Verführer der Nacht - Christine Feehan - E-Book

Verführer der Nacht E-Book

Christine Feehan

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Beschreibung

Jahrhundertelang durchstreifte Rafael de la Cruz mit seinen Brüdern die Wälder Südamerikas und jagte Vampire. Nun läuft er selbst Gefahr, zu dem Bösen zu werden, das er so lange bekämpft hat. In Colby erkennt er seine Seelengefährtin, die ihn vor dem Sturz in die Dunkelheit bewahren kann. Es gibt nur ein Problem: Rafael versucht, sich in Angelegenheiten von Colbys Familie einzumischen. Colby wehrt sich mit allen Mitteln dagegen und schleudert ihm ihre ganze Verachtung entgegen. Doch sie spürt auch die magische Anziehungskraft, die von ihm ausgeht und der sie sich nicht entziehen kann ...

Dunkel, gefährlich und extrem heiß - Verführer der Nacht ist der 15. Band der umfangreichen NEW YORK TIMES und SPIEGEL-Bestsellerserie Die Karpatianer.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Danksagung

Stammbaum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Jahrhundertelang durchstreifte Rafael de la Cruz mit seinen Brüdern die Wälder Südamerikas und jagte Vampire. Nun läuft er selbst Gefahr, zu dem Bösen zu werden, das er so lange bekämpft hat. In Colby erkennt er seine Seelengefährtin, die ihn vor dem Sturz in die Dunkelheit bewahren kann. Es gibt nur ein Problem: Rafael versucht, sich in Angelegenheiten von Colbys Familie einzumischen. Colby wehrt sich mit allen Mitteln dagegen und schleudert ihm ihre ganze Verachtung entgegen. Doch sie spürt auch die magische Anziehungskraft, die von ihm ausgeht und der sie sich nicht entziehen kann …

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CHRISTINE FEEHAN

Verführerder Nacht

Aus dem amerikanischen Englischvon Britta Evert

Für meine Schwester Bobbie Kingund für Cassandra und Donna Kennedy-Hutton.Denn noch kein Vampir hat es je mit einem

Danksagung

Wie immer gilt mein ganz besonderer Dank Cheryl Wilson und Manda Clarke. Ohne euch hätte ich es nie geschafft. Ebenso danke ich Maria Atkinson für ihre Hilfe bei der portugiesischen Sprache.

Prolog

Komm schon, Colby!«, brüllte Sheriff Ben Lassiter, der neben dem Traktor herlief und sich dabei ausgesprochen blöd vorkam. »Sei doch vernünftig! Komm von dem verdammten Ding runter und hör mir ein Mal im Leben zu! Was bist du bloß für ein Dickschädel!«

Der altersschwache Traktor rumpelte in der Abenddämmerung unbeirrt dahin und schleuderte feine Staubwolken auf Bens makellose Sheriff-Uniform. Colby wartete, bis der Sheriff völlig außer Atem und dadurch ihr gegenüber im Nachteil war, ehe sie den Motor abstellte und düster auf die Felder starrte. Betont langsam zog sie ihre ledernen Arbeitshandschuhe aus. »Ich habe diese Besuche allmählich satt, Ben. Auf wessen Seite stehst du eigentlich? Du kennst mich. Du hast meinen Vater gekannt. Die Familie Chevez gehört nicht hierher und hat ganz bestimmt nicht das Recht zu versuchen, mich dazu zu zwingen, ihnen meinen Bruder und meine Schwester auszuliefern.«

Ben, der vor Wut mit den Zähnen knirschte, klopfte den Staub von seinen Sachen und holte mehrmals tief Luft, bevor er antwortete. »Ich habe nicht gesagt, dass es richtig ist, Colby, aber die Familie Chevez hat die De La Cruz-Brüder auf ihrer Seite, und das bedeutet eine Menge Geld und Macht. Du kannst sie nicht einfach ignorieren. Die verschwinden nicht eines Tages wieder. Du musst mit ihnen reden, sonst bringen sie dich vor Gericht. Und Leute wie die Brüder De La Cruz verlieren einen Prozess nicht.« Er legte seine Hände um ihre schmale Taille, bevor sie ohne Hilfe vom Traktor hinunterspringen konnte, widerstand der Versuchung, sie kräftig zu schütteln, um ihr ein bisschen Vernunft beizubringen, und hob sie mühelos vom Sitz. »Du musst mit ihnen sprechen, Colby. Ich meine es ernst, Süße. Ich kann dich vor diesen Leuten nicht beschützen. Schieb es nicht länger vor dir her.«

Colby schubste ihn mit einer ungeduldigen kleinen Geste weg. Um die Tränen zu verbergen, die plötzlich in ihren Augen schimmerten, warf sie den Kopf so schwungvoll herum, dass ihr zerzaustes Haar unter ihrem Hut hervorquoll. Ben wandte rasch den Blick ab und tat so, als hätte er nichts gesehen. Ein Mann könnte für Colby töten, wenn er sie weinen sah, aber jeder, der Zeuge dieser weiblichen Schwäche wurde, würde höchstwahrscheinlich das volle Ausmaß ihres Zorns zu spüren bekommen.

»Na schön.« Colby marschierte mit schnellen Schritten über das Feld. »Ich nehme an, du hast die ganze Bande auf meiner Veranda abgeladen?«

»Ich wusste, dass Ginny und Paul heute Abend nicht da sind.« Ben hatte dafür gesorgt, dass seine Schwägerin Colbys Geschwister auf selbst gemachte Eiscreme einlud.

»Als wäre das so schwer zu erraten gewesen.« Colby warf ihm die Worte sarkastisch über die Schulter zu. Sie kannte Ben schon seit dem Kindergarten und war sicher, dass er in ihr immer noch das wilde, ungestüme und nicht besonders aufgeweckte kleine Mädchen von damals sah, obwohl sie durchaus imstande war, ganz allein eine Ranch zu führen, und zwar schon seit geraumer Zeit. Am liebsten hätte sie ihm eine Ohrfeige gegeben.

»Colby, platz da bitte nicht wie ein Pulverfass rein! Diese Leute lassen sich nicht einfach herumschubsen.« Ben hielt mühelos mit ihr Schritt.

»Herumschubsen?« Sie blieb so abrupt stehen, dass er auf den Ballen wippen musste, um sie nicht über den Haufen zu rennen. »Die versuchen, mich herumzuschubsen! Was fällt denen ein, sich so arrogant aufzuführen, dass ich am liebsten den Hund auf sie hetzen würde? Männer!« Sie starrte ihn böse an. »Und noch etwas, Ben. Statt Mr. Geldsack und seinem Gefolge in den Hintern zu kriechen, solltest du dir lieber mal Gedanken darüber machen, was hier draußen läuft. Ständig verschwinden meine Geräte, und irgendein Witzbold macht sich an den Maschinen zu schaffen. Das wäre doch dein Job, oder? Nicht, den Begleitdienst für die Reichen und Gemeinen zu spielen.« Sie setzte sich wieder in Bewegung, wobei ihre zierliche Gestalt vor Zorn förmlich zu rauchen schien.

»Colby, wir wissen beide, dass das ein paar Kinder sind, die dir dumme Streiche spielen. Wahrscheinlich Freunde von Paul«, versuchte Ben, sie zu beschwichtigen.

»Streiche? In meinen Augen ist Diebstahl kein Streich. Und was ist mit meiner Vermisstenmeldung? Hast du überhaupt versucht, Pete zu finden?«

Ben fuhr sich verzweifelt mit einer Hand durchs Haar. »Pete Jessup unternimmt wahrscheinlich gerade eine Sauftour. Durchaus möglich, dass der alte Mann deine Sachen genommen hat, um sich Geld für seinen Alkoholkonsum zu beschaffen.«

Wieder blieb Colby stehen, und diesmal stieß Ben mit ihr zusammen und musste sie an den Schultern festhalten, damit sie nicht der Länge nach hinfiel. Kochend vor Wut stieß sie seine Hände weg. »Pete Jessup hat mit dem Trinken aufgehört, als mein Vater starb, du Verräter! Er war für mich hier auf der Ranch unersetzlich.«

»Colby«, sagte Ben freundlich, »in Wahrheit hast du den heimatlosen alten Penner aus reiner Gutmütigkeit aufgenommen. Ich bezweifle, dass Pete mehr geleistet hat, als jeden Tag dein Essen zu verputzen. Er ist ein abgehalfterter Cowboy, ein Streuner. Er hat sich einfach verkrümelt. Irgendwann taucht er schon wieder auf.«

»Ja, sicher«, bemerkte Colby höhnisch. Sie war jetzt wirklich böse auf Ben. »Sieht dir ähnlich, das Verschwinden eines alten Mannes und eine Reihe von Diebstählen einfach zu ignorieren, damit du mit ein paar reichen Idioten verkehren kannst, die hier sind, weil sie meinen Bruder und meine Schwester stehlen wollen.«

»Komm schon, Colby, sie haben bewiesen, dass sie Verwandte sind, und wie es scheint, liegt ihnen nur das Wohl der Kinder am Herzen. Du kannst dir wenigstens anhören, was sie zu sagen haben.«

»Und du findest das natürlich völlig in Ordnung, was? Paul und Ginny sind mit dieser Bande nicht besser dran. Du weißt überhaupt nichts über diese Leute. Paul würde genau wie sie werden, so arrogant, dass es nicht zum Aushalten wäre, und die arme, kleine Ginny würde in der Überzeugung aufwachsen, ein Mensch zweiter Klasse zu sein, weil sie ein Mädchen ist. Wenn’s nach mir geht, können sie alle zur Hölle fahren!«

Obwohl es früh am Abend und noch relativ hell war, brauten sich am Himmel plötzlich wie aus dem Nichts unheilschwangere, dunkle Wolken zusammen. Ein kalter Wind kam mit den düsteren Wolkenmassen auf und zerrte an Colbys Sachen. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, und sie hatte einen Moment lang das Gefühl, dass irgendetwas oder -jemand versuchte, in ihr Bewusstsein einzudringen.

»Was ist los?«

Colby merkte, dass Ben ziemlich verunsichert wirkte. Langsam drehte er sich im Kreis, um die Umgebung zu überprüfen, eine Hand an seiner Pistole. Ihm war anscheinend nicht klar, ob etwas in der Nähe lauerte oder worin die Bedrohung bestand, aber er schien sie genauso zu spüren wie Colby.

Sie blieb ganz still stehen und rührte keinen Muskel, wie ein Rehkitz, das in das Blickfeld des Jägers geraten ist. Colby hatte das Gefühl, in tödlicher Gefahr zu sein. Die Bedrohung richtete sich nicht gegen Ben, sondern direkt gegen sie. Was es auch war, es versuchte, sich gewaltsam Zugang zu ihrem Bewusstsein zu verschaffen. Sie holte tief Luft und ließ den Atem langsam wieder entweichen, während sie sich geistig auf das Bild einer hohen, undurchdringlichen Mauer konzentrierte, eine Festung, die niemand betreten konnte.

Das »Ding« schien sich einen Moment lang zurückzuziehen, möglicherweise verwirrt über Colbys Willenskraft, schlug dann aber wieder zu, mit einem so harten Stoß, als durchbohrte ein Speer ihre Schädeldecke und träfe direkt in ihr Gehirn. Colby sank mit einem leisen Wehlaut auf ein Knie und hielt sich den Kopf, während sie sich gleichzeitig zwang, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Ihr Geist war stark und unbesiegbar und wurde von einem hohen und breiten Wall geschützt, den niemand zerstören konnte. Was auch hinter ihr war, es würde ihre Barrieren nicht durchbrechen.

Ben beugte sich besorgt über sie. »Colby, was ist denn los?«

Sie hob vorsichtig den Kopf. Die unheimliche Bedrohung war verschwunden. »Mein Kopf, Ben. Ich habe höllische Kopfschmerzen.« Das war nicht gelogen. Noch nie hatte sie so etwas wie diesen Angriff erlebt. Ihr war richtig übel, und sie war sich nicht sicher, ob sie sich auf den Beinen halten konnte. Was es auch gewesen war, es war stark und beängstigend.

Ben fasste sie am Ellbogen und half ihr auf die Beine. Da Colby zitterte – er konnte unter seiner Hand ihr unablässiges Erschauern spüren –, hielt er sie fest. Sie entzog sich nicht seinem Griff, wie sie es normalerweise getan hätte, und das beunruhigte ihn. »Soll ich einen Krankenwagen rufen?«

Ihre smaragdgrünen Augen lachten ihn an, obwohl sie ihren Schmerz widerspiegelten. »Spinnst du? Ich habe bloß Kopfweh, Ben. Schon bei dem Gedanken an die Familie Chevez platzt mir der Schädel.«

»Dein Bruder und deine Schwester sind beide Mitglieder dieser Familie, Colby, und du wärst es auch, wenn die Adoption durchgegangen wäre.«

Colby schaute zu Boden. Seine Worte trafen ihren wundesten Punkt. Armando Chevez hatte sie nie adoptiert. Auf seinem Totenbett hatte er ihr die Gründe dafür gestanden, mit beschämt gesenktem Kopf und Tränen in den Augen, während sie seine Hand gehalten hatte. Er hatte sich gewünscht, dass sein Großvater nachgab und ihn wieder in die Familie aufnahm. Aber aufgrund der Umstände von Colbys Geburt war Armando klar gewesen, dass sein Großvater in Brasilien ihm nie verzeihen würde, wenn er sie adoptierte. Und irgendwann war es zu spät gewesen, all den erforderlichen Papierkram zu bewältigen. Armando Chevez hatte sich geschämt, dass er Colbys bedingungslose Liebe zu ihm wegen einer Familie, die nicht einmal auf den Brief eines Sterbenden reagierte, verraten hatte. Colby war ihm gegenüber loyal und liebevoll geblieben, hatte ihn gepflegt, ihm vorgelesen und ihm bis zu seinem Todestag Trost gespendet. Und sie war ihm gegenüber auch heute noch loyal. Es kam nicht darauf an, dass er sie nie adoptiert hatte – Armando Chevez mochte nicht ihr leiblicher Vater sein, doch in ihrem Herzen war er ihr Vater.

Dass die Familie Chevez sie ablehnte, war ihr immer gleichgültig gewesen, aber Armando hatte sie mit jeder Faser ihres Seins geliebt, genauso leidenschaftlich, wie sie ihre Geschwister liebte. Was sie anging, hatten die Chevez’ weder Armando noch seine Kinder verdient. Und die zwei De La Cruz-Brüder, Bewacher und Schlägertrupp der Chevez-Familie, konnten direkt in die Hölle zurückgehen, die sie ausgespuckt hatte! Die beiden waren unmittelbar für den Hass verantwortlich, den Armandos Großvater für Colby empfunden hatte. Sie war nicht gut genug, um ein Mitglied der Familie Chevez zu sein, und dasselbe galt für ihre geliebte Mutter. Armandos Großvater hatte entschieden, dass sie von seiner illustren Familie niemals akzeptiert werden könnten, und seine Gründe unmissverständlich klargemacht. Colbys Mutter hatte den Vater ihrer ältesten Tochter nie geheiratet, sodass auf Colbys Geburtsurkunde kein Name stand, und Armandos Großvater war nicht gewillt, ein »Ami-Flittchen«, wie er sich ausdrückte, und seinen Bastard in seine reinblütige Familie aufzunehmen.

Als Ben und sie nun durch den Gemüsegarten zum Haus gingen, verlangsamte Colby ihre Schritte, um ihre ganze Kraft auf ihre Selbstbeherrschung zu konzentrieren. Es war wichtig, ruhig und gelassen zu bleiben und normal zu atmen. Mit kampflustig gerecktem Kinn und hocherhobenem Haupt ging sie weiter, um die ach so mächtigen De La Cruz-Brüder und die Mitglieder der Familie Chevez zu treffen, die gekommen waren, um ihren Bruder und ihre Schwester und ihre Ranch zu stehlen.

Sie hatten sich alle auf ihrer kleinen Veranda versammelt. Juan und Julio Chevez ähnelten Armando so sehr, dass Colby blinzeln musste, um die Tränen, die unerwartet in ihren Augen brannten, zu unterdrücken. Sie musste sich in Erinnerung rufen, dass das die Familie war, die ihre Mutter so grausam abgelehnt hatte, weil sie ein uneheliches Kind bekommen hatte. Dieselbe Familie, die die Bitten ihres geliebten Stiefvaters kaltschnäuzig ignoriert und zugelassen hatte, dass er starb, ohne auch nur ein Wort von seinen Verwandten zu hören. Aber schlimmer als alles andere war, dass sie hier waren, um Paul und Ginny mitzunehmen und die Ranch, das letzte Vermächtnis ihres Vaters, für sich zu vereinnahmen.

Ben, dem auffiel, wie Colby ihr Kinn vorstreckte, stieß einen schweren Seufzer aus. Er kannte Colby fast ihr ganzes Leben lang. Sie hatte einen Dickschädel, der sich sehen lassen konnte. Falls diese Männer sie unterschätzten, weil sie jung und hübsch war und klein und zerbrechlich aussah, stand ihnen eine gewaltige Überraschung bevor. Colby konnte Berge versetzen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Er kannte keinen anderen Menschen, der so entschlossen und so willensstark sein konnte. Wer sonst hätte einen todkranken Mann pflegen und gleichzeitig eine riesige Ranch nur mit der Hilfe eines alten Cowboys und zweier Halbwüchsiger leiten können?

Colby ging direkt auf die beiden Männer zu, die Schultern gestrafft, die schlanke Gestalt so aufrecht wie nur irgend möglich. »Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?« Ihre Stimme war höflich und distanziert. Sie zeigte auf die Stühle auf der Veranda, statt ihre Besucher ins Haus zu bitten. »Ich habe die Papiere, die Sie mir geschickt haben, sorgfältig überprüft und Ihnen meine Antwort bereits mitgeteilt, wie ich glaube. Ginny und Paul sind amerikanische Staatsbürger. Diese Ranch ist ihr Erbe und wurde mir bis zu ihrer Großjährigkeit anvertraut. Dafür gibt es rechtskräftige Dokumente. Wenn Sie das anfechten wollen, können Sie mich vor Gericht bringen. Ich habe nicht die Absicht, meine Geschwister wildfremden Leuten anzuvertrauen.«

Im Schatten rührte sich ein Mann. Colbys Blick flog zu ihm, und ihr Herz fing an zu hämmern. Eigenartig, dass er ihr nicht gleich aufgefallen war, aber er wirkte irgendwie verschwommen, als würde er mit der hereinbrechenden Dunkelheit verschmelzen. Als er unter die Lampe trat, konnte sie sehen, dass er groß und muskulös und insgesamt eine sehr eindrucksvolle Erscheinung war. Seine Gesichtszüge waren von einer herben Sinnlichkeit, seine Augen schwarz und kalt. Er trug sein Haar lang und im Nacken zusammengebunden. Alle Alarmglocken in Colbys Innerem schrillten.

Der Mann hob eine Hand, und Juan Chevez, der Colby gerade antworten wollte, verstummte. Diese herrische Geste, die dem stolzen, schwerreichen Brasilianer sofort Einhalt gebot, ließ ihr Herz noch lauter klopfen, so laut, dass sie glaubte, er müsste es hören. Die Brüder Chevez traten zur Seite, als er lautlos aus dem Schatten glitt. Die Teilung des Roten Meers, dachte Colby fast ein bisschen panisch. Lag in den Augen der Chevez-Brüder ein Anflug von Furcht?

Colby behauptete ihre Stellung, wenn auch etwas zittrig und mit der Befürchtung, ihre wackeligen Beine könnten sie nicht tragen. Dieser Mann jagte ihr Angst ein. Um seinen Mund lag ein grausamer Zug, und sie hatte noch nie so kalte Augen gesehen. Als hätte er keine Seele. Sie zwang sich, stehen zu bleiben und nicht hilfesuchend zu Ben zu schauen. Dieser Mann war eindeutig imstande, ohne mit der Wimper zu zucken zu töten. Das bestärkte sie nur in ihrer Entschlossenheit, ihre Geschwister bei sich zu behalten. Wenn die Chevez-Familie einen Mann wie diesen zu ihrem persönlichen Schutz brauchte, was sagte das über sie aus? Trotzig starrte sie ihn an. Er beugte sich ein wenig vor und schaute mit seinen schwarzen Augen direkt in ihre grünen. Sofort spürte sie eine magische Anziehungskraft, die sie an den geistigen Angriff vorhin auf dem Feld erinnerte. Erschrocken wich sie zurück und riss ihren Blick von ihm los, um ihn stattdessen auf Bens verschrammte Stiefel zu heften. Dieser Mann hatte übernatürliche Fähigkeiten, genau wie sie!

»Mein Name ist Nicolas De La Cruz.« Seine Stimme war leise, aber genauso bezwingend wie seine Augen. »Ich wünsche, dass Sie sich anhören, was diese Männer zu sagen haben. Sie haben einen weiten Weg auf sich genommen, um Sie zu sehen. Die Kinder sind von ihrem Blut.«

Die Art und Weise, wie er »Blut« sagte, jagte ihr einen Schauer über den Körper. Er sprach leise und klang völlig ruhig und gelassen, aber seine Stimme war eine mächtige hypnotische Waffe, die Colby als solche erkannte. Könnte sie etwas dagegen ausrichten, wenn er diese Stimme vor Gericht bei dem Richter einsetzte? Sie wusste es wirklich nicht. Sogar sie war für die Wirkung dieser Stimme empfänglich. Ihr Herz hämmerte. Sie presste ihre Hände an ihre Schläfen. Er übte irgendwie Druck auf sie aus, um sie dazu zu bringen, sich seinem Willen zu fügen.

Colby wusste, dass sie diesem gnadenlosen Druck nicht lange standhalten könnte. Ihr Kopf fühlte sich an, als wollte er jeden Moment zerspringen. Stolz war eine Sache, Dummheit eine ganz andere. »Ich wollte Sie bitten zu gehen, Gentlemen. Leider ist der Zeitpunkt für mich sehr schlecht. Ich fürchte, ich bin krank.« Eine Hand an ihren schmerzenden Kopf gelegt drehte sie sich zu Ben um. »Würdest du die Herren bitte hinausbegleiten? Ich werde einen neuen Termin ausmachen, sobald es mir besser geht. Tut mir leid.«

Sie riss die Haustür auf und flüchtete sich in die Sicherheit ihrer eigenen vier Wände. Nicolas De La Cruz war ein nicht zu unterschätzender Gegner. Das Hämmern in ihrem Kopf, das davon herrührte, dass sie seinen Zugriff auf ihr Bewusstsein abgewehrt hatte, bereitete ihr körperliche Übelkeit. Sie legte sich ins Bett, vergrub ihr Gesicht in der Decke und atmete in tiefen, regelmäßigen Zügen ein, bis der ständige Druck allmählich nachließ. Dann lag sie noch lange dort, voller Angst um ihre Geschwister und um sich selbst.

Kapitel 1

Der große Kastanienbraune schnaubte und rollte mit den Augen. »Halt ihn gut fest, Paul«, warnte Colby ihren Bruder rasch. Das Pferd wich nervös zur Seite aus, warf den Kopf zurück und machte die Beine steif.

»Kann ich nicht!«, schrie Paul, als das Pferd in einem plötzlichen Temperamentsausbruch stürmisch herumfuhr und den zaghaften Griff des Jungen abschüttelte. Paul brachte sich schleunigst in Sicherheit, die Augen ängstlich auf die schlanke Gestalt seiner Schwester gerichtet.

Der Braune tänzelte unruhig, wirbelte herum und warf sich mit einem lauten Krachen, das die Pfosten und den Erdboden beben ließ, an den Zaun. Paul zuckte zusammen, und seine oliv getönte Haut erblasste unter der Sonnenbräune. Colby wurde noch zwei Mal an den Zaun geschmettert, bevor sie auf den Boden fiel und sich unter den Zaunlatten hindurch aus der Umzäunung rollte.

»Alles in Ordnung, Colby?«, fragte Paul beunruhigt und kniete sich neben seine Schwester in den Staub.

Colby rollte sich stöhnend auf den Rücken und starrte in den Abendhimmel. Ein schwaches Lächeln verzog ihren weichen Mund. »Was für eine schwachsinnige Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen«, bemerkte sie geistesabwesend. »Wie oft hat mich dieser elende Gaul schon abgeworfen?« Sie setzte sich auf und strich sich ein paar feuchte Haarsträhnen, die sich aus ihrem dicken, rotblonden Zopf gelöst hatten, aus dem Gesicht. Ihr Handrücken hinterließ einen schmalen Schmutzstreifen auf ihrer Stirn.

»Heute oder insgesamt?«, scherzte Paul, ließ aber hastig das Grinsen von seinem Gesicht verschwinden, als Colby die volle Kraft ihrer Augen auf ihn richtete. »Sechs Mal«, antwortete er feierlich.

Sie stand vorsichtig auf und wischte eine Staubschicht von ihren verwaschenen Jeans. Bekümmert musterte sie ihr zerrissenes Hemd. »Wem gehört dieses Vieh eigentlich? Wer es auch ist, es sollte lieber jemand sein, den ich mag.«

Paul, der gerade sorgfältig den Staub von Colbys Hut klopfte, wich ihrem Blick aus. Wenn es nicht um ein Pferd ging, das für Rodeos zugeritten wurde, überließ Colby Paul alle geschäftlichen Details. Pech gehabt. »De La Cruz«, murmelte er leise. Mit seinen sechzehn Jahren war er größer als seine Schwester, dazu schlank, gebräunt, mit den Muskeln eines Reiters und ungewöhnlich stark für sein Alter. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Reife, der seiner Jugend nicht entsprach. Er hielt seiner Schwester den verwitterten breitkrempigen Hut wie ein Friedensangebot hin.

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Selbst der Wind schien den Atem anzuhalten, und auch der Braune hörte auf, zu schnauben und mit den Hufen zu scharren. Colby starrte ihren Bruder entgeistert an. »Reden wir etwa von dem De La Cruz, der auf diese Ranch gekommen ist, um mich zu beleidigen? Der verlangt hat, dass wir unsere Siebensachen packen und die Ranch unseres Vaters verlassen, weil ich eine Frau bin und du noch zu jung bist? Der De La Cruz? Der De La Cruz, der mir befohlen hat, Ginny und dich der Familie Chevez zu überlassen, und mir noch dazu mit seinem unverschämten, abstoßenden Macho-Gehabe mörderische Kopfschmerzen beschert hat?« Colbys leise Stimme war samtweich und die zarte Perfektion ihrer Gesichtszüge völlig unbewegt. Nur ihre großen Augen verrieten ihre Stimmung. »Sag mir, dass wir nicht über den De La Cruz sprechen, Paul. Lüg mir was vor, damit ich keinen Mord begehe.« Ihre strahlenden Augen sprühten förmlich Funken.

»Na ja«, antwortete er ausweichend, »es war Juan Chevez, der die Pferde gebracht hat, sechzehn Stück. Wir mussten sie nehmen, Colby. Er zahlt Spitzenpreise, und wir brauchen das Geld. Du hast selbst gesagt, dass Clinton Daniels dir wegen der Hypothek im Nacken sitzt.«

»Nicht ihr Geld«, brauste Colby auf. »Niemals ihr Geld! Damit wollen sie doch nur ihr schlechtes Gewissen beschwichtigen. Wir finden schon andere Möglichkeiten, um die Hypothek zu bezahlen.« Sie schüttelte den Kopf, um sich von dem Zorn zu befreien, der völlig unerwartet in ihr aufstieg. Während sie ihren Hut heftig auf ihren Oberschenkel knallte, stieß sie halblaut ein paar äußerst undamenhafte Flüche aus. »Juan Chevez hatte kein Recht, dir die Pferde hinter meinem Rücken anzubieten.« Als sie einen Blick auf das bedrückte Gesicht ihres Bruders warf, verrauchte ihr Zorn so schnell, als wäre er nie da gewesen.

Sie streckte eine Hand aus und fuhr ihm liebevoll durch sein tiefschwarzes Haar. »Es ist nicht deine Schuld. Ich hätte etwas in der Art erwarten und dich vorwarnen müssen. Seit die Familie hier aufgetaucht ist, macht dieser De La Cruz nichts als Ärger. Ich habe den Brief in Dads Auftrag vor fast drei Jahren an die Chevez’ geschrieben. Ist doch ein verdammtes Wunder, dass sie sich endlich zu einer Antwort aufraffen, was?« Colby drehte sich um und musterte den Braunen argwöhnisch. »Dieses Pferd ist wahrscheinlich ein Versuch, mich loszuwerden, damit sie dich bekommen. Wenn ich aus dem Weg bin, haben sie eventuell eine Chance, dich und Ginny in ihr Höllenloch in Südamerika zu entführen. Und – wenn sie schon einmal dabei sind – euch euer Erbe zu nehmen.«

Colby war klein und zierlich mit weichen, vollen Kurven, großen, tiefgrünen Augen, die von dichten, dunklen Wimpern umrahmt wurden, und einer Fülle langer, seidiger Haare. Ihre schlanken Arme verbargen kräftige Muskeln, und die weißen Narben, die sich deutlich von ihren sonnengebräunten Armen und Händen abhoben, zeugten von den Jahren schwerer Arbeit. Paul, der das Grübchen in ihrem Mundwinkel verblassen sah, spürte, wie ihn Stolz auf seine Schwester erfüllte. Er wusste, wie sehr sie ihre Narben und ihre Hände hasste, aber sie waren einfach ein Teil von ihr. Unorthodox, freiheitsliebend und unbezähmbar – es gab keine Zweite wie Colby.

»Sie leben auf einer Millionen-Dollar-Ranch«, erinnerte Paul sie. »Purer Luxus. Wahrscheinlich ein Swimmingpool und keine Arbeit. Schöne Frauen. Klingt für mich, als wäre es ein echt schweres Leben. Vielleicht ist das Ganze eine Verschwörung, und ich bin dabei.«

»Soll das heißen, dass du bestechlich bist?«

Er zuckte seine sehnigen Schultern und zwinkerte ihr mit einem durchtriebenen kleinen Lächeln zu. »Man kann nie wissen. Wenn der Preis stimmt …« Er versuchte, mit den Augenbrauen zu wackeln, und scheiterte. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Colby«, erklärte Paul plötzlich. »Ich glaube nicht, dass Mr. De La Cruz wusste, dass Juan die Pferde zu uns bringen wollte. Wie auch immer« – wieder zuckte er die Schultern – »Geld ist Geld.«

»So ist es, mein Junge.« Colby seufzte.

Mit siebzehn hatte Colby ganz allein die Verantwortung für die Ranch, ihren elfjährigen Bruder und ihre sechsjährige Schwester übernommen, nachdem ihre Mutter bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen war und Armando aufgrund seiner schweren Verletzung gelähmt blieb, und zwar ohne jemals zu murren. Zwei Jahre nach dem Unfall hatte ihr Stiefvater Colby gebeten, an seine Familie in Brasilien zu schreiben und sie zu bitten, so schnell wie möglich zu kommen. Er hatte gewusst, dass er bald sterben würde, und seinen Stolz hinuntergeschluckt, um für seine Kinder um Hilfe zu bitten. Niemand hatte geantwortet, und ihr geliebter Vater war im Kreis seiner Kinder, aber ohne seine Geschwister gestorben. Jetzt, mit sechzehn, konnte Paul beurteilen, was diese vergangenen fünf Jahre Colby gekostet hatten. Er gab sich Mühe, ihr einen Teil der Last abzunehmen, und wusste zum ersten Mal in seinem Leben, wie es war, sich um jemand anders wirklich Sorgen zu machen. Jedes Mal, wenn Colby von einem Pferd abgeworfen wurde, bekam er rasendes Herzklopfen.

Colby beklagte sich nie, aber die ständige Belastung und die Müdigkeit waren ihr immer deutlicher anzusehen. »Willst du nicht eine Pause machen? Die Sonne geht bald unter«, schlug er hoffnungsvoll vor. Colby war zweifellos von Kopf bis Fuß mit blauen Flecken übersät, und seinen scharfen Augen entging nicht, dass sie sich den linken Arm hielt.

»Tut mir leid, Schatz.« Colby schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann nicht zulassen, dass der Gaul sich einbildet, er wäre hier der Boss. Auf ein Neues!« Ohne ein Anzeichen von Furcht betrat sie die Koppel und fing die Zügel des gewaltigen Tieres ein.

Paul sah ihr zu, wie er es schon unzählige Male getan hatte, und betrachtete ihre zierliche, kleine Gestalt, die neben dem halbwilden Pferd so zerbrechlich und doch völlig selbstbewusst wirkte. Sie hatte sich als Trainerin einen so guten Ruf aufgebaut, dass viele der besten Rodeo-Reiter von überall in den Vereinigten Staaten ihre neuesten Erwerbungen zu Colby brachten. Normalerweise verbrachte sie Wochen bis Monate geduldig damit, die Tiere gefügiger zu machen. Sie hatte eine besondere Affinität zu Tieren, vor allem zu Pferden. Colbys Methoden waren für sie selbst meistens strapaziöser als für die Pferde. Wenn sie ein Tier schnell unterwerfen musste, wie zum Beispiel jetzt, dann machte Paul sich am meisten Sorgen.

Ihre Ranch war nicht groß und wurde hauptsächlich dafür genutzt, Pferde zu halten. Die wenigen Rinder und Felder waren für den Eigenbedarf bestimmt. Es war ein hartes, aber gutes Leben. Ihr Vater, Armando Chevez, war in dieses Land gekommen, als er Pferde für seine reiche Familie in Brasilien gekauft hatte und auf der Suche nach neuen Blutlinien für die riesigen Besitzungen in Südamerika gewesen war. Damals hatte er Virginia Jansen, Colbys Mutter, kennengelernt und geheiratet. Seine Familie nahm ihre Eheschließung nicht gut auf, und Armando wurde tatsächlich enterbt. Colby hatte ihrem Vater nie gesagt, dass sie den Brief von dem Patriarchen der Familie Chevez gefunden hatte, in dem Armando aufgefordert wurde »das geldgierige amerikanische Flittchen mitsamt seinem Bastard« sofort zu verlassen und nach Hause zurückzukehren. Andernfalls wäre er für die gesamte Familie buchstäblich gestorben. Colby hatte keine Ahnung, wer ihr leiblicher Vater war, und es interessierte sie auch nicht. Für sie war Armando Chevez ihr wahrer Vater. Er hatte sie geliebt und beschützt, als wäre sie sein eigen Fleisch und Blut. Jetzt waren Paul und Ginny ihre Familie, und sie wachte mit Argusaugen über die beiden. Sie war fest entschlossen, dass ihre Geschwister die Ranch bekommen sollten, wenn sie großjährig wurden, genauso wie Armando Chevez es beabsichtigt hatte. Es war das Mindeste, was Colby für ihn tun konnte.

Es war ein langer Nachmittag gewesen und schien ein noch längerer Abend zu werden. Paul biss die Zähne zusammen und fluchte leise, als der große Braune immer wieder bockte und Colby entweder auf dem Boden landete oder mit voller Wucht in den Zaun krachte.

Ginny kam und stellte einen Picknickkorb mit einer Thermosflasche Limonade und kaltem Brathuhn auf den Boden, bevor sie sich außerhalb der Koppel hinsetzte und geduldig wartete, eine Faust in den Mund gesteckt und die großen, braunen Augen angstvoll auf ihre Schwester gerichtet.

Colby, deren zarte Gesichtszüge sich vor Entschlossenheit anspannten, packte die Zügel fester, und senkte den Kopf, um sich mit dem Ärmel den dünnen Streifen Blut an ihrem Mundwinkel abzuwischen. Unter ihren Schenkeln konnte sie spüren, wie sich die kräftigen Muskeln des Pferdes wölbten und dann versteiften. Paul trat einen Schritt vor und hielt den Zügel so fest umklammert, dass seine Handknöchel weiß hervortraten. Der gewaltige Kopf des Tieres versuchte, sich nach unten zu neigen, aber Colby hinderte ihn gekonnt daran. Wieder einmal bewunderte Paul das Können seiner Schwester. Dann riss sich das Pferd erneut los, warf sich heftig hin und her, stieg auf die Hinterbeine, bäumte sich auf, fuhr herum und tänzelte nervös hin und her.

Ginny sprang auf und klammerte sich an den Zaun, während sie ehrfürchtig zusah, mit welcher Meisterschaft Colby jede Bewegung des Pferdes voraussah. Zwei Mal war Paul überzeugt, dass der Braune sich wieder aufbäumen würde, aber Colby setzte ihre ganze Willenskraft ein und behielt schließlich die Oberhand.

Rafael De La Cruz parkte seinen Wagen am Rand einer Klippe, von der man über das ganze Tal blickte. Hinter ihm erstreckten sich dicht mit Tannen und Föhren bewachsene, hohe Bergzüge. Die Frau, die sich an ihn kuschelte, tippte ihm mit einem scharlachrot lackierten Fingernagel, der stark an eine blutige Kralle erinnerte, an die Brust. Rafael starrte sie einen Moment lang an, beugte sich dann unvermittelt und völlig leidenschaftslos über sie und strich ihr das Haar von der Pulsader, die an ihrem Hals heftig pochte. Er versuchte, sich an den Namen der Frau zu erinnern. Sie war jemand, der in der kleinen Welt, in der er sich zurzeit aufhielt, etwas galt; für ihn aber war sie kaum von Interesse. Alles, was für ihn zählte, war das stetige Klopfen ihres Herzschlags, der nach ihm rief.

Sie war Beute, wie all die anderen. Gesund und kräftig. Eine Frau, die mit einem Mann schlafen wollte, der reich und mächtig war. Es gab so viele von ihrer Sorte, Frauen, die sich von den De La Cruz-Brüdern angezogen fühlten wie Motten vom Licht. Sie wandte ihren Kopf in seine Richtung, und er fing sofort ihren Blick ein, um sie in seinen Bann zu schlagen. Es schien den Aufwand kaum zu lohnen.

Rafael schlug seine Fänge tief in ihren Hals und nährte sich von ihr; er trank ihr Blut, während er gleichzeitig das wilde Tier in seinem Inneren bekämpfte, das sich zu erheben drohte und den Tod dieser Frau forderte, das von der höchsten Macht sprach, von dem Rausch, wieder zu fühlen. Ein einziges Mal Empfindungen zu haben, sei es auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, wäre vielleicht den Aufwand wert. Die Frau bedeutete ihm nichts. Sie war für ihn nicht mehr als ein Beutestück, leicht zu beherrschen, leicht zu töten. Sie sank an seine Brust, und die Bewegung reichte aus, Rafael aus dem Bann seines Dämons zu reißen. Er verschloss die winzigen Bisswunden an ihrem Hals, indem er kurz mit seiner Zunge darüberfuhr, und starrte sie eine Weile an, bevor er sie angewidert von sich schob, sodass sie auf dem Beifahrersitz in sich zusammensackte. Sie war wie alle anderen bereit, sich an den Höchstbietenden zu verkaufen. Wegen seines Reichtums und seiner Macht mit einem Wildfremden zu schlafen. Bekleidet mit einem tief ausgeschnittenen Kleid, das darauf abzielte, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen. Sie hatte ein Raubtier angelockt und sich dabei eingebildet, sie wäre die Verführerin, die ihn in ihr Netz gelockt hatte. Rafael stieg aus und schlenderte am Rand der Klippe entlang, seine sinnlichen Züge geprägt von einer harten und rücksichtslosen Selbstsicherheit. Er war es gewohnt, sofortigen Gehorsam zu finden und seine menschliche Beute geistig zu manipulieren.

Rafael und Nicolas wollten nach Hause, nach Südamerika, in den Regenwald am Amazonas. Zurück in ihre Welt, zurück auf ihre Ranch, wo sie herrschten und ihr Wort Gesetz war. Zurück in den Urwald, wo sie ihre Gestalt wechseln konnten, wann immer sie wollten, und ohne befürchten zu müssen, gesehen zu werden. Dorthin zurück, wo das Leben unkompliziert war. Aber sie hatten noch eine Kleinigkeit zu erledigen, bevor sie zurückkehren konnten. Sie mussten eine Frau dazu bringen, das zu tun, was die Chevez-Familie wollte.

Rafael und Nicolas hatten sich vor Hunderten von Jahren auf Geheiß ihres Prinzen nach Südamerika aufgemacht, um dort Vampire zu jagen. Es war wenig genug, was sie für ihr vom Aussterben bedrohtes Volk tun konnten. Jetzt wollten sie in das Land zurück, das seit vielen Hundert Jahren ihre Heimat war. Aber die Familie Chevez, die den De La Cruz seit Jahrhunderten treu diente, brauchte ihre Hilfe, und für ihn und seinen Bruder war es eine Sache der Ehre, ihnen diese Hilfe zu gewähren. Das Problem war eine junge Frau.

Nicolas war zu ihr gegangen und hatte ihr befohlen nachzugeben, indem er mit einem starken Befehl an ihr Bewusstsein gerührt hatte, aber zu seiner Überraschung und seinem Ärger hatte es nicht funktioniert. Sie war sogar noch hartnäckiger geworden und hatte sich geweigert, auch nur mit einem Mitglied der Familie Chevez zu sprechen. So etwas war in all den Jahrhunderten ihres Daseins noch nicht vorgekommen. Alle Menschen konnten kontrolliert und manipuliert werden. Jetzt war es Rafaels Aufgabe, auch wenn es bedeutete, dass er ihr Blut nehmen musste, um sie zum Nachgeben zu zwingen. Wenn die Brüder etwas wollten, egal, was es war, bekamen sie es auch. Diese Frau würde ihnen nicht im Weg stehen. Einen Moment lang zuckte ein Muskel in seiner Wange. So oder so, sie würden kriegen, was sie wollten.

Er seufzte und blickte zu den Sternen hinauf. Es gab nichts, was ihm die endlosen, qualvollen Nächte erleichtert hätte. Rafael nahm Nahrung zu sich. Er existierte. Er durchlief die tägliche Routine, aber er fühlte nichts als Hunger, unersättlichen Hunger. Das Wispern nach der Macht des Tötens. In der Lage zu sein, wieder etwas zu fühlen. Wie es wäre, seine Zähne tief in menschliches Fleisch zu schlagen und seine Beute auszusaugen, um ein paar Augenblicke etwas zu fühlen, irgendetwas. Er warf einen Blick auf die Frau im Wagen. Die Versuchung war eindeutig vorhanden …

Rafael! Nicolas’ Stimme war scharf. Soll ich zu dir kommen?

Rafael schüttelte den Kopf, als könnte er so die allgegenwärtige Verlockung leugnen. Heute Nacht werde ich nicht schwach werden.

Er ließ seinen Blick über den abendlichen Himmel schweifen und bemerkte die Fledermäuse, die ihren abendlichen Tanz vorführten. Der Wind brachte unausgesprochene Informationen mit. Rafael war verunsichert. Seine Sinne sagten ihm, dass ein Vampir in der Nähe sein könnte, aber er war nicht imstande, den Untoten aufzuspüren, falls er überhaupt in der Gegend war. Wahrscheinlich hatte er sich in dem Moment, als Nicolas und Rafael aufgetaucht waren, in die Erde zurückgezogen und wartete, bis sie wieder fort waren, ehe er sich erhob.

Jetzt trug der Wind das Geräusch ferner Stimmen zu ihm. Beunruhigt. Leise. Eine schöne Sprachmelodie, die etwas tief in seinem Inneren berührte. Er hörte die Stimme, eine klangvolle Stimme, konnte aber die Worte nicht verstehen. Deshalb trat er näher an die Felskante. Etwas erregte seine Aufmerksamkeit, und er betrachtete die Szene unten im Tal, seinen sengenden Blick auf Pferd und Reiterin geheftet. Benommen starrte er die zierliche Frau auf dem großen Pferd an. Es war beinahe siebzehnhundert Jahre her, seit Rafael Farben gesehen oder Gefühle empfunden hatte. Als er jetzt das Schauspiel auf der kleinen Koppel beobachtete, wo Pferd und Reiterin sich einen Kampf zu liefern schienen, wurde schlagartig alles anders.

Er sah ihr helles Haar, rot und golden wie eine lodernde Flamme. Er sah das verwaschene Blau ihrer Jeans und das blasse Rosa ihres Hemdes. Er sah das Pferd, das wie mattes Kupfer schimmerte. Es wirbelte herum und bockte. Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen, sodass sich jedes Detail tief in Rafaels Gedächtnis einprägte. Der silbrige Hauch auf den Blättern an den Bäumen, die Farben von Erde und Heu. Er sah die Silberschattierungen des Wassers, das in der Ferne in einem Teich schimmerte. Das alles zu sehen verschlug ihm den Atem, und er stand ganz still, wie ein Teil des Berges, auf dem er stand. Zum ersten Mal in seinem Leben war er wie erstarrt.

Hinter ihm rührte sich die Frau im Wagen, aber sie zählte nicht. Sie kam zu sich, schlaftrunken und in der Überzeugung, dass sie miteinander geschlafen hätten und sie von seiner Leidenschaft überwältigt worden wäre. Auch der halbwüchsige Junge und das Mädchen in der Nähe der Koppel zählten nicht. Seine Brüder, die zu Hause auf ihrer Ranch in Brasilien geblieben waren, Nicolas, der irgendwo in der Nähe wartete, die Familie Chevez – keiner von ihnen zählte. Nur die Reiterin.

Colby Jansen. Er wusste instinktiv, dass die Reiterin Colby war. Die junge Frau, die ihnen trotzte. Feuer und Eis wie die Berge, in denen sie lebte und die sie so leidenschaftlich liebte. Er beobachtete sie aus hungrigen Augen. Eine Weile bewegte er sich nicht. In seinem Inneren herrschte Chaos, und Gefühle stürmten schnell und heftig auf ihn ein. Gefühle, die sich Hunderte von Jahren in ihm angestaut hatten, strömten durch ihn wie heiße Lava und zwangen ihn, sich in atemberaubendem Tempo mit ihnen auseinanderzusetzen.

Er hatte vier Brüder, und sie alle konnten jederzeit telepathisch miteinander kommunizieren. Rafael griff auf den gemeinsamen geistigen Pfad zurück, den er und seine Brüder benutzten, um Nicolas diese Farbenpracht und den ungewohnten Gefühlsausbruch in seinem Inneren, die steigende Welle von Hunger mitzuteilen.

Nicolas hatte so etwas noch nie erlebt. Sie muss deine Gefährtin des Lebens sein, antwortete er.

Sie ist ein Mensch, keine Karpatianerin.

Es heißt, manche von ihnen können umgewandelt werden. Riordans Gefährtin war keine Karpatianerin.

Die Woge von Empfindungen und sexuellem Verlangen, die in ihm aufstieg, war überwältigend, ein Feuerball, der durch sein Inneres raste, sein Blut in Brand setzte und seine Sinne erregte. Rafael streckte sich wie eine große Raubkatze. Unter der dünnen Seide seines Hemdes strafften sich kräftige Muskeln. Colby Jansen gehörte ihm und keinem anderen. Er würde niemanden in ihrer Nähe dulden, weder die Chevez-Familie noch Nicolas, der sie als Erster gesehen hatte. Er spürte, wie sich das wilde Tier in seinem Inneren bei dem Gedanken an ein anderes männliches Wesen, ob sterblich oder unsterblich, in Colbys Nähe wild aufbäumte. Rafael stand regungslos da und zwang sich, seine Beherrschung zurückzuerlangen. Er war zu jeder Zeit gefährlich, aber ihm war klar, dass er es in seiner jetzigen Verfassung umso mehr sein würde. Das ist ziemlich unangenehm, Nicolas. Ich bezweifle, ob ich es ertragen kann, wenn andere Männer in ihrer Nähe sind. Noch nie habe ich solche Eifersucht oder Furcht erlebt.

Es war eine Warnung, und beide Brüder erkannten es als solche. Einen Moment lang herrschte Schweigen.

Ich verschwinde von hier, Rafael, und ziehe mich in die hohen Berge im Osten zurück, um so lange zu warten, bis du das hier in den Griff bekommen hast. Wie immer war Nicolas beherrscht und gelassen und strahlte jene zuversichtliche Ruhe aus, die andere in die Richtung lenkte, die er vorgab. Nicolas äußerte seine Meinung nicht besonders oft, aber wenn er es tat, hörten seine Brüder auf ihn. Er war ein dunkler, gefährlicher Kämpfer und hatte es unzählige Male bewiesen. Alle Brüder waren über die Jahrhunderte hinweg eng miteinander verbunden geblieben und stützten sich auf die Erinnerungen, die ihren Ehrenkodex aufrechterhielten. Stützten sich darauf, einander dabei zu helfen, die heimlichen Einflüsterungen nach der Macht des Tötens in Schach zu halten. Obrigado.

Während Rafael das Schauspiel unten auf der Ranch beobachtete, ballten sich seine Hände zu so Fäusten, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Diese Frau, die so klein und zerbrechlich – und ein Mensch – war, ging einer sehr gefährlichen Arbeit nach. Es gab Grenzen für die Geduld eines Mannes, wenn seine Gefühle im Spiel waren, und Rafael musste feststellen, dass er es nicht ertragen konnte, sie auf dem Rücken des bockenden Pferdes zu sehen.

Wieder krachte sie auf den Boden, ihre zarte Gestalt nur wenige Zentimeter von den donnernden Hufen des gewaltigen Braunen entfernt. Rafael stockte der Atem, und sein Herz setzte einen Schlag aus. Colby rollte sich aus dem Gefahrenbereich und rief ihrem Bruder etwas zu, der das Pferd am Zügel einfing. Schon saß sie wieder im Sattel. Rafael hatte genug gesehen.

Es war Ginny, der die Besucher auffielen, als sie mit ihrem schnittigen, neuen und auf Hochglanz polierten Truck über die Straße jagten. Der Fahrer parkte auf der grasbewachsenen Anhöhe ein paar Meter von den Koppeln entfernt. Die beiden Leute im Wagen starrten aus dem Fenster und verfolgten den Kampf zwischen Pferd und Reiterin.

Ginnys leiser Schreckensschrei ließ Paul herumfahren. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, und er sah sehr blass und erschrocken aus. Instinktiv kletterte er über den Zaun, stellte sich vor seine kleine Schwester und nahm sie schützend an die Hand.

Der Fahrer stieg aus und schlenderte über den Schotterweg, wobei er sich mit einer Mischung aus Geschmeidigkeit und Kraft bewegte, fast wie eine große Raubkatze. Der Fremde, groß und breitschultrig und mit straffen Muskeln, die sich unter seinem dünnen Seidenhemd abzeichneten, wirkte hart, kalt und gefährlich. Er hatte lange, schwarze Haare, die im Nacken zusammengebunden waren. Markante Gesichtszüge, unbeugsam und sehr sinnlich. Er wirkte weltläufig und bedrohlich zugleich. Das musste Rafael De La Cruz sein. Nicolas hatten sie bereits kennengelernt, und er war beängstigend genug gewesen, doch dieser Mann schien aus jeder Pore Gefahr zu verströmen.

Rafael setzte geschmeidig wie eine Raubkatze über den Zaun, packte das schnaubende, bockende Pferd am Zügel, zog seinen Kopf herum und forderte mit einer Autorität, die selbst das Tier zu erkennen schien, Gehorsam.

Paul starrte den Mann entgeistert an. Gott allein mochte wissen, wie Colby reagieren würde. Er hatte das entmutigende Gefühl, dass sie mit den Fäusten auf den Fremden losgehen würde, und Paul konnte sich einfach nicht vorstellen, einen Kampf gegen den Mann zu gewinnen, falls er gezwungen sein sollte, seine Schwester zu verteidigen. Ihm war klar, dass der Fremde genau der Typ Mann war, bei dem Colby rotsah.

Der Braune war jetzt lammfromm, und als Rafael zurücktrat, um ihr Platz zu machen, saß Colby auf und führte das Pferd gekonnt durch alle Gangarten. Bevor sie mehr tun konnte, legte Rafael mit unbewegter Miene einen Arm um Colbys Taille, hob sie mühelos aus dem Sattel und stellte sie energisch auf den Boden.

Ginny, die sich an Paul klammerte, schnappte laut nach Luft. Wie konnte der Mann so etwas nur wagen! Entsetzt blickte sie zu der Frau, die vom Wagen aus mit leicht verdrossener Miene und gespielter Langeweile zusah. Colby so zu demütigen!

In dem Moment, als sich der Arm des Fremden um ihre Taille legte, spürte Colby eine unerwartete Verbindung zu ihm. Hitze ging von ihm aus, floss durch die Poren ihrer Haut und breitete sich in ihren Adern aus. Leichte Röte stieg Colby ins Gesicht, als sie sich aus seinem Griff wand. Ihr Kinn schob sich vor, und ihre smaragdgrünen Augen funkelten gefährlich. »Danke, Mr …?« Ihre Stimme war übertrieben geduldig und seidenweich. Sie wusste ganz genau, dass er der andere dieser fürchterlichen De La Cruz-Brüder sein musste. Wer sonst? Das hatte ihr heute Abend gerade noch gefehlt – noch mehr Aufregungen!

Er verbeugte sich leicht, eine Geste, die seltsam ritterlich wirkte. »De La Cruz. Rafael De La Cruz, zu Ihren Diensten. Ich glaube, Sie haben meinen Bruder Nicolas und natürlich Juan und Julio Chevez bereits kennengelernt. Sie sind zweifellos Colby Jansen.«

Colby nahm den Hut, den Paul ihr reichte, und schlug ihn an ihren Schenkel, um den Staub abzuklopfen. Ihr Blick glitt einmal über Rafaels imposante Erscheinung und kehrte zu seinen breiten Schultern zurück, bevor sie ihn scheinbar als uninteressant abtat. »Welchem Umstand verdanken wir die Ehre Ihres Besuchs?« Selbst Paul zuckte angesichts ihres zuckersüßen Tonfalls innerlich zusammen. »Ich dachte, Ihr Bruder und ich hätten alles Nötige bei unserem letzten freundlichen Gespräch geklärt.«

Seine eiskalten, schwarzen Augen wanderten nachdenklich über ihr Gesicht und verharrten auf ihrem üppigen Mund und der dünnen Blutspur in ihrem Mundwinkel. Hitze stieg in seinem Inneren auf, und einen Moment lang schimmerte Verlangen in seinen Augen. »Haben Sie gedacht, wir würden uns so leicht geschlagen geben?« Seine Stimme strich leise und beinahe hypnotisch über ihre Haut. Obwohl seine Hände an seinen Seiten lagen, konnte Colby geradezu fühlen, wie er sie berührte, wie seine Fingerspitzen über ihre Haut glitten, sodass kleine Flammen durch ihren Körper zu tanzen schienen.

Sie schüttelte die Wirkung seiner Stimme ab und heftete ihren Blick auf die Frau im Wagen. »Fehlt Ihrer Bekannten etwas?«

Bei diesen Worten hob die Frau den Kopf und starrte Colby böse an. Dann stieß sie die Tür auf und drehte sich sorgfältig auf dem Sitz um, um ihre langen Beine mit den hochhackigen Schuhen ins Blickfeld zu rücken. Sie war eine große, gertenschlanke Blondine mit heller Haut und perfektem Make-up und wirkte in ihrem kühlen, lavendelblauen Kleid wie ein Model. Sie machte sich nicht die Mühe, ihre Verachtung zu verbergen, als sie näher kam und ihren Blick über Colby wandern ließ, wobei sie ihre verwaschenen und zerrissenen Jeans, ihr verschmutztes Gesicht und den zerzausten Zopf begutachtete.

Colby, die sich ihrer Erscheinung genauso bewusst war wie der Narben an ihren Händen und Armen, die von Bissen und bösartigen Huftritten herrührten, legte eine Hand an ihr wirres Haar. Bevor sie dazu kam, es glatt zu streichen, packte Rafael sie am Handgelenk und zog mit grimmiger Miene ihren Arm nach unten. Elektrische Funken schlugen einen Bogen von seiner zu ihrer Haut und sprangen hin und her. Das Brennen in ihrem Inneren war wieder da und erhitzte ihr Blut. Einen Moment lang trafen ihre Blicke aufeinander, und ein überwältigend starkes körperliches Verlangen wurde wach. Colbys Kinn reckte sich in der herausfordernden Art, die ihre Geschwister so gut an ihr kannten. Hastig entzog sie ihm ihre Hand. Es gefiel ihr gar nicht, dass ihr Körper in Rafael De La Cruz’ Nähe ein Eigenleben zu entwickeln schien.

»Louise Everett«, stellte die Frau sich vor und legte besitzergreifend eine Hand auf Rafaels Arm. »Sie kennen meinen Bruder Sean und seine Frau Joclyn. Die Brüder De La Cruz, ihre Dienerschaft und ich sind zu Besuch auf Seans Ranch.« Sie ließ es so klingen, als wäre sie mit der De La Cruz-Familie eingetroffen. »Als Sean und Joclyn hörten, dass Rafael und ich auf einen Sprung zu Ihnen fahren wollten, baten Sie mich, Ihnen etwas auszurichten.« Sie starrte einen Moment lang geringschätzig auf einen Schmutzfleck auf Colbys Stirn. »Joclyn würde ihrer Tochter gern Reitstunden geben lassen.« Sie überprüfte, ob ihre langen Fingernägel keinen Schaden genommen hatten. »Obwohl es für mich so aussieht, als hätte dieses Pferd Sie mehr als ein Mal abgeworfen. Ich möchte, dass meine bedauerlich verkrüppelte kleine Nichte bei jemandem lernt, der qualifiziert und kompetent ist.«

Pauls Japsen war deutlich zu hören. Colby war ein Profi. Die Beste. Ihr Ruf im Trainieren von Pferden war überall in den Staaten bekannt. Er wünschte, diese Snobs würden verschwinden, bevor er die Beherrschung verlor und eine Dummheit beging. Er trat aggressiv einen Schritt vor und ballte seine Hände zu Fäusten. Egal, ob dieser De La Cruz gefährlich war und ihn zu Brei schlagen konnte – niemand würde Colby so behandeln und damit durchkommen, nicht solange er, Paul, in der Nähe war. Und diese Bemerkung über die Dienerschaft der De La Cruz’ – die Frau meinte die Chevez-Brüder. Paul war ein Chevez und Ginny auch. Bedeutete das, dass sie Dienstboten und keine Ranchbesitzer sein würden, wenn es der Familie gelang, sie nach Brasilien mitzunehmen? Aus dem Augenwinkel erhaschte er einen Blick auf Ginny. Sie machte ein genauso böses Gesicht wie er.

»Hier liegt wohl ein Irrtum vor.« Colbys Stimme war trügerisch sanft. Sie ging zu der Thermosflasche mit Limonade, eher, wie Paul vermutete, um nicht auf De La Cruz loszugehen, als um ihren Durst zu stillen. In ihren Augen lag dieser gewisse Ausdruck, den Paul nur zu gut kannte. »Ich gebe keine Reitstunden, Ms. Everett. Für so etwas habe ich keine Zeit.« Ihre grünen Augen streiften Rafaels harte Züge. »Anscheinend hat Mr. De La Cruz so viele Dienstboten, die seine Ranch für ihn führen, dass er vergessen hat, was harte Arbeit tatsächlich bedeutet.« Verkrüppelte kleine Nichte. Die Worte hallten in ihrem Kopf wider, sodass sie sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte, um das Geräusch ebenso auszulöschen, wie das Bild des armen, von der Tante offensichtlich ungeliebten Mädchens.

Rafaels eisige, schwarze Augen schienen zu schwelen, aber seine markanten Gesichtszüge blieben reglos. Dann bewegte er sich, nein, er glitt dahin, ein kaum wahrnehmbares Spiel von Muskeln und Sehnen, mehr nicht. Sie blinzelte, und schon war er bei ihr, ganz nah, und beugte sich vor, um die dünne Blutspur in ihrem Mundwinkel mit seinem Daumen wegzuwischen. Ihr Herz machte bei der Berührung einen Satz, und ihr Körper verlangte geradezu schmerzhaft nach ihm. Es war zum Verrücktwerden, und Colby wollte, dass es aufhörte. Ihr war klar, dass er in sexueller Hinsicht dominant sein würde. Es war ihm ebenso angeboren wie anerzogen und in Fleisch und Blut übergegangen. Er würde alles von einer Frau verlangen, sie in Besitz nehmen und vereinnahmen, bis es kein Zurück mehr gab – nie mehr. Und sie hasste es, dass sie so stark auf seine dunkle Sinnlichkeit reagierte, obwohl sie sonst immer so stolz auf ihre Unabhängigkeit war.

»Louise hat die Nachricht missverstanden«, sagte er leise. Sein Blick ruhte unverwandt auf Colbys Gesicht. Brennend. Verzehrend. Hungrig. Er schien ihr direkt in die Seele zu schauen. Sie hatte sogar das unbehagliche Gefühl, dass er ihre Gedanken lesen konnte. Wie gebannt beobachtete sie, wie er seine Hand an den Mund führte und seinen Daumen an seine Zunge hielt, fast als wollte er ihren Geschmack kosten.

Ihr ganzer Körper verkrampfte sich, und sie ertappte sich dabei, ihn beinahe hilflos anzustarren. Die Vorstellung hätte sie abstoßen sollen, doch er war verboten sexy, und sie war fasziniert von ihm, von der Art, wie er sich bewegte, und von dem Hunger in seinen Augen, wenn sie über ihr Gesicht glitten. Er konnte einer Frau das Gefühl geben, die Einzige auf der Welt zu sein. Die Einzige, für die er Augen hatte. Außerdem gab er ihr das Gefühl, dass er sie packen und über die Schulter werfen würde, wenn sie sich ihm widersetzte. Es war beklemmend – und, Gott steh ihr bei, erregend.

»Colby.« Ginny, die plötzlich Angst um ihre Schwester hatte, langte nach ihrer Hand. Der Fremde sah Colby an, als wäre sie sein Eigentum, als wäre er ein böser Hexenmeister, der sie verzaubern wollte.

Colby schüttelte das Netz aus Sinnlichkeit ab, das Rafael um sie gewoben hatte. Dieser Mann war wirklich gefährlich. Er wollte eine Frau besitzen und aus ihr eine Sklavin machen, die nur daran dachte, ihm gefällig zu sein. Er war eine erotische Versuchung, der zu erliegen sich keine Frau leisten konnte. Den ersten Bruder hatten sie geschickt, damit er ihr befahl, die Ranch und die Kinder den Chevez’ zu überlassen, und da das nicht funktioniert hatte, war jetzt offensichtlich der Herzensbrecher der Familie an der Reihe. Wieder hob sie trotzig ihr Kinn. »Welche Nachricht sollten Sie denn überbringen?«

»Joclyn würde sich freuen, Sie später am Abend im Saloon zu treffen.« Seine Stimme war so schön, dass sie sich danach sehnte, mehr zu hören. Sie zwang sich, die Hände herabhängen zu lassen, statt sich die Ohren zuzuhalten. »Ich glaube, Sie wollte Ihnen die Höflichkeit erweisen, persönlich mit Ihnen zu sprechen.«

Colby ertappte sich dabei, sich hilfesuchend an Ginnys Hand zu klammern. Rafael De La Cruz war imstande, andere zu verzaubern, ein dunkler Magier, der schwarze Magie beherrschte, und sie war dafür ausgesprochen empfänglich. Sie wollte, dass er ging, ehe sie in den Tiefen seiner nachtdunklen Augen unterging. Er stand so nahe bei ihr, dass sie seinen männlichen Duft wahrnehmen konnte. Frisch. Sexy. Sehr maskulin. »Es scheint ihr sehr wichtig zu sein.«

»Ich habe zu dieser Jahreszeit viel zu tun«, wandte Colby leicht verzweifelt ein. Sie konnte nicht den Blick von ihm wenden, nicht einen Moment. Seine Augen waren so hungrig und fordernd. Und zum Teufel mit ihm, ihr Körper verlangte sehr eindringlich nach ihm! Verkrüppelte kleine Nichte. Das Bild ließ sie nicht los.

»Dann muss ich wohl bleiben, um Sie zu überzeugen«, sagte er, wobei sein fremdländischer Akzent stark auffiel. Alles in ihm, jede Zelle, sein Herz, seine Seele, sein Gehirn, sogar der Dämon in seinem Inneren, alles schrie danach, sie an sich zu binden. Er konnte sie einfach nehmen. Niemand wäre in der Lage, ihn aufzuhalten. Rafael war es gewohnt, dass sich nichts und niemand seinem Willen widersetzte. Schon gar nicht eine halbe Portion wie diese Frau. Eine menschliche Frau.

»Dann also um acht Uhr«, sagte sie ungeduldig und bemühte sich, nicht so verängstigt auszusehen, wie sie sich fühlte. Noch nie hatte jemand sie so reizbar gemacht und verwirrt wie er. In seinen Augen lag ein besitzergreifender Ausdruck, die Forderung, sie für sich zu beanspruchen. Vorher hatte sie sich noch niemals wirklich vor jemandem gefürchtet. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss mich wieder an die Arbeit machen.« Er war der Feind. Eng verbunden mit einer Familie, die ihre Mutter abgelehnt hatte. Jemand, für den ihre Geschwister Dienstboten waren, und zwar in einem Land, von dem sie nichts wussten. Das musste sie sich in Erinnerung rufen. Sie musste sich daran erinnern, wie hart ihr Vater gekämpft hatte, um seinen Kindern etwas hinterlassen zu können. Rafael De La Cruz hatte diesen Latino-Charme, von dem sie viel gehört, den sie aber noch nie erlebt hatte. Der Mann war Gift. Colby schaute bewusst Louise an. Die Frau war offensichtlich schläfrig und schnurrte wie eine Hauskatze. Sie sah ganz danach aus, als hätten die beiden gerade Sex gehabt. Louise streichelte Rafaels Arm und starrte ihn mit einem so verzückten Gesichtsausdruck an, dass sich Colby der Magen umdrehte.

Rafael zeigte herrisch auf den Pick-up, und Louise, deren Gesicht vor Freude aufleuchtete, schenkte ihm ein Lächeln und ging gehorsam zum Wagen. Bei Rafaels Geste knirschte Colby innerlich mit den Zähnen. Warum hast du nicht einfach mit den Fingern geschnippt? Die De La Cruz-Brüder benahmen sich, als wären Frauen ihnen unterlegen, und das machte sie rasend. Nein, das stimmte nicht ganz. Sie vermittelten eher den Eindruck, als wäre ihnen jeder Mann und jede Frau unterlegen, jedes menschliche Wesen auf der Erde.

Rafael wandte den Kopf und schaute sie an, als könnte er tatsächlich ihre Gedanken lesen. Einen Moment lang erstarrte sie und hatte beinahe Angst, sich zu bewegen. Noch nie hatte sie Augen gesehen, die so hart und so kalt waren. Wenn seine Augen der Spiegel seiner Seele waren, musste dieser Mann ein Monster sein. Er machte keine Anstalten, Louise zu folgen, sondern ließ stattdessen seinen Blick über Colbys zierliche Gestalt gleiten. Seine harten Gesichtszüge blieben völlig ausdruckslos. »Warum machen Sie diesen Unsinn? Das ist Männerarbeit und nichts für jemanden wie Sie. Es ist nicht zu übersehen, dass Sie den Großteil des Nachmittags auf dem Boden verbracht haben.«

»Das geht Sie nichts an, Mr. De La Cruz.« Colbys Vorsatz, höflich zu bleiben, war dahin. Sie hatte keine Ahnung, warum sie sich so bedroht fühlte, aber sie hatte den Eindruck, ins Fadenkreuz eines starken Mikroskops geraten zu sein.

»Ich glaube, es ist eines unserer Pferde, das Sie zureiten. Wie sind Sie daran gekommen?« Er fragte es leise, als wäre es ihm nicht der Mühe wert, sich über ihre Erwiderung zu ärgern.

»Ich habe mich wie ein Dieb in der Nacht auf Ihre Koppeln geschlichen und einige Pferde mitgehen lassen«, gab sie sarkastisch zurück. »Versuchen Sie bitte, nicht noch unangenehmer als unbedingt nötig zu sein. Juan Chevez hat uns sechzehn Tiere geschickt. Muss wohl eine Sache des Gewissens sein.«

»Die Familie Chevez hat unter diesem Missverständnis sehr gelitten«, antwortete er geduldig. »Sie wünschen sich nichts mehr, als den Bruch innerhalb ihrer Familie zu heilen. Da ich die Chevez’ als Teil meiner Familie betrachte und sie unter meinem Schutz stehen, ist es mir genauso wichtig.« Er blinzelte nicht ein einziges Mal, als er seine schwarzen Augen auf ihre grünen richtete. Colby fühlte sich gejagt. Mehr als einmal hatte sie Pumas aufspüren müssen, die hinter ihren Pferden her gewesen waren, und sie hatten sie mit demselben unverwandten Blick angestarrt.

»Gehen Sie zurück nach Brasilien, Mr. De La Cruz, und nehmen Sie Ihre Familie mit. Das dürfte stark dazu beitragen, den Bruch zu kitten.«

Seine Zähne blitzten weiß auf, sehr weiß, als er seine Lippen zu einem wölfischen Lächeln verzog. Unerklärlicherweise lief es Colby kalt über den Rücken. Sie trat ein Stück zurück, um Luft zum Atmen zu haben, aber er bewegte sich mit ihr wie eine Dschungelkatze, die ihre Beute verfolgt. Seine Hand legte sich auf ihren Nacken. Seine Finger waren beinahe sanft, doch sie spürte seine ungeheure Kraft und wusste, dass sie seinen Griff nicht abschütteln konnte. Er könnte ihr im Handumdrehen das Genick brechen, wenn er wollte. Wieder überlief sie ein Schauer. Sie erstarrte unter seiner Berührung, und ihr Blick flog zu seinem Gesicht. In seinen Augen lag wieder dieser Ausdruck von Hunger, einem dunklen, überwältigenden Hunger, der ihr den Atem nahm, während er fasziniert auf ihre Pulsader starrte.

Wie hatte sie seine Augen für ausdruckslos, hart und eiskalt halten können? Jetzt brannten sie vor innerer Glut, lebten vor Hunger und Verlangen und einer Intensität, die sie bis in die Seele traf.

Du wirst mir nicht entkommen, pequena. Ganz gleich, wie weit du läufst, ganz gleich, wie sehr du dagegen ankämpfst. Nichts davon zählt.

Die Worte schienen in ihrem Bewusstsein zu schweben und zwischen ihnen beiden zu stehen. Colby hatte keine Ahnung, ob sie tatsächlich ausgesprochen worden waren. Rafael De La Cruz hatte nichts gesagt, sondern sah sie nur aus seinen schwelenden, schwarzen Augen an.

Sie erblasste sichtlich und hatte auf einmal sehr, sehr große Angst. Vor sich selbst, vor ihm und vor der dunklen Verheißung von Leidenschaft in seinen beredten Augen.

»Sie sind hier unerwünscht, De La Cruz«, platzte Paul heraus, dessen Gesicht unter der Sonnenbräune hell errötet war. Er trat einen Schritt auf den Mann zu und ballte die Fäuste, aber Ginny packte ihn am Arm und hielt ihn fest. »Lassen Sie meine Schwester sofort los!«

Rafael riss seinen Blick widerstrebend von Colby los und wandte langsam den Kopf, um Paul anzuschauen. Der Junge bemerkte, dass Rafaels schwarze Augen nicht blinzelten. Nicht ein einziges Mal. Einen Moment lang konnte Paul weder denken noch sich bewegen. Wie festgefroren stand er mit laut klopfendem Herzen da. Schließlich lächelte Rafael ihn an, ein Lächeln, das keine Freude verriet, sondern nur ein kurzes Aufblitzen weißer Zähne war, und schlenderte zu seinem Wagen.

Wie gebannt von der Geschmeidigkeit seiner Bewegungen, starrten die drei ihm nach. Keiner von ihnen sprach, bis der Wagen in einer Staubwolke verschwand.

Paul warf sich ins Gras. »Ich muss den Verstand verloren haben! Warum habt ihr mich nicht gefesselt und geknebelt? Er hätte mich mit seinem kleinen Finger umbringen können.«

Ginny lachte nervös. »Ein Glück, dass ich dich zurückgehalten und dir so das Leben gerettet habe.«

»Wofür ich dir von ganzem Herzen danke«, sagte Paul und starrte auf den dunkler werdenden Abendhimmel.