Vererbte Gefühle - Judy Wilkins-Smith - E-Book
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Vererbte Gefühle E-Book

Judy Wilkins-Smith

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Beschreibung

Wie wir uns von Mustern vorhergehender Generationen befreien

Von Generation zu Generation werden nicht nur Gene vererbt, sondern auch Denk- und Entscheidungsmuster, Gefühle und Handlungsweisen weitergegeben: unsere emotionale DNA.

Wir sind durch die früheren Erfahrungen unserer Familienmitglieder beeinflusst und folgen einem unbewussten emotionalen Bauplan, den wir seit Geburt in uns tragen und der unser persönliches Wachstum auch blockieren kann. Doch es ist möglich, diesen Kreislauf zu durchbrechen, indem multigenerationale Muster und Konditionieren aufdeckt und ablegt werden. Methodische Grundlage dafür sind die systemische Therapie und Aufstellungsarbeit, die hier auf die Bereiche Familie, Arbeit, Beziehung, Gesundheit und Erfolg angewendet werden.

Dieses Buch ist ein erklärender und hilfreicher Leitfaden zur Überwindung familiärer und transgenerationaler Muster. Mit Übungen und Fallbeispielen lernen wir zu erkennen, dass auch psychische Leiden eine DNA haben und wie wir aktiv darauf Einfluss nehmen können. Die Autorin erklärt, wie wir diese richtig lesen, um so eine persönliche Weiterentwicklung anzustoßen und uns endlich frei fühlen zu können.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 427

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Das Buch

Dieses Buch ist ein einfühlsamer und hilfreicher Leitfaden, um familiäre und transgenerationale Muster zu überwinden. Mit vielen Übungen und Fallbeispielen lernen wir zu erkennen, dass auch Traumata und psychische Leiden eine DNA haben und wie wir aktiv darauf Einfluss nehmen können. Die systemische Beraterin Judy Wilkins-Smith zeigt, wie wir unseren emotionalen Bauplan richtig lesen, um uns selbst und unsere Familie besser kennenzulernen, eine persönliche Weiterentwicklung anzustoßen und uns endlich frei fühlen zu können.

• Überzeugungen, Verhaltensweisen und Blockaden ans Licht bringen

• Sprachmuster erkennen und neue entwickeln

• Sich von transgenerationalen Mustern befreien

• Persönliches Wachstum ermöglichen

Die Autorin

Judy Wilkins-Smith ist systemischer Coach, Trainerin und Motivationsrednerin und verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Arbeit mit Einzelpersonen, Führungskräften und Familien. Sie hat sich darauf spezialisiert, einschränkende Muster und Kreisläufe zu durchbrechen und Herausforderungen in dauerhafte Durchbrüche und Spitzenleistungen umzuwandeln. Judy Wilkins-Smith lebt in Texas/USA.

www.judywilkins-smith.com

Judy Wilkins-Smith

Vererbte Gefühle

Wie alte Familienmuster unser Leben beeinflussen und wir uns davon befreien

Aus dem Amerikanischen von Ursula Bischoff

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Die Empfehlungen in diesem Buch sind von der Autorin und dem Verlag sorgfältig geprüft. Sie bieten keinen Ersatz für medizinische, psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung und Diagnose. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie seitens der Autorin und des Verlags. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Decoding Your Emotional Blueprint. A Powerful Guide to Transformation Through Disentangling Multigenerational Patterns bei Sounds True, Boulder, Colorado.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Copyright © 2022 Judy Wilkins-Smith

This Translation published by exclusive license from Sounds True, Inc. and by the agency of Agence Schweiger

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: © FinePic®, München

E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

Redaktion: Silke Foos, München

ISBN978–3-641-29965-1

www.koesel.de

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Teil IFamilienmuster und Ihre innere Schatzkarte

1 Das System: Eine Schatztruhe voller Möglichkeiten

2 Emotionale DNA: Die verborgene Erbschaft

3 Systemaufstellungen und die Wissenschaft dahinter

4 Der Transformationsprozess: Praktische Zauberkunst

Teil IIDen Hinweisen auf der Spur …

5 Symptome sind Gold wert

6 Auf Schatzsuche – Teil 1: Ihr Thema ans Licht bringen

7 Auf Schatzsuche – Teil 2: Das Problem erforschen

8 Die Wende: Ein völlig neuer Ausblick

Teil IIIDie Macht der verborgenen Sprachmuster

9 Verstrickungen entwirren: Lösungssätze als Wegweiser

10 Das Tor der tausend Möglichkeiten: Sätze des Neuanfangs

11 Meta-Muster: Die großen Kräfte im Hintergrund

Teil IVDer Schatz des menschlichen Potenzials

12 Die DNA der Beziehungen: Im Privatleben

13 Die DNA der Beziehungen: Im Beruf

14 Das Beste geben: Die DNA des Erfolgs

15 Den Jackpot knacken: Die DNA des Geldes

16 Den Botschaften des Körpers zuhören: Die DNA der Gesundheit

17 Systemische Arbeit im Dienst der globalen Transformation

Danksagung

Übungsverzeichnis – die 25 Systemischen Meilensteine

Anmerkungen

Dieses Buch ist meinen Ahnen und dem Vermächtnis gewidmet, das sie mir hinterlassen haben. Ich danke euch. Ich schlage das nächste Kapitel auf meine eigene Weise auf, in Dankbarkeit.

Meinen unglaublichen Eltern, die mich gelehrt haben, was Liebe, Sicherheit, ein offenes Herz und ein wacher Verstand zu bewirken vermögen. Gott segne euch. Ich werde euch immer lieben. Meinem wundervollen Bruder, der mich gelehrt hat, nach den Sternen zu greifen, und meiner Tochter: Sie verkörpert die Flexibilität eines adoptierten Kindes und die Macht der Liebe und des Erfolgs, die damit verbunden sein können. Danke.

Teresa, Kara, Keerin, Landon: Danke für eure Liebe, Weisheit und Unterstützung. Ich weiß sie zu schätzen und ich liebe euch. Ayedin, Orlenna und Sennan, die Zukunft liegt in euren Händen.

Ich widme dieses Buch auch denjenigen meiner Familienangehörigen, von denen ich in ihrer Abwesenheit viel über Familiendynamiken gelernt habe.

Ich danke Afrika für meine Wurzeln und den Vereinigten Staaten für meine Flügel.

Schließlich ist dieses Buch jeder einzelnen Person gewidmet, die feststellt, dass ein großes Abenteuer auf sie wartet, und die den Mut hat, auf der Suche nach diesem reicheren Leben eine Frage zu beantworten, die ich jedem meiner Klienten stelle:

»Wie groß bist du bereit zu werden?«

Dieses Buch ist für Sie!

Einführung

Eine einzige Idee, ein einziges Wort kann uns umwerfen. Eine andere Idee, ein neues Wort, richtet uns auf. So machtvoll ist der menschliche Verstand, so kraftvoll die menschliche Sprache, so unendlich flexibel das menschliche Gehirn.

Häufig bekomme ich Aussagen zu hören wie: »Mir sind schreckliche Dinge passiert!« Und ich erwidere: »Okay. Und jetzt? Was können wir daraus machen?«

Oder jemand sagt: »Ich habe das Gefühl, ich werde von einem unsichtbaren Gewicht zurückgehalten, das mich lähmt.« Und ich antworte: »Lassen Sie uns herausfinden, worin seine Ursache liegt. Versuchen wir, daraus ein Geschenk zu machen!«

Sie sind niemals nur ein Opfer der Welt, in der Sie leben. Es gibt immer irgendetwas, das Sie tun können. Selbst wenn Sie das Gefühl haben, immer wieder gegen eine Mauer anzurennen, versichere ich Ihnen, dass jeder Mensch imstande ist, sich zu verändern. Jeder von uns kann sich weiterentwickeln, sein Potenzial ausschöpfen und über seine vermeintlichen Grenzen hinauswachsen. Dazu müssen Sie lediglich die unsichtbaren Muster aufspüren, die Sie von Ihren Vorfahren geerbt haben – ein System, von dessen Existenz Sie bisher vielleicht keine Ahnung hatten, das aber unbewusst Ihr ganzes bisheriges Leben beeinflusst hat. Ein System, das Sie verändern können.

Jeder weiß, dass wir unsere physische DNA erben, doch nur wenigen ist bewusst, dass auch so etwas wie »emotionale DNA« an uns weitergegeben wird – in Form von generationsübergreifenden Entscheidungs-, Gedanken-, Gefühls-, Handlungs-, Reaktions- und Einstellungsmustern, die unbemerkt unser Leben prägen. Sie spüren ihre Anwesenheit in Ihrem Körper, als intuitives »Bauchgefühl«. Sie sehen ihre Auswirkungen im Verlauf Ihres Lebensweges, als Teil Ihrer Lebenserfahrung. Doch Sie sind ihnen nicht ausgeliefert: Mit einem einzigen neuen Gedanken, einem neuen Gefühl, einer neuen Überzeugung oder Verhaltensweise können Sie die Muster Ihrer emotionalen DNA durchbrechen und den Verlauf Ihres Lebens von Grund auf neu bestimmen. Und diese Veränderung wirkt sich auch auf Ihr gesamtes Familiensystem und seine seit Generationen festgefügte Funktionsweise aus.

Ihre emotionale DNA wurde von Ihren Vorfahren über mehrere Generationen hinweg weitergegeben und wird nun auch von Ihnen ins Leben gebracht. Sie entsteht nach einer Vorlage, die ich »emotionale Blaupause« nenne. Diese ist weder gut noch schlecht. Sie gleicht vielmehr einer alten Schatzkarte, auf der wichtige Informationen über einschneidende Ereignisse und Entscheidungen, Handlungen und Versäumnisse in den verschiedenen Bereichen des Lebens verzeichnet sind. Sie gibt beispielsweise Auskunft über Beziehungen, berufliche Entwicklungen, Führungskompetenzen, Geld – und deren Auswirkungen auf Ihre Abstammungslinie und die Denkmuster und Glaubenssätze, die damit verknüpft sind. Diese Deutungsmuster werden an nachfolgende Generationen weitergegeben und haben damit auch prägenden Einfluss auf Ihr Leben. Sie erwecken den Anschein, als wären sie die Wahrheit. Doch die emotionale DNA ist Ihre Wahrheit, Ihr persönliches Erbe, und es steht Ihnen frei, jederzeit darüber zu verfügen.

Sie werden ganz bestimmt mit großem Erstaunen und grenzenloser Freude die Möglichkeiten entdecken, die auf Sie warten – wenn Sie erst diese Muster in Ihrem Familiensystem erkennen und verstehen. Dann können Überzeugungen, Verhaltensweisen und Blockaden ans Licht kommen, die tief in der DNA Ihrer Vorfahren verborgen waren und nun wie riesige Wale unmittelbar vor Ihnen auftauchen. Wenn Sie auf Ihr Herz hören und offen für die Weisheit Ihrer Ahnen sind, werden Sie sich von den transgenerationalen Mustern befreien, in die Sie verstrickt sind.

Es ist kein Scherz, wenn ich behaupte, dass die Informationen in diesem Buch in der Lage sind, Ihr Leben grundlegend zu verwandeln. Ich zeige meinen Klienten, wie sie den einzigartigen Wissensschatz ihrer emotionalen DNA erforschen können – zum Beispiel die beharrliche Überzeugung, nie gut genug, »unsichtbar«, »ungeliebt« oder »wertlos« zu sein. Ich beobachte, wie sich Menschen der systemischen Arbeit anvertrauen und ein emotionales Muster aufschlüsseln, das ihr persönliches Wachstum schon seit Jahrzehnten behindert. Ich sehe, wie ihnen innerhalb kürzester Zeit »ein Licht aufgeht« und sich ihr Gehirn neu zu verdrahten beginnt. Diese verkörperte Erfahrung leitet einen grundlegenden Wandel ein, einen tiefgreifenden Transformationsprozess.

Ich darf mitverfolgen, wie ihnen bewusst wird, dass sie keineswegs unbedeutend und unfähig sind, wie sie bisher glaubten – sondern mit ihrer Stimme und ihrer Präsenz tatsächlich etwas bewirken können. Dass sie wichtig sind und ein Ziel vor Augen haben. Von diesem Augenblick an ist in ihrem Leben nichts mehr so, wie es einmal war.

Systemische Arbeit und Systemaufstellungen

Auf den nachfolgenden Seiten erkunden wir die Macht, die Systemen innewohnt – insbesondere Familien- und Organisationssystemen. Sie werden Schritt für Schritt erfahren, wie Sie die Sprache entschlüsseln, mit der Sie Ihre eigene Macht entdecken können, und wie Sie die Systeme nutzen, die Ihnen immer zu Diensten sind. Sie werden entdecken, dass alle Systeme, deren Teil Sie sind – Familie, Unternehmen, Vereine, Organisationen und soziale Gemeinschaften –, Ihnen helfen zu erkennen, was Sie beenden und womit Sie beginnen wollen, um sich neu auszurichten. Machen Sie sich auf den Weg in das Leben, das Sie sich immer erträumt und erhofft haben!

Entstehung und Veränderung emotionaler DNA:Auf Ereignisse folgen Reaktionen, aus denen Gedanken, Gefühle und Handlungen entstehen. Oft genug wiederholt werden diese zur einzigen Wahrheit – so lange, bis Sie entscheiden, es anders zu machen. Ein neuer Gedanke, ein neues Gefühl, eine neue Handlung, Schritt für Schritt!

Wenn Sie die Systeme in Ihrem Leben verstehen, all die darin verborgenen Hinweise und Muster, werden Sie so manches Ereignis und die Bedeutung, die Sie ihm zugeschrieben haben, richtig einordnen können – und auch den unglaublichen Einfluss, den solche Deutungsmuster auf Ihre Persönlichkeit haben. Sie werden erkennen, dass Sie diese Strukturen nicht nur aktiv mitgestalten, sondern auch verändern können.

Systemische Arbeit und Aufstellungen machen das Unsichtbare sichtbar und rücken das Unbewusste ins Bewusstsein, indem Sie 1. in die Sprache eines Themas, Problems oder Klärungsanliegens eintauchen und es aus systemischer Sicht umformulieren und umdeuten, um es dann 2. in einer Aufstellung szenisch greifbar zu machen. Es ist ein dynamischer Prozess, der es Ihnen ermöglicht, Verflechtungen aus einer dreidimensionalen Perspektive zu untersuchen. Dadurch können Sie alte Muster durchbrechen, die Sie für unantastbar oder unheilbar hielten, und Herz, Kopf und Intuition für Möglichkeiten öffnen, von denen Sie bisher gar nichts wussten.

Ich habe einmal mit einem Manager gearbeitet, dem erklärt worden war, er habe eine Menge Potenzial, das er in seiner beruflichen Tätigkeit nicht voll ausschöpfe. Er unterstützte die Fähigkeiten und Weiterentwicklung seiner Mitarbeitenden, ohne selbst zu glänzen. Als er Rat suchend zu mir kam, war seine Führungsposition in Gefahr. Bei einem Blick auf sein Familiensystem stellte sich heraus, dass er der Erstgeborene war, dem man immer eingeschärft hatte, sich um seine jüngeren Geschwister zu kümmern und ihnen den Vorrang zu geben. Diese Regel aus seinem Familiensystem hatte sich auf seine berufliche Laufbahn übertragen. Sobald er das unsichtbare Muster erkannte, das sein Berufsleben dominierte, wurde ihm klar, dass er sich um seine eigene Karriere kümmern und aufhören musste, alle anderen an erste Stelle zu setzen. Er erkannte, dass es völlig in Ordnung war, von nun an einen anderen Weg zu gehen und sich auch um das eigene Wohlbefinden zu sorgen. Wenn er echte Führungsstärke entwickelte, konnte er andere umso besser unterstützen.

Der Transformationsprozess ist der revolutionäre Teil der systemischen Arbeit. Klienten, mit denen ich zusammengearbeitet habe, waren fassungslos angesichts des Reichtums ihrer Innenwelt, deren Höhen und Tiefen sie mit systemischen Ansätzen und durch Aufstellungen auf nie gekannte Weise erforschen konnten.

Ich hoffe, dass auch Sie am Ende des Buches in der Lage sind, sich in neue Höhen aufzuschwingen.

Eine Einladung

In diesem Buch lernen Sie praxiserprobte Methoden kennen, die Sie befähigen, Ihre eigene Familie und andere Systeme zu erforschen und einen wirkmächtigen Transformationsprozess in Ihrem Leben anzustoßen. Ich erkläre Ihnen so verständlich wie möglich grundlegende Schritte der systemischen und Aufstellungsarbeit. Dabei betrachten wir Lebensereignisse, Glaubenssätze, Einstellungen und Sprachgewohnheiten, Verstrickungen, Freiheiten, unbewusste Loyalitäten, und natürlich auch ungenutzte Möglichkeiten und Potenziale.

Im Verlauf dieser Reise werden Sie entdecken, dass Gefühle und Körperempfindungen die Kraft besitzen, Ihr Leben zu zerstören oder aber ein Schlüssel zur Heilung zu werden. Sie werden entdecken, wie Emotionen einer höheren Ordnung Ihnen helfen, Erkenntnis und Weisheit zu erlangen. Wenn Sie Ihr Herz zum Schlüssel machen, mit dem Sie Ihren Verstand öffnen und sich Zugang zu Ihrem intuitiven Wissen verschaffen, dann werden Sie erleben, dass Sie ein machtvolles Wesen mit magischen Kräften sind. Dann zeigt sich Ihr wahrer, unverletzbarer Wesenskern. Sobald die Verbindung zwischen Herz und Kopf steht, werden Sie merken, wie Ihr Nervensystem vom Überlebensmodus in den von Weisheit geprägten Lebensmodus umschaltet. Und in diesem Zustand der Kohärenz findet der biochemische und magische Prozess der Verwandlung statt – bei Einzelpersonen, bei Führungskräften und auch in Teams.

Ihnen wird mit aller Deutlichkeit klar werden, dass auch Sie ein fühlendes Wesen sind und dass Sie Ihre Sinne für den Kontakt mit der Welt nutzen können, ungeachtet dessen, wie verschlossen und innerlich abgeschottet Sie zu sein glauben. Sie werden außerdem feststellen, dass Ihnen Ihr Körper fortwährend wichtige Botschaften übermittelt, Sie darüber informiert, was in Ihnen, in Ihrer gesamten Familie oder in Ihrem Organisationssystem vor sich geht. Uns entgehen viele aufschlussreiche Hinweise, weil wir nicht verstehen, was uns der Körper sagen will!

Einige meiner Klienten waren es gewohnt, unbewusst auf einem Bein zu stehen, wenn sie untätig auf ihrem Platz standen und warteten. Als ich sie darauf hinwies und wissen wollte: »Welcher Elternteil fehlt in Ihrem Leben? Wessen Unterstützung entbehren Sie?«, waren alle fassungslos. Sie erkannten, dass ihr Körper sie mit Nachdruck auf die heikle, unausgewogene Position aufmerksam machte, die sie ihr Leben lang eingenommen hatten.

Der Körper ist ein Archiv, in dem jahrtausendealte Erfahrungen abgespeichert sind, und er ist unglaublich intelligent. Wir müssen nur lernen, aus dieser nie versiegenden Informationsquelle zu schöpfen und zu erkennen, was uns der Körper mitteilen will. Eine meiner Klientinnen klagte über anhaltende, stechende Bauchschmerzen. Alle ärztlichen Untersuchungen blieben »ohne Befund«. Doch in unseren Sitzungen tauchte in ihrer Familiengeschichte eine Ur-Ur-Großmutter auf, die im Alter von 35 Jahren an einer Stichverletzung im Bauchraum gestorben war. Häufiger jedoch, wenn Klienten mit Bauchschmerzen vorstellig werden, kommen sie mit der Frage »Was schlägt Ihnen auf den Magen, was können Sie im übertragenen Sinn nicht verdauen?« der wahren Ursache des Problems sehr schnell auf die Spur – und meist löst es sich dann nach kürzester Zeit von allein. Es ist wie mit jeder Information: Sobald wir darauf aufmerksam geworden sind, liegt es an uns, ob wir sie nutzen. Wollen wir eine solche Botschaft weiterhin in unserem Körper herumtragen oder sind wir bereit, darüber hinauszuwachsen?

In diesem Buch werden wir das »Bewusstsein von Systemen« erforschen und sehen, dass die Akzeptanz dessen, was ist, einen Wendepunkt markiert. An diesem Punkt zeigt sich, was für Sie möglich ist. Sie werden lernen, diejenigen Muster aufzuspüren, die längst bereit sind, beendet und durch neue ersetzt zu werden. Sie werden die Weisheit von Herz, Verstand und Intuition wahrnehmen und erkennen, wie Systemaufstellungen dazu beitragen, einen tiefgreifenden und dauerhaften Wandel herbeizuführen.

Wir Menschen besitzen die unglaubliche Fähigkeit, zu wählen, wohin wir uns entwickeln wollen – wohin auch immer! Während Sie dieses Buch lesen, werden Ihnen vielleicht die einengenden Muster bewusst, die Sie unbewusst übernommen haben. Doch wahrscheinlich stellen Sie gleichzeitig fest, dass die Weisheit generationsübergreifender Muster auch inspirierend sein kann: die vielen Facetten der ererbten emotionalen DNA, die nur darauf warten, aufgedeckt, feingeschliffen oder durch Sie verändert zu werden.

Transformation ist kein Prozess, der einigen wenigen Auserwählten vorbehalten ist. Er war und ist auch für Sie verfügbar. Sie sind ein bemerkenswertes Wesen – Sie müssen nur lernen, zu sehen, wer Sie wirklich sind. Sobald Sie sich aus der Perspektive der systemischen Arbeit wahrnehmen, werden Sie erkennen, dass ein erfüllendes, facettenreiches Leben nur darauf wartet, von Ihnen gestaltet zu werden.

Und deshalb, herzlich willkommen! Beginnen wir unsere spannende Reise!

Judy Wilkins-Smith

Teil I

Familienmuster und Ihre innere Schatzkarte

1 Das System: Eine Schatztruhe voller Möglichkeiten

Wir neigen zu der Vorstellung, dass wir in einem Vakuum leben, Einzelwesen sind – jeder Mensch eine Insel für sich. Doch das Gegenteil ist der Fall. In Wirklichkeit sind wir auf einer tiefen Ebene miteinander verbunden. Vom Zeitpunkt unserer Zeugung bis lange nach unserem Tod sind wir Teil eines Familiensystems, das Generationen umspannt und bis an die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurückreicht. Und wir sind Teil eines sozialen Systems, das sich seit Jahrtausenden stetig weiterentwickelt. Wir können dieses uralte Vermächtnis in unserem eigenen Leben leicht ausfindig machen: Die meisten von uns sind in irgendeiner Art Glaubenssystem aufgewachsen, und jeder Einzelne von uns entstammt einer ganz spezifischen Kultur.

Alle diese unterschiedlichen Systeme prägen unsere Gedanken, Überlegungen, Gefühle und Empfindungen ebenso wie unsere Entscheidungen, Verhaltens- und Lebensweisen. Wir übernehmen sie als Erbe unseres Familiensystems (von unseren Eltern, Großeltern und deren Vorfahren), von unseren Geschwistern, von unseren Kindern, und auch von unseren Organisationssystemen (den Unternehmen, in denen wir arbeiten). Ihre charakteristischen Merkmale, ihre Art, Entscheidungen zu treffen, ihre Sprachgewohnheiten lenken den Verlauf unseres Lebens. Sie bestimmen unser Schicksal oftmals auch dann, wenn wir es eigentlich selbst in die Hand nehmen sollten. Diese Systeme, die uns tiefgreifend beeinflussen und unsere unbewusste Loyalität vom ersten bis zum letzten Atemzug einfordern, sind weitgehend unsichtbar und ungeheuer wirkmächtig.

Wir haben keine Ahnung, dass wir heute jeden Cent dreimal umdrehen, obwohl wir mehr als genug auf der hohen Kante haben, weil einer unserer Ur-Ur-Großväter gegen die Armut ankämpfen musste, nachdem die Russische Revolution das Familienvermögen zunichtemachte. Wir wissen nicht, dass die Angst, die uns nachts überkommt, wenn wir alleine sind, daher rührt, dass einer unserer längst verstorbenen Vorfahren als kleines Kind von den Eltern verlassen wurde. Wir werfen einfach eine Beruhigungspille ein und machen weiter im alten Trott. Uns ist nicht klar, dass unser beruflicher Ehrgeiz seinen Anfang nahm, als wir den Existenzkampf unserer Eltern miterleben mussten.

Oder schauen wir uns einmal Lucias Geschichte an. Sie kam verwirrt und panisch zu mir, weil wieder eine schnell wachsende, nicht-kanzeröse, sprich gutartige Geschwulst ihren Bauch wie bei einer Scheinschwangerschaft aufgebläht hatte. Das war das siebte Mal, dass innerhalb der letzten sieben Jahre Wucherungen entstanden waren, und ihre Ärzte hatten keine Ahnung warum. Bisher hatte sie sechs chirurgische Eingriffe hinter sich, und jedes Mal, wenn sich eine neue Geschwulst bildete, schwoll ihr Bauch an, als würde sie ein Kind austragen.

Im Verlauf unserer gemeinsamen Arbeit kam ans Licht, dass ihre Großmutter sieben Fehlgeburten hatte. Sie hatte sich, genau wie der Rest der Familie, geweigert, über die gestorbenen Babys zu sprechen. Der Verlust war einfach zu schmerzhaft. Aus der systemischen Perspektive wissen wir, dass alle Erfahrungen oder auch Personen, die wir in unserem eigenen Leben ausblenden, eine Möglichkeit finden, später bei einem anderen Mitglied des Systems wieder in Erscheinung zu treten. Die Absonderung einer dementen Großmutter, die in einem Pflegeheim untergebracht wird, kann dazu führen, dass ein Kind in einer der Nachfolgegenerationen das Gefühl entwickelt, in der Falle zu sitzen oder aus dem Familienverband ausgeschlossen zu sein. Als Lucia imstande war, jedes dieser sieben ungeborenen, vergessenen Kinder bewusst wahrzunehmen, wertzuschätzen und jedem von ihnen einen Platz im Familiensystem zu geben, begann die siebte Geschwulst innerhalb eines Monats zu schrumpfen. Ein chirurgischer Eingriff war nicht mehr erforderlich, und danach machten sich keine weiteren Wucherungen bemerkbar.

Oder nehmen wir Andrea, sechzig Jahre alt, deren Beinmuskulatur so schwach entwickelt war, dass sie seit dem elften Lebensjahr Beinschienen tragen musste. Die Ärzte hatten weder physische noch psychische Ursachen feststellen können, und als sie zu mir kam, war ich ihre letzte Hoffnung. Während unserer Sitzung wollte ich von ihr wissen, wessen Unterstützung ihr fehlte. Die Botschaften des Körpers sind so klar, dass man sie wörtlich nehmen kann. Manchmal fehlt im Leben von Menschen, die häufig auf einem Bein stehen oder eine schwach ausgeprägte Beinmuskulatur haben, ein Elternteil oder beide. Die Kinder verlieren den Halt, stehen nicht mehr mit »beiden Beinen im Leben«.

Wie sich herausstellte, war Andrea neun Jahre alt, als sie hörte, wie sich ihre Eltern anschrien. Sie lief die Treppe hinunter und unterbrach einen Streit, in dem ihre Eltern unverblümt ankündigten, dass sie sich scheiden lassen würden. »Du musst dich jetzt für einen von uns beiden entscheiden«, hieß es. Sie erklärte, bei ihrem Vater leben zu wollen, der jedoch zwei Jahre später verstarb. »Ich sah mich gezwungen, auf allen Vieren zu meiner Mutter zurückzukriechen«, sagte sie. »Meine Beine versagten ihren Dienst. Seither muss ich Stützschienen tragen.« (Die Formulierung zurückkriechen ist aufschlussreich, nicht wahr?)

»Wären Sie bereit, sich bildlich vorzustellen, wie Sie mit mir zum obersten Treppenabsatz hinaufgehen und den Moment noch einmal erleben?«, fragte ich. Als sie zustimmte, sagte ich: »Was sehen Sie, wenn Sie dort oben stehen?«

»Ich sehe meine Eltern, die sich anschreien.«

»Können Sie die Treppe wieder hinuntergehen und Ihren Eltern dieses Mal sagen: ›Ich entscheide mich für euch beide‹?«

Sie tat wie geheißen. Dann bat ich sie, sich aus dieser Position der Selbstermächtigung heraus von ihrem Vater zu verabschieden und ihre Mutter zu begrüßen. In diesem Augenblick erkannte sie, dass sie immer beide Eltern und deren Unterstützung in ihrem Leben gehabt hatte. Nach unserer Sitzung war sie in der Lage, die Beinschienen ein für alle Mal abzulegen.

Wie ist das möglich?

Im Wesentlichen ist die Arbeit mit Familien- und anderen Systemen in Kombination mit Aufstellungsarbeit eine ungeheuer wirksame Methode, das nicht Wahrgenommene wahrnehmbar, das Unsichtbare sichtbar und das Unbewusste bewusst zu machen. Sie erlaubt uns, Probleme und Konflikte im Raum anzuordnen und szenisch zu erfassen, mit ihnen in eine Wechselbeziehung zu treten, sie buchstäblich zu umkreisen und von allen Seiten zu betrachten, sodass inspirierende, lebensverändernde Erkenntnisse und Aha-Momente entstehen, die uns bisher nicht zugänglich waren.

Wenn ich mit Klienten an der Erforschung ihres Familiensystems arbeite, decken wir verborgene Muster und unbewusste Loyalitäten auf, in die Familienmitglieder oft seit mehreren Generationen verstrickt sind. Wir nehmen die Sprachgewohnheiten und Verhaltensweisen, die sich in der Familie etabliert haben, unter die Lupe. Die Klienten lernen, ein inneres Bild ihrer Probleme oder Anliegen zu schaffen und es in einer umfassenden dreidimensionalen Aufstellung erfahrbar zu machen. Gemeinsam erforschen wir Gefühle wie Leid und Angst, die mit der hartnäckigen Überzeugung verbunden sind, nicht »gut genug«, »unsichtbar«, »ungeliebt« oder »unwürdig« zu sein. Wir bewegen uns buchstäblich durch das emotionale Muster, das ihr persönliches Wachstum hemmt, erkennen die Verstrickung, sorgen für eine Neuverdrahtung des Gehirns und ändern ein für alle Mal dysfunktionale Denk- und Verhaltensweisen.

»Aha!« bekomme ich oft zu hören. »Ich bin also nicht so unbedeutend und unfähig, wie ich dachte. In Wirklichkeit habe ich sogar eine ganze Menge zu bieten. Ich schaffe es tatsächlich, mit meiner Stimme und meiner Präsenz etwas zu verändern!« Oder: »Das war mir überhaupt nicht bewusst! Kein Wunder, dass ich immer so … war« (besorgt, nachtragend, ängstlich – ich überlasse es Ihnen, die Leerstelle zu füllen.)

Selbst wenn Sie das Gefühl haben, immer wieder mit dem gleichen Problem konfrontiert zu werden – Geld zu verdienen und wieder zu verlieren, Beziehungen zu kappen, anderen auf Kosten des eigenen Erfolgs oder Wohlbefindens zu helfen, zu glauben, nicht gut genug zu sein –, möchte ich Ihnen versichern, dass jeder systemische Arbeit und Systemaufstellungen nutzen kann, um nachhaltige Veränderungen im Leben einzuleiten, zu wachsen, das eigene Potenzial auszuschöpfen und die eigenen Träume zu verwirklichen. Ich habe miterlebt, wie Klienten zerbrochene Beziehungen gekittet und neue dauerhafte Beziehungen geknüpft haben, wie sie über ihre einengenden Gedanken und Verhaltensweisen in puncto Geld und Finanzen hinauswuchsen, nach Stabilität strebten und ihren Familien Wohlstand bescherten. Ich konnte beobachten, wie Menschen den Ursprüngen multigenerationaler chronischer Lebensumstände auf die Spur kamen und sich aus den Verstrickungen lösten, das alte Muster durch ein neues ersetzten, das der physischen und psychischen Gesundheit zuträglicher war. Das dafür benötigte Werkzeug ist für alle verfügbar. Und wenn Sie beschließen, es zu benutzen und sich aus den Verstrickungen befreien, an denen Sie und Generationen vor Ihnen mitgewirkt haben, werden Sie erstaunt und hocherfreut die Möglichkeiten entdecken, die auf Sie warten.

Die Definition eines Systems

Wir schaffen es Tag für Tag, uns in komplexen Systemen zurechtzufinden, indem wir uns den Regeln jedes einzelnen Systems anpassen. Scheidungskinder lernen schnell, dass in der Welt der Mutter andere Regeln herrschen als in der des Vaters. Bei Papa darf man so lange fernsehen, wie man will. Bei Mama läuft alles nach dem Lehrbuch ab, und man darf den Fernseher erst einschalten, wenn die Hausaufgaben erledigt sind. In der Schule ist es verboten, den Familienhund mitzunehmen. Wenn man mit dem Auto zur Arbeit fährt, muss man sich an die Verkehrsregeln halten. Man geht nicht in eine Bar und betet, und man geht nicht in eine Kirche und flucht. So einfach ist das.

Wir sind von Systemen umgeben. Wir leben in einem Planetensystem, das sich in einem ziemlich wenig bewohnten Bereich unserer Galaxie befindet. Auf unserem Planeten Erde haben wir Fernverkehrs- und Telefonsysteme, Computersysteme, politische Systeme, Geschäftssysteme, Vereine und soziale und ökonomische Systeme wie den Kapitalismus erschaffen. Ein System kann jede beliebige Ansammlung von Menschen umfassen, die sich innerhalb eines gemeinsamen Rahmens zusammenschließen und Regeln und Regulierungsmechanismen aufstellen, die alle Mitglieder befolgen und dazu dienen, die Zugehörigkeit und das Überleben oder den Fortbestand der Gruppe zu sichern.

Unser primärer »Musterproduzent« ist das Familiensystem, bestehend aus Eltern, Geschwistern und anderen Verwandten. Es ist unser einflussreichstes System und der Ausgangspunkt unserer Erfolge und Misserfolge. Ein Großteil der systemischen Arbeit dreht sich um die Muster, die innerhalb der Familie entstehen – ihren Ursprung, ihren Inhalt und ihre Auswirkungen. Systeme weisen uns auf erwünschte und unerwünschte Verhaltensweisen hin und darauf, wie wir in ihnen scheitern oder unsere Ziele erreichen. Sie legen den Grundstein für unser Zugehörigkeitsempfinden und unsere Einstellung zu Themen wie Beziehungen, Geld, Emotionen, Führung, Spiritualität, Erfolg und Lebenssinn, indem sie uns bestimmte Verhaltensmuster aufprägen.

Eine Familie kann beispielsweise strikte Regeln in Bezug auf das Dating-Alter ihrer Kinder aufstellen oder Rituale einführen, die alle beachten müssen, zum Beispiel das gemeinsame Sonntagsessen oder Handyverzicht bei Tisch. Vereine haben Organisationsregeln darauf ausgerichtet, Menschen für bestimmte Aufgabenstellungen zusammenzubringen, die Arbeitsmoral, Ziele, soziale Normen und Ähnliches teilen. In Unternehmen bezeichnen wir die Gedanken, Gefühle und Muster innerhalb dieser Systeme als Unternehmenskultur.

Ein System ist in einem zutiefst realen Sinn eine lebendige Einheit. Es verfügt über einen Überlebensinstinkt. Sein höchstes Ideal ist der Erhalt des Gleichgewichtszustands, ein gedeihliches Wachstum und eine stetige, schrittweise Weiterentwicklung, und es wird alles tun, was in seiner Macht steht, um diese Ziele zu erreichen. Wenn ein Ungleichgewicht entsteht, wählt es später hinzugekommene Familienmitglieder aus, um die Homöostase – das dynamische Gleichgewicht – wiederherzustellen, die wieder einfügen, was verloren gegangen ist oder ausgeschlossen wurde.

Die Fähigkeit, Probleme innerhalb eines Systems auf einer tiefen Ebene zu verstehen, ermöglicht uns wichtige Erkenntnisse über seinen derzeitigen Zustand und wie es versucht, sich durch uns weiterzuentwickeln. Die zuvor erwähnten, ein wenig aus der Zeit gefallenen Dating-Regeln der Familie sind ein anschauliches Beispiel. Die Töchter haben in diesem System viel weniger Freiheiten als die Söhne. Sie müssen abends früher zu Hause sein, und Alkohol zu trinken ist strikt verboten, wenn sie sich mit einem Jungen verabreden. (Bei diesen Regeln geht es unter dem Strich um Sicherheit und Überleben.) Alle halten sich daran, bis auf die jüngste Tochter; sie rebelliert, setzt sich gegen die Einschränkungen zur Wehr, kommt ständig zu spät nach Hause, pfeift auf die Regeln des Systems. Die Eltern verzweifeln, bezeichnen sie als »böses Mädchen«. Die Tochter sieht, wie sich die Einschränkungen auf ihre Schwestern ausgewirkt haben, denen es schwerfällt, Beziehungen zum anderen Geschlecht aufzubauen, die Angst haben, verletzt oder vergewaltigt zu werden – so wie die Mutter als junge Frau. Doch die tiefer verborgene Wahrheit ist, dass das System versucht, das Muster der Machtlosigkeit zu durchbrechen, um sich weiterentwickeln zu können. Es strebt danach, in den weiblichen Angehörigen die Fähigkeit zu verankern, sich in Gesellschaft von Männern selbstermächtigt zu fühlen und harmonische, angstfreie Beziehungen zu knüpfen. Das »böse Mädchen« gibt in Wirklichkeit den Anstoß für einen Paradigmenwechsel, durchbricht das Muster der Angst.

Die tiefer verborgene und breiter gefasste Wahrheit ist normalerweise für alle Beteiligten unsichtbar, insbesondere für das »böse Mädchen«. Doch diese beiden Worte, die ein Werturteil enthalten, können schlussendlich ihr ganzes Leben definieren und einen Kurs vorzeichnen, bei dem rebellisches Verhalten, der Hang zum Unruhestiften oder das Gefühl, nicht dazuzugehören, an der Tagesordnung ist. Wenn sie das Glück hat, über diese Zuschreibung hinauszuwachsen – wenn sie lernt, sowohl die einengenden Muster in ihrem System als auch die damit verbundenen Vorteile zu erkennen, sie als Geschenk zu betrachten –, dann wird ihr bewusst werden, dass dieses Böse-Mädchen-Syndrom in Wirklichkeit dem Bestreben geschuldet ist, die fehlende Freude und Freiheit rund um das Thema Beziehungen wiederherzustellen und ihren eigenen Mut und ihre Unabhängigkeit wertzuschätzen.

Unter dem Strich können Systeme und ihre Regeln gesunde und ungesunde Kulturen erschaffen. Ein gesundes System ermutigt eine offene Kommunikation, Aufrichtigkeit und ein gewisses Maß an Selbstreflexion und Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Gruppe. Ein ungesundes System weist die entgegengesetzten Merkmale auf. Je nach Entwicklungsrichtung oder Gestaltung können uns Systeme in Ketten legen oder Flügel verleihen. Wenn wir ihnen bewusst auf den Grund gehen, können wir sie nutzen, um unser Höchstes Gut zu erreichen und die »Goldnuggets« zusammenzutragen, die verborgenen Informationen, die uns den Weg zu Wohlbefinden und Wandel ebnen.

Die Grundpfeiler der systemischen Arbeit

Der deutsche Psychotherapeut Bert Hellinger, bedeutender Mitbegründer der systemischen Aufstellungspraxis, erkannte als einer der Ersten, dass jede individuelle Familie für sich genommen ein System darstellt. Im Alter von zwanzig Jahren trat er in die katholische Ordensgemeinschaft der Jesuiten ein. Anfang der 1950er-Jahre wurde er als Missionar nach Südafrika entsandt, um die Stammesverbände der Zulu zum Christentum zu bekehren und ihnen eine »zivilisierte« Denkweise beizubringen. Doch im Verlauf seines Zusammenlebens mit der indigenen Bevölkerungsgruppe wurde ihm bewusst, dass er in Wirklichkeit von ihnen lernte.

Während er mit ihrer Sprache vertraut wurde und an ihren Ritualen und täglichen Routineverrichtungen teilnahm, stellte er fest, dass es bei den Zulu sowohl auf individueller als auch auf Stammesebene so gut wie keine Neurosen gab, was er sich nicht erklären konnte. Nach und nach fiel ihm auf, dass ihre starke Verbindung zu den Ahnen, die sie häufig zu Rate zogen, um Aufschluss über Ereignisse in der Vergangenheit zu gewinnen, gegenwärtige Ereignisse beeinflusste. Er gelangte zu der Schlussfolgerung, dass der Respekt gegenüber dem Familiensystem und das Bedürfnis, mehr über ungelöste Konflikte innerhalb früherer Generationen zu erfahren, zu einer gesunden Herangehensweise an Probleme in der Familie und innerhalb des Stamms geführt hatten. In ihrem tiefsten Innern wussten die Zulu, dass eine unbewältigte Vergangenheit einer lebendigen Zukunft den Weg versperrte.

Nach seinem Zusammenleben mit den Zulu verließ Hellinger sowohl den Orden als auch Südafrika und wurde schließlich Psychoanalytiker. Im Lauf der nachfolgenden Jahrzehnte entwickelte er Familienaufstellungen und Systemaufstellungen als sogenannte »Lebenshilfemethode«. Er erforschte Systeme aller erdenklichen Art, reiste, lehrte und hielt Vorträge in aller Welt. Er gründete die Hellinger-Schule und verfasste mehr als neunzig Werke, in denen er seine Erkenntnisse vor allem über Familiensysteme und das Geschehen innerhalb solcher Geflechte darlegte.

Ein Grundprinzip der systemischen Arbeit gleich welcher Richtung ist, dass sich jede Form der Weiterentwicklung auf Beobachten und anerkennendes Akzeptieren stützt, und darauf, den Mitgliedern eines Systems ihren eigenen Platz zuzuerkennen. Menschen und Ereignisse werden nicht bewertet. Es ist, wie es ist. Was geschehen ist, ist geschehen. Eine Erfahrung oder ein Ereignis mag nicht angenehm, erfreulich oder gesundheitszuträglich sein. Sie können sogar als grauenvoll empfunden werden. Doch jede Erfahrung und jedes Ereignis dient einem bestimmten Zweck und enthält wichtige Informationen. Alles hat seinen Platz, und wenn wir das Geschehen als das akzeptieren, was es ist, ohne den Wunsch, davon verschont geblieben zu sein, können wir daraus lernen, einen anderen Weg wählen und uns Schritt für Schritt weiterentwickeln.

Dieser Verzicht auf Werturteile ist unerlässlich, aber nicht leicht in die Praxis umzusetzen. Die Loslösung aus den Verstrickungen in die Muster unseres Familiensystems bedeutet, dass wir so offen wie möglich an Probleme herangehen und das Familiengeflecht mit all seinen Facetten unter die Lupe nehmen – Misshandlung, sexualisierte Gewalt, Verlassenwerden, Freude, Kummer, Liebe und Lieblosigkeit inbegriffen –, gepaart mit Neugierde oder Wissensdurst und dem Wunsch, Informationen aufzuspüren, die den Weg der Heilung fördern. Wenn wir Werturteile fällen und Menschen oder wichtige Ereignisse innerhalb eines Systems ablehnen oder ausblenden, blockieren wir unseren Zugriff auf eine Quelle der Erkenntnis – und auf die Möglichkeit, unerklärliche Beschränkungen unseres Lebens zu verstehen oder Wegweiser zur Verwirklichung unserer Träume zu finden.

Ich hatte beispielsweise eine Klientin, deren Mutter die Familie verlassen hatte, als sie selbst acht Jahre alt war. Der Verlust brach ihr das Herz; sie hatte schreckliche Angst, abermals jemanden zu verlieren, den sie liebte. Damit war sie in einem schier unlösbaren emotionalen Konflikt gelandet. Sie hatte kein Vertrauen in Beziehungen, hielt aber dennoch nach einem Partner Ausschau, der bereit war, sich langfristig zu binden. Wenn sie jemand kennenlernte, suchte sie regelrecht nach seinen Fehlern und hatte gleichzeitig Angst, dass auch er aus ihrem Leben verschwinden würde. Doch als wir den Blick darauf richteten, wie eigenständig sie war und wie gut sie ihr Leben geregelt bekam, konnte sie erkennen: Die Abwesenheit der Mutter hatte ihr die Fähigkeit verliehen, für sich selbst zu sorgen, und das starke Bedürfnis geweckt, für ihre eigenen Kinder da zu sein, komme, was da wolle. Solche Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten sind ein Geschenk, doch aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds nicht auf Anhieb auszumachen; sie verbergen sich im Gewirr der Verletzungen und Verstrickungen innerhalb eines Familiensystems und seiner ureigenen Dynamik. Aber sie sind immer vorhanden. Wir haben nur nicht gelernt, sie als Bereicherung wahrzunehmen.

Davon abgesehen sind wir Menschen alles andere als vollkommen und nicht immer leicht zu bewegen, Werturteile loszulassen. Vielleicht haben Sie einen toxischen Vater und es fällt Ihnen schwer, auch nur einenGedanken an ihn zu verschwenden. Wenn Sie jedoch erkennen und verstehen, was ihn bewegt und dass die Vergangenheit auch in seinen Erfahrungen lebt, gerät Ihr festgefügtes Vorstellungsbild vielleicht ins Wanken. Wenn Sie tief genug graben, mit Herz, Verstand und Intuition seine damalige Familiensituation erfassen und sehen, welche Erfahrungen Ihren Vater »vergiftet« haben, sind Sie vielleicht in der Lage, den neuen Kontext zu akzeptieren, der mit dieser tieferen Dimension der Informationen verbunden ist. Damit kann ein neuer Aspekt der Wahrheit aufgedeckt werden, der einen Wandel ermöglicht … und genau das ist der springende Punkt. Andernfalls folgen auch Sie vielleicht unbewusst dem überlieferten Muster und werden toxisch für andere.

Es geht nicht um Ihre Mutter, Ihren Vater oder wen auch immer. Es geht um Sie. Wenn sich Ihre Gedanken und Ihre Sichtweise ändern, können Sie sich aus der Verstrickung in eine uralte Familienbiografie lösen und damit beginnen, eine neue emotionale DNA aufzubauen. Damit weisen Sie auch einem Teil Ihrer emotionalen Blaupause eine andere Bedeutung zu und erreichen dadurch ein anderes potenzielles Ergebnis. Dieser Paradigmenwechsel hat zur Folge, dass die Beziehung zu Ihrem Familiensystem und seinen Angehörigen – und nicht zu vergessen, zu sich selbst – nie mehr die gleiche sein wird.

Das Gewissen des Systems

In der systemischen Arbeit bezeichnen wir die verschiedenen Regeln und Steuerungsmechanismen, die in jedem System einzigartig sind, als »Gewissen des Systems«. Wenn wir die Auswirkungen des persönlichen Gewissens betrachten, sehen wir, dass sie den ungeschriebenen Regeln eines Unternehmens gleichen. Wenn man sie befolgt, fühlt man sich gut; wenn man sie ignoriert, hat man das Gefühl, ein Risiko einzugehen. Wir haben bereits auf einige Beispiele hingewiesen: Licht aus um 22 Uhr, keine Verabredungen am Abend, wenn am nächsten Tag Schulunterricht ist, keine Snacks zwischen den Mahlzeiten und so weiter. Das Widersprüchliche ist, dass ein System oft nur dann wachsen und sich weiterentwickeln kann, wenn mindestens ein Mitglied bereit ist, ein sogenanntes »schlechtes Gewissen« zu riskieren, indem es gegen die Regeln verstößt. Wenn Sie sich stets an die Regeln und das Motto »Weiter so!« halten, sorgen Sie dafür, dass alles so bleibt, wie es ist: festgefahren. Um sich zu bewegen, agil zu sein, muss auch ein risikoscheues Unternehmen lernen, kalkulierte Risiken einzugehen, und ein braves Familienmitglied wäre gut beraten, bewusst die Entscheidung zu treffen, das generationsübergreifende Muster des Schweigens und des Ausblendens zu durchbrechen.

Vielleicht hat Ihre Mutter darauf bestanden, dass Sie sich schriftlich für Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke bedanken, bevor Sie mit Ihren neuen Spielsachen spielen durften. Zeitraffer: Zwanzig Jahre später sind Sie erschöpft, bleiben bis in die frühen Morgenstunden auf den Beinen, um Ihren vermeintlichen sozialen Verpflichtungen nachzukommen. Sie haben keine Zeit, an Ihr eigenes Vergnügen zu denken; stattdessen fokussieren Sie sich auf das Gefühl der Zugehörigkeit, indem Sie die Rolle des braven Kindes übernehmen, das sich stets an die Regeln des Systems hält. Die Annäherung an ein »schlechtes Gewissen«, weil Sie Mails oder andere soziale Interaktionen mal einen Tag lang »schleifen« lassen, wäre ein Schritt in eine Richtung, die Ihrer Gesundheit zuträglicher wäre und dazu beitragen würde, sich innerhalb der Muster Ihres Familiensystems mehr Freiraum zu verschaffen. 

Der Trick besteht darin, den Status quo zu akzeptieren und zu respektieren, aber gleichzeitig herauszufinden, was man ändern könnte, um sowohl sich selbst als auch dem System, dessen Teil man ist, zu Diensten zu sein. Im oben erwähnten Beispiel hat das Verfassen von Dankesbriefen vielleicht zu Kompetenz im Bereich der schriftlichen Kommunikation geführt und zu der Entscheidung, eine journalistische Laufbahn einzuschlagen. Termine sind gut und wichtig. Danke dafür! Dass wir darauf bedacht sind, sie einzuhalten, verdanken wir oft einer bestimmten Regel des Systems. Wenn wir uns jedoch verpflichtet fühlen, an unnötigen und längst überholten gesellschaftlichen Gepflogenheiten festzuhalten, trägt das zur Erschöpfung bei. Es findet keine bewusste Weiterentwicklung statt. Die Regel dominiert, und wir verzichten darauf, über den Tellerrand hinauszublicken. Und wenn sie auf Kosten von Wachstum und Entwicklung dominiert, verfallen wir in eine Art systemische Trance.

Familiensysteme können unserer Seele eine Chance bieten, sich weiterzuentwickeln, aber auch einlullend sein und uns in einen Dornröschenschlaf versetzen. Wenn wir uns in der Vertrautheit des Systems einrichten und uns einreden: »So ist das nun mal, daran lässt sich nichts ändern«, befinden wir uns grundlegend in einem systemischen Trancezustand. »Frauen kochen und erledigen die Hausarbeiten. So ist das nun mal. Männer arbeiten bis zum Umfallen, um die Brötchen zu verdienen und die Sicherheit der Familie zu gewährleisten. So ist das nun mal.« (Ja, auch im einundzwanzigsten Jahrhundert bekomme ich noch Männer und Frauen aller Altersgruppen zu Gesicht, die im Trancezustand eines uralten geschlechterspezifischen Rollenverständnisses gefangen sind.)

Der Status quo ist vertraut und bequem. Im Trancezustand muss man nicht eigenständig denken, sondern kann blind den Regeln des Systems folgen. Doch der Status quo hat auch zur Folge, dass man darin steckenbleibt oder immer wieder gegen Betonmauern anrennt, deren Existenz man sich nicht erklären kann und die unüberwindbar scheinen – bis man weiß, wonach man Ausschau halten muss. Angenommen, in Ihrer Familie trinkt jeder Alkohol. Die ersten vierzig Jahre Ihres Lebens verbringen Sie im systemischen Trancezustand des Alkoholkonsums … bis Sie eines Tages beschließen, dass es an der Zeit ist, Ihrer Gesundheit zuliebe auf Alkohol zu verzichten. Es fällt Ihnen jedoch schwer, Ihrem Vorsatz treu zu bleiben, wenn Sie Ihre Familie an Wochenenden besuchen. Es ärgert Sie, dass Sie Ihrer Gesundheit nicht absoluten Vorrang geben, ohne Ausnahme; gleichzeitig ist es viel einfacher, sich anzupassen, wenn die anderen trinken. Fazit: Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zum Familiensystem ist größer als das Bedürfnis nach Gesundheit und persönlichem Wachstum.

Die Bequemlichkeit des Trancezustands und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit sind oft dafür verantwortlich, dass Vorhaben oder Veränderungsprojekte scheitern. Selbst wenn Klienten erklären, dass sie etwas ändern möchten und es auch so meinen, reicht der Wunsch allein oft nicht aus, um sich aus den Verstrickungen des Bindungs- oder Zugehörigkeitsbedürfnisses zu lösen. In solchen Fällen gilt es, Argumente für ihre Träume und ihren Herzenswunsch aufzubauen, die stärker sind als die systemischen Regeln, die sie einengen.

Wenn wiederkehrende Muster im System unerkannt bleiben, können wir unbewusst Loyalitäten gegenüber Mitgliedern oder Regeln des Systems entwickeln, an die wir uns blindlings halten, auf Kosten unseres eigenen Glücks oder unserer Gesundheit. Einer meiner Klienten, ein Angehöriger der Streitkräfte, ist ein anschauliches Beispiel. Er wandte sich an mich, weil er sich einem großen Problem gegenübersah. Ich fragte, um was für ein Problem es sich handelte, und er erwiderte: »Ich soll zum Oberst befördert werden.«

»Okay, klären Sie mich auf. Wieso ist das ein Problem?«

»Sie verstehen das vielleicht nicht. Mein Vater war Major. Mein Großvater war Major. Mein Urgroßvater war Major. Und ich soll zum Oberst befördert werden.«

Auf meine Frage, was so schlecht daran sei, erblasste er. »Sie haben alle Hervorragendes geleistet. Wie kann ich da wagen, einen höheren Rang einzunehmen als sie?«

Als wir sein Familiensystem durchleuchteten, erklärte er, sein Urgroßvater habe unmissverständlich klar gemacht: »Ein Major reicht für diese Familie.« Mein Klient fühlte sich ihm gegenüber in solchem Ausmaß zu Loyalität verpflichtet, dass allein die Vorstellung, mehr zu erreichen als er, ihn in Panik versetzte. Er wusste nicht, ob er einen »höheren Dienstgrad« verdiente, und der Gedanke an den Preis, den ein solcher Schritt auf der Karriereleiter mit sich bringen könnte, machte ihm Angst.

Ich fragte ihn, was er davon halten würde, sich bei seinen männlichen Vorfahren für das starke Vermächtnis zu bedanken, auf dem er aufbauen und seine Position als Oberst der Streitkräfte ausfüllen könne. Das erwies sich als Lösung des Konflikts, sodass er sich mit dem Gedanken an seine Beförderung anzufreunden vermochte. Doch die Loyalität gegenüber diesem einengenden Glaubenssatz hatte die Männer in der Familie seit vier Generationen bewogen, ihr Potenzial nie voll auszuschöpfen!

Was zeigt, wie groß die Macht des Trancezustands, unsere Loyalität gegenüber dem System und unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist.

Systemische Glaubenssätze

In jeder Familie gibt es bestimmte Aussagen, die immer wieder die Runde machen. Es handelt sich dabei um systemische Glaubenssätze, die so oft wiederholt werden, bis wir sie für bare Münze nehmen und von einer Generation zur nächsten durchreichen. Vielleicht kommen Ihnen einige der folgenden Beispiele bekannt vor.

Bildung ist das höchste Gut und mehr wert als alles Geld der Welt.Vertrautheit erzeugt Verachtung.Geld oder Liebe – man kann nicht beides haben.Ohne Fleiß kein Preis.Hochmut kommt vor dem Fall.Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.Blut ist dicker als Wasser.

Jedes System hat seine eigenen systemischen Glaubenssätze entwickelt, was Erfolg und Versagen, Liebe, Beziehungen, Geld, Führung, Karriere, Gesundheit, Alter … und Gott und die Welt betrifft. Wenn man Ihnen als Angehörige Ihres Familiensystems ständig solche Glaubenssätze »eingetrichtert« hat, sind Sie irgendwann überzeugt, dass sie wahr sind, obwohl sie nur eine Wahrheit, eine bestimmte Weltsicht repräsentieren. Sie ist im Glaubenskanon Ihres Familiensystems verankert, den Sie übernommen haben. Aber Sie können diesen Glaubenskanon jederzeit ändern.

Systemische Glaubenssätze bestimmen buchstäblich unser Leben, und in diesem Buch wird häufig die Rede davon sein. Es sind Überzeugungen, mit denen wir uns identifizieren, weil wir sie fälschlicherweise für unsere eigene aktuelle Wirklichkeit halten. Sobald sie aufgedeckt sind und auch ihre Ursprünge und Auswirkungen, können wir sie als Werkzeug benutzen, um uns aus generationsübergreifenden Mustern zu befreien.

Leitprinzipien der systemischen Arbeit und Systemaufstellung

Die von Bert Hellinger entwickelte systemische Aufstellungsarbeit stützt sich auf drei sogenannte Lebensbasisprinzipien oder Grundordnungen des Lebens,1 die immer im Spiel sind und die Sie kennen sollten, wenn Sie lernen möchten, diese Methode bei sich selbst oder anderen anzuwenden. Jedes Problem oder Anliegen, mit dem Sie oder Ihre Klienten konfrontiert werden, lässt sich einem dieser drei Leitprinzipien zuordnen. Sobald Sie das jeweils aktive Prinzip identifiziert haben, erhalten Sie eine ungefähre Vorstellung davon, welcher Bereich angesprochen werden sollte und wie die Lösung beschaffen sein könnte. Diese drei Leitprinzipien stellen eine einfache praxisorientierte Orientierungshilfe dar, die dazu beiträgt, sich in der systemischen Welt zurechtzufinden.

Das erste Prinzip:Zugehörigkeit. Jeder Mensch hat ein Recht auf Zugehörigkeit. Jedes Ereignis, jedes Mitglied, jede Entscheidung hat seinen Platz und gehört dazu – denn sie prägen das System, das wiederum den Menschen prägt. Das schließt den übergriffigen Onkel Harry ein, die alkoholkranke Schwester und den Bruder, das schwarze Schaf der Familie. Gleich ob gut, böse, indifferent, auf einer höheren oder niedrigeren Hierarchieebene oder auf Augenhöhe, jeder zählt, denn jeder bringt Informationen ein, die benötigt werden, damit die Mitglieder des Systems und das System als Ganzes wachsen und sich weiterentwickeln können. Dennoch werden Familienmitglieder manchmal ausgeschlossen, weil es emotional zu belastend wäre, sie einzubeziehen, wie bei Lucias Großmutter mit den sieben Fehlgeburten, über die nie gesprochen wurde. Doch dass sie ausgeblendet wurden, heißt nicht, dass sie nie existiert und die tragischen Ereignisse keinen Einfluss auf nachfolgende Generationen haben.

Oft sind Werturteile und Angst im Spiel, wenn wir versuchen, jemandem aus dem System auszuschließen. Meine Klienten erzählen mir Dinge wie: »Wir reden nicht oft von unserer Großmutter. Sie hat beim Glücksspiel fast alles verloren.« Und dann fragen sie sich, warum ihre eigenen Kinder Glücksspiele lieben oder total ablehnen.

Wir alle möchten uns zugehörig, akzeptiert und einbezogen fühlen. Wenn wir ausgegrenzt werden, machen sich alle möglichen negativen Gedanken und Empfindungen bemerkbar. Doch wenn wir uns anderen anpassen, müssen wir uns unter Umständen verbiegen und fragwürdige Kompromisse eingehen. In einem solchen Szenario sollten Sie sich auf diejenigen Elemente der Zugehörigkeit konzentrieren, die Ihnen nicht behagen, und nach Lösungsmöglichkeiten Ausschau halten. Gehen Sie den Ursprüngen des Gefühls nach, »ausgegrenzt« zu sein, und finden Sie heraus, ob es nur für Sie oder für das gesamte Familiensystem typisch ist.

Die Frage ist, wie sich Freude und Kraft aus dem Wissen schöpfen lässt, Teil einer Gruppe zu sein, wenn Sie Bindungen als einengend empfinden. Vielleicht mussten Sie sich dem Rest der Familie anpassen, der stets ruhig und gelassen reagiert. Vielleicht mussten Sie sich einfügen, um als zugehörig akzeptiert zu werden, aber ein Teil von Ihnen sehnt sich danach, aus der Reihe zu tanzen und extrovertiert zu sein, wie es Ihrer wahren Natur entspricht – doch Sie haben Angst davor, ausgeschlossen zu werden. Wenn Sie eine Möglichkeit finden, sich zugehörig zu fühlen, indem Sie die familientypische Ruhe und Gelassenheit wertschätzen und gleichzeitig mit Ihrer Individualität glänzen, erweitern Sie das System. Und gleichzeitig festigen Sie auch die Bindungen, weil Sie authentisch sind und mit Ihrer Pionierarbeit einen aktiven Beitrag zu Wachstum und Entwicklung des Systems leisten.

Das zweite Prinzip: Rangordnung. Hier geht es um Ihren Platz im Familien- oder Organisationssystem und die damit verbundene Rolle, zum Beispiel als erstgeborenes Kind oder als Firmenvorstand. In Ihrem Familiensystem ist dieser Platz festgelegt. In einem Unternehmen kann er sich ändern. Vielleicht mussten Sie sich als Kind um Ihre Geschwister kümmern, unter Umständen fühlten Sie sich sogar für Ihre Eltern verantwortlich. In diesem Fall waren die Rollen der Gebenden und Nehmenden vertauscht: Sie haben sich nicht auf dem Platz befunden, der Ihnen bestimmt war, und damit die Ordnung gestört. Das kann zur Folge haben, dass Sie auch im späteren Leben stets die Person sind, die sich um alles kümmert und sich gezwungen sieht, die Rolle der »Erwachsenen« beizubehalten. Das kann irgendwann das Gefühl auslösen, nie das zu erhalten, was Sie brauchen. Wenn Sie lernen, Ihren eigenen Platz im System einzunehmen und wertzuschätzen, ohne sich die Verantwortung für alle anderen aufzubürden, ist die Ordnung wiederhergestellt. Sich auf den Platz im System zu begeben, der durch die Rangordnung bestimmt ist, kann ein Gefühl der Leichtigkeit auslösen, befreiend wirken und völlig neue Perspektiven eröffnen.

Umgekehrt haben Sie Ihren Platz und Ihre Rolle im System vielleicht an Ihre Geschwister oder Familienmitglieder abgegeben, die bedürftiger waren; nun fühlen Sie sich zu kurz gekommen, unsichtbar, unfähig, das Leben, den Fluss der Energie, die Liebe und den Erfolg in ihrer ganzen Fülle auszuschöpfen. Das macht sich bisweilen bei Führungskräften bemerkbar, die es vorziehen, im Hintergrund zu bleiben. Sie fördern andere, was großartig ist, aber sie nehmen nicht ihren eigenen Platz ein und stören dadurch die Ordnung.

Auch wenn jemandem das Recht auf Zugehörigkeit aus irgendeinem Grund verwehrt wird, ist die Ordnung im System gestört. Dann übernehmen Mitglieder nachfolgender Generationen unter Umständen unbewusst Lebensstil, Gewohnheiten, Gedanken, Gefühle oder Verhaltensmuster der Ausgeschlossenen, verkörpern die charakteristischen Merkmale und empfinden sie als ihre eigenen. Systeme sind per se dynamisch, inklusiv und darauf ausgerichtet, Bindung, Harmonie und Balance wiederherzustellen, wenn sie fehlen. Lucias Fall ist ein anschauliches Beispiel. Die Tumore in ihrem Körper, die siebenmal auftraten und den Bauch wie bei einer Schwangerschaft aufblähten, wiesen eindeutig auf das hin, was man ausgeschlossen und dem »Vergessen« anheimgegeben hatte, und was einbezogen und »wieder in Erinnerung« gebracht werden musste.

Solche Rollen und Rangordnungen gibt es in allen Systemen. In Familiensystemen stehen die Urgroßeltern in der ersten Reihe (oder die Ur-Ur-Urgroßeltern bzw. noch frühere Vorfahren), gefolgt von den Großeltern und Eltern. Diejenigen mit der längsten Zugehörigkeit zum System tragen mehr Lebenslast auf ihren Schultern, einfach weil sie vor allen anderen Familienmitgliedern das Licht der Welt erblickt haben. Das ist alles. Die Rangordnung ist nicht mit einer Bewertung verknüpft, niemand ist besser oder schlechter gestellt. Jeder hat einen bestimmten Platz im System, und nur hier befinden wir uns auf unserem Platz. Wenn wir ihn kennen und einnehmen, erhalten wir alles, was wir brauchen, und können weitergeben, was wir teilen sollten. Liebe und Erfolg können frei fließen. Wenn wir uns am falschen Platz befinden, spüren wir das, weil wir uns nicht zugehörig fühlen und der Fluss des Lebens gestört ist. Wir fühlen uns eingeengt, überlastet oder um den Anteil betrogen, der uns rechtmäßig zusteht. In Organisationen gibt es viele verschiedene Rangordnungen. Sie werden durch Kompetenzen, Alter, Firmenzugehörigkeit, Flussdiagramme, die dynamische Beziehungen in einem System darstellen, den Kundenwert oder die finanzielle Vergütung festgelegt.

Das dritte Prinzip: Der Ausgleich von Geben und Nehmen. Sind Sie zu freigiebig, wenn es um Liebe, Geld, Zeit oder Aufmerksamkeit geht oder um … (Sie dürfen die Leerstelle ausfüllen) und erhalten im Gegenzug nicht annähernd so viel zurück? Dieses Gefälle kann so manche Beziehung im System zerstören. Die Kehrseite das Prinzips ist die Neigung, zu viel zu nehmen. Menschen und Systeme können nur dann ein gedeihliches Wachstum erzielen, wenn sich Geben und Nehmen annähernd im Gleichgewicht befinden; fehlt es, geraten sie ins Straucheln.

Bei einem meiner Klienten, einem Unternehmen, arbeitete die Belegschaft reibungslos zusammen, bis der Chef zusätzliche Urlaubstage strich. Beinahe auf Anhieb meldeten sich die Mitarbeitenden wahllos krank. Was wollen die Mitglieder dieses Organisationssystems damit zum Ausdruck bringen? »Geben und Nehmen sind nicht ausgewogen. Man fordert zu viel von uns, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu bieten. Deshalb machen wir nun unseren Urlaubsanspruch bei Krankheit geltend.«

Wenn Sie nicht viel über Ihre Herkunftsfamilie wissen

Menschen, die keine Verbindung zu ihrer Herkunftsfamilie hatten, stellen oft verwundert fest, wie viele Parallelen es in den Biografien gibt, wenn der Kontakt schließlich doch noch zustandekommt. Auch wenn wir die individuellen Stränge der physischen DNA nicht sehen oder uns ihrer nicht einmal bewusst sind, bringen wir die darin enthaltenen Muster klar zum Ausdruck, und die emotionale DNA ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Sie haben alles auf Ihren Lebensweg mitbekommen, was Sie brauchen, um ihn in eigener Regie fortzusetzen – sobald Sie wissen, wie Sie sich diese Ressourcen erschließen.