Verdachtsanhörung - Lis Tentome - E-Book

Verdachtsanhörung E-Book

Lis Tentome

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Beschreibung

Hire und Fire gehören heute zum Arbeitsverhältnis. Lis Tentome beschreibt den brutalen Rausschmiss einer Managerin in der Top Management Etage und damit hautnah wie eine Führungsperson ihre absurde Demontage durch ihr eigenes Management erlebt. Die Perfide einer erzwungenen Entlassung wirkt auf den Leser und die Leserin geradezu lähmend.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 82

Veröffentlichungsjahr: 2020

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ZUM INHALT

Der Inhalt dieser wahren Geschichte ist im Stil eines inneren

Monologs wiedergegeben, in Wochentage aufgeteilt und

erstreckt sich über einen Zeitraum von sechs Monaten.

Alle Daten und Fakten sind anonymisiert und neutralisiert,

damit die Vertraulichkeit sowie der Datenschutz lückenlos

gewährleistet werden. Anders hätte diese Geschichte

nie erzählt werden können.

Der Mangel an geistigem Lebensgehalt

bedingt den Mangel an Humanität.

J. Roth (1894 – 1939), Österreichischer Erzähler und Journalist

WIDMUNG

Jeder Manager kann von einem anderen ausgespielt werden.

Dieses Buch ist somit jedem Manager gewidmet.

Inhaltsverzeichnis

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Freitag in einer Woche

Mittwoch

Freitag

Samstag

Mittwoch

Montag

Montag in einer Woche

Freitag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Montag

Freitag

Mittwoch

Freitag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Montag

Dienstag

Mittwoch

Freitag

FREITAG

Ich habe irgendwie eine Vorahnung. Ich kann es nicht greifen, aber ich bin unruhig. Ich versuche vor dem Termin mit meinem Chef zu erspüren, ob es Kritikpunkte geben würde. Es steht unser Jahresgespräch bevor. Ich denke mir, dass er etwas finden wird, weil er immer etwas findet. Eigentlich ist er immer derjenige, der Feedback als positiv propagiert, selbst aber keins verträgt. Aber man kennt sich ja. Ich sehe jedenfalls keine größeren Probleme, im Gegenteil, ich erwarte ganz viel Lob und Dank. Klar, das große Projekt WY war sehr problematisch. Alles hat sich dort verkompliziert. Aber ich habe alle Bälle in den letzten Monaten aufgefangen und intelligent alle Spieler so aufgestellt und Prozesse aufgesetzt, damit es nach meinem Sommerurlaub weiter und nach oben gehen kann, mit meinem Standing, und mit dem Gehalt.

Heute ist der letzte Tag vor meinem dreiwöchigen Sommerurlaub. Ich hatte seit einem Jahr keinen Urlaub gemacht und ich bin total urlaubsreif. Das vergangene Jahr arbeitete ich wie eine Irre – manchmal war ich tatsächlich 15 Stunden am Tag im Einsatz. Klar war ich ein schlechtes Vorbild, als Personalchefin nie Mittagspause zu machen, das gibt doch ein falsches Bild ab. Aber es war zweitrangig – erste Priorität war, das Projekt zu retten. Es war meine größte berufliche Mission bis jetzt, die Einführung von WY.

Komischerweise verlangte er, das Jahresgespräch in einem anderen Büro als seinem zu führen. Er fuhr extra in das Stadtbüro rein, praktisch mir entgegen. Wie galant. Noch ahne ich nicht, dass er mir mit der Wahl der Location für dieses Gespräch die lange Heimfahrt am Steuer unter Tränen ersparen wollte.

Ich möchte meine Notizen aus der Handtasche holen. Dieses Jahr hatte ich ganz besonders viele Erfolge und es war ein brutal hartes Jahr, so dass ich das Halbjahresgespräch kaum erwarten konnte, um das alles einmal aufzulisten und aufzuzeigen. Doch mein Chef stoppt mich mit den Worten, dass „er“ das Arbeitsverhältnis mit mir beenden wird. Nicht möchte. Er sagt „wird“. Er sagt, „das Unternehmen wird sich von mir trennen“. Ich höre ihn, begreife es aber noch nicht. Wie bitte?

Er ist fest entschlossen und hat offensichtlich einen Plan. Ich dagegen bin verwirrt. Egal, aus welcher Perspektive ich das gerade versuche zu begreifen, ich kann es mir nicht vorstellen, dass er das im Ernst macht. Denn das schlägt nicht nur große Wellen, sondern es ist unnötig und unternehmensschädigend. Ich will doch gerade die Früchte eines Projekterfolgs ernten, nach einer langen erschöpfenden und übermenschlich anstrengenden Talfahrt. Also frage ich nach dem Grund.

Es gäbe keinen, antwortet er. Er könne sich einfach nicht mehr vorstellen, mit mir weiter zusammenzuarbeiten. Ich wäre auf dem Markt gut aufgestellt, meint er, und ich sollte es nicht allzu schwer haben, mich neu zu orientieren.

Ich frage, ob die wahren Gründe woanders liegen würden. So hatte ich zum einen jüngst gefordert, dass mein Vertrag neu aufgesetzt wird (inhaltlich, nicht monetär), damit meine Aufgabe mit meiner Rolle im Unternehmen rechtskonform angeglichen wird. Ich hatte ein Recht darauf zu verlangen, dass mein Arbeitsvertrag rechtlich absichert, was ich tagtäglich arbeite. Zum anderen sah meine Beförderung in die rechte Hand der Vorstandsetage tatsächlich als berechtigt an. Ohne feste Zeitvorstellung zwar, aber ich war der Meinung, ich hätte es verdient. Er sagt nein, das wäre nicht der Grund für den Exit.

Ich erkenne, dass er mich ganz persönlich nicht im CXO-Kreis sieht. Es war ihm zu anstrengend, mit mir zu wachsen. Ich habe zu viel gesehen oder gewusst. Auf jeden Fall passte ich nicht mehr in seine ganz persönliche Mission, in die er mich vor knapp vier Jahren eingeladen hatte. Also beschloss er, mir zu kündigen.

Ich bin innerlich fassungslos, aber äußerlich gefasst. Ich höre mich sagen, dass ich nirgendwo arbeiten möchte, wo ich nicht mehr erwünscht bin. Egal, wie ungerecht das ist, werde ich die Trennung entsprechend mitgestalten. Ich äußere meine Verwunderung und meinen Unmut darüber, dass es gerade jetzt passieren soll, kurz vor dem weltweiten Go-Live des Großprojekts. Doch dann dämmert mir, dass mir genau das nicht gegönnt sein soll. Denn danach wäre die Trennung nicht mehr darstellbar, da das Gelingen des Projekts direkt mit mir und meinem Einsatz dafür verbunden wäre.

Ich sage, ich werde mir jetzt einen Anwalt suchen und wir sprechen nach meinem Urlaub. Ich sage, ich kann mir vorstellen, eine ordentliche Übergabe im Projekt zu gestalten, damit alles gut weiterlaufen kann. Mein Chef, ehemaliger Unternehmensberater der berühmtesten Unternehmensberatung, nimmt ein Tempo und wischt tatsächlich eine Träne weg. Naiv wie ich bin, rührt mich das. Wir gehen aufeinander zu und umarmen uns. Dann verlasse ich den Raum.

SAMSTAG

Unfassbar. Ich versuche zu verstehen. Was ist gestern passiert? Ich bin aufgewacht und plötzlich bin ich dort nicht mehr erwünscht, wo ich im Augenblick einfach alles gebe und alles möglich mache. Das ist unbegreiflich. Ich hole mir einen Kaffee und setze mich ans Fenster.

Na toll, der dreiwöchige Urlaub wird entsprechend belastet sein. Das ist noch das Wenigste. Das Schlimmste für mich ist, sämtliche mit der Kündigung verbundenen Probleme nach dem Urlaub auf mich warten. Mein Chef, die Person, die ich immer verteidigt hatte in meiner beruflichen Rolle, gerade er kündigt die Trennung an? Unfassbar. Und das noch dazu in dieser Projektphase? Noch unfassbarer. Ich bin die einzige, die das ganze Projektgeschehen fachlich überhaupt überblickt. Bei mir laufen alle Fäden zusammen, ich habe alle 60 Stakeholder im Griff, ich kenne jeden Arbeitsprozess im Detail und weiß über Schwachstellen, provisorische Lösungen und Verfahrensabkürzungen Bescheid. Es ist absolut undenkbar, dass er bei Sinnen ist. Er spinnt doch!

Ich frage mich, wie das sein kann. Was für ein Spiel spielt er? Aber ich sehe es nicht. Die einzige Erklärung, die ich habe, ist: Irgendwie will er verhindern, dass ich das Go-Live von WY feiere. Es kann auch sein, dass er mich nicht befördern will. Ich sagte ihm aber, dass das keine Forderung von mir ist, es war lediglich die Überlegung, meiner Aufgabe einen passenden Rahmen zu geben. Und zwar, um einen Gefallen, dem ich ihm vor vier Jahren getan hatte, endlich auszugleichen. Ich schlug vor ein paar Monaten vor, dass er mir den Vertrag gibt, mit dem ich beim Unternehmen ursprünglich eingestellt worden war. Auf seine Bitte, damals ein paar Wochen nach meinem Start in der Firma, stimmte ich der Übertragung meines Arbeitsvertrages auf eine kleinere Gesellschaft zu. Er sagte, meine Rolle würde gleichbleiben, auch wenn der Arbeitsvertrag in einer kleineren Gesellschaft angesiedelt ist. In der Praxis war es dann so, dass ich mit weltweiter Verantwortung tätig war, obwohl meine offizielle Zuständigkeit auf eine kleinere Gesellschaft beschränkt blieb. Rechtlich war das nicht ganz sauber. Deshalb wollte ich auch diese Berichtigung, denn wenn ich meinen Kopf für Dinge hinhalte, dann sollte das formaljuristisch auch entsprechend korrekt aufgesetzt sein.

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er mit einer Vertragsberichtigung nicht einverstanden war und mich deshalb feuert. Ich habe aber keine Idee, was sonst der Grund sein kann. Vielleicht ist er müde von unseren Auseinandersetzungen. Anfangs hieß es, ich soll immer sagen, was ich denke. Ich wurde auch immer gefragt, was ich denke. Irgendwie hat sich das verändert, fällt mir beim Nachdenken auf. Ich habe nicht gemerkt, dass das deutlich weniger geworden ist. Das hat mich nicht gehindert, weiter meine Meinung zu äußern, weil ich mich bei ihm sicher fühlte. Wir haben das miteinander ausgemacht, dass wir absolut offen und ehrlich zueinander sind und so voneinander lernen. Das geht ja nur, wenn man angstfrei ist und dem anderen total vertraut. Ich vertraute meinem Chef total. Wie kann er mich feuern? Ich verstehe es nicht.

Ich denke über seine Person nach. Er ist unter Druck und zu beschäftigt, er will sich nicht entwickeln, er ist ein Alpha, der keine Alphas um sich herum duldet. Wenn man unsere unterschiedlichen Vorgehensweisen fachlich beschreiben wollen würde, könnte man es am so genannten Herrmann-Brain-Dominance-Instrument (HBDI) erklären. Bei dem wird das Gehirn in vier Quadranten zerlegt, um unterschiedliche Denkstilmuster zu beschreiben. Er ist im HBDI-Persönlichkeitsprofil blau- und ich rot-dominiert. Das heißt, sein analytischer Zahlenblick steht meinem ganzheitlich-emphatischem Blick gegenüber. Das war immer anstrengend, weil wir immer von der genau entgegengesetzten Perspektive auf die Dinge schauten. Obwohl wir bisher jeweils das Gleiche wollten, sind wir wegen unserer konträren Prägungen immer unterschiedlich an unsere gemeinsamen Problemthemen herangegangen. Aber wir sahen darin einen Vorteil, oder ich sah ihn immer, weil wir so alle Probleme ausleuchten. Letztendlich entscheidet ja er, und wenn ich darf, entscheide ich. Das war auch ok für mich. Klar haben wir oft diskutiert. Was soll da plötzlich so anstrengend sein? Ich weiß es nicht.

Ich kann es mir nicht erklären, was passiert ist. Ist was im Projekt gewesen? Etwas, wovon ich nichts wusste? Ich schreibe ihm keine