Vielleicht hat Gott nur ein Burn-out - Klaus Eckel - E-Book

Vielleicht hat Gott nur ein Burn-out E-Book

Klaus Eckel

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Beschreibung

Skurrile Sammlung: Lachen gegen die diversen Sorgen des Alltags! Der Alltag stellt uns gerne ein Bein. Manchmal springe ich grazil darüber. Doch meistens fädle ich ein. Am Boden liegend, blicke ich stets in den Himmel. Die erste Frage, die mir dann in den Sinn kommt, lautet: Warum richtet der Schöpfer sein wachsames Auge nie auf mich? Das einzige Argument, welches mir bist jetzt zu seiner Verteidigung einfiel, war: Vielleicht hat Gott nur ein Burn-out. So beschreibt Klaus Eckel sein Buch, eine Sammlung seiner Kolumnen, die sich dem Mikrokosmos Alltag widmen. Von ADHS-Kindern bis hin zu Park & Ride-Anlagen. Es gibt unzählige moderne Plagen, die uns weiß der Kuckuck wer schickt. Es bestehen jetzt zwei Möglichkeiten, mit Problemen umzugehen. Erstens: Man analysiert sie akribisch, entwickelt Alternativen und stemmt sich mit einer Lösung dagegen. Zweitens: Man lächelt sie weg. Ersteres kann man später immer noch machen – deswegen dieses Buch.

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Inhaltsverzeichnis

VORWORT

ONKEL PANIK, TANTE ANGST

WAS WEISS ICH!

DAS KLEINE ICH BIN DU

AKTIVER MENSCHENSCHUTZ

WIE MAN SICH REINLEGT

DER GIPFELVERTEIDIGER

GOOGLE KNOWS BETTER

ARME HINTERN KOPF

BEGRABEN UNTERM DISPLAY

WIR HABEN EUCH NICHT VERDIENT

AUS DEM LEBEN GEGRIFFEN

LASS DICH NIEDER!

WACHSTUMSSTÖRUNG ALS CHANCE

DAS AUFWÄRTSSPIEL

DER GEGNER IN UNS

DIE WELT IST EIN TRESOR

ICH MICH AUCH

VOM GLÜCK ERDRÜCKT

DER GRÜSSAUGUST

HÄNGT SIE HÖHER!

I HAVE A DREAM

IM LAUSCHRAUSCH

NIMM MICH WAHR!

KANONENFUTTER

KÖRPERERZIEHUNG

BETTELNDE BUCHSTABEN

PFLANZ WEN ANDEREN!

WIE WAR ICH?

HURRA, ICH BIN EIN MISTKERL

TIME OUT

TRAINIERTE FREUDE

TRARI, TRARA

VERDÄCHTIGES VERTRAUEN

SCHWEIGEN IST SILBER

VON DER VIERTELWAHRHEIT

WERBUNG LÄUFT

STOFFWECHSEL WOZU?

WENN FRAUEN FUSSBALL LIEBEN

DIE NEUE UNSELBSTSTÄNDIGKEIT

ZIELGRUPPENTHERAPIE

ROLLENDE MELKKÜHE

SCHWAMM DRÜBER

BEAUTY & SAFE

ADAMSAPFEL & EVABIRNE

AUSLAND, WIR KOMMEN

DIE WELT IM KLEINEN

DRECKIGES GEWISSEN

EINMAL SONNE OHNE APFELTASCHE

FRÜH & VERDORBEN

HAUSTIERHUNGRIGE GERÄTE

KARL-HEINZ STRASSER

LAND DER LISTEN

HIER BIN ICH!

UNSER ALLER KOPF

UNTERM RAD

WECHSEL STROM

DIE SCHLITZOHRLÄMMER

FAHR ZUM HIMMEL!

FRÜHER UND SPÄTER

ABSCHIED VOM ABSCHIED

HOBBY 2.0

SEHNSUCHT SCHLIESSMUSKEL

GRIASS DI & CO

DER SCHICKSALS-JOYSTICK

DIE WAHLFAMILIE (EINE KURZGESCHICHTE)

EU-WG: SITCOM SUCHT SENDER

VIELLEICHT HAT GOTT NUR EIN BURN-OUT

Klaus Eckel

A Fabiola

Impressum

eISBN: 978-3-902900-44-9

E-Book-Ausgabe: 2014

2013 echomedia buchverlag ges.m.b.h.

Media Quarter Marx 3.2

A-1030 Wien, Maria-Jacobi-Gasse 1

Alle Rechte vorbehalten

Produktion: Ilse Helmreich

Layout: Brigitte Lang

Coverfoto: Johannes Zinner

Lektorat: Susanne Hartmann

Herstellungsort: Wien

E-Book-Produktion: Drusala, s.r.o., Frýdek-Místek

Besuchen Sie uns im Internet:

www.echomedia-buch.at

VORWORT

Im alten Ägypten schickte Gott den Menschen zehn Plagen. Damals dachte man: Schlimmer kann´s nicht werden. Doch was sind Stechmücken, Viehpest und Finsternis im Vergleich zu Panflötenbeschallung, Treuepunkten und Meinungsumfragen? Das war damals nur ein kleiner Appetizer.

 

Die Anzahl der Bürden hat sich vervielfacht. Hinter jeder Ecke lauert mittlerweile ein Energievampir. Nach unzähligen Beobachtungen und etlichen Gesprächen mit Mitmenschen wurde mir eines klar: Es fehlt eine belastbare höhere Instanz, die wieder ihr behütendes Auge auf unser Leben richtet. Den Job muss wieder wer machen. Der alte Vorstand wirkt lustlos. Ich vermute, falls es diesen Gott wirklich gibt, dann hat er derzeit ein Burn-out. Und falls es Gott nicht gibt, dann schaut niemand nicht auf uns. Das wäre dann ein schöner Anlass, diesen vakanten Schöpfer­posten auszuschreiben und zu besetzen. Und nein, geschätzter ORF, bitte nicht im Rahmen einer Castingshow.

 

Solange das nicht passiert, ist die schärfste Waffe, die ich im Kampf gegen Alltagsverderber besitze, das Wort. Andere Mittel erlaubt mir der Gesetzgeber trotz mehrmaligen Nachfragens nicht. Seit Jahren schreibe ich Kolumnen, welche regelmäßig in der weltweit bekanntesten Wiener Straßenbahngazette „VORmagazin“ erscheinen. Diese Beiträge versammeln sich jetzt unschuldig zwischen zwei Buchdeckeln.

 

Noch eine kleine Warnung vorweg! Diese Kolumnensammlung ist das Gegenteil eines Ratgebers. Vielmehr sucht der Autor Rat beim Leser. Dafür lässt er sich sogar bezahlen. Also ein völlig neues Konzept, das den Buchhandel auf den Kopf stellen soll. Meine Beiträge widmen sich größtenteils der größten Kunst der Menschheit: Dem Weiterwurschteln. Eine Disziplin, die in Österreich meiner Meinung nach erfunden, entwickelt und perfektioniert wurde. Deswegen kann nur ein Österreicher über diese Fertigkeit schreiben. Ich hoffe, so viel Nationalstolz wird einem der Welt offen gegenüberstehenden Schreiberling gewährt. Am Ende der Kolumnensammlung finden Sie noch eine Kurzgeschichte, die beweisen möchte, dass man Politik und Familie strikt trennen sollte, und die erste Folge einer Sitcom, die ungeduldig auf einen Sender wartet. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen.

 

Bei Anregungen, Lob, Beschwerden oder sonstigen am Herzen liegenden Befindlichkeiten sind Sie herzlichst eingeladen, mich zu kontaktieren.

 

Hochachtungsvoll

Klaus Eckel

Der Humoranbieter Ihres Vertrauens

ONKEL PANIK, TANTE ANGST

Neulich las ich von dem Trend, Neugeborenen sofort ein GPS-Bändchen um ein Gelenk zu binden. Der harte Kampf in die Freiheit wird mit einer Fußfessel belohnt. Hinter dieser Aktion verbirgt sich so manche Elternangst, die Brut könnte bei diversen Untersuchungen verwechselt werden bzw. verloren gehen. Das Baby könnte natürlich auch einfach abhauen. Fünfzig Windeln sind schnell gepackt, dann schnallt es sich noch ein 10-Liter-Fass Aptamil um die Schultern, und schon geht´s per Autostopp nach Kreta. Was muss man nicht alles bedenken? Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir nach der Geburt meiner Tochter ein Kinderarzt ein Sackerl mit Broschüren in die linke Hand drückte, in denen wurden Probleme beschrieben, die meine Tochter noch gar nicht hatte. In die rechte Hand überreichte er mir ein weiteres Sackerl, und zwar mit Prospekten für Lösungen, um diese nicht vorhandenen Probleme zu bewältigen. Gekauft habe ich davon nichts, jedoch kann man mit so viel Werbematerial hervorragend seine Heizkosten senken. Vor Kurzem beobachtete ich eine Mutter, die auf dem Kinderspielplatz ihrem Sohn Florian nicht erlaubte, auf der Schaukel den Fahrradhelm abzunehmen. Beim darauf folgenden Rutschen galt dies für seine Knieschoner. Schürfwunden und blaue Flecken kennt Florian wahrscheinlich nur aus dem Bilderbuch. Ich befürchte, dass in wenigen Jahren etliche Kinder nur mehr als wankende Michelinmännchen über den Spielplatz rennen dürfen. Falls sie dann überhaupt noch rennen dürfen. Bald gibt es auf dem Kinderspielplatz beim Herumtollen eine Geschwindigkeitsbeschränkung. Dieser Florian wird wahrscheinlich mit abgerundeten Nägeln sein erstes Baumhaus bauen und vor der Schulschlägerei wird ihm die Mama einen Zahnschutz in den Mund stecken. Vielleicht wird sie für ihn auch die ganze Welt auspolstern. Für ein aufregendes, risikoreiches Leben muss der Florian dann auf einen anderen Planeten ziehen. Egal wo das sein wird, ich hoffe für ihn, dass das GPS-Bändchen nicht so weit reicht.

WAS WEISS ICH!

Vor Kurzem rief mich jemand von einem Meinungsforschungsinstitut an: „Grüß Gott, wir führen zum Thema ‚Sinn und Leben‘ eine Umfrage durch. Was würden Sie machen, wenn Sie nur noch einen Tag zu leben hätten?“ Ich antwortete: „Ausschlafen.“ Darauf er: „Das können Sie dann aber lang genug.“ Sofort erwiderte ich: „Woll´n Sie meine Meinung hören oder Ihre?“ Danach hat er aufgelegt. Ich rief zurück: „Grüß Gott, ich führe eine Um­frage zum Thema: ‚Sinn und Umfragen‘ durch. Welche Meinung hat ein Meinungsforschungsinstitut?“ Darauf er: „Keine. Wir sind neutral.“ Ich: „Aber von mir erwarten Sie eine! Ich habe auch keine. Ich habe keine Meinung zum Eurokurs, zu Omega-3-Fettsäuren oder zu Michael Jackson. Wenn ich mich den ganzen Tag damit beschäftige, Meinungen zu bilden, habe ich irgendwann 43.223 Meinungen, aber kein Leben. Ich setze mich dafür ein, dass dem Menschen etwas egal sein darf. Wurschto­logie – man sollte es studieren können. Wenn man eine Vorlesung besucht, ist man durchgefallen, weil einem auch das Studium wurscht sein muss. Tragen Sie das in Ihre Liste ein!“ Er: „Dafür gibt es kein Feld.“ Ich: „Das heißt, meine Meinung scheitert an Ihrem Feld?“ Er: „Sie müssen einfach eine Meinung haben, die auf unserer Liste steht.“ Ich: „Was steht denn auf Ihrer Liste?“ Er: „Ja, Nein und Weiß nicht“ Ich: „Weiß nicht. Bei mir können Sie immer ‚Weiß nicht‘ ankreuzen.“ Er: „Auch beim Wohnort?“ Ich: „Nein, kreuzen Sie beim Wohnort ‚Ja‘ an.“ Er: „Mach ich. Witzig, Sie sind heute mein neunter Gesprächspartner, der in ‚Ja‘ wohnt.“ Ich: „Ist auch wirklich schön hier.“ Er: „Wenn kommenden Sonntag Nationalratswahl wäre, welche Partei würden Sie wählen?“ Ich: „Die mit den wenigsten Ideen.“ Er: „Warum?“ Ich: „Weil die am wenigsten anstellen wollen.“ Er: „Dafür gibt es wieder kein Feld.“ Ich: „Dann kreuzen Sie diesmal ‚Nein‘ an, und alle weiteren Fragen abwechselnd mit ‚Ja‘ und ‚Weiß nicht‘.“ Er: „Super, das war´s.“ An dieses Gespräch musste ich heute denken, als ich in der Zeitung las, dass 73 % der Österreicher gerne auf dem Land wohnen würden. Den Namen des Ortes kenne ich.

DAS KLEINE ICH BIN DU

Angeblich sollte sich jeder Mensch mit einem Wort beschreiben können. Meines wäre: Mitläufer. Auf Wiens Straßen gehe ich immer in die Richtung, in die sich die Masse bewegt. Das führt mich gelegentlich in unbekannte, charmante Stadtviertel, meistens jedoch zum Westbahnhof. Des Weiteren begehre ich nur ungern auf. An Demonstrationen nahm ich bis jetzt nur teil, wenn ich mir sicher war, dass zumindest 99,5 % der Österreicher derselben Meinung sind. Deswegen konnten mich bis jetzt nur Themen wie: „Ausschlafen für alle!“ und „Rettet das Freibier!“ für einen Aufmarsch begeistern. Wenn mich jemand fragt, wo ich politisch stehe, antworte ich stets: Ich bin ein sozial-liberaler, christlich grün-konservativer Pirat. Ich bin eigentlich ein Gesinnungsaal. Ich beherrsche die Fähigkeit, innerhalb eines Satzes derart viele Haken zu schlagen, dass Mahmud Ahmadinedschad und Barack Obama gleichzeitig meinen könnten, ich wäre ihrer Meinung. Ich kopiere auch ständig das Verhalten meines Gegenübers. Als ich neulich mit meiner Frau den Jahrestag in einem Restaurant verbrachte, lachte ich stets genauso lange wie sie, bestellte exakt die gleichen Speisen und führte immer im selben Augenblick meine Gabel zum Mund. Meine Frau meinte am Ende, dass sie das Gefühl hätte, den Jahrestag alleine zu verbringen. Ich bin chronisch anpassungsfähig. Wir mussten zu Hause jetzt sogar eine zweite Toilette einbauen, weil sich auch mein Stoffwechsel mit dem meiner Frau synchronisiert hat. Ich bin eigentlich ein Chamäleon, gefangen im Körper eines Menschen. Mich stört das nicht. Verhaltensforscher fanden jetzt heraus, dass eine solche Einstellung in der Steinzeit als besonders weise galt. Wenn damals ein Jagdkollege um die Ecke lugte, zu rennen begann und schrie: „Achtung, ein Löwe!“ – überlebt hat sicher nur der Mitläufer.

AKTIVER MENSCHENSCHUTZ

Neulich nahm eine Biene auf meinem Frühstückstisch Platz. Sie setzte sich direkt auf die zweite Hälfte meines Marmeladebrots. Da ich sowieso lieber meine Mahlzeiten in Gesellschaft zu mir nehme, war ich einem Food-Sharing gegenüber aufgeschlossen. Nach abgeschlossener Speisung flog die Biene direkt vom Marmeladebrot zu meinem rechten Unterarm und stach zu. Anschließend flüchtete sie aus dem offen stehenden Fenster. Schmerzverzehrt schrie ich ihr nach: „Dankbarkeit schaut anders aus!“ Jahrelang habe ich mich jetzt für den Umweltschutz eingesetzt, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass mir die Umwelt regelmäßig ins Gesicht spuckt. Tauben bekoten meinen Balkon, Ratten fressen meine Kellervorräte weg und Zecken zwingen mich zur Impfung. Die Beziehung zwischen Tier und Mensch steht schon länger auf einer schiefen Ebene. Während wir Menschen Krötentunnel bauen, blähen uns Millionen von Kühen mit einer unvorstellbaren Gelassenheit Methangas in die Atmosphäre. Ich vermisse deren Unterstützung. Welches Huhn überlegt sich nur einen Gedanken lang, ob ich glücklich bin? Ob mir die zugewiesene Gemeindewohnung ausreichend Platz bietet und nicht einer Schlafbatterie gleicht? „Wir Hühner legen nur mehr für Freilandmenschen“ – das wäre einmal eine begrüßenswerte Initiative. Langsam erhärtet sich mein Verdacht, dass die ganze Natur uns unentwegt zu bekämpfen versucht. Hagelkörner halbieren den Wert unserer Autos, Allergiker werden mit Blütenpollen beschossen und Fahrradfahrer werden ganz bewusst mit Gegenwind gequält. Ich bin mir auch sicher, dass das Wetter ganz genau weiß, wann Wochenende ist. Ich würde vorschlagen, dass wir den menschlichen Fußabdruck einführen. Wenn uns jemand aus der Umwelt unverhältnismäßig oft schadet, steht er nicht mehr unter unserem Schutz. Brennnesseln, Kakerlaken und Lawinen – ihr könnt Euch schon einmal warm anziehen.

WIE MAN SICH REINLEGT

Meine Wohnung wünscht sich seit Jahren, dass ich sie putze. Kaum öffne ich die Eingangstür, bettelt mich jede Tischplatte, jeder Fenstersims und jede Fliese an: „Wische mich!“ Doch ich überhöre alle. Mein Therapeut, den ich jetzt Lifetime-Coach & Burn-out-Manager nennen muss, weil es marketingtechnisch mehr fetzt, empfahl mir, auf die Tür ein Schild mit der Aufschrift: „Ich, Klaus Eckel, bin und bleib eine faule Sau“ zu hängen. Er meint, wenn ich das jeden Tag lese, stemmt sich meine Psyche irgendwann dagegen. Mein Lifetime-Coach unterschätzt meine Psyche. Außerdem weiß jetzt meine Psyche, wie man sie überlisten will. Also, bei aller Skepsis, die ich meiner eigenen Helligkeit gegenüber hege: Ich fürchte, das wird mein Gehirn checken. Das ist bei den meisten Mentaltechniken das Problem. Zuerst muss man monatelang lernen, wie sie funktionieren, und danach darf man sie nicht kapieren. Nichtsdestotrotz (ein Wort, das immer dann kommt, wenn man keinen Übergang findet), in uns allen, sogar im Thomas Schäfer-Elmayer, wohnt ein kleiner Revoluzzer. Etliche menschliche Handlungen haben das Motiv: „I mach´s trotzdem“. Will man, dass eine Hausmauer von möglichst vielen Menschen berührt wird, schreibt man am besten drauf: „Achtung, frisch gestrichen!“ Wünscht man sich als Werbefuzzi, dass die eigene Plakatwand häufig betrachtet wird, dann sollte man sich den ganzen Tag vor diese stellen und schreien: „Hier gibt es nichts zu sehen!“ Den Partner zwingt man mit dem Satz „Sag mir ja nicht, was du denkst“ zu mehr Ehrlichkeit. Die letzte Sitzung beendete mein Lifetime-Coach mit der Aussage: „Der Mensch ist ein unglaublich raffiniertes Wesen.“ Sofort keimte in mir der Gedanke: „Der Mensch ist ein unglaublicher Trottel.“ Als ich diesen inneren Widerstand meinem Lifetime-Coach mitteilte, sagte er nur: „Genau darauf wollte ich hinaus.“

DER GIPFELVERTEIDIGER

Im September bestieg ich meinen ersten 800er. Und zwar den Clemensberg im Hochsauerland. Am 19. 9. um 13 Uhr 42 stand ich endlich auf dem Gipfel. Gewärmt von meiner orangen Daunenjacke und mit einem Eispickel in der Hand blickte ich über Nordrhein-Westfalen. In solchen Momenten vergisst du alles – den schlecht beschilderten Weg, den vertrockneten Kaiserschmarren im Basislager I (675 m) und die zwei kölnischen Sherpas, die in letzter Sekunde doch noch abgesprungen sind. Auf einmal hatte ich das Gefühl, vieles zu verstehen. Meine Sehnsüchte, meine Erwartungen und die Bücher von Reinhold Messner. Leider konnte ich nur kurz in diesen aufgewühlten Emotionen verweilen, da eine neben mir befindliche Kindergartengruppe darauf bestand, auch einen Blick durch das Fernglas zu werfen. Ich räumte den Gipfel und begab mich über die Südflanke zurück ins Tal. Dort wollte bedauerlicherweise niemand mit mir diesen Erfolg feiern. Zumindest stieß in einem Tiroler Bergsteigerverein mein Diavortrag „Kahlenberg, Bisamberg, Clemensberg“ nur auf zurückhaltende Begeisterung. Ein vollbärtiger, vor mir sitzender Alpinist meinte: „Klaus, du muascht weiter rauf. Dorthin, wo´s Eis dick isch und die Luft dünn. Des sag nit i, des ruft da Berg!“ In Anbetracht der vielen Unfälle im Hochgebirge vermute ich, dass es zwischen Menschen und der Natur derzeit ein massives Verständigungsproblem gibt. Ich habe den Eindruck, dass Berge eine gewisse Höhe als ihren Intimbereich betrachten und es nicht schätzen, wenn dort Tausende alpine Dilettanten umhertrampeln. Oder anders gesagt, so manches tibetische Hochgebirge mag zu uns rufen, nur vermute ich, seine Botschaft lautet: „Bleibt im Tal!“

GOOGLE KNOWS BETTER

Neulich tippte ich in die Google-Suchleiste folgende Frage ein: „Was ist im Leben meines Aufgabe?“ – Google besserte mich aus. „Meinten Sie: Was ist im Leben meine Aufgabe?“ Kleinlich, aber auf Antwort hoffend drückte ich auf die ausgebesserte Fragestellung. Null Treffer. Na, da hätten wir aber bei der alten Fragestellung bleiben können, dachte ich mir. Ich tippte nochmals ein: „Was ist im Leben meines Aufgabe?“ 13.629 Treffer. Die ersten zehn verwiesen auf Humboldt-Rechtschreibkurse. Deswegen bin ich also auf der Welt. Ich soll den Genetiv beherrschen. Die Politik fordert immer häufiger umfangreiche Deutschkenntnisse. Der Computer macht uns jedoch zu faulen Wesen. Man tippt „uAot“ ein und hofft, dass er selbstständig auf „Auto“ ausbessert. „Rechtschreibprüfung“ ist also die euphemistische Bezeichnung für „Deppenmodus“. Ich stand einmal neben einem Jugendlichen, der auf eine Hausmauer „Vuck you“ sprayte. Als ich ihn darauf hinwies, dass man „Vuck“ mit Fähnchen-F und nicht mit Vogel-V schreibt, starrte er mich entsetzt an. „Oida, und warum san dann net wie am Computer so rote Wellen drunter?“ „Uff“, dachte ich mir. Eigentlich ist „Uff“ das Wort, welches ich mir im Leben am häufigsten denke. Millionenfach durchwanderte es schon mein Gehirn, und trotzdem hat es im Duden noch immer keinen Platz gefunden. Eigentlich schade. So wie das Wort „Matschis“. Das ist meine Bezeichnung für Produkte, die ich ganz unten im Einkaufssackerl aufbewahre und die bis zum Auspacken einen unglaublichen Verformungsprozess erleben. Ich habe auch einen Begriff für schnelles Altern durch Stress erfunden: „Avanti Aging“. Oder viele Gebäude, Landschaften und Mitmenschen finde ich immer wieder „schässlich“. In Geschmacksfragen gehen in meinem Kopf die Wörter „schön“ und „hässlich“ des Öfteren gemeinsam ins Bett. Dann wären da noch die Söhne und Töchter, die aufgrund von widrigen Umständen wieder bei der Mama eingezogen sind. Die sogenannten „Bumerangkinder“. Das sind alles Wörter, die mein Computer rot unterwellt, und trotzdem schreien sie in unserer heutigen Zeit nach einer Berechtigung. Übrigens, um das Dilemma an der Hausmauer noch zu einem logischen Ende zu bringen, schrieb ich das Wort „Bisatest“ dahinter. Jetzt steht dort zumindest: „Vuck you, Bisatest“. So macht alles wieder Sinn.

ARME HINTERN KOPF

Gestern rief mich mein alter Schulkollege Peter, von dem ich seit mindestens zehn Jahren nichts mehr gehört habe, völlig überraschend an und flüsterte ins Telefon: „Du, Klaus, ich wollte dir nur mitteilen, dass ich total im Stress bin. Ich kann jetzt einfach nicht reden. Ich bin in einer Besprechung und melde mich bei dir, wenn es wieder besser geht.“ Danach legte er auf. Im ersten Moment war ich über den Gesprächsverlauf etwas enttäuscht. Jedoch weiß ich jetzt, dass Peter ein wichtiger Mensch ist. Es war ihm anscheinend wichtig, mir das mitzuteilen. In der Schulzeit war Peter nur für seine Nachhilfelehrer ein wichtiger Mensch. Er sicherte vielen von ihnen ein üppiges Einkommen. Wichtige Menschen haben keine Zeit, und die wenige, die ihnen übrig bleibt, opfern sie meistens dafür, dies anderen Menschen mitzuteilen. Ich habe mir schon überlegt, ein Stress-Service zu gründen. Ich würde meine Kunden unzählige Male am Tag anrufen, nur damit bei deren Umfeld der Eindruck entsteht: „Der wird gebraucht. Ohne ihn geht alles den Bach runter!“ In einem Kaffeehaus beobachtete ich neulich zwei Männer, die ganz offensichtlich an ihren Krawatten mehr hingen als an ihrer Freizeit. Sie schlürften Latte macchiatos und pokerten mit ihren Überstunden. Der eine meinte: „Ich verbrachte letzte Woche 65 Stunden im Büro.“ „Bei mir warn´s bitte locker 72“, unterbrach ihn der andere. „Ja, aber wenn ich die von zu Hause mitrechne, komme ich wahrscheinlich auf über 90 Arbeitsstunden“, erwiderte erneut der erste. Ich setzte mich unaufgefordert zu den beiden und sagte: „Freunde, ich habe eine 168-Stunden-Woche, drei Bypässe und einen Herzschrittmacher!“ Vor Ehrfurcht fielen den beiden ihre Blackberrys aus den Händen. Eine solche Aussage bezeichnet man beim Stresspoker als Royal Flush. Doch in Wahrheit bluffte ich wieder einmal. Mir fehlt leider seit meiner Geburt völlig der Zugang zum Fleiß. Es gibt Tage, an denen fühle ich mich sogar ausgebrannt, nachdem ich mich zu hektisch im Bett gewälzt habe. Ich diagnostiziere mir bereits ein Liege-Burn-out. Aus eigenem Interesse versuche ich deshalb, mein Umfeld von den Vorteilen der Fleißresistenz zu überzeugen. Meinem ehemaligen Chef schlug ich vor, dass man ein Unternehmen wie einen Zoo organisieren sollte. Dort zahlen Kunden auch Eintritt, um anderen beim Schlafen zuzuschauen. Dieser Vorschlag machte ihn zu meinem Ex-Chef. Egal, ich bleibe auf Kurs. Physisch gehemmte Menschen waren mir immer sympathischer. Sie glauben an den Mitmenschen, weil sie nicht alles selber machen wollen, sie halten bei Weihnachtsfeiern erträglich kurze Reden und sie sind unglaublich dankbar, wenn man ihnen den Arbeitsplatz wegnimmt. Faule Menschen provozieren keine Kriege, belegen bei Skirennen gerne den vierten Platz, damit sie nicht aufs Podest klettern müssen und schreiben langatmige Kolumnen einfach nicht fert…

BEGRABEN UNTERM DISPLAY