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Du hast einen Hund? Dann habt ihr längst eine Sprache – auch wenn ihr sie vielleicht noch nicht ganz versteht. Ich lade dich ein, genauer hinzusehen: auf zuckende Ohren, wedelnde Ruten, verdrehte Augen und festgedrückte Hinterteile. Denn was unsere Hunde uns jeden Tag zeigen, ist mehr als Verhalten. Es ist Körpersprache. Und die sagt manchmal sehr deutlich: "Lass mich in Ruhe!", "Ich brauch dich jetzt" oder auch einfach nur: "Was zum Kuckuck tust du da?!" Ich schreibe in diesem Buch nicht über Erziehung – sondern über Beziehung. Mit Beobachtungen, Beispielen, einem Augenzwinkern und zwei wunderbaren Vierbeinern an meiner Seite. Wenn du Lust hast, deinen Hund wirklich kennenzulernen, statt ihn ständig zu korrigieren – dann bist du hier richtig. Null Smalltalk. Nur echte Signale. Und ganz viel Hund.
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2025
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1Alexandra Jakobs
„Vier Pfoten, null Smalltalk – Körpersprache zwischen Nähe, Krach und Keks“
Ratgeber
Inhaltsverzeichnis
🐾 Prolog – Vier Pfoten, null Smalltalk
🐾 Kapitel 1: Körpersprache im Alltag – Wenn der Hund längst weiß, was Sache ist
🚿 Wenn du duschen willst – und die Tür zu ist
🎒 Wenn du den Koffer packst – und er weiß es
🍽 Wenn du isst – und er glaubt, es sei auch für ihn
🛋 Wenn du Besuch bekommst – und er aufdreht wie auf Koffein
🛏 Wenn du länger schläfst als sonst – und er es nicht einordnen kann
📱 Wenn du telefonierst – und plötzlich uninteressant bist
👖 Wenn du dich umziehst – und er misstrauisch wird
📺 Wenn du einfach nur fernsehen willst – und er seine eigene Vorstellung hat
🚪 Wenn du zur Tür gehst – und er weiß es lange vorher
🧴 Wenn du sauber machst – und er es für Sabotage hält
🪑 Wenn du aufstehst – und er sich sofort in deine warme Kuhle legt
🛠 Wenn du etwas reparierst – und er sofort daneben liegt, als wär’s sein Projekt
🎬 Kapitelabschluss – Alltag spricht. Du sendest. Dein Hund empfängt.
Kapitel 2 – Was du fühlst, seh ich längst
🎭 Wenn du motiviert tust – und er dich durchschaut wie ein gläsernes Würstchen
🚨 Wenn du „Locker bleiben“ sagst – und dein Körper Alarm schlägt
🏠 Wenn du heimkommst – und alles spricht
🚪 Wenn Besuch kommt – und er innerlich explodiert
Wenn du gehst – und er zurückbleibt
🌍 Wenn ihr draußen seid – und alles anders wirkt
🙈 Wenn du ihn ignorierst – und er dich zurückholen will
🌩 Wenn’s knallt – und er nicht weiß, wohin mit sich
💤 Wenn alles passt – und er einfach nur Hund sein darf
🗣 Wenn du mit jemand anderem sprichst – und er sich dazwischenschiebt
Kapitelende – Was du fühlst, seh ich längst
🐾 Kapitel 3: Zwischen den Schnauzen – Was unter Hunden wirklich abgeht
👀 Wenn Blicke sich treffen – und keiner weiß, ob’s knallt oder klickt
🐕 Wenn dein Hund fixiert – und du zur unbeabsichtigten Backup-Staffel wirst
🤝 Wenn’s gut losgeht – und dann plötzlich kippt
🌀 Wenn der andere eskaliert – und dein Hund sich auf dich verlässt
🧼 Wenn der andere übergriffig ist – und dein Hund höflich bleibt (erstmal)
🎭 Wenn Spiel kippt – und du denkst, sie raufen
🕊 Wenn zwei sich aus dem Weg gehen – und du denkst, da läuft was schief
🐾 Wenn Bindung führt – und Körpersprache übernimmt
🐾 Die Spielverbeugung
🐾 Die Nase-vor-zuerst-Begrüßung
🐾 Wenn ein Hund keine Lust auf Kontakt hat
🐾 Wenn ein Hund beschwichtigt
🐾 Der Dritte ist einer zu viel
🐾 Der Spielende, der keine Grenzen kennt
🐾 Wenn Hunde Frust aufbauen
🐾 Wenn zwei Hunde aneinander vorbeigehen
Kapitelende – Zwischen den Schnauzen: Was unter Hunden wirklich abgeht
🐾Kapitel 4 - Missverstanden – Körpersprache, die oft falsch gedeutet wird
🐕🦺 Der Wedler
🐶 Der Bauchzeiger
🐕 Der Gähner
👁 Der Fixierer
🤸♂️ Der Spielverbeuger
🐕🦺 Der Duckläufer
🌀 Der Übersprungler
🦴 Der Schwanzsenker
👅 Der Lefzenlecker
👀 Der Blickabdreher
🏃♂️ Der Hund, der nicht „spielt“, sondern „jagt“
🌀 Der „wuselige“ Hund auf dem Hundeplatz
🤚 Der „schnappende“ Hund beim Kraulen
📣 Der Hund, der beim Rufen „nicht hört“
🍑 Der „witzige“ Hintern-ins-Gesicht-Drücker
🔗 Der „sozialverträgliche“ Leinenrambo
🧍🐕🧍 Der „Kommt doch klar“-Hund in der Hundegruppe
🧊 Der Stillsteher
🪵 Der sich „anlehnende“ Hund
🧍♂️🫣 Der Hinter-dem-Mensch-Verstecker
😬 Der „lächelnde“ Hund mit zurückgezogenen Lefzen
💥 Der übereifrige Begrüßer
🚀🐶 Der „freudige“ Spring-ins-Gesicht-Typ
🪑 Der „verträumte“ Hund, der einfach nur so dasitzt 178
🙆♂️ Der sich streckende Hund
🫁 Der Hecheler bei Alltagssituationen
👃 Der schnüffelnde Hund als Fluchtstrategie
🌫 Der Blick-ins-Leere-Typ
🧾 Zum Abschluss: Verstehen beginnt im Kleinen
📚 Nachwort
Hunde reden nicht mit Worten. Sie reden mit dem ganzen Körper. Und sie tun das ständig. Ob du gerade nach Hause kommst, den Staubsauger anschaltest oder versuchst, heimlich ein Stück Käse zu essen – dein Hund kommentiert alles, was du tust. Und zwar nicht mit Gebell, sondern mit Blicken, mit Spannung, mit einem winzigen Zucken in der Rute oder der Art, wie er sich genau vor die Badezimmertür legt. Quasi auf DIN-A3-Breite. Quer.
Wenn du dachtest, Hunde seien eher stille Mitbewohner – dann hast du noch nie erlebt, was passiert, wenn du duschen willst und die Tür zu ist. Oder wenn du einfach mal länger schläfst als sonst. Plötzlich steht da jemand mit durchgestrecktem Rücken, schiefem Blick und dem Unterton von: „So war das aber nicht abgesprochen.“
Die Wahrheit ist: Dein Hund hört nicht nur, wie du redest. Er sieht, wie du bist. Und noch bevor du ein Kommando gibst, hat er längst entschieden, ob du es ernst meinst oder nur hoffst, dass es klappt. Denn Hunde hören nicht auf Worte. Sie hören auf Stimmung. Auf Energie. Auf das, was du glaubst verstecken zu können – aber mit deiner Haltung, deinem Blick und deinem Atmen in die Welt sendest wie ein schlecht verschlüsseltes WLAN.
Viele Hundehalter haben das Gefühl, dass ihre Hunde sie einfach „nicht ernst nehmen“. Aber vielleicht liegt es nicht daran, dass der Hund nicht hört – sondern daran, dass wir senden, ohne zu wissen, was wir da eigentlich ausstrahlen. Wir sagen „Hier!“ und meinen „Bitte!“, wir sagen „Aus!“ und klingen wie eine Kindergeburtstagsanimation. Oder wir sagen gar nichts – und wundern uns, warum unser Hund trotzdem reagiert. Nur eben… nicht so, wie wir wollen.
Dieses Buch schaut auf genau das: die kleinen Szenen im Alltag, in denen Körpersprache beginnt. Es geht nicht um perfekte Trainingseinheiten oder um das hundertste Kommando. Es geht darum, was passiert, wenn du dich anziehst und dein Hund plötzlich misstrauisch wird. Wenn du Besuch bekommst – und er aufdreht wie ein Teenager im Energie-Drink-Lagerverkauf. Wenn du deinen Hund rufst – und es klingt wie eine höfliche Anfrage beim Amt.
Und es geht auch um dich. Um deine Stimmung beim Spaziergang. Um deinen inneren Widerstand, wenn du schon ahnst, dass da vorne ein anderer Hund kommt. Um deine Körperspannung, die du selbst gar nicht mehr bemerkst – aber dein Hund? Der sieht sie. Der spürt sie. Der handelt danach.
Was du in diesem Buch nicht findest: wissenschaftliche Fußnoten oder Beweise in Tabellenform. Was du bekommst: Beobachtungen, Alltag, ehrliche Bilder. Situationen, in denen du denkst: „Oh. Ja. Das kenn ich.
“ Und Antworten, die nicht mit Druck kommen – sondern mit Klarheit. Mit Humor. Und mit dem Wissen, dass Körpersprache keine Esoterik ist. Sondern schlicht die älteste Sprache der Welt. Und dein Hund spricht sie fließend.
Du musst nicht perfekt kommunizieren. Aber du musst verstehen, dass du sowieso ständig kommunizierst. Und dein Hund? Der hört dir zu. Die ganze Zeit. Also – los geht’s. Kein Smalltalk. Nur Körpersprache.
Man stellt sich Kommunikation mit dem Hund ja oft vor wie ein klar strukturiertes Training. Sitz, Platz, Fuß, Belohnung. Als könnte man mit ein paar Worten und einem Klicker eine funktionierende Beziehung aufbauen. Und vielleicht funktioniert das auch – auf dem Hundeplatz. Samstags. Zwischen Agility-Tunnel und Frustrationsleckmatte.
Aber im echten Leben? Da beginnt Kommunikation nicht bei „Sitz“. Da beginnt sie beim Rascheln des Futtersacks. Beim Griff zur Leine. Beim Blick zur Uhr. Beim Geräusch, das du machst, wenn du den Staubsauger aus dem Schrank ziehst – und dein Hund sich mit einer Mischung aus Misstrauen und Drama in den Flur verabschiedet.
Denn für deinen Hund ist der Alltag nicht neutral. Er ist voller kleiner Hinweise, voller Mini-Signale, voller Situationen, in denen du irgendetwas sendest – und dein Hund irgendetwas versteht. Oder glaubt, etwas zu verstehen. Und oft liegt er damit erschreckend richtig.
Wenn du also dachtest, Körpersprache sei vor allem relevant, wenn du Kommandos gibst – willkommen in der Realität. Denn dein Hund beobachtet dich auch dann, wenn du nicht führst. Oder nicht willst. Oder gar nicht weißt, dass du gerade etwas kommunizierst.
Während du glaubst, einfach nur ins Bad zu gehen, liegt er schon quer vor der Tür, bereit, dich mit sanftem Körpereinsatz daran zu hindern, ohne ihn zu duschen. Du nennst es „Morgenroutine“. Er nennt es „Beziehungsarbeit mit Sondereinsatzlage“.
Und genau darum geht es in diesem Kapitel: Nicht um Training. Sondern um den echten Alltag, in dem Körpersprache überall ist – zwischen Kühlschrank und Kaffeetasse, zwischen Türschwelle und Sofaecke. Wir schauen auf die kleinen Momente. Die unscheinbaren. Die stillen. Die lustigen. Und die, in denen du plötzlich merkst: Dein Hund hat dich längst gelesen. Du nur noch nicht dich selbst.
Also tief durchatmen – wir gehen rein in den Alltag. Oder wie dein Hund sagen würde: „Na endlich. Ich schau dir seit Jahren dabei zu – Zeit, dass du’s auch mal siehst.“
Es beginnt wie immer. Du willst duschen. Einfach nur duschen. Warmwasser, Ruhe, vielleicht zwei Minuten ohne Verantwortung – und dein Hund? Hat den Moment längst erkannt. Noch bevor du die Badezimmertür erreichst, liegt er schon da. Lang ausgestreckt, Vorderpfoten schnurgerade vor sich, Kinn auf dem Boden. Seine Augen wandern nach oben, seitlich zu dir, ohne den Kopf zu bewegen – ein Blick wie ein stiller Kommentar: „Du willst da jetzt wirklich rein? Allein? Ohne Backup?“
Du versuchst es mit einem Lächeln. Sagst leise: „Ich bin gleich wieder da.“ Die Ohren zucken. Erst zur Seite, dann leicht nach hinten. Seine Rute bleibt am Boden, aber der Ansatz zittert ein wenig. Er steht nicht auf. Er macht sich nicht groß. Er liegt einfach nur da – wie eine Mischung aus Wachposten und passiver Blockade. Und jedes Mal, wenn du den Griff zur Türklinke senkst, folgt ihm ein kaum hörbares Ausatmen aus seiner Richtung. Kein Jammern. Kein Bellen. Nur Luft, die mehr sagt als Worte.
Du schließt die Tür. Sanft. Versuchst, kein Drama daraus zu machen. Und auf der anderen Seite beginnt das echte Theater: Du hörst, wie sich sein Körper verlagert. Krallen ticken leicht auf den Fliesen, dann liegt er. Wieder. Ganz nah an der Tür. Nase am Spalt, Nüstern weit, Atmung kurz. Er schnüffelt nicht – er scannt. Seine ganze Haltung ist flach, aber gespannt. Der Schweif klopft leise gegen den Boden, unregelmäßig, wie ein Morsecode zwischen Besorgnis und leiser Kritik.
Im Bad rauscht das Wasser. Du willst abschalten. Aber draußen liegt einer, der sich offenbar in einer Art selbsternannten Rettungsbereitschaft befindet. Kein Bellen, kein Drama – nur volle Aufmerksamkeit, dicht am Boden, wach in jedem Sinn. Du kannst ihn nicht sehen. Aber du weißt, dass er nicht schläft.
Und dann, wenn du rauskommst, steht er schon da. Kein Anspringen. Nur Präsenz. Der Kopf leicht abgesenkt, die Schultern vorverlagert, die Ohren halb seitlich gestellt – alles an ihm signalisiert: „Ich muss dich kurz überprüfen.“ Die Nase tastet sich vor, schnuppert systematisch an deinen Beinen, deiner Hüfte, dem Handtuch. Und plötzlich: ein kleiner Rückschritt. Lefzen leicht gestrafft, Stirn gezogen, der Blick – eine Mischung aus Irritation und Enttäuschung. Als hättest du dich neu programmiert. Als wärst du du – nur irgendwie… anders.
Du greifst zum Handtuch. Er weicht nicht mehr. Im Gegenteil: Mit einem leisen Seufzer klebt er an deinem Schienbein. Kopf leicht gesenkt, Körper eng, kaum Abstand. Seine Schulter drückt sich an dein Knie, die Rute schwingt tief auf Knöchelhöhe – nicht aufgeregt, sondern fordernd ruhig. Ein Moment, der nicht „Kuscheln“ meint – sondern Nähe nach Kontrollverlust.
Du wolltest nur duschen. Er hat einen Einsatz gefahren – körperlich ruhig, innerlich mit Blaulicht. Und jetzt braucht er die Rückmeldung, dass du noch dieselbe bist.
Du willst mal weg. Zwei Tage. Raus. Luftwechsel. Vielleicht endlich dieses Hotel mit Frühstück bis elf. Kein großes Drama. Nur kurz ein bisschen Freiheit. Nur… jemand im Wohnzimmer hat da ganz andere Pläne.
Denn noch bevor du den Koffer überhaupt richtig ins Blickfeld rückst, steht er da. Körperlich frontal, emotional quer. Die Stirn leicht in Falten, die Ohren vorn – und der Blick so stechend, dass du dich kurz fragst, ob du ihm versehentlich deine PIN verraten hast.
Du ziehst den Reißverschluss auf – und das war’s mit Diplomatie. Er stellt sich neben den Koffer, Pfoten fest im Boden, die Rute langsam pendelnd, wie eine tickende Uhr. Sein Maul ist geschlossen, die Nüstern arbeiten hektisch. „Das Ding hat dich letztes Mal auch schon mitgenommen. Ich kenn es. Ich beobachte es. Und wenn es nötig ist, sabbere ich drauf.“
Du willst weiterpacken – und findest deine Socken nicht. Weil sie unter seinem Kinn liegen. Und seine Pfoten drauf. Der Körper halb eingerollt, der Blick halb geschlossen, aber wachsam wie ein Grenzbeamter mit Schlafmangel. Die Botschaft ist klar: „Du reist nicht. Nicht mit meinen Socken. Und nicht ohne Schuldgefühle.“
Du wanderst durchs Zimmer, er ist direkt hinter dir. Immer. Kopf tief, Schritte exakt auf Knöchelhöhe. Keine Eile – aber auch kein Loslassen. Er bleibt so nah, dass du dich beim Packen fühlst wie in einem schlechten Film über emotionale Co-Abhängigkeit mit Unterfell. Und dann, als du das Kulturbeutel-Fach schließt, steht er plötzlich mittendrin. Im Koffer. Lang ausgestreckt. Pfoten über dem Reißverschluss. Der Blick? Totale Ruhe mit 90 % passivem Vorwurf. „Du kannst mich nicht mitnehmen? Dann nehm ich dich eben fest.“
Du versuchst, es zu ignorieren. Aber dann kommt dieser letzte, tiefe Blick. Von unten. Sitzend, Rute ruhig, Ohren weich zurückgelegt. Ein Hund, der dich nicht mehr fragt – sondern weiß. „Du gehst. Und du nimmst nur das Ladegerät. Aber nicht mein Herz.“
Zur Sicherheit bringt er dir dann noch ein Spielzeug. Oder einen alten Socken. Legt ihn exakt neben den Koffer Vielleicht brauchst du das ja im Hotel. Vielleicht brauchst du ihn. Vielleicht ist das sein Versuch, dir den Abschied zu erleichtern – oder einfach nur, dir zu zeigen: „Ich hätte auch gepackt. Wenn jemand gefragt hätte.“
Und wenn du die Leine zur Seite hängst – diese eine letzte Möglichkeit, ihn doch noch mitzunehmen – setzt er sich davor. Still. Kopf schräg. Die Rute leicht zitternd. Der Blick? Hoffnung mit eingebauter Erpressung.
Du willst eigentlich nur den Wetterbericht checken. Stattdessen stehst du da, kämpfst mit Schuldgefühlen, und fühlst dich wie ein schlechter Mensch mit einer gut gefalteten Unterhose. Und dein Hund? Der steht am Fenster. Regungslos. Fixiert dein Auto. Merkt sich dein Nummernschild. Und deine Versäumnisse.
Es beginnt, noch bevor du überhaupt sitzt. Du öffnest den Kühlschrank – und plötzlich steht er hinter dir. Nicht laut. Nicht aufdringlich. Nur da. Körper mittig, Schultern leicht vorgelagert, die Augen schon auf dem Regal mit dem Käse. Die Ohren nach vorn. Die Stirn glatt. Ein Hund, der tut, als wäre er aus Zufall in der Küche gelandet. „Ich bin zufällig hier. Und falls was runterfällt – ich bin vorbereitet. Als Dienst an der Allgemeinheit.“
Du setzt dich an den Tisch. Teller. Besteck. Du denkst, du wärst allein. Bist du aber nicht. Er steht schon da. Rücken gerade, der Blick starr auf eine Gabel gerichtet. Kein Bellen, kein Winseln. Nur Körperspannung, so still wie die Luft vor einem Drama. Die Ohren mittig, das Maul geschlossen, die Pupillen groß. Er sagt nichts – aber du spürst es. Du bist nicht mehr allein mit deinem Essen. Du bist in Verhandlung.
Du nimmst den ersten Bissen – und spürst einen Blick unter dem Tisch. Leicht gesenkt, aber messerscharf. Die Pfoten eng zusammen, der Körper regungslos, nur die Augen arbeiten. Von unten nach oben. „Ich bin gar nicht da. Nur meine Hoffnung.“
Und dann beginnt das große Kino. Ein kaum hörbarer Seufzer. Ein kurzes Zucken in der Rute. Die Lefzen beginnen zu beben. Langsam, fast würdevoll, bildet sich ein feiner Sabberfaden – schimmert kurz im Licht – und zieht sich dann mit einer stoischen Ruhe Richtung Boden, wie ein Tropfen Mitleid. „Ich kann nichts dafür. Es tropft aus mir raus. Vor Liebe. Und Pasta.“
Du legst dein Besteck ab. Nur kurz. Er zuckt. Kopf hoch, Ohren nach vorn, Körper sofort auf Spannung. Wie ein Sprinter in der Zeitlupe. Der Blick? Pure Frage: „War das ein Signal? War das… mein Moment?“
Und du denkst, du wärst noch stark. aber dann: Der Tischrand-Kauer. Er steht ganz nah, das Maul leicht geöffnet, Unterkiefer abgelegt, wie ein müder Philosoph, der sagt: „Ich erwarte nichts. Ich ruhe nur hier. Im Schatten deines Dürers.“
Du willst den letzten Bissen nehmen – da bringt er dir ein Spielzeug. Legt es exakt neben deinen Teller. Nicht hektisch. Nicht drängelnd. Ein leiser Hinweis auf Gerechtigkeit: „Ich geb dir was. Du gibst mir was. So funktioniert doch Beziehung, oder?“
Du isst fertig. Und noch bevor du den Teller zur Seite schiebst, schnuppert er systematisch am Rand. Keine Bewegung ist zufällig. Die Nase prüft, das Auge kontrolliert. Die Körperspannung ist konzentriert – wie bei einem Zollhund im Käseparadies. „Da war noch was. Ich hab’s gerochen. Ich bezeuge es mit meinem ganzen Wesen.“
Du wolltest eigentlich nur in Ruhe essen. Jetzt hast du einen vierbeinigen Ethikrat mit Sabberproblem. Und eine Gabel Schuld auf der Zunge.
Du willst nur kurz jemanden reinlassen. Einen Freund. Die Nachbarin. Den Paketboten. Aber dein Hund hat da ein anderes Drehbuch geschrieben. Eines mit dramatischem Aufbau, chaotischem Mittelteil und einem Ende, bei dem du denkst: „Hatten wir nicht mal sowas wie Regeln…?“
Es beginnt in dem Moment, in dem du denkst, dass gleich jemand klingelt. Du hast noch gar nichts gesagt – aber er steht schon an der Tür. Der Körper leicht vorgeneigt, Ohren steil, die Rute horizontal in Stellung. Die Energie ist da, bevor der Mensch es ist. Und dann: Klingel. Er rennt los. Rutscht fast in der Kurve, peitscht mit der Rute durch den Flur, das Maul offen, der Blick auf Hochspannung. „Da ist jemand! Für mich! Wahrscheinlich mit Applaus und Leckerchen!“
Du öffnest die Tür – und er schraubt sich auf zwei Beine, als wollte er dem Gast auf Augenhöhe die AGBs für’s Betreten erklären. Seine Vorderpfoten pendeln in der Luft, die Zunge hängt schon halb raus, bevor er überhaupt hallo gesagt hat. Die Schultern wippen, der ganze Körper ist ein vibrierendes „Ich bin das Empfangskomitee, die Sicherheitskontrolle und das Willkommensgeschenk – in einem.“
Kaum ist der Mensch drin, beginnt der Rundgang. Dein Hund zieht Kreise, analysiert Taschen, Schuhe, Stimmen. Die Nase in Dauerbetrieb, die Rute ein Propeller. Wenn der Besuch spricht, spricht dein Hund mit. Nicht mit Worten, sondern mit Präsenz. Er steht dazwischen. Genau dazwischen. Nicht aggressiv. Nur eindeutig. Pfote am Bein, Kopf hoch, Körperkontakt konstant. „Du kannst dich gern unterhalten. Aber du wirst mich dabei anfassen.“
Wenn der Besuch sich setzt, dauert es keine zwei Sekunden, bis dein Hund auch sitzt. Auf der Couch. Breitschultrig. Irgendwo zwischen demonstrativer Besitzanzeige und Zufallsbesetzung. Sein Blick sagt: „Mach’s dir ruhig bequem. Ich bin nur zur Überwachung hier.“
Und wenn er nicht in Laune ist? Dann hält er Abstand – aber nie ohne Kontrolle. Er zieht sich zurück, legt sich halb im Flur, aber die Ohren bleiben wach. Die Augen verfolgen jede Bewegung. Er ist nicht raus aus der Situation. Er ist nur strategisch in Deckung.