, sodass sie vor lauter Herumalbern beinahe aus einer Kurve hinausgetragen werden.

Dabei steht Nina nicht einmal besonders auf Männer. Der Abend bringt bloß ein Erwachen ihrer sexuellen Energie, die sich in ihrer letzten Beziehung im Tiefschlaf befunden hat. Jetzt ist die Energie wieder da.

Ninas zweiter Urlaubsabend bahnt sich an wie ein Funkloch im Leben.

Da läutet Alexa an der Tür.

»Geh doch heute Abend mit. Ich treffe ein paar Engländer. Na ja, man muss ihre Art Humor mögen. Windsurfer. Frauen gibt’s zwar keine für dich, aber einen Abend lang hältst du das schon aus. Spätestens um Mitternacht fahren wir ins Monasterio tanzen. Versprochen.«

Sie fahren nach Roruengo. Dort sitzt im Blue Moon, einer Touristenkneipe, eine Horde Kerle, die ihr nicht sonderlich sympathisch sind. Grob, die Züge vom Leben durchgeknetet. Bier trinkend. Alexa mit ihrer Gabe, jede fremde Sprache, die sie einst gelernt hat, mimetisch nachzuahmen, palavert sofort auf Englisch mit ihnen los. Nina steht gelangweilt daneben, als Alexa einer Akrobatin gleich durch Worthülsen turnt, dann setzen die beiden Frauen sich abseits an einen Tisch. Alexa ist nur auf den Kellner fixiert, ein blonder, pausbäckiger, langhaariger Junge namens Joe. Der hat aber noch zu tun. Und außerdem zeigt er Alexa die kalte Schulter.

»Gestern hat er zu mir gesagt, ich rede zu viel, das ist zu anstrengend für ihn«, beschwert sie sich. »Findest du auch, dass ich zu viel rede?«

»Nein, natürlich nicht«, antwortet Nina, »vergiss ihn und halt dich an die Surfer.«

»Ich weiß nicht recht. Die sind heute schlecht drauf, weil schon die ganze Woche kein Wind ist. Komm, ich mag nicht mehr warten, wir fahren ins Monasterio.«

Ein Uhr nachts. Nina und Alexa tanzen. Die herumstehenden Einheimischen starren sie an. Alexa wartet aber auf Joe, und als der nach einer Stunde tatsächlich neben ihnen steht, ist Nina sie für diesen Abend los. Er hat schnell die Hand auf Alexas Hintern, und bald darauf flüstert sie Nina zu: »Bitte sei nicht bös, wenn ich jetzt abhau. Das ist die erste richtige Chance, mit ihm ins Bett zu gehen.«

Also bleibt Nina allein, umringt von Männern, die, nimmt sie an, alle mit ihr vögeln wollen. Sie denkt mit Nostalgie an die letzten Urlaube mit Freundinnen. Bist du in einer Gruppe, dann fällt die Umgebung nicht ins Gewicht. Aber heute und allein? Vor lauter Schutzhandlungen – Blickkontakt meiden, keinen extremen Hüftschwung – werden ihre Schritte immer ungelenker, bald beschließt sie zu gehen. Sie drängt sich zum Ausgang durch, kommt an den Surfern vorbei, die auch hier gelandet sind, und blickt zufällig in das Gesicht eines von ihnen, glatt, glänzend, schmal, aschfarbenes, mit Gel aufgestyltes Haar, freches Feixen. Betrunken, denkt sie angeekelt, ringt sich aber ein Lächeln ab, ihr Schritt Richtung Tür wird unentschlossen.

»Hi«, sagt er, nüchterner, als sie angenommen hat, und sie bleibt stehen, er fragt sie, ob sie einen Drink wolle. Ja, schadet ja nicht. Er holt ihr Mineralwasser. Sie weiß nicht einmal, ob sie ihn attraktiv finden soll oder nicht, aber in seiner Gegenwart kommt die Lust zu tanzen wieder. Sie geht aus sich heraus und bemerkt eine ach so schöne Frau neben sich, sehr sexy und weiblich. Sie kann sich an ihr nicht sattsehen und beginnt, sie anzutanzen, und die lässt es sich sogar gefallen. Beide lachen und schwingen umeinander herum. Ein glücklicher Moment. Eine andere, klein, drahtig, dunkelhaarig, mit Ring in der Oberlippe und den abgebrühten Augen eines Straßenkindes, geht nahe an Nina vorbei und misst sie mit einem Blick, der entweder töten oder ficken will. Ficken? Aber hier in dieser Disco gibt’s doch keine Lesben, denkt Nina flüchtig, hinter ihr die breitschultrige Gestalt des Engländers, der ihre Jacke für sie hält.

Bald ist sie mit der schönen Tänzerin bei gelegentlichen Hüftschubsern angelangt, da reitet Nina der Teufel. »Stehst du auf Frauen?«, fragt sie sie. Wenn schon denn schon. Die Frau schüttelt den Kopf und rückt deutlich von ihr ab, ihr Lachen erlischt, die Bewegungen werden eintöniger, von nun an auf der Hut. Schade, denkt Nina. Hätt mich auch gewundert. Zu anschmiegsam, zu weich und zugänglich. Das Tanzen und Lachen war bloß Koketterie, vielleicht wollte sie ihren Typen, der hier irgendwo herumstehen muss, beeindrucken. Sie hadert noch damit, die Stimmung durch diese Frage zerstört zu haben. Da sieht sie, wie die Schöne mit der Dunkelhaarigen flüstert und auf sie zeigt. Die kommt plötzlich auf Nina zu, tritt dicht an sie heran, schaut sie finster an und küsst sie auf den Mund. Ihre Lippen schmecken nach Rauch. Nina ist perplex. Interessant, denkt sie. Doch es kommt noch unverfrorener.

»Gehen wir miteinander aufs Klo?«

Die Frage ist so unerhört, dass die überraschte Nina wie in Trance mitgeht. Die Kabinen sind alle besetzt, davor lange Schlangen sich schminkender, tratschender Frauen. Sie quetschen sich dazwischen. Vor den Augen der anderen knutschen und tasten Nina und die Fremde einander ab. Die ist sichtlich aufgeregt, dass eine blonde Ausländerin hier mit ihr in der Toilette steht und sich abschmusen lässt. Sie verschwinden in der ersten frei werdenden Kabine. Sie macht Ninas Brüste frei und leckt sie, und Nina küsst leidenschaftlich einen kindlich dünnen Hals und fragt drängend, wo sie einander sonst noch sehen könnten. Nirgendwo, ist die hastige Antwort. Sie ist in einer Beziehung, das geht nicht.

»Ach, schade.«

»Aber komm doch mit ins Troposfera. Das öffnet jetzt um vier.«

»Vielleicht.«

»Ja, du kommst mit.«

Steve

Ich muss ins Monasterio, koste es, was es wolle. Ich muss die Frau im weißen Lederblazer wiedersehen, und wenn’s nur kurz ist. Schließlich krieg ich Jason, Frank und Geoff dazu, mit mir in die Hauptstadt zu fahren. Wozu renn ich ihr nach, denk ich, als ich im Fond unseres Leihwagens sitze. Nicht, dass es mir an Angeboten mangeln würde. Die Girls in meinem Club in Blackpool hängen an meinen Lippen. Sie tragen dünne Fetzchen, die du ihnen mit einem Griff runterziehen könntest, und eine nach der anderen hernehmen. Aber was wollen sie alle? Heiraten und Kinder kriegen. Und dann noch mehr Kinder kriegen und du sollst die Kohle herbeischaffen. Einmal im Jahr rennst du dann auf Inseln wie Caldera mit dem Kinderwagen an der Strandpromenade herum, in dem ein schreiendes Zweijähriges sitzt, eines hast du auf den Schultern, das dritte bettelt um ein Eis, und das vierte ist im Bauch der Ehefrau. Und du kannst zahlen, zahlen, zahlen. Wie mich das ankotzt.

Wir kommen vor dem Monasterio an, es boomt drinnen, trotz der ewigen Salsaschnulzen, und beinahe lassen sie uns nicht herein, es ist um diese Zeit knallvoll. Aber ich kenn den Türsteher seit ewig, und schon sind wir drinnen.

Ich bleibe an der ersten Säule stehen, habe den massigen DJ im Blick und nicke ihm zu. Er grinst zurück. Frank bringt uns Bier vom Tresen, und ich suche den Saal voller wippender, schwingender Schultern und Frauenköpfen mit wilden Mähnen nach Nina ab. Kann ja nicht so schwer sein, sie ist die einzige Blonde hier. Als ich sie ausmache, klammere ich mich fester an mein Glas, denn sie kommt auf uns zu. Sie schiebt sich an den Tanzenden vorbei in meine Richtung. Mist! Ist sie auf dem Weg zum Ausgang? Das darf nicht sein. Ich stelle mich ihr in den Weg, lächle sie, wie ich meine, unverbindlich freundlich an und sage Hi. Sie hält im Gehen inne. Befremdet.

»Wir haben uns gerade im Blue Moon gesehen«, helfe ich ihr auf die Sprünge. »Magst du was trinken?«

Sie zögert und willigt ein. Sie will Mineralwasser. Sie nimmt einen Schluck, dann zieht sie den Blazer aus und schaut sich suchend um.

»Soll ich deine Jacke halten?«

Sie drückt sie mir in die Hand und beginnt zu tanzen. Ich schaue ihr fasziniert zu. Wunderbares Rhythmusgefühl, geschmeidig, wie von selbst übernehmen die Hüften die Bewegungen der Schultern und geben sie wieder nach oben zurück, als hätte sie in ihrem Leben nie etwas anderes gemacht. Ein Leuchtstern im Nebel, denk ich. Die Typen, die sie anglotzen und denen die Zunge raushängt, lassen sie kalt. Jetzt lächelt sie eine Einheimische an und tanzt auf sie zu. Die beiden umgarnen einander, schubsen und stupsen die Ärsche aneinander, aufregend. Sie kommt in Fahrt, ich sehe, oder mehr, ich spüre geradezu, wie sie in einen Rauschzustand gerät, sie lacht frenetisch auf und gibt Gas. Was ist das nur? Drogeninduziert. Das ist das Erste, was mir in den Sinn kommt. Für mich ein packendes Schauspiel. Ein Film spielt sich vor mir ab. Jetzt flüstert sie der Einheimischen etwas ins Ohr. Die hört plötzlich auf zu lachen und weicht von ihr zurück. Was war das jetzt? Die Einheimische verschwindet in der Menge und kommt mit einer anderen zurück. Eine Ausgezehrte, Dünne, mit Nasenring und einem fins-teren Gesicht, hässlich in meinen Augen, sie hat etwas Böses oder ist vielleicht bloß ein Junkie. Ehe ich mich versehe, taucht Nina mit ihr in der Menge unter, Richtung Toilette. Aha. Ich werde stutzig, bin aber nicht beunruhigt – vertrauensselig hat sie mir ihr Jackett zur Aufbewahrung gegeben. Aufbewahrung, haha, nur um freie Hand, freies Spiel zu haben, Frechheit! Und ich steh jetzt da. In die Rolle des Bodyguards gerückt, dessen Schützling mit einer düsteren Gestalt auf dem Klo verschwunden ist. Vielleicht zieht sie sich dort was rein.

Nina 

Aufgelöst gehen sie in den Saal zurück, die Lippenringträgerin hält Abstand und schaut ängstlich um sich, was Nina ärgert. Die soll sich nicht so haben, mit ihrer wahrscheinlich nur erfundenen Partnerin. Feiglinge widern Nina an. Ein letztes Mal wird gerade der aktuelle Sommerhit gespielt, ein Ohrwurm, der von einem Stier handelt, der den Mond anbetet. Nina fängt wieder zu tanzen an, wie eine, die glaubt, dass es kein Morgen gibt. Musik und Sex, das sind ihre wahren Drogen.

Das Monasterio schließt seine Pforten, und der Engländer steht als einziger Gast noch da und hält immer noch ihren Blazer. Kann er sich vorstellen, was sie soeben gemacht hat? Wohl kaum. Auf der Straße hält er sich hartnäckig neben ihr, als die Lippenberingte sie ins Troposfera mitziehen möchte. Nina bringt es nicht über sich, ihn zurückzulassen, wo er doch so nett auf die Jacke aufgepasst hat.

Zu der Frau sagt sie: »Wir treffen uns dort.«

Und zu ihm: »Kommst du mit?«

»Wohin?«

»In eine Open Air Disco.«

»Ja.«

In Gedanken immer noch bei dem Mädel, öffnet sie ihm den Wagenschlag und steigt ein. Als sie aber starten will, nimmt er sie auf einmal in die Arme. Sie hat nicht einmal Zeit zu reagieren, schon küsst er sie auf den Mund, und das ist so warm und so entschieden, eine solche Wucht, dass Nina sich nicht einmal wehren will. Auch damit hat sie nicht gerechnet. Ihr letztes Erlebnis mit einem Mann ist Jahre her, nie im Traum hätte sie daran gedacht, wieder mit einem etwas anzufangen, schon gar nicht mit dem hier, so attraktiv ist der nicht. Ohne Umwege ist seine Zunge in ihr und stößt zu. Trotz dieser Bestimmtheit ist etwas Weiches an ihm. Keine aufdringliche Aggressivität, er verströmt satte Sinnlichkeit. Sie kann sich herrlich an ihn anlehnen. Und das tut sie auch dann im Troposfera, einem abgezäunten, betonierten, Musik speienden Areal im Containerhafen, wo sich bei schnell zunehmender Helligkeit unersättliche Nachtschwärmer treffen, die von den Clubs der Umgebung vor die Tür gesetzt wurden.