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Vroni wäre gern mehr wie die selbstbewusste Rebellin Vera. Sie will endlich gesehen werden und dazugehören. Dafür verrät sie auch ihren Freund Johann, der gemobbt wird. In der neuen Clique flirtet sie mit Alex und betrinkt sich mit den anderen. Ihre Eltern bekommen davon nichts mit, bis plötzlich alles auf dem Spiel steht und Vroni ebenfalls in den Schussradius der Mobber gerät.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Vroni wäre gern mehr wie die selbstbewusste Rebellin Vera. Sie will endlich gesehen werden und dazugehören. Dafür verrät sie auch ihren Freund Johann, der gemobbt wird. In der neuen Clique flirtet sie mit Alex und betrinkt sich mit den anderen.
Ihre Eltern bekommen davon nichts mit, bis plötzlich alles auf dem Spiel steht und Vroni ebenfalls in den Schussradius der Mobber gerät.
Elvie Moritz wurde im Jahr 1988 in Bayern geboren und lebt inzwischen in Schleswig-Holstein. Sie liebt die Natur und das Abenteuer und kann sich für Berge und Meer gleichermaßen begeistern.
Ihre ersten Geschichten schrieb sie im Alter von zehn Jahren.
Sie liebt außergewöhnliche Geschichten mit einer Prise Magie und mutigen Helden, die felsenfest zusammenhalten.
© 2023 Claudia Miemczyk – alle Rechte vorbehalten
Claudia Miemczyk
Fischdiek 53
25524 Itzehoe
+4917647794738
https://www.elvie-moritz.de
Für Cover und Buchsatz wurden Fotos von Adobe Stock verwendet.
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Ohne die schriftliche Zustimmung der Autorin ist jede Verwendung unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung oder öffentliche Zugänglichmachung.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten zu verstorbenen oder lebenden Personen, Orten oder sonstigen Begebenheiten sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Hey Vroni!
Ich vermisse dich. Es fühlt sich seltsam an, das Sommercamp allein zu besuchen. Bisher war das Wetter top und wir konnten jeden Tag ans Meer. Ohne dich macht es jedoch nur halb so viel Spaß. Natürlich hoffe ich, dass ihr euren Umzug gut überstanden habt und du dafür Zeit hast, deine neue Heimat zu erkunden.
Wie fühlt es sich denn an, in einer Großstadt zu leben? Ich bin sehr gespannt auf ein paar Fotos und Berichte von dir. Lass von dir hören!
Miriam
Mal wieder ein Lebenszeichen von meiner besten Freundin. Die Postkarte kam bereits gestern an, aber ich lese sie heute zum ersten Mal. Es ist jetzt einfach nicht mehr dasselbe. Palmen, Strand, Sonne und Meer. Früher haben wir das immer gemeinsam gemacht. Das Sommercamp war wie ein Ritual für uns. Ich schmeiße die Karte missmutig aufs Bett und starre zum Fenster hinaus.
Wir haben sogar einen Garten und einen Pool. Aber mir gefällt es hier nicht. Das Wichtigste fehlt, denn Miriam, meine beste Freundin, wohnt nun über 300 Kilometer von mir entfernt. Vielleicht werde ich sie nie wiedersehen.
Der Kontakt wird weniger, Woche für Woche. Nie hätte ich gedacht, dass es einmal so weit kommen würde. Dass es keine Pläne für das nächste Treffen gibt, nur Belanglosigkeiten ausgetauscht werden.
Ich wünschte, ich wäre nie weggezogen. Aber für meine Eltern ist der Umzug jetzt schon ein voller Erfolg. München ist eine tolle Stadt, keine Frage. Bestimmt kann man hier jede Menge Cafés besuchen. Shoppen gehen. Leute kennenlernen. Aber ich habe darauf keine Lust.
»Vroni, schläfst du noch?«, ruft Mama durchs Haus.
»Nein, ich sitze am Laptop.«
Ich halte die Luft an und lausche ihren Schritten, die eindeutig näherkommen. In meinem Kopf rattert es und ich lege mir schon die richtigen Worte zurecht, um ihr zu erklären, weswegen sie anklopfen sollte, anstatt einfach bei mir hereinzuschneien.
Doch sie kommt nicht. Ihre Schritte verklingen wieder, sie scheint die Treppe hinunterzugehen.
Ich springe auf und die Neugierde packt mich. Hat sie heute irgendwas vor? Steht was an? Ich überlege, aber mir fällt nichts ein. Für den Umzug ist alles erledigt, wir haben sogar schon Internet.
Ich stoße meine Zimmertür auf und spähe die Treppe runter. Mama steht mit einem Wischmopp und Eimer ausgestattet unten im Flur. Ganz toll. Das hat mir gerade noch gefehlt! Wenn sie mich jetzt für den Haushalt einspannt, ist der Tag echt gelaufen.
»Heute kommt Besuch«, verkündet sie. »Hilfst du mir, das Haus zu putzen?«
Ich runzele die Stirn. »Ist es echt schon so schmutzig?«
Mama rollt mit den Augen. »Komm, jetzt stell dich nicht so an. Unsere Gäste sollen sich schließlich wohlfühlen, meinst du nicht?«
Ich starre sie nur an. Wie macht Mama das immer? Lernt einfach so aus dem Nichts Leute kennen. Okay, das hätte ich vielleicht auch geschafft, wenn ich mal ins Freibad oder an den See gegangen wäre.
»Na gut, ich helfe dir«, murmele ich und suche nach dem Staubsauger. »Von mir aus. Aber … Miriam muss mich irgendwann auch besuchen dürfen.«
»Ach Vroni. Gib der Sache doch wenigstens eine Chance. Miriam wohnt nun nicht mehr einfach so ums Eck. Du wirst neue Freunde finden. Greta, die uns besuchen kommt, hat Kinder, und der Junge ist sogar in deinem Alter. Er kommt auch in die siebte Klasse …«
Ich schüttele den Kopf und wende mich ab. Das Gespräch bewegt sich ganz eindeutig in die falsche Richtung.
»Ich suche mir selbst meine Freunde. Herzlichen Dank!«, erwidere ich, aber Mama hört mir schon gar nicht mehr zu. Stattdessen macht sie sich an die Arbeit.
Ich seufze und blicke mich um. Es ist alles blitzblank. Wobei genau soll ich helfen? Versteh mal einer Eltern.
Beim Ertönen der Türklingel schrecke ich auf. Komischerweise bin ich echt nervös. Dabei ist es mir wirklich egal, wer unsere Nachbarn sind.
Ich klappe den Zeichenblock zu. Natürlich habe ich noch das Wohnzimmer gesaugt, danach musste selbst Mama einsehen, dass die Räume alle ordentlich sind.
Ich trete hinaus in den Flur, knete meine Hände und fluche leise, als ich das bemerke.
Mama grinst verschmitzt und ich rolle erneut mit den Augen. Sie soll nicht denken, dass ich das hier toll finde. Immerhin hasse ich den Umzug. Und dabei bleibt es auch!
Ich beobachte skeptisch, wie Mama eine Frau mit grüner Handtasche begrüßt. Ihre Haare sehen verdammt nach Dauerwelle aus und ich spüre, wie mir die Lust auf ein Gespräch mit ihr vergeht.
Mama bittet sie herein und sie tauschen ein paar Floskeln.
Das kleine Mädchen neben ihr wird quengelig und dreht sich zu mir. Es ist strohblond, das Gesicht übersäht mit Sommersprossen. Ein bisschen wie Miriam in jünger, schießt es mir durch den Kopf.
»Ich bin Anni und das ist mein Bruder Johann.«
»Hi, Anni«, antworte ich lahm. Aus den Augenwinkeln beobachte ich ihren älteren Bruder, der nun ebenfalls das Haus betritt. Er scheint deutlich zurückhaltender zu sein, denn er lächelt nur, sagt aber nichts. Im Gegensatz zu Anni hat er dieselbe langweilige Haarfarbe wie ich: braun.
»Und wie heißt du?«, fragt mich Anni, als ich nur stehen bleibe und die beiden mustere. Sie hüpft ungeduldig durch den Flur und zieht an meinem Pullover. So ein Wildfang. Gegen meinen Willen muss ich grinsen.
Ich stelle mich vor und sofort beginnt Anni, mir irgendwelche Geschichten aus dem Kindergarten zu erzählen. Sie kommt nach den Ferien in die erste Klasse und kann es kaum erwarten. Richtig, in einer Woche geht die Schule los. Aber da ich bereits in die siebte Klasse komme, bin ich nicht mehr so motiviert wie sie. In der Grundschule war ich jedoch genauso.
»Wie wäre es, wenn du den beiden den Garten zeigst, Vroni? Das Wetter ist schön. Greta und ich holen euch später, wenn es Kuchen gibt, ja?«
Ich nicke. Insgeheim bin ich erleichtert, dass wir gehen dürfen. Mir reicht es schon, wenn Greta mich dann beim Kuchenessen ausfragt.
»Kommt mit«, sage ich zu den Geschwistern und führe sie durch das frisch gesaugte, ordentliche Wohnzimmer hinaus auf die Terrasse.
Der Junge hat noch kein Wort gesagt. Ich mustere ihn über die Schulter hinweg, schweige aber ebenfalls.
Wir treten ins Freie und die Sonne blendet mich für einen kurzen Augenblick. Doch zum Glück weht ein angenehmer Wind. Ich hasse Hitze.
»Wow! Ihr habt sogar einen Pool!«, ruft Anni und rennt auch schon davon.
Ich lache und sehe ihr hinterher. Die hält wohl keine Minute still.
Ihr Bruder tritt neben mich. Er legt seinen Kopf schief und blinzelt gegen die Sonne. Eine Haarsträhne hängt ihm in die Stirn. Ich wende schnell den Blick ab. Bisher habe ich noch kein Wort mit ihm gewechselt und langsam frage ich mich, warum ich mich so anstelle.
Wir laufen zusammen hinter Anni her. Ich überlege fieberhaft, was ich zu dem Jungen sagen könnte, als Anni plötzlich auf mich zugestürmt kommt.
»Wollen wir schwimmen? Oder Papierboote basteln?«, quengelt sie.
Ich lache. Aus den Augenwinkeln kann ich auch auf Johanns Gesicht ein Schmunzeln erkennen.
»Du kannst gern Papierboote basteln. Badesachen habt ihr vermutlich nicht eingepackt?«
Ihr Gesicht verdunkelt sich. »Stimmt, haben wir nicht.«
»Gut, ich hole dir die Kiste mit den Bastelsachen.«
Wenig später sitze ich mit Johann im Gras. Wir beobachten Anni, die Boote aus buntem Papier faltet und eins nach dem anderen in unserem Pool versenkt.
»Heute Abend werde ich danach tauchen dürfen«, scherze ich und Johann lacht. »Wohnt ihr eigentlich schon immer hier?« Ich bin erleichtert, dass mir endlich eine Frage eingefallen ist, die ich Johann stellen kann.
Er erzählt mir von seiner Kindheit hier am Stadtrand. Umgezogen ist seine Familie noch nie. Anscheinend haben seine Eltern viel Zeit und fahren oft mit ihm und Anni in die Berge und zu den Seen. Er kennt die Gegend, das Umland, und verbindet damit genauso viele Erinnerungen wie ich mit dem Schwarzwald.
Ich schlucke. »Manchmal wünschte ich, ich hätte auch eine kleine Schwester«, sage ich. »Ihr scheint richtig viel miteinander zu erleben.«
»Ich bin froh, wenn sie endlich in der Grundschule ist und sich selbst beschäftigen kann.«
»Und wie fandest du es?«, fragt Mama, nachdem der Besuch gegangen ist.
Ich grummele etwas Unverständliches. Das Treffen war schön, keine Frage. Und dass Johann sogar in meine Klasse geht, könnte mir nützlich werden.
Ich zucke mit den Schultern. »Ich wollte gleich noch Fahrrad fahren.«
Mama runzelt die Stirn. »Okay«, sagt sie trotzdem. »Viel Spaß.«
Ich stürme nach draußen und schwinge mich aufs Fahrrad. Eigentlich weiß ich, dass Mama es gut meint. Es fühlt sich nur manchmal so an, als würde sie es einfach ausblenden wollen, wenn Dinge für mich schwierig sind. Als würde allein davon alles gut, dass man alles andere verschweigt. Aber das funktioniert nicht. So schnell vergesse ich Miriam nicht, nur weil Mama ein paar Nachbarn einlädt.
Ich trete fester in die Pedale. Keine Ahnung, wo ich hinfahre. Im schlimmsten Fall bringt Google Maps mich sicher nach Hause.
Wir wohnen in Feldmoching. Das ist der äußerste Münchner Stadtrand. Überall um uns herum sind Wiesen und Felder. Es soll auch einen See geben. Oder mehrere. Zumindest hat Johann das vorhin erzählt. Ich bekomme Lust darauf, das alles zu erkunden. Ich kenne noch absolut gar nichts von München. Irgendwo muss es doch auch stadteinwärts gehen? Aber eigentlich will ich jetzt sowieso nur einen Moment für mich sein.
Die kleinen Einfamilienhäuser ziehen an mir vorbei. Wir haben immer schon da gewohnt, wo jeder sein Haus und seinen Garten hat. Aber ehrlich: Es klingt schöner, als es ist.
Mein Vater ist fast ständig unterwegs. Wofür wir ein Haus haben, in dem fast alle Zimmer ungenutzt sind? Keine Ahnung.
Ich frage mich, ob das normal ist. Ob all die kleinen Häuser hier von Menschen bewohnt werden, die sich lieber woanders als in ihrem Zuhause aufhalten. Als ich eine mehrspurige Straße überquere, sieht auf der anderen Seite plötzlich alles anders aus. Hier ist richtig viel Verkehr. Die Wohnsiedlung liegt hinter mir. Und ich bin fast erleichtert, da raus zu sein. Der plötzliche Lärm der Autos bringt mich einen Moment aus der Fassung, doch dann fühle ich mich frei. Hier fährt sogar eine Tram. Und statt kleinen Häusern sprießen hier riesige Wohnblocks aus der Erde.
Ich entdecke einen kleinen Park zwischen all dem Beton und steuere eine Bank an. Hunde bellen. Kinder lachen. Die Hauptstraße hört man noch immer. Es ist schön, mittendrin zu sein. Ist das das Großstadtleben, von dem alle so schwärmen?
Nachdem ich mein Fahrrad geparkt und mich hingesetzt habe, tippe ich eine Weile auf dem Handy herum – als es vor mir plötzlich laut scheppert.
»Scheiße!«
Ich blicke auf und in dunkel geschminkte Augen eines Mädchens, das sein Fahrrad geradeso daran hindern kann, umzukippen.
Ich will etwas sagen, doch die Unbekannte kommt mir zuvor. »Dein Fahrrad?«
Ich blinzele, dann verstehe ich es. Sie hat eine Vollbremsung hingelegt, um mein Rad nicht zu rammen.
»Kommst du nicht dran vorbei?«, frage ich. Soll ich aufstehen und mein Fahrrad hinter die Bank räumen? Aber der Weg ist breit genug, da kommt die doch durch.
»Schon gut«, grummelt sie und steigt ab. Ihr Rad scheppert erneut. O Gott. Was für eine Rostlaube. Fast kultig. Genau wie die zahlreichen Sticker, die fast ganz abgeblättert sind.
»Familienerbstück«, erklärt sie grinsend.
»Cool, hab ich mir fast schon gedacht.«
An den Lenkergriffen hängen schwarze Fransen – vermutlich das einzig Neue an diesem Rad. Und der Korb auf dem Gepäckträger fällt mir noch auf, weil er mit mehreren Totenkopfstickern beklebt ist.
Das Mädchen passt zu dem düsteren Fahrrad. Die langen, glänzend schwarzen Haare. Und die viele Schminke. Die enge Kleidung, die komplett in Schwarz und Rot gehalten ist. Vermutlich sind wir im selben Alter, auch wenn das wegen ihres Make-ups schwer zu sagen ist.
Plötzlich fühle ich mich in dem grauen Hoodie ziemlich unwohl. Ja, ich weiß. Mit dreizehn sollte man sich langsam für Mode interessieren. Doch Miriam war wie ich. Eher sportlich. Eher brav. Ich seufze.
»Ich bin Vera«, sagt das Mädchen und mustert mich. Auf einmal sieht sie gar nicht mehr wütend aus, vielmehr neugierig. »Und du?«
»Vroni. Ich bin neu hier. Wir sind erst vor ein paar Wochen nach München gezogen.«
Sie schwingt sich wieder aufs Rad. »Dann leb dich mal gut hier ein. Und pass auf dein Fahrrad auf.«
Und schon ist sie davongefahren.
Heute ist es so weit: Mein erster Schultag steht an. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen. Ich kann das. Ich bin keine von diesen Schülerinnen, die ständig schlechte Noten schreiben. Zwar sind meine Lieblingsfächer weder Deutsch noch Mathe, sondern ganz einfach Sport und Kunst … aber nein, ich gehöre nicht zu denen, die Schule hassen. Es ist nur so, dass ich einfach recht wenig Lust habe, die neue Klasse kennenzulernen. So, jetzt ist es raus.
Ich blicke mich genervt in meinem Zimmer um. Habe ich irgendwas vergessen? Ich stopfe den Notizblock, meine Stifte und meine Trinkflasche in den Ranzen.
Der Himmel draußen ist grau und es nieselt. Am liebsten hätte ich mich von Mama mit dem Auto zur Schule bringen lassen. Doch sie muss arbeiten. Die ganze letzte Woche ist sie schon wieder vertieft in ihr Projekt. Obwohl sie fast ausschließlich im Homeoffice arbeitet, ist sie ein richtiges Arbeitstier. In Phasen wie diesen bleibt ihre Tür bis abends geschlossen. Und das schöne Wohnzimmer steht leer. Papa ist sowieso unterwegs, die ganze Woche.
Ich schnappe mir das Regencape und hetze zur Bushaltestelle. Ich kenne mich null aus. Aber ich habe keine Wahl. Hoffentlich steige ich in den richtigen Bus ein.
Andererseits habe ich in den letzten Tagen oft genug Fahrpläne und Google Maps studiert. Wird schon schiefgehen.
Ich bekomme sogar noch einen Sitzplatz. Der Bus ist richtig voll, aber ich weiche sämtlichen Blicken aus. Das Letzte, was ich jetzt will, ist, mit irgendjemandem reden zu müssen.
Eine Station nach mir steigt Johann ein. Unsere Blicke treffen sich und einen Moment bleibe ich an diesen durchdringenden grünen Augen hängen. Ich deute ein ‚Hi‘ an und lächele ihm zu, er bleibt stumm und sieht irgendwie gehetzt aus.
»Ey Alter, geh bloß weg.«
Ich zucke zusammen und wende mich ruckartig ab. Ein Junge, der ganz hinten im Bus sitzt, scheint Johann anzupampen.
Ein anderer fügt hinzu: »Iihhh, unser Ameisenboy ist auch wieder da.«
Lautes Lachen folgt.
Ich verschränke die Arme und schaue zum Fenster hinaus. Was hat das zu bedeuten? Ameisenboy? Was ist los mit Johann?
»Na, wie viele Ameisen sind es inzwischen? Sieht er nicht langsam selbst wie eine Ameise aus?«, spottet da wieder der erste Junge.
Vorsichtig drehe ich mich um zur Rückbank. Zwei Jungs, vielleicht vierzehn, sitzen breitbeinig auf der hinteren Bank des Busses. Der eine ist blond und sportlich. Unter anderen Umständen hätte ich ihn vermutlich sogar süß gefunden. Doch seine Augen sind kalt, sein Blick überheblich. Der Junge neben ihm wirkt unscheinbarer, aber ebenfalls ziemlich von sich selbst überzeugt.
Johann muss in der Reihe vor den beiden Platz nehmen, auf der letzten freien Sitzbank. Alle Schüler, die jetzt noch einstiegen, drängen sich im mittleren Bereich des Busses eng zusammen.
Kurz trifft mein Blick erneut Johanns.