Verlorene Welt - Linea Harris - E-Book
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Verlorene Welt E-Book

Linea Harris

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Beschreibung

Kurz vor dem Ende der Sommerferien bekommt Jillian einen besorgniserregenden Brief von der Verborgenenorganisation. Sie wird zu einer Anhörung vorgeladen, bei der geklärt werden soll, ob sie eine Hexe oder ein Dämon ist. Und ihr Leben wird noch komplizierter, als das dritte Schuljahr an der Winterfold Akademie beginnt. Jillians Exfreund Ryan will scheinbar nichts mehr von ihr wissen, und ist zudem immer häufiger mit einer hübschen Vampirin zu sehen, die Jillian das Leben schwer macht. Plötzlich taucht ein Gerücht auf, das die ganze Akademie ins Chaos stürzt und Jillian zum Verhängnis werden könnte. Währenddessen plant der dunkle Dämonenfürst Leviathan bereits seinen nächsten Schachzug, um die Welt unter seine finstere Herrschaft zu zwingen ...

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Lesen was ich will!www.lesen-was-ich-will.de

ISBN 978-3-492-97416-5

März 2016

© ivi, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München / Berlin 2016

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Covermotiv: FinePic®, München

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

»Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.«

Chinesisches Sprichwort

Jillians Stundenplan im dritten Schuljahr

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

08.00 – 09.00

Englisch

Geschichte

Mathematik

Magie

VO-Gesetz

09.00 – 10.00

Englisch

Geschichte

Mathematik

Magie

VO-Gesetz

10.00 – 10.30

10.30 – 11.30

Dämonologie

Wahlfach 2

Grundlagen der Mairajagd

Artenkunde

Magie

Verteidigung

11.30 – 12.30

Dämonologie

Wahlfach 2

Grundlagen der Mairajagd

Artenkunde

Magie

Verteidigung

12.30 – 13.30

13.30 – 14.30

Wahlfach 1

Waffenkunde

Verteidigung

Sport

Wahlfach 3

Offensive Magie

14.30 – 15.30

Wahlfach 1

Waffenkunde

Verteidigung

Sport

Wahlfach 3

Offensive Magie

Kapitel 1

»Mach ihn auf.«

Ich ignorierte die nervige Stimme an meinem Ohr und versuchte, mich wieder auf das Buch zu konzentrieren.

»Jetzt mach ihn endlich auf, Jill«, rief Conchobhar erneut, und mit einem Satz landete er auf den mitgenommenen, vergilbten Seiten meines Romans. Ich fegte den kleinen Kobold mit einer lockeren Handbewegung beiseite, doch er hüpfte nur geschickt an das Fußende meines Bettes und wackelte wütend mit seinen grünen Fledermausohren. Nach einer Weile seufzte ich unter dem bohrenden Blick seiner Kulleraugen und klappte das Buch zu.

»Ich will es nicht wissen.«

Er verdrehte die Augen und warf mir den Brief der Verborgenenorganisation zu, der seit drei Tagen auf meinem Schreibtisch lag und mich so vorwurfsvoll anstarrte, wie es nur Papier mit schlechten Nachrichten konnte.

»Im Ernst, Cox. Lass mich die letzten beiden Ferienwochen noch sorglos genießen.«

Der Kobold schnaubte. »Heute Abend ist es sowieso vorbei mit deiner Sorglosigkeit. Hast du vergessen, was heute für ein Tag ist?«

»Nein, habe ich nicht«, flüsterte ich und kämpfte gegen das aufsteigende Übelkeitsgefühl an. Nun war es endgültig vorbei mit meiner Ruhe, also schwang ich mich aus dem Bett und beschloss, eine Dusche zu nehmen. Vielleicht konnte mir das rauschende Wasser etwas von meiner Anspannung nehmen. Außerdem war das Badezimmer koboldfreie Zone, und das allein war für mich Grund genug, die Haare besonders lange zu föhnen und sogar etwas Make-up aufzulegen. Lustlos wischte ich mit der Hand über den beschlagenen Spiegel und gab mir Mühe, meine Wimpern zu tuschen, ohne mir dabei die türkisen Augen auszustechen.

Mein Blick wanderte zu der feinen Silberkette, die sich um meinen Hals schlängelte und einen glitzernden Libellenanhänger trug. Sie war ein Geschenk von Ryan, meinem Vampir-Exfreund, womit wir bei einem weiteren Problem waren.

Seit ich im letzten Schuljahr etwas Zeit in der Unterwelt verbracht hatte, um meine beste Freundin Alissa zu retten, hatte sich einiges verändert. Nicht nur, dass ich plötzlich und unerwartet in einem Beschwörungskreis mitten in der Turnhalle der Winterfold Akademie aufgetaucht war, und das auch noch vor den Augen einiger Lehrer – es hatte sich auch herausgestellt, dass der neue Typ in unserem Jahrgang mein dämonischer Bruder war. An sich war Chaz gar nicht so übel, und mit seiner Hilfe hatten wir es geschafft, dem Dämonenfürsten Leviathan zum wiederholten Mal das Handwerk zu legen.

Allerdings hatte ich mal wieder etwas fertiggebracht, was ich eigentlich gar nicht hätte können sollen. Ich hatte Leviathan seine Lebensenergie, die Prana, entzogen, bis er kurz vor dem Tode stand und ich ihn seinem Schicksal überließ. Bisher wussten nur meine Freunde, was genau in der Unterwelt passiert war. Allerdings war unter ihnen auch Ryan, der wie immer einen Schritt weiter dachte: Wenn es mir möglich war, einem Lebewesen die Prana zu entziehen und ihm nur noch so viel zu lassen, dass er kaum mehr als ein Mensch war, dann müsste es mir auch möglich sein, Ryan von seinem Vampirdasein zu erlösen, das er so hasste. Und das Schlimmste war: Er wollte es mir zuliebe, damit er keine Gefahr mehr für mich darstellte.

Vor fast genau einem Jahr war unser leidenschaftlicher Kuss etwas außer Kontrolle geraten, und ohne Alissas rechtzeitiges Eingreifen hätte ich an der ebenmäßigen Haut auf meinem Hals wohl noch mehr Narben gehabt, als es ohnehin schon waren. Von meinen Gefühlen überrumpelt hatte ich es nicht geschafft, ihn mithilfe meiner Magie aufzuhalten, als er mein Blut trinken wollte. Ich hatte ihm einfach nicht wehtun können. Ryan verabscheute sich dafür, dass er mich beinahe verletzt hatte. Doch die ganze Sache wäre vergessen gewesen, wäre er nicht für ein paar Monate spurlos verschwunden und hätte mich damit meiner Verzweiflung überlassen.

Am Ende war es Nathan gewesen, der mich aus dem tiefen Loch meiner Gefühlswelt wieder herausgezogen hatte. Allerdings war der Lehrer im letzten Schuljahr umgekommen, was die ganze Sache noch verkomplizierte. Ich hatte Nathan geliebt, und jetzt war er tot. Zwar konnte ich auch meine Gefühle für Ryan nicht leugnen, doch er hatte mich verletzt. Und die Tatsache, dass er mich kaum berühren konnte, ohne sich zu versteifen und Angst zu haben, sein Blutdurst würde ihn übermannen, machte es nicht einfacher, so mir nichts, dir nichts von vorne zu beginnen. Er wollte der Mensch sein, der mich beschützte, aber gerade damit wurde er selbst zu einer potenziellen Gefahr für mich.

So hatten wir beide unsere Probleme, mit denen wir klarkommen mussten. Ryan war jedoch der Ansicht, seine würden sich in Luft auflösen, sobald ich ihn zum Menschen machte. Für mich kam das nicht infrage. Ich wusste, wie sehr Ryan seine Schnelligkeit, die Stärke sowie die übernatürliche Hörkraft und den Geruchssinn vermissen würde. Wie er es liebte, lautlos wie eine Katze durch die Schatten zu schleichen. Das Vampirdasein war ein Teil von ihm, und ich weigerte mich, ihm diesen Teil zu nehmen, ohne dass er sich zu hundert Prozent sicher war.

Ryans Ansicht nach konnten wir nur zusammen sein, wenn er ein Normalsterblicher war. Ich dagegen hielt eben genau das für das Problem. Als Vampir hatte er mir geholfen, einige meiner Kämpfe auszufechten, und war dem Tode trotz seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten mehrmals nur knapp entgangen. Selbst Nathan war einer der Besten unter den Hexen gewesen, die ich kannte, doch den Kampf gegen meine dämonische Verwandtschaft hatte er verloren. Ständig mussten Menschen in meiner Umgebung sterben. Als Normalsterblicher würde Ryan vermutlich keine zwei Wochen in meiner Gegenwart überleben, wenn man mein Talent betrachtete, den Ärger magisch anzuziehen oder regelmäßig Magieausbrüche zu haben, wenn meine Gefühle überhandnahmen.

Jedenfalls hatte es einen schrecklichen Streit gegeben, und wir hatten den Rest des Schuljahres nicht mehr miteinander geredet. Der Preis für diese Beziehung war einfach zu hoch, und wenn wir einmal ehrlich waren: Dämonen und Vampire passten einfach nicht zueinander. Auch wenn ich Ryan trotzdem schrecklich vermisste.

Ich verzog das Gesicht bei dem Gedanken und schlüpfte in das schlichte schwarze Sommerkleid, das ich mir zurechtgelegt hatte, als Tante Amalias Stimme die Treppe herauf hallte.

»Wenn du mitkommen willst, dann solltest du dich beeilen.«

»Ich komme schon«, rief ich aus der Badezimmertür und eilte in mein Zimmer, um meinen kleinen Rucksack zu suchen.

Tante Am stand am Küchentresen und verstaute ihre selbst gemachten Kerzen, Glücksbringer und Amulette in einem Korb, während Cox auf ihrer Schulter turnte und die Streicheleinheiten genoss, die sie ihm geistesabwesend verpasste.

Tante Amalia hatte mein neues »Haustier« mit Freuden aufgenommen, und die beiden waren gute Freunde geworden. Conchobhar verabscheute es, wenn ich ihn so nannte, doch betrachtete man die Tatsache, dass er mir auf Schritt und Tritt folgte, dann kam ich nicht umhin, ihn mit einem Dackel zu vergleichen.

»Wir sind spät dran«, tadelte Tante Am, und ich zuckte entschuldigend mit den Schultern, woraufhin sie mir ein warmes Lächeln schenkte, das die kleinen Fältchen um ihre hexengrünen Augen vertiefte. Ich hatte meine gesamte Kindheit bei ihr verbracht und es nur selten erlebt, dass sie einmal wirklich sauer gewesen war.

Verstohlen blickte ich mich um und hoffte, dass sie dieses Mal etwas von dem ganzen Krimskrams, mit dem unser Haus vollgestopft war, auf dem Markt der Nachbarstadt Gorham verkaufen würde. Doch die Wände waren nach wie vor mit allerlei Schnickschnack behangen, der von Traumfängern bis hin zu selbst gemachter Dekoration reichte. Auf jedem freien Regal standen Kerzen in den verschiedensten Farben und Formen, die angeblich heilende oder beruhigende Wirkungen hatten. Weihrauchstäbchen hüllten unser Haus regelmäßig in einen angenehmen Duft, und Porzellangeschirr sowie bestickte Kissen und Deckchen in allen Ecken sorgten dafür, dass alles etwas altmodisch, aber auch elegant und gemütlich wirkte.

»Wenn wir jetzt nicht gleich fahren, dann brauche ich meinen Stand gar nicht erst aufzubauen«, rief Tante Am über die Schulter. Ich schlüpfte schnell in meine Riemchensandalen und folgte ihr durch den Garten.

Auf der Fahrt nach Gorham nagte das schlechte Gewissen an mir, und ich konnte Amalias misstrauische Blicke spüren, doch ich brachte es heute einfach nicht fertig, ungezwungen vor mich hin zu plappern. Es gab so vieles, was ich ihr noch nicht erzählt hatte. Ich kurbelte das Fenster herunter, um etwas frische Luft in den heißen, stickigen Wagen zu lassen. Meine Haare klebten feucht in meinem Nacken.

In Gorham angekommen half ich ihr eilig, den Verkaufsstand herzurichten, und verabschiedete mich wie üblich, um über den Markt zu schlendern. Sobald ich außer Sicht war, steuerte ich Cassandras Laden am Marktrand an.

Die läutende Türglocke ließ mich zusammenzucken und erinnerte mich daran, wie nervös ich war. Der Laden war leer, bis auf die Besitzerin Cassandra, die damit beschäftigt war, einige Zauberutensilien und Porzellantassen auf dem Regal abzustellen. Kein Wunder, dass sie sich so gut mit Tante Amalia verstand.

»Ich habe dich erwartet.« Sie lächelte, und ihr penetranter Geruch nach Flieder vermischte sich mit Weihrauch, der die Luft in dem Laden schwer und drückend werden ließ, sobald sich die Tür schloss.

»Ja, ich bin hier, um dir den nervigen Kobold zurückzugeben, der mich seit meinem letzten Besuch bei dir verfolgt«, scherzte ich, und mit einem Zischen wurde Cox auf meiner Schulter sichtbar, wobei er empört aufschrie. Cassandra blinzelte mich nur verdutzt an, und ich bedeutete ihr, dass sie sich keine Sorgen machen brauchte, bevor ich sie umarmte. Conchobhar stellte sich mit einer galanten Verbeugung vor, und mit einem amüsierten Lächeln lauschte Cassandra seiner Geschichte, wie ich ihn im letzten Jahr aus ihrer Wanduhr befreit hatte.

»Ist er schon da?«, fragte ich so beiläufig wie möglich, als die beiden verstummten, und begutachtete betont lässig eine eigenartige Kerze, die einen Mann verschlungen mit einem Wolf darstellte.

Die Frau mit den kurzen schneeweißen Haaren und den übergroßen Ohrringen warf einen flüchtigen Blick auf eine der kuriosen Standuhren.

»Ich werde ihn in ein paar Minuten beschwören. Du kannst so lange hier vorne warten. Auf dem Tresen steht Tee, bedient euch.«

Enttäuscht goss ich mir die dampfende Flüssigkeit in eine Tasse und beobachtete, wie Cassandra hinter dem Vorhang zum Hinterzimmer verschwand. Ihr Tonfall hatte unmissverständlich klargemacht, dass sie mich bei der Beschwörung nicht dabei haben wollte, auch wenn ich sie gerne beobachtet hätte. Nervös setzte ich mich auf den Tresen und ließ die Beine baumeln, während Cox die Regale inspizierte und entzückt vor einer Spieluhr stehen blieb, auf der sich eine Ballerina drehte.

Nur mit Mühe konnte ich meine Finger davon abhalten, ungeduldig auf die Tischplatte zu klopfen. Cassandras Murmeln aus dem Hinterzimmer war zu hören und ich hielt gespannt den Atem an, als nach einer Weile eine Männerstimme antwortete und der Geruch von verbranntem Laub an meine Nase drang.

All die Ängste und Sorgen, die mich den ganzen Tag verfolgt hatten, schienen mit einem Mal von mir zu fallen, während ich plötzlich in das Gesicht meines Bruders schaute, der lässig in einem engen schwarzen T-Shirt in der Tür lehnte. Er lächelte mich an und änderte seine Augenfarbe von Blau zu Grün, bevor er mich in eine herzhafte Umarmung zog.

»Prinzessin, du scheinst in den letzten beiden Monaten gewachsen zu sein.«

Ich schnaubte und sah ihm mit hochgezogenen Augenbrauen ins Gesicht, wobei uns beiden nicht entging, dass er mindestens einen ganzen Kopf größer war als ich. »Machst du dich etwa über mich lustig, Cherufe?«

»Nein, solange du mich nie wieder mit diesem Namen ansprichst.«

Mit der Hand wuschelte er mir durch die lockigen braunen Haare und gab mir das Gefühl, als wäre ich nicht älter als zehn. Wir plauderten noch kurze Zeit mit Cassandra, bevor wir uns mitsamt seinem Gepäck auf den Weg machten und durch die Stadt schlenderten.

»Also, wo gehen wir hin?«

»Wir fahren mit dem Bus nach Langfield. Tante Amalia wird noch bis heute Abend mit ihrem Stand zu tun haben, und du willst sicher erst einmal unser Haus sehen«, wich ich aus.

Chaz Augen begannen zu leuchten.

»Was ist los?«, fragte ich verwirrt.

»Ich bin noch nie Bus gefahren«, grinste er.

»Ich glaube, du hast noch so einiges nachzuholen, Kumpel«, meldete sich Cox zu Wort, und ich zuckte zusammen, weil ich schon wieder vergessen hatte, dass ich den unsichtbaren Kobold auf der Schulter sitzen hatte.

Für Chaz musste es schwer sein, sich in der völlig neuen Welt zurechtzufinden. Unser Vater Baal hatte ihn so gut wie möglich auf das vorzubereiten versucht, was ihn in der Realität erwartete, doch war das meiste nur Theorie gewesen. Ich lachte in mich hinein, als ich mich an seine erste Erkältung im letzten Jahr erinnerte.

»Also«, begann ich, »wie ist die Lage da unten? Heiß?«

Chaz überging meine Anspielung. Obwohl in der Unterwelt eine gewisse Wärme herrschte, war sie eher eine zweite Dimension und hatte rein gar nichts mit der klischeehaften Hölle gemein – auch wenn ich sie nicht gerade als Paradies bezeichnen würde.

»Es ist beunruhigend still. Leviathan hat sich zurückgezogen, seit du ihm die Kräfte entzogen hast.«

Ich runzelte die Stirn. »Vielleicht muss er sich noch erholen. Oder er hat es endlich aufgegeben und will in Ruhe seinen Lebensabend genießen. Gibt es bei euch so etwas wie Rente?«

Mein Bruder lachte leise, doch ich konnte die Besorgnis hinter seiner Fassade erkennen.

Eine Gruppe Highschool-Mädchen lief an uns vorbei. Sie schenkten meinem Bruder schmachtende Blicke und schienen die Augen kaum von ihm lösen zu können. Mit seinen blonden Haaren, die ihm lässig in die Stirn fielen und ihn umso attraktiver machten, je zerzauster sie waren, musste er wohl der Traum aller Kleinstadt-Teens sein. Verwegen und süß, mit einem Hauch von Gefahr. Ich unterdrückte ein Glucksen. Wenn sie wüssten.

»Leviathan ist ein Dämonenfürst, seine Kräfte erholen sich ziemlich schnell, und ich bin mir sicher, dass er sie wieder fast vollständig zurückerlangt hat«, antwortete Chaz. »Er hat sein Leben lang versucht, erst die Unterwelt und später die Realität an sich zu reißen. Ich glaube nicht, dass er sich von einem solchen Rückschlag aus der Bahn werfen lässt. Vielleicht plant er etwas oder er wartet einfach nur ab, wie sich die Lage entwickelt. Vielleicht liegt es auch daran, dass Vater zurück ist.«

Ich stolperte bei seinen Worten.

»Er ist zurück?«, fragte ich so beiläufig möglich, doch selbst ich konnte spüren, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. So, wie Chaz mich musterte, fiel es ihm ebenfalls auf.

»Ja, und er war sehr beeindruckt, als ich ihm von deinem Trip durch die Unterwelt erzählt habe. Er würde dich gerne kennenlernen, wenn du so weit bist.«

Wenn ich so weit war? Würde ich überhaupt jemals so weit sein? Um meinen Vater zu treffen, würde ich in die Unterwelt reisen müssen, und seit meinem ersten und einzigen Ausflug dorthin hatte ich mir geschworen, dass mich keine zehn Pferde mehr an diesen Ort bringen würden. Es schien ja auch nicht so, als hätte meinem Vater die letzten neunzehn Jahre viel daran gelegen, mich kennenzulernen. Zudem stellte ich es mir eigenartig vor, einem der Dämonen, die ich bisher bekämpft hatte, die Hand zu reichen und »Hey, Daddy« zu sagen.

Ich könnte vielleicht einen Beschwörungskreis in meinem Zimmer ziehen, auch wenn ich dabei nur sein Abbild sehen würde. Eine Beschwörung war allerdings eine sehr unangenehme Sache, nur um zu sagen: »Hey, Dad, willkommen zu meiner Teeparty. Ich bin übrigens deine Tochter. Tut mir leid, dass ich dich gerade mitten in eine andere Welt katapultiert habe, aber könntest du mir bei den Hausaufgaben helfen? Übrigens ist der Nachbarjunge gestern sehr aufdringlich geworden, ich wäre dir dankbar, wenn du ein ernstes Wörtchen mit ihm reden könntest.«

Der Gedanke amüsierte mich, und ich nahm mir vor, ein anderes Mal ernsthaft darüber nachzudenken. Jetzt allerdings gab es erst einmal wichtigere Dinge zu regeln. Sofort wurde mein Mund trocken. Natürlich sprach Chaz genau in diesem Moment das Thema an, vor dem ich mich seit Wochen drückte.

»Wie hat Amalia darauf reagiert, dass du ein Dämon bist?«

Betreten biss ich mir auf die Lippe und zwirbelte eine dunkle Locke um meinen Finger. Conchobhars Schnauben trug ebenfalls nicht dazu bei, dass ich mich besser fühlte.

»Ich habe es ihr noch nicht gesagt.«

Verdutzt blieb Chaz stehen und starrte mich an.

»Na ja«, versuchte ich zu erklären und wand mich unter seinem Blick, »sie war so froh, dass ich wieder zuhause bin, und ich wollte ihr nicht gleich die Ferien verderben. Du weißt schon, ›Hey, Tante Am, du lebst übrigens seit vielen Jahren mit einem Monster unter einem Dach. Trotzdem schön, dich wiederzusehen‹ schien mir keine besonders gute Begrüßung zu sein. Außerdem musste sie erst einmal verdauen, dass ich von einem Kobold gestalkt werde.«

»Du hattest Schiss«, schnaubte Chaz, und ich funkelte ihn an, während Cox auf meiner Schulter schimpfte.

Ja, ich hatte Angst. War das so verwunderlich, dass ich meiner Tante, die mich mein Leben lang aufgezogen und behütet hatte, nicht unbedingt freiwillig einen Schlag ins Gesicht verpassen wollte?

»Was hast du ihr dann gesagt, wer ich bin?«

»Ähm«, stotterte ich, und mir schoss die Röte ins Gesicht, während ihm die Gesichtszüge entglitten.

»Sie weiß noch nichts von mir?!«

Stumm schüttelte ich den Kopf und zwang mich zu einem unschuldigen Lächeln. Chaz atmete hörbar aus und fuhr sich durch das blonde Haar.

»Wir werden also gleich unserer ahnungslosen Tante offenbaren, dass ihre Nichte ein Halbdämon ist und dazu noch einen dämonischen Bruder hat, von dem bisher niemand etwas gewusst hat, der aber mal eben für zwei Wochen bei euch wohnen soll.«

Ich nickte, da mich der Kloß in meinem Hals daran hinderte, auch nur den geringsten Laut von mir zu geben.

»Das dürfte interessant werden«, murmelte Chaz, und ich seufzte.

Interessant? Es würde eine Katastrophe werden. Willkommen in meiner Welt.

Kapitel 2

Die Porzellantasse klapperte unter meinen zittrigen Händen, als ich den heißen Tee vor Tante Amalia abstellte. Sie saß stumm auf der gemütlichen Couch in unserem Haus und sah mit bleichem Gesicht immer wieder von mir zu Chaz und dann wieder zu mir zurück.

»Ich glaube, sie ist in einem Schockzustand«, murmelte mein Bruder leise, während ich nervös von einem Fuß auf den anderen trat.

»Gib ihr etwas Zeit«, antwortete ich und betete, dass sie nicht jeden Moment ausflippen oder hysterisch loslachen würde. Ihr sommersprossiges Gesicht war leichenblass. Die kurzen roten Locken hoben sich in einem starken Kontrast dazu ab. Seit ich ihr offenbart hatte, dass ich ein Halbdämon war, war kein einziges Wort mehr über ihre Lippen gekommen. Ich hatte einfach weiter geredet und die ganze Geschichte heruntergerasselt, inklusive meines Ausflugs in die Unterwelt. Nun kam es mir vor, als wäre mir eine gewaltige Last von den Schultern gefallen. Um Tante Amalias seelische Verfassung allerdings machte ich mir ernsthaft Sorgen.

Endlich bewegte sie sich etwas und öffnete den Mund, doch es brauchte drei Anläufe, bis sie ein Wort herausbrachte. »Du bist also ...«

»Ja«, unterbrach ich sie, damit sie es nicht laut aussprechen musste.

»Und er ist ...«

»Ja.«

Sie atmete tief ein und griff mit bebenden Händen nach der Teetasse. Das war schon mal ein Fortschritt. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, wie sie Chaz musterte. Vielleicht suchte sie nach Ähnlichkeiten mit Mum oder unserem Vater.

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