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Kim wandert nach Irland aus, um ein neues Leben zu beginnen. Allerdings läuft nicht alles so, wie sie es sich gewünscht hätte. Pech in der Liebe und Stress pur im Alltag.
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Seitenzahl: 324
Veröffentlichungsjahr: 2020
Liebe ist wie eine Flamme
Anfangs zart flackernd
Nährt man sie richtig,
bestimmt man,
ob sie einen wärmt oder verbrennt
Irland - endlich war ich angekommen.
Ich, Kim Webster, Einzelkind, Single und aufsteigende Innenarchitektin. Meine Eltern waren schon sehr bald verstorben und hatten mir mit einer kleinen Erbschaft ermöglicht, weiterhin mein berufliches Ziel in die Tat umzusetzen. In Deutschland konnte ich nicht so recht Fuß fassen wegen der andauernden Wirtschaftskrise. Deshalb hatte ich mich entschieden die grüne Insel zu erobern, zumal hier eine Schwester meines Vaters lebte und ich etwas Rückhalt von dieser Seite hatte.
Meine guten Freunde hatten mich beschworen, diesen Entschluss genau zu überdenken und da ich ein sehr risikofreudiger Mensch bin, ließen mich deren guten Ratschläge kalt.
Außerdem hatte mich bereits als Kind die Geschichte der Kelten, die Schriftzeichen Ogham, die Anderswelt der Leprechauns, Fairies und Halloween schon immer fasziniert.
Ich war der Sprache Gälisch und Englisch mächtig und durfte somit keine Verständigungsschwierigkeiten mit den hiesigen Einwohnern haben.
Alte renovierungsbedürftige Schlösser und Burgen gab es in Irland genügend und man würde sicher meine Hilfe in Anspruch nehmen wollen. No Risk, no Fun dachte ich mir. Nach meiner Riesenabschiedsparty hatte ich dann Deutschland den Rücken gekehrt.
Nun war ich gespannt, ob mein kürzlich erworbenes Appartement verteilt auf zwei Etagen das hielt, was es in dem Prospekt versprach. Der Makler meinte, dass die Renovierung noch nicht vollständig abgeschlossen wäre, aber das machte nichts. Ich war heilfroh, etwas Passendes für meinen Stil gefunden zu haben. Die Räumlichkeiten inklusive einem Atelier, waren echt der Hammer. Hier konnte ich in aller Ruhe meiner Kreativität freien Lauf lassen und meine Zeichnungen entwerfen. Ich freute mich schon richtig auf meine Arbeit. Eine kleine Klientel hatte ich auch schon an Land gezogen und wenn ich gut war, würden mir die Aufträge nur so ins Haus flattern.
Nach der Trennung von meinem Exfreund Jack, brauchte ich einfach etwas Ruhe und Zeit für mich. Ich stieg aus dem Taxi, dass mich vom Flughafen abgeholt hatte, bezahlte und sah an der Fassade des Hauses hoch. Von außen machte es einen sehr guten Eindruck. Ich nahm meinen Reisekoffer umständlich aus dem Auto und drehte mich um. Im gleichen Augenblick stieß ich mit einem gutaussehenden Mann meines Alters zusammen, der es recht eilig hatte und mein Taxi übernehmen wollte. Meine Handtasche, die ich mir unter den Arm geklemmt hatte, fiel auf den Gehsteig, alle Utensilien kullerten heraus und ohne mich eines Blickes zu würdigen, stieg dieser Typ einfach ins Taxi ein. Ich schimpfte hinterher, ging in die Knie, sammelte alle Gegenstände ein und knallte sie in meine Tasche. Als ich aufstand und dem Wagen hinterher sah, blickten mich aus dem Rückfenster zwei unwiderstehliche blaue Augen an und dann war das Fahrzeug um die Ecke verschwunden. Diese Augen sollten mir bald noch einmal begegnen. Ich begab mich ins Gebäude und fuhr mit dem Aufzug bis unter das Dach in mein Appartement. Als ich aus dem Lift stieg, der mich direkt in die Wohnung brachte, traf mich bald der Schlag, denn das volle Chaos sprang mir entgegen. Überall Leitern, halbleere Farbeimer und herumeilende Arbeiter. Der Koffer fiel mir aus der Hand. Entsetzt starrte ich in alle Richtungen. Nichts, aber auch gar nichts war hier schon vorangeschritten. Es herrschte immer noch das gleiche Chaos wie vor einem Vierteljahr vor. Da eilte bereits der Makler auf mich zu.
„Ich bin untröstlich und muss für diesen Zustand um Entschuldigung bitten. Natürlich wird ihre Wohnung schnellstens fertig gestellt. Dafür werde ich persönlich sorgen.“
„Mister Willow, ich habe fest damit gerechnet, die Wohnung übermorgen beziehen zu können. Die Möbel werden bis dahin geliefert, nun das Chaos hier und es wäre freundlich gewesen, wenn man mich über den Zustand informiert hätte. Schließlich muss ich meinen Lebensunterhalt verdienen und dazu benötigte ich das Atelier.“
Der Makler war untröstlich.
„Ich verspreche, dass ich mich umgehend um eine angemessene Bleibe für sie kümmern werde. Die Immobilienfirma übernimmt selbstverständlich die Kosten für die Einlagerung ihrer Möbel, bis dieses Appartement bezugsfertig ist.“
So wie es hier aussah, dachte ich mir, brauchten die Handwerker noch locker ein halbes Jahr. Na, einen tollen Start hatte ich mir da ausgesucht und wenn das weiterging, konnte ich gleich wieder postwendend nach Deutschland zurück. Der Makler bat um etwas Geduld und tätigte schnell ein paar Gespräche, dann wandte er sich wieder an mich.
„Ich habe leider in der Nähe kein passendes Atelier beschaffen können, aber zwei Kilometer von hier auf einem Schlossanwesen, steht schon seit etlichen Jahren ein Kavaliershaus leer. Dies könnte ihren Ansprüchen gerecht werden. Der Schlossherr ist einverstanden und es kann sofort besichtigt werden. Außerdem müssen sie keine Miete zahlen, solange sie dort wohnen. Das übernimmt kurzfristig die Immobilenfirma zusätzlich als Entschädigung, für das noch nicht fertiggestellte Appartement.“
Ich überlegte nicht lange, willigte ein und fand das Angebot akzeptabel, da ich heute unbedingt, irgendwo unterkommen musste. Noch schlimmer konnte es für mich auch nicht mehr werden. Der Makler begleitete mich zu seinem Auto und dann machten wir uns auf den Weg zu diesem Anwesen. Die Landschaft, durch die wir fuhren, war idyllisch und ich dachte, dass dies wenigstens etwas Positives für den Anfang war.
Kurze Zeit später bogen wir ab und erreichten ein riesiges Eisentor, geprägt mit den Buchstaben MR und je einem stilisierten Raben rechts und links neben der Schrift. Dahinter erstreckte sich eine Allee und der anschließend, farbenprächtig bepflanzte Park erschien endlos und ich war völlig fasziniert. Im gleichen Moment erblickte ich ein imposantes Schloss und kam aus dem Staunen nicht heraus. Das Gebäude war uralt und ich bekam das das Gefühl nicht los, in einen Vampirfilm versetzt worden zu sein. Mich würde überhaupt nicht wundern, wenn sich im Kellertrakt des Gebäudes eine Gruft befand, wo die Verstorbenen ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Ich war noch damit beschäftigt das eben gesehene zu verarbeiten, als wir bereits anhielten. Der Makler stieg aus, umrundete das Auto, öffnete mir die Tür und half mir galant beim Aussteigen. Wir eilten zur Eingangstür des Schlosses, die sich gleichzeitig mit unserem Eintreffen öffnete, als habe man uns bereits kommen sehen. Ich war überrascht, denn hier sah ich sie wieder, diese blauen Augen. Mein Gegenüber stutzte kurz als er mich erblickte und wandte sich dann, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen an den Makler.
„Mister Willow, dass ist also die junge Dame, die sich für das Haus interessieren würde?“, fragte er. Dieser sah den Schlossbesitzer an.
„Ich hatte heute bereits das Vergnügen diesen Herrn in Augenschein nehmen zu dürfen“, erwähnte ich in Richtung Makler.
Er konnte nicht wissen, dass ich zuvor im wahrsten Sinne des Wortes einen Zusammenstoß mit diesem Gentleman hatte. Mister Willow schaute verwundert und der Schlossherr grinste vor sich hin.
Arroganter Fatzke, dachte ich im Stillen und blickte ihn dabei mehr als durchdringend an. Mein Gegenüber reichte mir die Hand.
„Lord Miles of Raven. Mit wem habe ich das werte Vergnügen?“
Ich schüttelte ihm die Hand und nannte ebenfalls meinen Namen.
„Kim Webster, ohne Titel, sehr angenehm.“
Sein Händedruck beeindruckte mich und außerdem sah er unverschämt gut aus. Hohe schlanke, kräftige Erscheinung, die Haare länger, was ihn hervorragend kleidete. Wie aus einem alten Mantel- und Degenfilm, eher noch wie aus einem Horrorfilm, schoss es mir durch den Kopf. Würde ins Mittelalter passen, dass passende Schloss hatte er ja schon. Wir musterten uns gegenseitig von oben bis unten. Der Makler rief uns in die Realität zurück.
„Können wir das Objekt ansehen, für das sich Miss Webster interessiert?“, wollte er wissen.
„Selbstverständlich“, antwortete Lord Raven und ging voraus.
Kaum bogen wir um die Ecke des Schlosses, erspähte ich ein passables Gebäude und ich war begeistert. Liebe auf den ersten Blick nennt man das wohl, dachte ich bei mir.
„Das ist besagtes Kavaliershaus und wurde um die Jahrhundertwende in ein Gästehaus umgebaut. Ab und zu wurde es in den letzten Jahren von meinen Freunden bewohnt, steht aber sonst über das ganze Jahr vollkommen leer“, klärte mich der Besitzer auf.
Lord Raven öffnete die Tür um uns den Vortritt zu lassen. Als ich an ihm vorbeiging, streiften wir uns kurz und ich hatte das Gefühl, einen Stromschlag bekommen zu haben. Unsicher schaute ich ihn an, dieser grinste, blickte mir in die Augen und ich versank in endlose Tiefen. Verstört und irritiert wandte ich meinen Blick ab. Die Räume des Hauses waren zwar nicht groß, würden aber für den Moment optimal ausreichen. Der Flur war lang und schmal. Die Küche rechts daneben, war klein, aber funktionell und modern ausgestattet. Das angrenzende Bad war in meiner Lieblingsfarbe blau gehalten und hatte einen mediterranen Touch. Das Wohnzimmer war modern und besaß die neueste HiFi-Technik. Im Schlafzimmer stand ein riesiges, eisernes Bettgestell und schien aus dem Mittelalter übrig geblieben zu sein. Ich lachte innerlich auf, dachte ziemlich kitschig, aber der Zweck heiligt die Mittel und zum Schlafen reichte es vorerst aus. Alle Räume besaßen einen Kamin, außer in der Küche.
„Okay, das Haus ist annehmbar und nun hätte ich gerne das Atelier gesehen. Bis jetzt habe ich hier nichts erkennen können, was diesem annähernd entspricht“, erklärte ich ihm.
Lord Raven ging voraus und öffnete neben dem Schlafzimmer noch eine weitere Tür. Dahinter lag ein Raum, der einem Atelier ähnelte. Hier war irgendwann ein Wintergarten angebaut worden. Nicht gerade im Stil eines Ateliers, aber es würde momentan seinen Zweck erfüllen. Das Haus hatte etwas Magisches an sich und zog mich regelrecht an.
„Genau wie für mich geschaffen, als wenn es auf mich gewartet hätte“, meinte ich zum Makler.
Als ich in Miles of Ravens Gesicht schaute, hatte ich das Gefühl, dass er sich köstlich amüsierte.
„Wenn beide Seiten einverstanden sind, können wir den Mietvertrag proforma unterschreiben“, meinte Mister Willow und ich willigte zustimmend ein.
„Das Unterzeichnen des Vertrages läuft nicht weg und ich denke, Miss Webster wird von der langen Anreise müde sein und sich frisch machen wollen“, entgegnete Raven und blickte mich fragend dabei an.
„Sehr aufmerksam. Vielen Dank für das Angebot auf das ich später zurückkomme. Mein Koffer steht noch im unfertigen Appartement und ich muss mit zurück, um diesen zu holen“, erklärte ich ihm.
„Das passt ja vortrefflich, denn ich wollte noch in die Stadt und kann diesen auf dem Heimweg mitbringen“, meinte er darauf.
„Ich möchte ihnen auf keinen Fall unnötige Umstände machen“, warf ich ein.
„Nein, das macht überhaupt nichts aus und liegt auf meinem Weg. Eine Sache wäre noch zu klären, über die sie sich nicht wundern sollten. Ich veranstalte jede Woche am Mittwoch, also heute abends, eine kleine Feier im Schloss. Ich halte dies schon seit Ewigkeiten so und sie brauchen sich keine unnötigen Gedanken machen, dass sie hier vor dem Haus jemand belästigen wird. Ich würde mich allerdings freuen, wenn sie daran teilnehmen. Hoffentlich sind sie nicht zu müde dazu, denn ich möchte sie meinen Gästen als neue Mieterin vorstellen. Sicherlich befindet sich unter meinen Freunden der eine oder andere Interessent. Eine Supergelegenheit ihren Kundenstamm zu vergrößern. Ich gehe doch davon aus, dass sie Künstlerin sind, da sie ein Atelier benötigen“, hakte Lord Raven nach.
Ich überlegte kurz.
„Herzlichen Dank für die Einladung und ein bisschen Zerstreuung wird mir sicher gut bekommen“, gab ich von mir.
Täuschte ich mich oder sah ich in seinen Augen ein triumphierendes Aufblitzen. Der Makler wünschte mir gute Geschäfte, verabschiedete sich und verschwand. Da ich ein ausgiebiges Bad nehmen und nicht gestört werden wollte, bat ich Raven, den Koffer vor der Tür abzustellen. Er überreichte mir den Schlüssel für das Haus und beim Hinausgehen grinste er mich frech an. Idiot, dachte ich und schloss mit Nachdruck die Tür hinter ihm. Ich konnte mein Glück nicht fassen und lief alle Zimmer nochmals ab. Herrlich!
Ich verschwand im Bad, zog mich aus und ließ das Wasser in die Wanne laufen. Es war alles vorhanden, als wenn man bereits mit meiner Ankunft gerechnet hätte. Langsam stieg ich in die Wanne und lehnte mich entspannt zurück. Die Strapazen des Tages fielen von mir ab und hatten mich kurz im Lande der Träume versinken lassen. Ein Geräusch, das ich nicht zuordnen konnte, ließ mich hochschrecken. Täuschte ich mich, oder war tatsächlich jemand in der Küche zu Gange. Ich stieg aus der Badewanne, nahm das Badelaken vom Haken und wickelte es notdürftig um mich. Mit vorsichtigen Schritten schlich ich zur Tür, machte diese leise auf, lauschte und hörte nichts. Dumme Kuh schallt ich mich, wer sollte hier wohl sein, deine Nerven spielen dir einen Streich. Ich lief in die Küche, um mir etwas zum Trinken zu holen und starrte urplötzlich in die Augen von Lord Raven. Er stand mitten im Raum mit meinem Koffer. Ich erschrak, schrie auf und schlug mir die Hände vor den Mund. Durch diese hastige Bewegung fiel mir das Badelaken zu Boden. Ich stand, splitterfasernackt, so wie ich erschaffen wurde vor ihm. Raven war genauso überrascht wie ich, starrte mich erstaunt an und lachte schallend los. Ich war über dieses Verhalten ziemlich sauer.
„Verdammt! Was suchen sie hier? Vor allen Dingen, wie sind sie hier hereingekommen? Ich hatte sie doch extra gebeten, den Koffer vor die Tür zu stellen!“, brüllte ich ihn an und versuchte meine Nacktheit mit den Händen zu verdecken.
„Nachdem ich klingelte und niemand öffnete, bin ich in der Annahme gewesen, dass sie noch einmal weg gegangen sind. Ich besitze noch den Zweitschlüssel“, meinte er lässig.
Ich stand wie erstarrt und schaute ihn immer noch unverständlich an. Da kam er aufreizend langsam auf mich zu. Den Blick immer noch auf mich gerichtet, bückte er sich und hob das Badelaken hoch. Grinsend reichte er es mir. Wieder meiner Nacktheit bewusst, entriss ich es ihm, hielt es an mich gedrückt und mir stieg die Schamesröte ins Gesicht, während er sich aufreizend langsam umdrehte.
„Wenn ich schon hier bin, kann ich ihnen gleich einen Kaffee kochen, der ihre Geister wieder etwas beleben wird“, gab er von sich.
„Bei ihnen scheint wohl eher gerade etwas anderes durch meinen Anblick belebt worden zu sein. Ich hoffe sie überleben es“, entrutschte es mir.
Raven lachte, bis ihm die Tränen kamen und fand mich sehr witzig.
„Sie sind nicht die erste und letzte Frau, die ich nackt gesehen habe“, warf er ein.
Ich drehte mich um, schnappte meinen Koffer und verschwand im Schlafzimmer. Schnell suchte ich etwas zum Anziehen und streifte es mir über. Ein Blick in den Spiegel signalisierte mir perfekt und dann eilte ich in die Küche zurück. Raven hatte inzwischen einen Snack zubereitet, den ich trotz seines ungebührlichen Benehmens dankend annahm. Er grinste mich erneut an.
„Bitte, nehmen sie Platz und da wir das gleiche Alter haben, können wir uns eigentlich Duzen“, bot er mir an. „Außerdem wollte ich gerade wegen heute Abend noch etwas mit ihnen besprechen.“
„Das mit dem Du geht klar, kein Problem. Ich habe gar keine richtige Lust heute abends noch einmal groß wegzugehen“, erklärte ich und sah in sein enttäuschtes Gesicht.
„Obwohl, wenn ich es recht überlege auf so einen Ball bin ich allerdings schon neugierig und ich muss ja nicht ewig bleiben“, räumte ich beschwichtigend ein.
Miles nickte und informierte mich ein wenig über das Schloss und die Umgebung.
„Kim, ich veranstalte mittwochs eine Art Maskenball und alle Gäste kleiden sich im angemessenen Stil. Ich habe einen kleinen Hang zu Gothic“, gestand er.
Nun musste ich lachen und dachte bei mir, mein Gott wie doof in diesem Alter Gothicpartys zu veranstalten. Er schien wirklich in der Zeit des Mittelalters stehen geblieben zu sein. Nun, jeder hatte ein kleines Faible. Meines war Inliner fahren und so ein Gothicabend konnte sicher interessant und aufschlussreich werden. Miles schaute mich verwundert an, weil ich lachte.
„Entschuldigung, Miles. Das hört sich für mich etwas eigenartig an. Scheint mir aber, dass es zur Geschichte der Insel und auch irgendwie zu dem ganzen Anwesen passt. Gothicpartys, die sehr geheimnisvoll klingen. Ausschweifende Maskenbälle, Halloween, Elfen und mehr dieser Dinge. Leider muss ich dich enttäuschen. Ich habe das kleine Schwarze und meine Ersatzhauer nicht eingepackt und kann somit nicht stilgerecht vor dir erscheinen“, kommentierte ich lachend.
Miles ignorierte meinen Einwurf und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
„Das macht überhaupt nichts. Ich brauche nur deine Kleider- und Schuhgröße und schon werde ich dir ein passendes Outfit für diesen Abend zusammenstellen.“
Lachend nannte ich meine Größen. Er verabschiedete sich kurz und wollte gleich wieder hier sein. Ich nahm das Essen zu mir und kurz darauf stand Miles schon wieder vor der Tür. Diesmal klingelte er anständig wie sich das gehörte. Das Kleid, was er dabei hatte, war ein Traum in schwarz und gefiel mir sehr gut. Miles wäre es lieb gewesen, wen ich es sofort angezogen hätte. Ich lachte auf.
„Nein, mein Lieber, dass lassen wir schön bleiben. Du musst dich noch gedulden, denn diese Überraschung hebe ich mir für nachher auf.“
Miles schaute auf die Uhr und stand auf.
„Also, gut. Ich erwarte dich um zwanzig Uhr. Besser noch, ich lasse dich abholen“, sagte er.
Ich bedankte mich, brachte ihn noch zur Tür und verabschiedete mich von ihm. Nachdenklich eilte ich in die Küche, setzte mich und schloss meine Augen. Trotz seiner arroganten Art, die er an den Tag legte, besaß Miles ein unwiderstehliches Erscheinungsbild. Jedes Mal, wenn er mich mit diesen blauen Augen fixierte und ansprach, bekam ich Herzklopfen wie ein verliebter Teenager. Ich trank meinen Kaffee aus und verschwand dann ganz in meine Gedanken versunken mit den Kleidungsstücken ins Schlafzimmer.
Insgeheim fragte ich mich, woher er diese so schnell bekommen hatte. Langsam machten sich die Strapazen des Tages bemerkbar und ich legte mich etwas hin. Kurz nach 19 Uhr zog ich mich um und blickte in den Spiegel. Das Kleid war die Krönung. Enganliegend und tief ausgeschnitten, umschmeichelte es meinen Körper. Die vorne geschnürte Korsage brachte meine Figur voll zur Geltung und rundete alles noch ab. Miles tendierte in die Richtung Romantic-Goth. Das Make-up war auch schnell aufgelegt und die Sache sah perfekt aus. Als ich mit meinem Styling fertig war, blickte ich anerkennend in den Spiegel. So wie ich aussah, konnte mir heute keiner widerstehen, vor allem die männlichen Gäste nicht. Ich grinste meinem Spiegelbild zu. Es klingelte Sturm an der Tür und mein Abholdienst schien da zu sein. Schnell schnappte ich meine Handtasche und ein leichtes Cape und öffnete die Tür. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass Miles mich selbst abholen würde. Er schaute mich an und pfiff anerkennend. Ich wurde verlegen, streckte ihm die Zunge heraus und reichte ihm meine Hand. Er lachte, nahm mich galant in Empfang und schritt in Richtung Schloss. Miles sah in seinem schwarzen Gewand wirklich umwerfend aus. Wir erreichten den Hintereingang und ich schaute ihn fragend an.
„Hier geht es in den Küchentrakt“, erklärte er. „Falls du das dringende Bedürfnis hast mich zu besuchen, kannst du diesen Weg als Abkürzung benutzen. Milly, meine Haushälterin ist außer Mittwoch immer da und freut sich sicher über etwas Abwechslung.“
Durch eine massive, blaue Holztür betraten wir den Raum. Die Küche war eine richtige Schlossküche, sehr spartanisch aber dennoch gemütlich und zweckmäßig eingerichtet. Ich blickte mich neugierig um und stockte kurz. Miles zog mich daraufhin ungeduldig weiter in Richtung Saal, wie er mir erklärte. Als wir eintraten fielen wir erst gar nicht auf. Stimmengewirr und leise Musik drang an mein Ohr. Ich blieb stehen, mir blieb vor Staunen die Luft weg und schaute mit offenem Mund in die Runde. Ein riesiger Saal öffnete sich vor mir mit einer imposanten Treppe, die in die oberen Stockwerke führte. Der Fußboden bestand aus weißem Marmor. Riesige Büfetts waren aufgebaut, um für das Wohl der Gäste zu sorgen. Sogar einen eigenen DJ hatte Miles bestellt. Er bemerkte mein Zögern beim Weiterlaufen und schaute mich an. Ich muss ziemlich dumm ausgesehen haben, als ich da so stand mit erstauntem Gesicht. Miles fing schallend das Lachen an. Es war so laut, dass urplötzlich alle Blicke der Gäste auf uns fielen. Die Stille die kurz darauf eintrat, erschreckte mich etwas und ich blickte in die Runde. Miles zog mich ungeduldig weiter und stellte mich nach und nach den anwesenden Gästen als neue Mieterin vor. Alle Gäste waren wirklich im Stil von Gothic gekleidet und in jeder Altersgruppe anwesend. Man musterte mich besonders sorgfältig. Ich dachte, völlig irre was hier abläuft und fühlte mich langsam unwohl unter diesen durchdringenden Blicken. Miles wurde von einigen Herren befragt unter welchem Namen ich heute abends hier angesprochen werden wollte. Verständnislos und stirnrunzelnd schaute ich Miles an.
„Oh, ich vergaß zu erwähnen, dass an diesen Abenden jeder ein Pseudonym trägt. Wie darf man dich denn für heute titulieren, Kim?“, entschuldigte er sich.
Wütend blickte ich ihm in die Augen.
„Verdammt noch einmal, da hast du mich aber schön auflaufen lassen“, zischte ich.
Er grinste nur. Schnell entschloss ich mich für den Namen DarknessLady. Dieser fiel mir gerade spontan ein. Miles teilte meinen Namen mit und fragte nach, ob jemand Einwände hatte. Keiner widersprach.
„Ich denke der Name passt vortrefflich zu deinem Erscheinungsbild“, meinte er.
Vollidiot, dachte ich, auch noch um Erlaubnis fragen, dass ich diesen Namen behalten darf. Wo war ich hier nur gelandet und was für Spinner waren das nur. Der Abend schien noch lustig zu werden und ich wollte mich überraschen lassen, was auf mich zukam. Miles führte mich von einer Gruppe zu anderen und ich musste endlose Fragen zu meiner Person beantworten. Langsam, aber sicher, nervte mich das.
„Mein Gott, Miles. Wie lange dauert diese Prozedur noch an? Meine Füße schmerzen, ich bin müde und hätte wohl lieber zuhause bleiben sollen.“
Er entschuldigte sich bei mir für sein Unverständnis und brachte mich zu seinem Tisch, an dem schon etliche Damen saßen und mich abfällig von oben bis unten musterten. Auweia, dachte ich nur, jetzt muss ich auch noch Zickenterror ertragen. Darauf hatte ich nun wirklich keine Lust. Na, denn Prost, Kim. Ich nahm dem Kellner, der gerade mit einem Tablett voller Sektgläser vorbeikam, gleich zwei davon ab. Miles schaute mich belustigt an.
„Du brauchst mich gar nicht anzusehen. Die sind zum Aufwärmen und für meinen Kreislauf gedacht, damit dieser wieder in Schwung kommt“, meinte ich und grinste zurück.
Miles nahm Platz und sofort fielen sämtliche Damen unverfroren über ihn her, als hätten sie unbezahlbare Eigentumsrechte an ihm erworben. Zum Glück stand etwas abseits ein Stuhl, auf den ich mich erschöpft niederließ. So konnte ich aus dem Hintergrund das Spektakel mitverfolgen. Das Gekicher und Gekreische dieser Gänse ging mir derart auf die Nerven, dass ich mich nach einiger Zeit mehr als gelangweilt erhob und unbemerkt verschwand. Miles war so extrem in seine Damengruppe involviert, dass er nicht mitbekam, wie ich mich selbstständig machte, um die angrenzenden Räumlichkeiten zu erkunden. Ich fand sein Verhalten mir gegenüber überaus peinlich.
Hier und da traf mich ein anerkennender Blick der Männerwelt, als ich durch die angrenzenden Säle schritt. An einem dieser Riesenfenster in der Eingangshalle stoppte ich und schaute hinaus. Von hier konnte man den weitläufigen Schlosspark einsehen und die verteilten, aufgestellten Fackeln verliehen ihm, mit ihren dadurch verursachten Schattenspielen etwas Unheimliches. Der Vollmond an diesem Abend rundete das Bild noch gespenstisch ab und meine Fantasie ging mit mir durch. Ich setzte mich auf den gepolsterten Vorsprung am Fenster, der schon eher wie eine Sitzbank anmutete und hoffte, so etwas Ruhe zu bekommen. Meine Füße schmerzten und ich zog die Schuhe aus. Von hier beobachtete ich die Menschenmenge im Tanzsaal und machte mir so ein paar Gedanken über jeden einzelnen. Miles konnte ich sehr gut erkennen und sein eigenartiges Verhalten studieren. Sein Hühnerhaufen hatte ihn in Beschlag und jede wollte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein Küsschen hier, ein Küsschen da und Miles schien es auch noch sichtlich zu genießen. Ich lachte in mich hinein und dachte nur, du armer Kerl, wie in einem billigen Groschenroman. Miles schaute kurz in die Richtung, wo ich vor ein paar Minuten noch neben ihm gesessen hatte und schien plötzlich zu bemerken, dass ich nicht mehr in der Nähe war. Er stutzte und blickte sich suchend um. Ich rutschte etwas in den Hintergrund, feixte vor mich hin und versteckte mich hinter einem der schweren Brokatvorhänge. Von hier hatte ich aber immer noch eine Prima Position, um ihn weiter beobachten zu können. Seine Blicke wurden unruhiger und hastiger, als er mich nirgends erblicken konnte. Während er Ausschau hielt, beugte sich eine der Frauen über ihn und versperrte ihm somit die Sicht. Miles reagierte ziemlich heftig und riss sie zur Seite. Das geschah impulsiv, dass sie den Halt verlor und unfreiwillig auf ihrem Hinterteil landete. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und lachte vor mich hin. Diese Weiber schienen ein auf Erbsengröße reduziertes Gehirn zu besitzen. Miles stand ruckartig aus seinem Stuhl auf und fing an den Saal gezielt mit Blicken nach mir abzusuchen. Ich grinste schadenfroh. „Nun kleiner Lord, dann suche mal schön nach mir. Seine wichtigen Gäste sollte man nicht aus den Augen verlieren“, brummelte ich.
Ich trank genüsslich meinen Sekt und wettete mit mir selbst, wann er mich endlich finden würde. Entspannt zog ich die Beine auf den Sims, lehnte mich gemütlich zurück und blickte hinaus. Der Park zog mich voll in seinen Bann. Der Alkohol und die leise Musik hatten eine beruhigende Wirkung auf mich, ich hing meinen Gedanken nach und irgendwann versank ich wieder im Land der Träume. Ich weiß nicht wie lange ich so saß, als ich von einem sanften, aber dennoch langen, fordernden Kuss in die Wirklichkeit zurückgebracht wurde. Zuerst erwiderte ich diesen Kuss, merkte dann, dass etwas nicht stimmte und öffnete verwirrt meine