Via Gebennensis - Marek Kammermann - E-Book

Via Gebennensis E-Book

Marek Kammermann

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Beschreibung

Gehört der Jakobsweg zu einem der Abenteuer, welches Sie unbedingt schon mal erleben wollten? Nun, genau das, habe ich im Mai 2015 gemacht und teile in diesem Buch, meine ganz persönlichen Eindrücke und Erlebnisse mit Ihnen. Unterhaltsam und mit Humor, aber auch mit Gedankentiefe geschrieben, erfahren Sie, welche Prüfungen und Herausforderungen, ich während 500 km zu Fuß meistern musste. Es sind Geschichten wie sie nur das wahre Leben, oder in diesem Fall, nur der Jakobsweg erzählen kann. Ohne Filter, dafür aber offen und authentisch, erhalten Sie Einblicke, welche körperlichen, aber auch mentalen Strapazen auf mich zugekommen sind. Am Schluss allerdings, wurde ich mit mehr belohnt, als ich mir je hätte vorstellen können. Genau das, was ich in diesem Augenblick damals, auch bitter nötig hatte. Vor dem Jakobsweg geriet ich mit meinem Leben in eine Sackgasse und für ein Burnout hätte es beim besten Willen nicht mehr viel gebraucht. Der Autor Marek Kammermann ist heute als Bewerbungscoach und Laufbahnberater, vorwiegend für kaufmännische Berufe, tätig. Zahlreiche seiner Erkenntnisse vom Jakobsweg fließen in sein Coaching ein. Dank einem besseren Verständnis seiner Kundinnen und Kunden für sich selbst, unterstützt er sie, auf der Suche nach einem Traumberuf, der wirklich zu ihnen passt.

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Kapitel 1
Zuerst das Warum, dann das Wie
Kapitel 2
Der erste Tag
Kapitel 3
Das wildromantische Rhone-Tal
Kapitel 4
Manchmal geht es eben nicht
Kapitel 5
Nicht mehr alleine
Kapitel 6
Ein Blick hinter die Kulissen
Kapitel 7
Zuviel des Guten
Kapitel 8
Abschied und trotzdem eine Weiterreise
Kapitel 9
Weiter, aber mit Achtsamkeit
Für die letzten beiden Tage auf dem Camping-
Kapitel 10
Le Puy-en-Velay naht
Kapitel 11
Ankunft
Kapitel 12
Wie weiter?

 

 

Via Gebennensis Mein Jakobsweg

 

 

Von Marek Kammermann

 

 

Buchbeschreibung:

Jetzt gerade halten Sie ein unterhaltsames, humorvolles, aber zwischendurch auch tiefgründiges Buch in Ihren Händen. Wenn ich darf, nehme ich Sie gerne mit, auf die 30 Etappen von Genf bis ins französische Le Puy-en-Velay im Central massif. Erleben Sie hautnahe, mit welchen Startschwierigkeiten ich zu kämpfen hatte. Vor allem aber, welche Fehler ich gemacht habe, auf dem knapp 500 km langen Fussmarsch. Ich lasse Sie teilhaben an meinen Erkenntnissen und Erfahrungen, welche ich auf diesem sagenumwobenen Abschnitt des Jakobweges sammeln durfte. Mehrmals wurde ich vor schwierige Prüfungen gestellt und kam oft an meine mentalen wie auch körperlichen Grenzen.

 

In der Stille der Natur gelang es mir, meine Gedanken neu zu sortieren und die für mich grossen, sowie wichtigen Fragen des Lebens zu stellen. Ich durfte einen Blick in den Spiegel werfen. Allerdings war dieser Spiegel nicht auf mein Äusseres gerichtet, sondern auf mein Inneres. "Ob mir die Antworten gefallen haben, welche ich da entdeckt hatte", werden Sie sich bestimmt fragen? Nun, dies und noch vieles mehr erfahren Sie in diesem Buch.

 

Über den Autor:

Die Eindrücke, welche ich auf diesem einmaligen Abenteuer im Mai 2015 erleben durfte, haben mich dazu veranlasst, dieses Buch für Sie zu schreiben. Noch kurz vor meinem Jakobsweg, auf der französischen Via Gebennensis, war mein Leben komplett aus der Bahn geraten. Beruflicher Stress wie auch übertriebener Leistungsdruck machten mich zu einem Gefangenen im Hamsterrad. Für ein Burnout oder einen Nervenzusammenbruch hätte es damals beim besten Willen nicht mehr viel gebraucht. Einen Monat lang zur Ruhe kommen, entschleunigen und vor allem mich in Achtsamkeit üben, war genau das Richtige, das ich zu diesem Zeitpunkt brauchte. Ich habe noch mehr gelernt, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und habe mich selbst auf diesem Weg viel besser kennengelernt.

 

Dieser Teil des Jakobweges war bestimmt nicht der erste und letzte. Bereits im Jahr 2024, spätestens 2025, plane ich diese wunderbare Reise fortzuführen. Dieses Mal bis nach Santiago de Compostela in Spanien. Mein berufliches Leben war bis dahin ein ständiges Auf und Ab, mit wielen Experimenten und kurzfristigen Verweildauern bei verschiedenen Unternehmen in allen möglichen Brachen. Heute kann ich als Autor und Bewerbungscoach mit grosser Dankbarkeit wirklich sagen, dass ich meinen Wunschjob gefunden habe und meine Berufung ausleben darf. Dasselbe wünsche ich auch Ihnen von ganzem Herzen.

 

Ihr weiterführender Nutzen

Viele meiner Erkenntnisse aus dem Jakobsweg sind in dieses Buch geflossen. Aber nicht nur hier. Auch in meiner Tätigkeit als Bewerbungscoach und Laufbahnberater greife ich oftmals auf das Erlebte aus dieser Zeit zurück. Dank einem besseren Selbstverständnis für sich selbst, unterstütze ich meine Kundinnen und Kunden den Beruf zu finden, der wirklich zu ihnen passt. Sie möchten dazu mehr erfahren? Nichts leichter als das. Besuchen Sie einfach meine Webseite: www.mein-wunschjob.ch

 

Via Gebennensis Mein Jakobsweg

 

Der inneren Stimme gefolgt und mit einem unglaublichen Abenteuer belohnt worden

 

Autor: Marek Kammermann

 

Kammermann Consulting

Marek Kammermann

CH-5727 Oberkulm

 

 

 

+41 (0) 62 543 43 33

[email protected]

www.mein-wunschjob.ch

 

1. Auflage, 2023

© 2023 - Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Marek Kammermann

Grafiken und Fotos im Buch: Marek Kammermann

Printed in Switzerland ISBN eBook: 978377901769

 

Kammermann Consulting

Marek Kammermann

CH-5727 Oberkulm

 

[email protected]

www.mein-wunschjob.ch

 

Alle Rechte, auch der fotomechanischen und digitalen Vervielfältigung und des auszugsweisen Ausdrucks, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Firma Kammermann Consulting, Marek Kammermann verarbeitet oder vervielfältig werden.

 

Titelfoto: by Marek Kammermann und lizenzfreie Grafiken aus Fotodatenbanken. Sämtliche Grafiken und Fotos innerhalb des Buches wurden erstellt und bearbeitet durch Marek Kammermann. Alle Rechte vorbehalten.

 

Liebe Leserin, ich bitte Sie um Verzeihung, dass ich in diesem Buch nur die männliche Form nutze. Ich tue dies nur, um den Lesefluss so angenehm wie möglich zu gestalten. Selbstverständlich richtet sich dieses Buch auch an Frauen. Ob einzeln, in Gruppen oder als Paar, durfte ich auch selbstbewusste Frauen aus verschiedenen Ländern dieser Welt auf meinen Jakobsweg antreffen.

Inhalt

 

Kapitel 1Zuerst das Warum, dann das Wie 7

Kapitel 2Der erste Tag 26

Kapitel 3 Das wildromantische Rhonen-Tal 44

Kapitel 4 Manchmal geht es eben nicht 60

Kapitel 5 Nicht mehr alleine 70

Kapitel 6 Ein Blick hinter die Kulissen 88

Kapitel 7 Zuviel des Guten 104

Kapitel 8 Abschied und trotzdem eine Weiterreise 118

Kapitel 9 Weiter, aber mit Achtsamkeit 136Kapitel 10 Le Puy-en-Velay naht 142

Kapitel 11Ankunft 159Kapitel 12 Wie weiter? 163

Kapitel 1

Zuerst das Warum, dann das Wie

 

Was war denn bloß geschehen, dass ich mich entschließen musste, mich auf den Jakobsweg zu begeben? Ich habe mir dazu drei mögliche Gründe zur Auswahl gegeben. Erstens, ich bräuchte einfach mal eine Auszeit, um meine Gedanken neu zu sortieren und um mein Leben anders auszurichten. Zweitens, der sportliche Aspekt. Mit über 20 kg Gepäck am Rücken und knapp 500 km zu Fuß, quer durch Frankreich, würde ich bestimmt das eine oder andere Kilo an Körpergewicht verlieren. Und schließlich drittens, der religiöse Aspekt. Immerhin war es ja ein Pilgerweg, dessen Wurzeln im katholischen Glauben zu finden sind.

 

Heute, nach einer Zeit von über sieben Jahren, kann ich die Frage damit beantworten, dass meine Motivation für den Weg in allen drei Gründen lag. Wie ich im Verlaufe meiner Wanderung feststellte, hängen diese drei Gründe erst noch zusammen. Mir ist an dieser Stelle bewusst, dass meine Erkenntnis diesbezüglich, auf den ersten Blick Erstaunen hervorrufen mag. Und doch kann ich es drehen und wenden wie ich will, ich komme immer zum selben Resultat. Warum das so ist? Nun, davon handelt dieses Buch und ich lasse meine Leser nicht alleine mit meiner These. Versprochen.

 

Den Entscheid, am 01. Mai 2015 in Genf aus dem Zug zu steigen und mich auf den Jakobsweg zu machen, traf ich gegen Ende 2014. Gehört und gelesen hatte ich im Vorfeld schon einiges über den Jakobsweg. Abschließende Fragen gab es für mich aber trotzdem immer noch genug. Genau diese Gedanken der Ungewissheit waren es, die mich bewegten und unentwegt durch meinen Kopf kreisten. Was werde ich erleben? Wie werde ich mich fühlen? Wen werde ich antreffen? Was werde ich lernen und wie werde ich dies umsetzen können?

 

Es war der Reiz an etwas Neuem und Unbekanntem, der mich einfach nicht mehr losließ. Ich muss zugeben, ich hatte nicht allzu große Erwartungen an den Weg als solches. Der Weg war einfach da. Jahre oder gar Jahrhunderte vor mir und er wird bestimmt auch noch Jahrhunderte lang dort sein, auch wenn es mich nicht mehr geben wird. Der Jakobsweg entscheidet nichts, aber auch gar nichts, für denjenigen, der ihn begeht.

 

Somit wusste ich im Vorfeld lediglich, dass alles, einzig und allein von mir abhängig sein wird, was ich auf diesem Weg erleben werde. Ich denke, dass ich schon vor dem Jakobsweg ein relativ offener Mensch war. Ich ging stets mehr oder weniger neutral an eine neue Sache heran. Zumindest versuchte ich dies. Ganz ohne Vorurteile, geht es dann meistens doch nicht. Gibt es so etwas wie Objektivität überhaupt? Wir betrachten doch schließlich jeden Menschen oder jede Lebenssituation immer durch unsere individuellen Filter. Aber dies nur als ein kleiner Gedanke am Rande.

 

Aus meiner bisherigen Lebenserfahrung halte ich meine Erwartungen an neue Situationen oder soeben neu kennengelernte Menschen grundsätzlich eher etwas tief. Dann ist die Enttäuschung im Nachhinein nicht so groß. Aber was ist denn eigentlich so schlimm an einer Enttäuschung? Oder anders gefragt, kann sie gleichzeitig auch etwas Gutes an sich haben? Der Begriff als solches ist ja bereits selbsterklärend. Ent-Täuschung. Das Ende einer Täuschung. Man war schlicht einer Täuschung auferlegen. Mit dem Ende der Täuschung gestehen wir uns ein, dass wir uns im Vorfeld haben täuschen lassen. Folglich hat die Enttäuschung unweigerlich etwas mit unseren vorangehenden Erwartungen zu tun.

 

Da ich im Vorfeld zum Jakobsweg keine spezifischen Erwartungen hatte, wurde ich in keinster Art und Weise enttäuscht. Im Gegenteil, ich erlebte das Abenteuer meines Lebens. Generell halte ich es so, dass ich auf Dinge, Ereignisse oder Situationen, auf die ich keinen Einfluss habe, unvoreingenommen aber auch wertneutral herantrete. Wie bereits erwähnt, der Jakobsweg war da und es war ihm so ziemlich egal, was ich daraus machen würde.

 

Deshalb lag es ausschließlich an mir, ob ich die Chancen sehen und wahrnehmen würde, welche der Weg bereithält. Mit einer engstirnigen, verbissenen oder gar abschätzenden Einstellung bleiben einem diese Chancen meistens verwehrt. Die Chancen wären ja da, aber durch den Fokus auf das Negative oder Destruktive sehen wir sie halt einfach nicht. Gegen Ende 2014, vor allem aber Anfang 2015, hatte ich das Gefühl mit meinem Leben in eine Sackgasse geraten zu sein. Mein Kopf fühlte sich beinahe täglich an, als würde ein Güterzug samt Waggons durch ihn hindurchfahren. Dabei waren meine Gedanken so laut, dass ich das Gefühl hatte, es wären nicht einmal meine eigenen, sondern sie würden mir von Außen in den Kopf eingehämmert.

 

Praktisch den ganzen Tag prasselten non-stop irgendwelche externen Einflüsse auf mich ein. Gefühlt hatte ich keine ruhige Minute mehr. Damals „konsumierte“ ich noch Medien, schaute die Tagesschau, hörte Radio, war auf Social Media unterwegs, telefonierte beruflich von morgen früh bis spät abends und war via Smartphone ohnehin immer erreichbar.

 

Auf die konkrete Frage, wer ich bin, was mich im Leben antreibt, welche Ziele ich habe oder was für mich wirklich wichtig ist im Zusammenhang mit der Entwicklung meiner Persönlichkeit, hätte ich damals vermutlich keine vernünftige Antwort gehabt. Es wäre ja nicht so, dass es da „Draussen“ nicht genügend Informationen geben würde. Vom Standpunkt der Informationstechnologie und der Informationsanfragen leben wir in Zeiten, welche es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat. Aber eben, wer man wirklich ist und was unsere Seele substanziell ausmacht, kann man nicht mal eben schnell in Google abfragen. Dazu ist die ganze Angelegenheit einfach zu komplex und zum Glück sind wir Menschen dann doch noch ein wenig umfangreicher.

 

An dieser Stelle kommt aus meiner Sicht auch schon einer der großen Mängel an unserem „System“ zum Vorschein. Weder in der Schule noch später in einem allfälligen Studium oder in der Lehre, wird die Frage nach der eigenen Identität gestellt. Natürlich, wir lernen lesen, schreiben und sogar, wie man die Hypotenuse berechnet (nämlich, dass das Quadrat einer Kathete gleich dem Produkt des anliegenden Achsenabschnittes der Hypotenuse und der Hypotenuse selbst ist) oder so ähnlich. Aber Spaß beiseite. Wie oft im wahren Leben mussten Sie diese oder andere Formeln denn tatsächlich anwenden?

Meiner Meinung nach hat heute die „moderne“ Schule nur einen Hauptzweck. Nämlich die Schüler auf die spätere Berufswahl vorzubereiten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Klar entdeckt man im Sport oder in der Musik eventuell eines seiner Talente. Aber was ist Sport, Musik und eventuell noch Kunst? Richtig, das sind doch bloß Nebenfächer.

 

Hauptsächlich geht es darum, Nachwuchskräfte für die Wirtschaft auszubilden. Sie sollen rentabel sein, profitabel arbeiten, sich zu Gehorsam verpflichten und überhaupt nicht allzu viel hinterfragen. Die Folge davon? Wer kann heute, als Erwachsener von sich aus, mit absoluter Überzeugung sagen, dass er absolut glücklich in seinem Beruf oder seiner Berufswahl ist? Wer ist in der Lage, tagtäglich seine volle Kreativität abzurufen und erscheint topmotiviert und voller Tatendrang jeden Morgen zur Arbeit? Die Antwort liegt erschreckenderweise auf der Hand. Die Wenigsten von uns.

 

„Erkenne dich selbst“. Ein, auf den ersten Blick, so simpler Satz. Und doch beinhaltet er für mich eine zentrale Frage des Lebens.

Bereits vor über 2500 Jahren konnten Pilger an einer Säule des Apollon Tempels im Orakel von Delphi diese Inschrift lesen. Doch setzen wir uns jemals in unserem vorgegebenen System (damit meine ich Schule, Lehre, Studium, Militär usw.) auch nur ein einziges Mal mit diesem Satz auseinander? Weit davon entfernt. Warum ist das so oder was könnte ein möglicher Grund dafür sein?

 

Wir haben in diesem System die Aufgabe, lediglich zu „funktionieren“. Das bedeutet insbesondere, arbeiten und vor allem Steuern zahlen. Individualität, Kreativität oder gar Spiritualität haben in diesem starren und bürokratischen System schlicht keinen Platz. Das ist, in einem Arrangement zwischen einem bevormundeten Staat und seinen Bürgern, einfach nicht vorgesehen. Wo kämen wir denn da bloß hin?

 

Das System mag gerne „trockene“ Zahlen, Daten und Fakten. Deshalb haben wir ja auch eine Steuer- und eine Personalnummer. Erst damit kann das System etwas mit uns anfangen. Es kann uns erfassen, protokollieren, analysieren und vor allem berechnen. Dadurch ist dann gewährleistet, dass wir dem Staat auch ja die richtigen Steuerbeträge überweisen. Zusammengefasst kann man sagen, dass das System keine Antworten für Fragen über uns selbst liefert, sondern die Suche nach unserem wahren ICH mit allen erdenklichen Mitteln sogar verhindert. Sie frage sich wie? Na dann schauen Sie doch mal, wie viele Kanäle Ihr Fernsehgerät Ihnen zu bieten hat. Dann kennen Sie bereits die Antwort. Mit enormer Anzahl an Nebensächlichkeiten und der sogenannten Unterhaltung werden Sie tagtäglich etwas mehr von der Quelle Ihres unendlichen Potenzials weggezogen. Nicht etwa mit Gewalt. Sondern ganz subtil und so langsam und perfide, dass die meisten von uns es nicht einmal merken. Ablenkung vom wahren ICH und von der Suche zu sich selbst um jeden Preis.

 

Mit „System“ meine ich in erster Linie nicht einmal den freien Markt und die Gesetzte der Ökonomie. Mir geht es vor allem um die Institution Staat. Aus meiner Sicht, ein energiezehrender, Geld verschlingender und bürokratischer Moloch, der sich irgendwann selbstständig gemacht hat und hauptsächlich seinen Selbstzweck erfüllt. Aber auch der, soeben von mir erwähnte, freie Markt hat seine Schwächen. Oder präziser formuliert, die Schwächen des freien Marktes wurden „entführt“ und zweckentfremdet. Grundsätzlich stellt der Markt Waren und Dienstleistungen für Kunden zur Verfügung. Soweit nichts Verkehrtes. Zu einer früheren Zeit haben Menschen für Menschen Waren hergestellt und Dienstleistungen angeboten. Im Zentrum des ganzen Handels stand das Wohl des Menschen. Man war bemüht um eine bestmögliche Qualität und die nachhaltige Zufriedenheit der Kunden war das angestrebte Ziel.

 

Geld hatte natürlich schon immer eine zentrale Rolle, aber es wurde im Grundsatz als das betrachtet, was es ist, ein Zahlungsmittel. Das System diente also dem Menschen und durch Markttransparenz und weitestgehend fairer Konkurrenz, herrschten ausgeglichene Verhältnisse ohne Monopole. Doch irgendwann, im Verlaufe der Zeit, kippte das Ganze und fortan stand nicht mehr das Wohl des Menschen im Vordergrund, sondern die Rentabilität, die Dividende und das größte aller Übel, die Profitmaximierung. Ab diesem Zeitpunkt standen nicht mehr die Bedürfnisse von uns Menschen im Zentrum, sondern der Mensch wurde das Mittel zum Zweck. Wie eine Fabrik, beispielsweise Rohstoffe zur Weiterverarbeitung einkauft, wurde plötzlich auch der Mensch zu einer Ressource und hatte gefälligst rentabel zu sein. Nicht mehr – nicht weniger. Wir wurden zu einer Personalnummer und wurden auf verschiedenen Kostenstellen verteilt, je nach unserer Funktion.

 

Natürlich könnte man jetzt sagen, das System hat sich einer unserer menschlichen Schwächen zu Nutze gemacht, nämlich die Gier. Aber dies greift aus meiner Sicht zu kurz. Wir sind Täter und Opfer gleichzeitig, in diesem, sich immer schneller drehenden Hamsterrad. Wir beschweren uns zwar über den Druck, den zunehmend unfreundlichen Umgang miteinander oder den permanenten Stress, wollen aber gleichzeitig auf die Belohnungen, welche das System zu bieten hat, dann doch nicht allzu gerne verzichten.

 

Aber kommen wir wieder zurück zu meiner Ausgangslage. Da war ich also, den ganzen Tag zugedröhnt mit lautem, aber oftmals unnützem Kram. Weit und breit keine Antworten auf meine großen Fragen des Lebens, vor allem aber meines Lebens in Sicht. Vielleicht wären sie ja aber auch da gewesen, nur konnte ich sie nicht hören? Schwierig zu sagen im Nachhinein. Wie auch immer, wenn es für einen zu laut ist, was macht man da normalerweise? Genau, entweder man reduziert die Lautstärke oder versucht, den Lärm sogar ganz zu vermeiden. Genau dazu hatte ich mich dann auch entschlossen. Etwas, irgendetwas musste einfach geschehen.

 

Dem ganzen Lärm und den Ablenkungen mal entkommen, um Zeit und Ruhe für mich haben zu können, war damals mein größter Wunsch. Aber ausgerechnet Wandern sollte die Lösung sein, das würde mir tatsächlich helfen? So abwegig erschien mir die Idee mit dem Wandern nicht einmal.

 

Aufgewachsen bin ich im abgelegensten Teil des Guldentals im Kanton Solothurn. Unser damaliger Bauernhof befand sich weit entfernt von der nächsten Hauptstraße. Von öffentlichen Verkehrsmitteln sprechen wir erst gar nicht. Der Hof befand sich auf einer umständlich zu erreichenden Anhöhe und die Straße war zu dieser Zeit nicht einmal geteert. Fahrradfahren ging zwar gut – allerdings nur bergab. Mein erstes und langersehntes „Töffli“ bekam ich erst, als ich mit 14 Jahren, meine Lehre begann. Was blieb mir also anders übrig, als mich praktisch die ganze Zeit über, zu Fuß von A nach B zu bewegen. Kam ich von der Schule nach Hause, musste ich den Berg hoch. Wollte ich die Nachbarn besuchen, blieb mir nur der Weg durch den Wald und wieder zurück. Musste ich die Kühe und Pferde von der Weide holen ... Sie ahnen es sicher bereits schon.

Im Nachhinein vermute ich, dass hier der Ursprung für meine Leidenschaft für das Wandern entstanden ist. Halt nicht unbedingt von mir so gewollt, sondern sich aus den Umständen und der Situation heraus ergebend. Was soll ich Ihnen an dieser Stelle jetzt bloß sagen, wenn ich an meine Kindheit und Jugendzeit zurückdenke? Eine bessere Zeit an einem besseren Ort hätte ich mir damals nicht wünschen können. Weit und breit nur die Natur in ihrer ganzen Schönheit und Ausdrucksstärke. Keine Ablenkungen, keinen Straßenverkehr und so gut wie keinen Lärm.

Auch ein paar Jahre später, während meiner Militärzeit war ich wieder viel zu Fuß unterwegs (nur nennt man es dort halt einfach „marschieren“). Mir machten die ganzen Märsche in der Rekrutenzeit nichts aus, ganz im Gegenteil. Einzig die Umgewöhnung auf die Kampfstiefel der Armee war ein wenig herausfordernd. Ich muss Ihnen gestehen, irgendwie kam ich mit der Institution „Schweizer Armee“ ganz gut zurecht. Ich habe Ihnen erspart, auf unzähligen Seiten dieses Buches, all die Leerläufen und die ganzen sinnfreien Aktionen während meiner Zeit im Militär zumuten zu müssen. Trotz alldem gebe ich aber zu: Das Militär hat mir - auf eine ganz kuriose Art und Weise - damals sogar gefallen.

 

Man kann vom Militär halten, was man will. Die oft zitierte Kameradschaft ist eindeutig vorhanden und man lernt sehr viel über den Umgang mit anderen. Die Feedbacks über sein eigenes Verhalten gegen-über Kameraden und Vorgesetzten kommen in der Regel postwendend. Dadurch lernt man viel über sich selbst (wenn man in der Lage und Willens ist sich zu reflektieren) und merkt, wie man von anderen wahrgenommen wird. Die Rückmeldungen dabei sind schonungslos ehrlich und oft knallhart.

 

Nach der Unteroffiziersschule, welche ich, wie die Rekrutenschule 2001 absolvierte, bewarb ich mich anschließend für die Offiziersschule und erhielt von meinen Vorgesetzten die entsprechende Empfehlung. Im Januar 2002 traf ich dann als Offiziersaspirant am Bahnhof in St. Maurice ein. Die 17-wöchige Offiziersschule begann umgehend und ab jetzt war jede Woche mindestens ein Marsch im Wochenprogramm verplant.

 

Angefangen vom 10 km Marsch, über den Zweitagesmarsch von insgesamt 60 km bis hin zum berühmt-berüchtigten 100 km Marsch als krönender Abschluss der Durchhalteübung. Und ja, eines kann ich Ihnen an dieser Stelle versichern, 100 km ununterbrochen zu Fuß, an einem Tag und mit Marschgepäck, ist tatsächlich so anstrengend, wie es sich anhört. Aber über Schmerzen, Müdigkeit oder andere Sorgen hatten wir ohnehin keine Zeit zum Nachdenken. Unsere ganze Konzentration richtete sich auf das richtige Lesen der Karte.

 

Ich weiß es noch so gut, als wären wir erst gestern in der Nähe von Moudon um 08:00 Uhr losmarschiert. Nach einer ungefähren Marschdistanz von 75 km und einer Marschdauer von etwas über 15 Stunden versuchte ich, die Karte richtig zu lesen. Diese wollte ich, wie bis anhin während des Marschierens tun. Allerdings war ich dermaßen übermüdet, dass ich während des Gehens eingeschlafen bin und beinahe in die Rhone gefallen wäre. Dies passierte mir auf der Höhe von Chessel im Distrikt Aigle östlich vom Genfersee. Wir waren damals in einer Patrouille von drei Aspiranten unterwegs. Zum Glück hatte Pascal dies bemerkt und mich im letzten Moment am Rucksack festgehalten und wieder zurück auf die Straße gezogen. Pascal, falls Du tatsächlich einmal dieses Buch in Deinen Händen halten solltest und diese Zeilen liest, ich bedanke mich nochmals herzlichst bei Dir für Deine umsichtige Tat damals.

 

Aber natürlich gebührt auch dem Dritten im Bunde ein grosser Dank. Ohne André und vor allem ohne seine exzellenten Fähigkeiten die Karten zu lesen, bei Tag wie auch in der Nacht, wären wir vermutlich bis zum heutigen Tag noch unterwegs.

 

Zum Glück aber kam es anders und wir haben als super Patrouille, nach 19 Stunden und 40 Minuten das Ziel erreicht und damit die Bronzemedaille erhalten. Pascal, André, genau in diesem Moment, während ich diese Zeilen schreibe, sehe ich zu meiner Linken meine Bronzemedaille an der Wand hängen und denke an unseren gemeinsamen 100 km Marsch zurück. Vielen Dank nochmals, dass ich diesen ehrenvollen Marsch, der mich oft in meinem Leben weitergebracht hat, mit Euch beiden zusammen absolvieren durfte. Bessere Kameraden hätte ich mir nicht wünschen können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn ich so zurückdenke, war es also nicht so abwegig und war bestimmt auch kein Zufall, dass ich mir für meine Auszeit 2015 den Jakobsweg und somit das Wandern ausgesucht hatte. Genauso gut hätte ich mir auch eine einsame Hütte in den skandinavischen Wäldern aussuchen können oder eine Fahrradtour, quer durch Europa beispielsweise. Aber nein, es gab und gibt bis heute diesen einen bestimmten Grund, weshalb ich mich für das Wandern entschieden habe und in Zukunft wieder dafür entscheiden werde.

 

Habe ich es als anstrengend empfunden? Und ob, was für eine Frage. Aber für mich persönlich, könnte ich mir keine bessere Methode für das Loslassen und Bereinigen von seelischen Altlasten vorstellen als das Wandern. Das muss aber natürlich jeder für sich selbst herausfinden. Nach meiner Auffassung geht es hauptsächlich um die Ruhe und Einsamkeit. Dies finden Sie in einer Waldhütte genauso gut wie auf einer Fahrradtour über Stock und Stein. Es muss halt wirklich jeder für sich persönlich selbst herausfinden, welchen Weg er wählt, um einen Blick in den Spiegel der eigenen Persönlichkeit zu werfen. Eines kann ich an dieser Stelle schon mal vorwegnehmen. Der Blick in diesen Spiegel kostet Mut, Überwindung und es wird einem längst nicht alles gefallen, was man darin zu sehen bekommt. Aber dazu mehr in diesem Buch an einer anderen Stelle.

 

 

Kapitel 2

Der erste Tag

 

Dann war es also soweit. Am 01. Mai 2015, morgens kurz vor neun Uhr, am Bahnhof Cornavin, steige ich aus dem Zug. Eingestiegen bin ich in das erste Postauto, welches am Morgen in Mümliswil durchgefahren ist. Das war kurz vor sechs Uhr. Der Regen an diesem Morgen in Mümliswil hielt auch in Genf noch an. Und die darauffolgenden sechs Tage ebenso. Offen gesagt, konnte ich es in diesem Moment noch nicht richtig realisieren, was da gerade mit mir passierte und was jetzt die kommenden vier Wochen auf mich zu kommen würde.

Ich verließ den Bahnsteig mit einem Gefühl, bestehend aus Vorfreude, Glück und Abenteuerlust. Wie benommen und überwältigt von diesen Glücksgefühlen torkelte ich dem Bahnhof entlang bis zur Basilica Notre-Dame, der römisch-katholischen Hauptkirche der Stadt Genf. Ich betrat die Kirche, legte meinen schweren Rucksack ab und setzte mich auf eine der hintersten Bänke. Obwohl erst ein paar hundert Meter unterwegs, waren meine Kleider doch schon ziemlich durchnässt.

 

Da sass ich nun, auf dieser Kirchenbank in einer Kirche, in welcher es, um diese Uhrzeit an einem Freitagmorgen, verständlicherweise sehr wenig Leute gab. Ich ließ die Umgebung, die Bilder, die Statuen, den Altar und die ganze Atmosphäre einfach auf mich wirken. Ich lehnte mich in die Bank zurück, merkte wie ich schwermütig wurde und schloss meine Augen. Ein mir zuvor unbekanntes, unendlich tiefes Gefühl der Dankbarkeit durchzog mich. Natürlich kannte ich das „normale“ Gefühl der Dankbarkeit – wer kennt das nicht?

Aber hier ging es um etwas gänzlich Anderes. Es fällt mir, offen gesagt schwer, gerade in diesem Moment die richtigen Worte zu finden, um das damals Gefühlte richtig beschreiben und wiedergeben zu können. Ich denke zu diesem Gefühl der Dankbarkeit, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde, diesen Teil des Jakobsweges absolvieren zu dürfen, kam ein Empfinden von Demut hinzu.

---ENDE DER LESEPROBE---