Viking Kingdom - Der Sohn des Fjords - Heidrun Hurst - E-Book
SONDERANGEBOT

Viking Kingdom - Der Sohn des Fjords E-Book

Heidrun Hurst

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine unmögliche Liebe … Der bildgewaltige historische Roman »Viking Kingdom – Der Sohn des Fjords« von Heidrun Hurst als eBook bei dotbooks. Die weiten Fjordlandschaften Norwegens im 9. Jahrhundert: Als Junge brach er mit den Drachenbooten auf, um in die Heldensagen seines Volkes einzugehen – nun kehrt Leif Svensson als Mann zurück, der gelernt hat, dass Ruhm und Schätze nicht das sind, wofür es zu kämpfen lohnt. Viel kostbarer ist für ihn die Frau an seiner Seite, die alles aufgegeben hat für seine Liebe. Aber wird die britannische Adelstochter Aryana in dem für sie so fremden, rauen Nordland einen Weg finden, um die tiefe Kluft zwischen ihren beiden Völkern zu überwinden? Schon bald entfacht ihre besondere Gabe für das Heilen Neid und Missgunst, während Leif sich den hasserfüllten Verdächtigungen seines Onkels stellen muss, dem Jarl des Clans: Wird er ihn herausfordern müssen, um das Volk in eine neue Ära zu führen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Historienroman »Viking Kingdom – Der Sohn des Fjords« von Heidrun Hurst ist der zweite Band ihrer großen Wikingersaga, die Fans von Linnea Hartsuyker und »Vikings« begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 522

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Die weiten Fjordlandschaften Norwegens im 9. Jahrhundert: Als Junge brach er mit den Drachenbooten auf, um in die Heldensagen seines Volkes einzugehen – nun kehrt Leif Svensson als Mann zurück, der gelernt hat, dass Ruhm und Schätze nicht das sind, wofür es zu kämpfen lohnt. Viel kostbarer ist für ihn die Frau an seiner Seite, die alles aufgegeben hat für seine Liebe. Aber wird die britannische Adelstochter Aryana in dem für sie so fremden, rauen Nordland einen Weg finden, um die tiefe Kluft zwischen ihren beiden Völkern zu überwinden? Schon bald entfacht ihre besondere Gabe für das Heilen Neid und Missgunst, während Leif sich den hasserfüllten Verdächtigungen seines Onkels stellen muss, dem Jarl des Clans: Wird er ihn herausfordern müssen, um das Volk in eine neue Ära zu führen?

Über die Autorin:

Heidrun Hurst, geboren 1966 in Kehl am Rhein, ging schon als Kind gerne mit Hilfe von Büchern auf Reisen in fremde Welten und ferne Zeiten. Ihr Hunger nach geschriebenen Abenteuern und Literatur wurde schließlich so groß, dass sie sich einige Jahre später selbst dem Schreiben widmete. Seitdem veröffentlicht sie historische Romane, für die sie mit Leidenschaft und Neugier tief in die Recherche längst vergangener Zeiten eintaucht.

Die Autorin im Internet:

www.heidrunhurst.de

www.facebook.com/heidrun.hurst

www.instagram.com/heidrunhurst/

Bei dotbooks veröffentlichte Heidrun Hurst ihre »Viking Kingdom-Saga«:»Viking Kingdom – Die Tochter Merciens«

»Viking Kingdom – Der Sohn des Fjords«

Auch bei dotbooks erscheint ihre »Straßburg-Saga«:»Der Teufel von Straßburg« – als eBook, Hörbuch und Print erhältlich

»Die Pestheilerin von Straßburg«

»Das Weib des Henkers«

Sowie ihre »Rheintal-Saga«:

»Die Rheintal-Saga – Die Kinder des Bergmanns«

»Die Rheintal-Saga – Im Feuer des Lebens«

»Die Rheintal-Saga – Der Beginn eines neuen Tages«

***

Überarbeitete eBook-Neuausgabe Januar 2023

Dieses Buch erschien bereits 2011 unter dem Titel »Das Opfer des Wikingers« bei mediaKern.

Copyright © der Originalausgabe 2011 mediakern

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Diese Werk wurde vermittelt von der litmedia.agency, Mühlhausen-Ehingen.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-573-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Viking Kingdom 2«an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Heidrun Hurst

Viking Kingdom – Der Sohn des Fjords

Historischer Roman

dotbooks.

Für Jochen, Kai, Torsten und Daniel

Prolog

Eine seltsame Geschichte erzählte man sich in jenen Tagen. Rätselhaft und geheimnisvoll war sie. Die Menschen tuschelten an ihren nächtlichen Herdfeuern darüber, und verbreiteten sie von den Hügeln des Fjordufers bis in die Fjells. Der große Hakon, Jarl der Siedlung am Nid, hatte plötzlich seinen Neffen als Sohn und Erben angenommen, obwohl jeder wusste, dass dessen Mutter zu diesem Zeitpunkt mit Hakons Bruder verheiratet war. Niemand wäre je auf den Gedanken gekommen, dass sie ihrem Mann ein Kuckucksei ins Nest gelegt hatte. Doch der vermeintliche Erbe nahm diese Ehre nicht an und wies die damit verbundenen Annehmlichkeiten zurück. Er war sogar aus der Siedlung ausgezogen und zu den Bauern am Fluss gegangen. Dort baute er sich ein Haus und redete von einem neuen, barmherzigen Gott, der so gar nichts mit ihren kriegerischen Göttern zu tun hatte. Ganz zu schweigen von Mut, Stärke, Ruhm und Ehre, jenen edlen Tugenden, die jeder Nordmann zu erlangen suchte. Es lag etwas in der Luft. Die Menschen fühlten, dass Dinge geschehen würden, die jetzt noch im Verborgenen lagen. Wie eine gespannte Bogensehne warteten sie, auf den nächsten Schritt. Wollte Leif seinen Vater vom Thron stürzen, oder glaubte er wirklich an das Reich des Friedens und der Liebe von dem er redete? Und was würde Hakon tun? War es nicht an ihm zu zeigen, wer der uneingeschränkte Herrscher dieser Gegend war? Doch bis jetzt hatte Hakon die Frechheiten seines Sohnes mit stummer Gleichmütigkeit ertragen. Wollte der große Jarl sich das wirklich gefallen lassen? Wartete er auf eine günstige Gelegenheit, oder war es das Alter, das langsam seine Finger nach ihm ausstreckte und an ihm zehrte? Seine Macht begann zu bröckeln. Stimmen, die früher leise gemurrt hatten wurden lauter, obwohl sie es immer noch im Verborgenen taten. Denn noch hatte Hakon die meisten Männer hinter sich, und wer wusste schon, welche Fäden die drei Spinnerinnen, die am Fuße Yggdrasils saßen, in Hakons Schicksal spannen?

Teil I

NorwegenIm Jahre 802

Kapitel 1kornskurðarmánaðr – Herbstmonat

»So fertig.« Leif Svensson betrachtete mit einem letzten kritischen Blick das Bild, das er auf den Giebel seines Hauses gemalt hatte, und den dort üblichen Tierschädel ersetzte. »Nun, was meint Ihr?« fragte er den alten Priester Cuthbert, als er von der Leiter kletterte.

»Hm …«, antwortete Cuthbert zögerlich und griff nachdenklich an sein bartloses Kinn. »Dem Schnabel nach bin ich mir nicht ganz sicher, ob es sich bei dem Vogel um einen Raben oder einen Adler handelt.«

Leif sah ihn entgeistert an. »Ist das Bild so schlecht?«

Cuthbert lächelte verschmitzt. »Nein, nein. Je länger ich es betrachtete desto sicherer bin ich mir, dass es ein Rabe ist. Ein weißer Rabe. Kein Tier könnte besser an dein neues Heim passen als dieses.«

Es war nun schon über ein Jahr her, als Hakon mit zwei Schiffen voller beutegieriger Krieger in Cuthberts Heimat, dem Dorf Rouhegy in Ostanglien eingefallen war. Zwar konnte sie Raedwald, der Herr von Rouhegy, wieder vertreiben, doch die Nordmänner hatten eine Spur aus Tod und Verwüstung hinterlassen.

Kein Wunder, dass sich der ganze Hass der Überlebenden auf Leif den einzigen Gefangenen konzentrierte, der es nur seiner Gutmütigkeit zu verdanken hatte, dass er nicht mit den anderen flüchten konnte. In der Nacht nach dem Überfall hatte Cuthbert einen Traum. Er sah Scharen von Nordmännern in sein Land einfallen. Erbarmungslose Krieger die alles niedermachten, was sich ihnen in den Weg stellte. Hoffnungslosigkeit legte sich wie eine schwere Last auf Cuthberts Seele. Sie hatten diesen Männern nicht viel entgegenzusetzen! In seinem Traum fühlte er, dass die fremden Krieger sein Volk zerstören würden. Doch ehe er gänzlich verzagte sah er einen Raben, dessen Gefieder so weiß war wie Schnee. Cuthbert konnte es sich nicht erklären, denn plötzlich fasste er neuen Mut.

Der Traum ließ den alten Priester nicht mehr los. Allmählich begriff er, dass Gott ihm damit eine Botschaft sandte. Es gab keine weißen Raben, aber Cuthbert zweifelte nicht daran, dass der Herr über Leben und Tod ein solches Tier schaffen konnte, wenn er es wollte. So wie er auch das Herz eines Heiden verändern konnte.

Immer wieder kam ihm der junge Gefangene in den Sinn, der in einer schäbigen Grube auf seine Hinrichtung wartete. Auch er war ein Heide und Cuthbert wurde immer gewisser, dass es das Herz dieses Jungen war, das Gott verändern wollte. Alles was Cuthbert tun musste war ihm die Botschaft des Evangeliums zu bringen, den Rest würde der Herr schon selbst tun.

Zusammen mit Aryana, Raedwalds Tochter, befreite er Leif und auf ihrer waghalsigen Flucht fütterte er ihn mit den Geschichten der Heiligen Schrift. Es war keine leichte Zeit, weder für Aryana noch für Leif, und auch nicht für ihn, doch am Ende geschah das Wunder: Leif nahm den neuen Glauben an und ließ sich taufen. Aus dem Heiden, der bis dahin Odin, Thor, und den anderen nordischen Göttern geopfert hatte, war ein weißer Rabe geworden. Nun waren sie hierhergekommen, um den Menschen in Leifs Heimat Gottes gute Botschaft zu bringen.

»Komm mein junger Freund«, sagte Cuthbert fröhlich. »Lass uns das Zeichen des Herrn an deiner Haustür anbringen.« Er hielt ein Holzkreuz in den Händen, das er selbst geschnitzt und an den Rändern mit hübschen Ornamenten verziert hatte. In der Mitte des Kreuzes befand sich eine dreikantig geschliffene Erhebung. Ein kläglicher Versuch den leidenden Christus darzustellen.

Einträchtig gingen sie zur Längsseite des Hauses wo sich die einzige Tür befand. Cuthbert holte vier Nägel aus einem Beutel hervor, der an seinem Gürtel hing. Vorsichtig trieb er Nagel für Nagel mit einem Hammer durch die Enden des Kreuzes und von dort in das rohe Holz der Tür. Er war noch nicht ganz fertig, als diese mit einem Ruck aufgerissen wurde.

Aldis, Leifs Mutter, starrte ihn zornig an. »Was ist das für ein Lärm?« fragte sie mit erboster Stimme. »Man könnte meinen, das Dach bricht gleich über uns zusammen.«

»Keine Angst, Mutter«, versuchte Leif sie zu beruhigen.« Das Haus ist solide gebaut. Solange kein Feuer ausbricht wird es viele Winter überdauern.«

»Und was ist das hier?« Aldis’ Stimme klang nicht sanfter, als sie anklagend ihren Finger hob und damit nach dem Kreuz stieß, das nun am oberen Drittel der Tür hing.

»Dies ist ein Kreuz«, erwiderte Cuthbert geduldig. Er war ein paar Schritte zurückgetreten, um Platz für Aryana und den kleinen Floki zu schaffen, deren Köpfe ebenfalls im Türrahmen erschienen.

»Das weiß ich selbst«, entgegnete Aldis bissig. »Doch warum befestigt Ihr es an unserer Haustür? Es hat hier nichts zu suchen!«

Aryana, die hinter ihrer Schwiegermutter stand, verdrehte überdrüssig die Augen.

»Doch das hat es«, mischte sich Leif erneut ein. Sein Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. »Es ist das Zeichen Gottes.«

»Wir dienen diesem Gott nicht.«

»Du weißt, dass das nicht stimmt, Mutter. Du dienst diesem Gott nicht, doch ich für meinen Teil tue es, und da es sich hier um mein Haus handelt wünsche ich, dass dieses Zeichen sichtbar für alle an unserer Tür hängt. Hast du verstanden?«

Aldis funkelte ihn zornig an. Sie wusste, dass sie diesen Streit nicht gewinnen konnte. Sie war die einzige im Haus, die nicht an den Lippen des Priesters hing, wenn er seine Lügengeschichten erzählte, und den Rest besorgte ihre Schwiegertochter.

Wie konnte Leif nur solch dummem Geschwätz glauben? Oh, wie sie die beiden hasste! Erbittert senkte Aldis den Kopf und griff nach der Hand ihres zweijährigen Sohnes. »Komm Floki. Lass uns wieder nach drinnen gehen. Wir haben noch viel zu tun.« Krachend schloss sie die Tür hinter sich und machte sich daran einen Korb Blaubeeren zu säubern, die sie morgens gesammelt hatte. Sie kochte vor Wut. Mühsam zwang sie ihre zitternden Hände die Beeren nicht in die flache Schütte aus Birkenleder zu schmettern, in der sie aufbewahrt werden sollten. Sonst würden sie verderben und sie bräuchte sich nicht mehr die Mühe machen, sie in der Nähe des Feuers zu trocknen. Floki hockte indessen neben seiner Mutter, stopfte sich den Mund mit Beeren voll und schmatzte behaglich vor sich hin.

Aldis beachtete ihn nicht. Sie war viel zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Die Liebe hatte ihren Ältesten blind gemacht, sie konnte nur hoffen, dass er eines Tages wieder zur Vernunft kommen würde. Wenigstens war es ihr gelungen ein dünnes goldenes Plättchen, das Knut, der Schmied, für sie angefertigt hatte, unbemerkt unter einem Pfosten des Hauses zu verstecken. Sie hatte genug von dem Silber dafür abgezweigt, das ihr Sven, ihr verstorbener Ehemann, einst als Brautgeld gegeben hatte. Den Rest hatte Leif bekommen. Sie dankte den Göttern, dass der Wert des Hacksilbers groß genug gewesen war, doch sie hätte lieber gehungert, als sich ihrem Zorn auszusetzen. Das Plättchen war winzig klein, kaum größer als ihr Daumennagel. Die dort eingeprägten Figuren stellten ein Liebespaar dar: den Fruchtbarkeitsgott Freyr und seine Ehefrau, die Riesin Gerd. Die beiden galten als Beschützer des Hauses und Aldis hoffte, dass es die Götter milde stimmen würde, wenn wenigstens einer am alten Glauben festhielt.

Leif schnaubte, als die Tür hinter Aldis zufiel.

»Du musst Geduld mit ihr haben«, sagte Cuthbert leise. »Solcherlei Dinge brauchen Zeit.«

»Ich weiß«, erwiderte Leif, »aber Ihr kennt sie ja. Sie nützt jede Gelegenheit um mir den Glauben an Gott auszureden, außerdem quält sie Aryana wo sie nur kann.«

Die kleinen, blauen Äuglein des Priesters blickten verständnisvoll. »Trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig, als zu beten und geduldig zu sein.«

Leif seufzte. »Ich weiß, dass Ihr recht habt Pater, auch wenn mir dies unendlich schwer vorkommt.«

Cuthbert nickte nachdenklich, dann lächelte er und sein Gesicht zersprang in unzählige kleine Fältchen. »Ich denke es ist an der Zeit, dass ihr beide euch ein wenig Ruhe gönnt.«

»Nun, ich weiß nicht so recht«, antwortete Leif zögernd. »Es gibt noch so viel zu tun …«

»Nichts da«, fiel ihm Cuthbert ins Wort. »Die schönste Arbeit wird beschwerlich, wenn man sich nicht gelegentlich einmal ausruhen kann. Ihr habt es euch redlich verdient. Vergesst für eine Weile eure Sorgen und genießt den Rest des Tages. Außerdem könntet ihr nach Solveig sehen und ihr helfen die Tiere heimzutreiben.« Cuthbert zwinkerte ihnen schelmisch zu, was Leif dazu veranlasste seine bloßen Zehen genauer zu betrachten. Wusste der Priester etwa, dass es auf dem Weg dorthin eine kleine verborgene Lichtung gab, wohin er sich mit Aryana manchmal zurückzog?

Aryana hingegen schien kein bisschen verlegen zu sein. »Ihr habt doch immer die besten Einfälle, Pater«, strahlte sie. »Ich hole nur schnell meinen Mantel. Es wird abends schon empfindlich kühl.«

Leif machte ein zerknirschtes Gesicht, als sie im Haus verschwand. »Meine Mutter wird nicht sehr freundlich zu Euch sein.«

»Das ist sie ohnehin nie«, erwiderte der magere Priester gelassen. »Geht nur. Ich werde schon einen Weg finden, um den alten Drachen eine Weile in Schach zu halten.«

Leif grinste schief. »Also gut. Wenn Ihr meint. Ein bisschen Zerstreuung wird uns bestimmt nicht schaden.«

Cuthbert sah den jungen Leuten lächelnd hinterher, die eilig dem Weg folgten, der sie von den Häusern wegführte. Nachdenklich kratzte er über sein eisengraues Haar, das wie ein Kranz um seinen Kopf wuchs. –Trotz des spärlichen Haarwuchses rasierte er regelmäßig seine Tonsur und schnitt das Haar, zur Belustigung der anderen Männer, nach der Art der Mönche. Er verstand, was die beiden bedrückte, denn auch ihm fiel es nicht immer leicht in diesem Land zu leben.

Er vermisste seine Heimat. Die lauen Sommernächte, die Milde des Winters, die wunderbare Landschaft, die er auf seinen Wanderungen kennengelernt hatte. Hier schien es nur das kalte Meer auf der einen und gewaltige, furchteinflößende Berge auf der anderen Seite zu geben. Raues Wasser und schroffes Gestein, untrennbar miteinander verbunden. Mit Schaudern dachte er an den letzten Winter, den er im Nordland verbracht hatte. Die beißende Kälte war ihm durch Mark und Bein gedrungen. Nicht zu vergessen, dass auch die Frostigkeit, mit der Aldis ihn die meiste Zeit bedachte, alles andere als herzerwärmend war. Ob er die große Insel der Angelsachsen jemals wiedersehen würde?

Doch dann erinnerte ihn eine innere Stimme daran, weshalb er gekommen war. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen. Leif und Aryana brauchten ihn, um das zu tun, was sie sich vorgenommen hatten: Gottes Wort unter die Menschen zu bringen, die noch nichts von ihm gehört hatten.

Mit drei vorsichtigen Hammerschlägen trieb er den letzten Nagel durch das Kreuz, dann holte er tief Luft und öffnete die Tür. Er wusste was ihn erwartete. Aldis würde ihn mit Vorwürfen überschütten und ihm den Teufel und schlimmeres an den Hals wünschen. Das war wohl der Preis, den er zahlen musste um in diesem Land zu leben.

Leif und Aryana spazierten eine Weile am Fluss entlang, der sich wie ein glitzerndes Band zum Fjord hinzog, und folgten danach dem Weg der sie zu der Waldlichtung führte, auf der Solveig die Tiere hütete. Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien warm vom blauen Himmel herab und schimmerte in den verfärbten Blättern der Bäume. Bunte Farbtupfer aus Herbstblumen leuchteten zwischen sattgrünem Gras. Man hörte das Summen der Bienen, die auf den purpurnen Blüten des Heidekrauts nach Vorräten für den Winter suchten und das vielstimmige Zwitschern der Vögel.

An solchen Tagen war es für Aryana nicht schwer dieses Land zu lieben. Doch die kühler werdenden Nächte erinnerten sie daran, dass ihnen bald ein langer Winter bevorstand, dessen Tage kurz und trostlos waren. Sie würden sich fast nur noch im Haus aufhalten, wo es unmöglich war ihrer Schwiegermutter zu entkommen. Aryana fürchtete sich vor dieser Zeit, denn es war offensichtlich, dass Aldis ihre Schwiegertochter nicht mochte, obwohl sie sich große Mühe gab ihr zu gefallen.

Der Weg, kaum breiter als eine Karrenspur, stieg nun langsam an und führte sie über sanft gewellte Hügel, von denen einer ihnen einen weiten Blick über den Fjord, Hakons Siedlung und das Dorf schenkte, das sich an die Biegung des Nid schmiegte.

»Sieh nur Aryana«, sagte Leif. Er trat hinter sie und nahm sie in die Arme. »Man kann sogar unser Haus sehen.«

»Natürlich«, entgegnete sie nüchtern. »Es steht ja auch am äußersten Ende der Reihe.«

Ein leichter Wind scheuchte trockenes Laub durch die Luft und umrahmte wie ein Schleier den Anblick der geduckten Holzhäuser, die ein Stück vor dem Tor von Hakons Siedlung lagen. Jene, deren Hallen groß und prächtig waren, schützte ein palisadengespickter Ringwall, der wie ein riesiges Vogelnest neben den bloßstehenden Häusern des Dorfes wirkte. Diesen Schutz hatten die Bauern gegen ein unabhängigeres Leben eingetauscht, in dem man sein eigener Herr war. Sie hatten lediglich die Abgaben zu entrichten, die der Jarl für die Bebauung seines Landes verlangte. Jeder, der ein neues Haus baute, bekam von der Dorfgemeinschaft eine Stelle am Rand der Siedlung zugewiesen. Sie war am schlechtesten zu verteidigen, schützte aber diejenigen, die schon länger hier wohnten.

Trotz dieser Tatsache erfüllte Leif der Anblick des Hauses mit Freude. Sie hatten es tatsächlich geschafft! Das hatten sie nicht zuletzt den Bauern zu verdanken, die sich als hilfsbereit erwiesen und alles mit ihnen teilten, was sie zum Arbeiten brauchten. So konnte Leif im letzten Frühjahr Land roden und mit einem Hakenpflug Furchen in die Erde ritzen. Die Frauen streuten Saatgut hinein und bedeckten die Körner, während Solveig und Floki die Vögel verscheuchten die sie liebend gern wieder aus dem Boden gepickt hätten. Mutters Silber hatte für die Saat herhalten müssen. Fast den ganzen Rest verbrauchten sie für Korn, ein frisch entwöhntes Ferkel – das sie bald schlachten würden – zwei Schafe und eine Ziege, Kochkessel, Pfanne und Nägel aus Knuts Schmiede.

Während sich die Frauen um Felder, Tiere und die Dinge des Haushalts kümmerten, hatte er den Wald nach ebenmäßigen Baumstämmen abgesucht, die er fällte. Dank eines Ochsengespannes, das ihm die Bauern immer dann zur Verfügung stellten, wenn sie die Tiere selbst nicht brauchten, hatte er die Stämme mit Cuthberts Hilfe zum Nid geschleift. Es war eine harte Arbeit, doch noch anstrengender war es Pfosten in die Erde zu treiben und die Stämme so zusammenzufügen, dass ein bewohnbares Haus daraus entstand. Leif musste die natürlichen Formen der Stämme berücksichtigen bevor sie übereinandergeschichtet wurden, und ihre Enden mit der Axt nach einem bestimmten Muster einkerben. So verzahnte er die Ecken der Wände ineinander, die das Haus fest und sicher hielten.

Es war ein Glück, dass die Männer des Dorfes mitanpackten, wann immer es ihnen möglich war. Zumindest bis Mittsommer, denn zu diesem Zeitpunkt ging Hakon wieder auf Raubzug, was bedeutete, dass etwa die Hälfte der Bauern mit ihm ging. So halfen nur noch wenige das Gerippe des Dachs mit Birkenrinde zu decken, doch Leif kam es trotzdem sehr gelegen, denn Cuthbert war nicht schwindelfrei und taugte höchstens als Handlanger. Über die Rindenschicht legten sie Grassoden, die jetzt im Sonnenlicht herbstlich schimmerten. Die Rinde würde den Regen abhalten, und der Grasbewuchs dafür sorgen, dass sie es im Winter warm hatten. Nachdem die Fugen der Wände mit Moos verstopft und die Herdstelle fertig war, konnten sie endlich einziehen, und mussten die Gastfreundschaft von Asvald und Helga nicht mehr länger in Anspruch nehmen, bei denen sie die letzten Monate verbracht hatten.

Das Haus war nicht größer als der Rest der Bauernhäuser, doch es bot genügend Platz für die Familie, denn außer Aryana, Mutter und Cuthbert musste er noch seine beiden jüngeren Geschwister Floki und Solveig versorgen. Die Tiere lebten, durch ein Holzgatter getrennt, im hinteren Teil des Hauses.

Nächstes Jahr würde er eine Scheune bauen, die den Wintervorrat an Heu und Stroh beherbergen konnte. Den Ertrag ihrer ersten Ernte hatten sie zum Teil im Stall und den Rest bei Asvald untergebracht. Es war nicht besonders viel. Sie würden es mit trockenem Laub und Zweigen strecken müssen, um die Tiere über die kalte Jahreszeit zu bringen.

Leifs Blick glitt weiter zu dem kleinen Vorratshaus das seit ein paar Tagen unweit des Hauses stand. Im Haus war nicht genügend Platz um alle Vorräte zu lagern. Außerdem mussten sie das Schwein schlachten, um Futter zu sparen und damit sie selbst etwas zu essen hatten. Sein Fleisch würde sich in dem kleinen Häuschen den ganzen Winter über halten.

»Es war ein harter Sommer für uns alle«, sagte Leif versonnen und sog den Duft von Aryanas Haar ein, das nach frischem Heu roch. »Aber es hat sich gelohnt.«

Durch den Stoff ihres Kleides fühlte er, wie schwer sie in den letzten Monaten gearbeitet hatte. Aus der zarten Tochter eines Adligen, gut einen Kopf kleiner als er, war eine Bäuerin geworden, doch er fand sie deshalb nicht weniger anziehend.

Sie schmiegte sich eng an ihn, nahm eine seiner großen Hände und zeichnete mit dem Finger die Schwielen und Risse nach, die sich dort gebildet hatten. »Ja, das hat es«, erwiderte sie, nicht weniger stolz als er. Der Wind strich sacht über sie hinweg. Eine Strähne, die wie poliertes Kupfer in der Sonne leuchtete, löste sich aus ihrem geflochtenen Zopf und kitzelte ihn in der Nase.

Trotz der Zufriedenheit beschlich Leif ein leises Gefühl von Sorge. Würden sie den Winter überstehen? Obwohl die Ernte nicht üppig ausgefallen war, musste ein Teil des Ertrags für die nächste Saat zurückbehalten werden. Das nötige Land, das sie für eine größere Ernte brauchten, würde er im nächsten Frühjahr roden. So lange mussten sie durchhalten und sich mit dem Wenigen zufrieden geben, das ihnen blieb.

Leif sog tief die Luft in seine Lungen. Es half alles nichts. Sie mussten den Gürtel enger schnallen. Gott sei Dank hatten sie noch das Schwein und das Korn konnte mit Birkenrinde und Eichelmehl gestreckt werden. Zur Not würde er Schneehasen oder Birkhühner jagen, denn sein großer Eibenbogen war zerbrochen. Er musste sich einen neuen bauen, und sich so lange mit einem kleineren Jagdbogen zufrieden geben, der nicht dazu taugte größeres Wild zu töten. Leif zwang sich, die unbehaglichen Gedanken zu verscheuchen. Cuthbert sagte immer, dass man mit Gottes Hilfe alles bewältigen konnte. Der Gedanke daran tröstete ihn und ließ neue Hoffnung in ihm aufkeimen. Er hatte schon so viel Gutes mit diesem Gott erlebt. Er war stärker als Odin, Thor und alle anderen nordischen Götter. Daran gab es keinen Zweifel. Nur mit seiner Hilfe war es ihm gelungen Aryana wiederzufinden, und sie zu befreien, nachdem sie von fremden Nordmännern verschleppt wurde. Und nun hatten sie ein Dach über dem Kopf und wenigstens das nötigste zu Essen. Gott war wie ein starker Gefährte an seiner Seite, wie ein Freund auf den man sich verlassen konnte. Und Leif war sich in diesem Moment ganz sicher, dass sich dies auch in Zukunft nicht ändern würde.

Sacht legte er sein Kinn auf Aryanas Scheitel, bevor er die Arme noch fester um sie schlang. »Dort unten«, sagte er, »auf jenem fruchtbaren Stück Erde werden wir das Land bebauen, unsere Kinder großziehen und Gottes Liebe in die Herzen der Menschen tragen. – Und nichts und niemand wird uns daran hindern.« Er drehte sie zu sich herum, küsste sie auf den Mund und strich zärtlich über ihr herzförmiges Gesicht. Die grünen Katzenaugen, von denen eines ein wenig höher als das andere stand, blickten ihn voller Sehnsucht an. Jede Faser seines Körpers zog ihn zu ihr hin. Er liebte sie, wie er noch nie zuvor einen Menschen geliebt hatte. »Komm«, sagte er, »lass uns zu der kleinen Lichtung gehen, wo wir vor allen neugierigen Blicken verborgen sind.«

»Ich dachte, du wolltest nach Solveig sehen«, neckte sie ihn.

»Ooch, das hat Zeit«, erwiderte er ohne großes Interesse. Er hatte besseres im Sinn, denn das Glück war wie eine launische Gefährtin. Man musste es festhalten, solange man es vermochte.

Die Lichtung war an ihrer breitesten Stelle nicht mehr als 12 Schritt lang. Der ideale Platz für zwei Menschen die ungestört sein wollten. Ein Saum aus dichten Büschen und Bäumen umschloss die freie Fläche, die mit Moos und einzelnen Grasbüscheln bewachsen war. Nur durch ein kleines Schlupfloch konnte man in ihr Inneres vordringen. Sie lagen auf dem weichen Waldboden und genossen die letzten Strahlen der Sonne die immer mühsamer ihren Weg durch das kreisrunde Loch fand, das sich über ihnen öffnete. Die Luft war erfüllt von dem Geruch nach feuchter Erde und Laub. Am Fuß einer alten Eiche wuchs eine Flut gelber Pilze, die wie ein Teppich die knorrige Wurzel bedeckten.

Aryana räkelte sich wohlig unter dem Mantel, den Leif über sie beide gebreitet hatte, und genoss die seltene Ungestörtheit. Er hatte sich eng an sie geschmiegt, die Lider versonnen geschlossen. Eine Waldamsel huschte unbemerkt, auf der Suche nach Würmern, an ihnen vorbei. Aus der Ferne hörte man das hohle Dröhnen eines Spechts, der seinen Schnabel in einen Baumstamm hämmerte.

Aryana betrachtete Leif zärtlich, schob träge ihren Arm unter dem Mantel hervor und strich ihm das wirre, goldfarbene Haar aus dem Gesicht.

Sie waren so gut wie nie allein. Die meisten Langhäuser der Nordmänner besaßen nur einen einzigen Raum in dem man tagsüber arbeitete und nachts schlief. Früher hatte sie das nie gestört, denn auch ihr Schlafplatz befand sich neben Knechten, Mägden und den Familien der Krieger im Palas ihres Vaters. Doch seit sie verheiratet war sehnte sie die kleine Kammer ihrer Eltern herbei, die ihnen allein zur Verfügung stand. Ein seltener Luxus, selbst im Land der Angelsachsen, und nur deshalb möglich, weil ihr Vater einst ein großes Haus besessen hatte. Die Sehnsucht durchzuckte sie wie ein Blitz. In aller Deutlichkeit sah sie die Siedlung vor sich, die von einer hohen Dornenhecke umgeben war, das Marschland und den Colne, der an ihrem Zuhause vorbeifloss. Nein! Sie zwang sich von diesen Gedanken Abschied zu nehmen. Sie hatte dort keine Heimat mehr. Ihre Eltern waren tot. Die gesamte Familie von den Nordmännern ausgerottet. Nur sie allein war übriggeblieben. Leif war nun ihre Heimat, der Mann den sie liebte, und der sie in dieses raue, sonderbare Land gebracht hatte.

»Was denkst du?« fragte Leif träge.

»Oh, nichts Besonderes«, antwortete sie leichthin.

Seine Muskeln spannten sich für einen kurzen Moment an. Er schien zu fühlen, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte.

»Wie es wohl Bronagh gehen mag?«, fragte sie kurz darauf. Sie spürte, wie Leif ahnungslos mit den Schultern zuckte. Die arme Bronagh! Sie war Hakons Sklavin. Keiner wusste, was mit ihr geschehen war. Hakon hatte sie auf sein Schiff geschleppt, kurz bevor er mit seinen Männern abfuhr. Niemand konnte ihr helfen. Die Drekis waren schon in See gestochen, als Bard ihnen die schlechte Nachricht brachte. Seither lief er wie ein verwundetes Tier durch die Gegend.

»Ich wünschte wir könnten etwas für sie tun.«

»Wie willst du das anstellen?« entgegnete Leif. »Selbst wenn wir wüssten, wo sie ist, könnten wir nicht genügend Hacksilber aufbringen um sie zurückzukaufen. Und Bard ist ein Sklave. Hakon würde ihn töten, wenn er jemals die Siedlung verlässt um nach ihr und seinem Sohn zu suchen.« Leif war sich sicher, dass der Kleine nicht von Hakon, sondern von Bard stammte, denn er war ihm mit jedem Tag ähnlicher geworden. Möglich, dass auch Hakon diese Tatsache nicht entgangen war.

»Ich weiß es ja selbst«, erwiderte Aryana. »Aber vielleicht gibt es im Lauf der Zeit noch einen anderen Weg. Einen der jetzt noch verborgen ist. Gottes Wege sind unerforschlich.«

»Ja, das sind sie in der Tat«, sagte er und küsste sie ausgiebig.

Bald darauf kamen die Drekis zurück. Hruts Tante Unn eilte mit ihrer Tochter Halla neben Frauen, Kindern und Alten zu dem natürlichen Hafen, den seit kurzem zwei neue Bootshäuser zierten. Der Tag war düster. Bleierne Wolkenbänke durchzogen den Himmel und der Rauch der Kochfeuer hing wie ein schwarzer Kriegsschild über den Häusern. Keine guten Vorzeichen für die Ankunft der Männer. Ein ungutes Gefühl schlich sich in Unns Bauch. Beim letzten Raubzug waren mehrere Krieger gestorben.

Sigrid, die Frau des zweiten Schiffsführers, traf es damals besonders hart. Sie hatte Mann und Sohn verloren, und somit alles was von ihrer Familie noch übrig war. Unn schluckte schwer bei dem Gedanken, dass ihr das gleiche passieren könnte. Sie hatte zwar keinen Sohn auf den Schiffen, doch Hrut war ihr ebenso sehr ans Herz gewachsen wie ihre beiden erwachsenen Töchter. Und Rollo, ihr Mann, war nicht mehr der Jüngste. Sie sorgte sich jedes Jahr mehr, wenn er auf große Fahrt ging.

Die Ruder der näherkommenden Schiffe durchpflügten in kräftigen Zügen das graue Wasser. Hier und da wurden Rufe laut. Kurz darauf dröhnte der klagende Schall eines Horns durch den Fjord. Die Menschen am Ufer winkten und erwiderten ihn mit lautem Jubel.

Halla stemmte beide Hände in ihren Rücken, und schob stöhnend den schweren Bauch nach vorne. Unn bedachte sie mit einem Kennerblick. Es würde nicht mehr lange dauern bis Hallas erstes Kind zur Welt kam. »Du hättest besser im Haus bleiben sollen.« sagte sie besorgt.

Halla schnaufte wie ein ausgepumptes Pferd, doch sie dachte nicht daran umzukehren. »Ich gehe erst zurück wenn ich weiß, dass es Sverri gut geht«, erwiderte sie trotzig.

»Er ist jung und stark. Ihm wird schon nichts passiert sein.« Unn hoffte, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen, während sie durch das bunte Knäuel der hin– und herwogenden Menge einen Blick auf die Männer zu erhaschen suchte. Ein Anker wurde klatschend über Bord geworfen. Kurz darauf sprangen die Krieger ins hüfthohe Wasser und wateten ans Ufer. Die Möwen schienen nur darauf gewartet zu haben. Die mutigsten unter ihnen setzten sich frech auf das Dollbord, um nach leichter Beute zu spähen. Die Luft roch nach Seetang und dem Schweiß der Menschen, die sich immer enger um Unn und Halla drängten.

»Lasst ihr ein wenig Platz zum Atmen«, rief Unn. Energisch schob sie ein paar Halbwüchsige aus dem Weg, die noch zu jung für die Seefahrt waren. »Komm lass uns zur Seite gehen.« Sie nahm den Arm ihrer Tochter und zog sie von den anderen weg. Halla war seit einem Jahr mit Sverri verheiratet. Sie wohnten im gleichen Langhaus wie Unn, Rollo und Hrut. Hallas ältere Schwester lebte mit ihrem Mann auf einem Hof in den Fjells.

Plötzlich entdeckte Unn wonach sie suchte: »Dort vorne ist dein Vater«, rief sie erleichtert und winkte dem lachenden Rollo zu, der mit Hrut und Sverri schon auf dem Weg zu ihnen war. Gegen die anderen Männer wirkte Rollo klein und schmal, aber drahtig. Sein langes Haar, das er zu einem Zopf zusammengebunden hatte, war grau. Nur ein paar braune Flecke im Bart erinnerten an seine eigentliche Haarfarbe.

Sverri kam ihnen mit schnellen Schritten entgegen. »Bei allen Göttern«, rief er, als er das volle Ausmaß seiner Frau zu Gesicht bekam. »Dein Bauch ist dicker als ein Bierfass!«

Halla stieß ihm angesichts dieses Kompliments mit einem teuflischen Grinsen den Ellbogen die Rippen. »Das ist ganz allein deine Schuld, Liebster«, flötete sie. Die Umstehenden lachten, während Sverri pfeifend die Luft aus den Lungen stieß, bevor er Halla versöhnlich umarmte.

Überall erklangen fröhliche Stimmen und Gelächter. Kinder sprangen wie kleine Ziegenböcke um ihre Väter herum und verursachten hier und da ein Durcheinander, doch niemand schien ihnen heute böse zu sein.

»Odin sei Dank, der euch unbeschadet zu uns zurückgebracht hat.« Unn musterte ihre drei Männer vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Sie schienen gesund und munter zu sein. »Ich bin froh euch wiederzusehen.«

»Ach was«, erwiderte Rollo leichthin. »Du sorgst dich viel zu sehr. Dieses Mal war es ganz leicht. Wir haben keinen einzigen Krieger verloren und trotzdem reiche Beute gemacht.« Er legte ihr liebevoll den Arm um die fülligen Schultern. Unn betrachtete ihn zärtlich von der Seite. Rollo war ein guter Mann, doch sein Aussehen strafte ihn Lügen. Das wettergegerbte Gesicht unter dem grauen Schopf zeigte tiefere Falten, und die Krähenfüße unter seinen Augen dehnten sich mehr aus als zuvor, wenn er lachte. In Gedanken ging sie die Schätze ihrer Vorratskammer durch. Etwas Gutes zu Essen und eine warme Schlafbank würden ihm jetzt gut tun.

»Was gibt es heute zu Essen Tante?« Unns Blick glitt hinüber zu Hrut. Ihr Neffe schien Gedanken lesen zu können. »Ich könnte einen ganzen Bären verschlingen«, seufzte er und verzog dabei gequält das entstellte Gesicht. »Wir haben seit Tagen nichts Anständiges mehr zwischen die Zähne bekommen.«

»Ein Bär ist mir zwar keiner über den Weg gelaufen«, schmunzelte Unn. »Aber wir haben noch Fischsuppe übrig, die ich dir mit Gerstengrütze verfeinern kann.«

Sie konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als sich Hruts Gesichtsausdruck angesichts ihrer Worte dramatisch verschlechterte. Doch schon im nächsten Augenblick verwandelte sich seine leidende Miene in fasziniertes Staunen. Er schien seinen Hunger vergessen zu haben, stattdessen glotzte er wie ein Tölpel auf etwas hinter ihr. Als sie den Kopf drehte, erkannte sie den Grund für Hruts Sinneswandel: Ein Mädchen von fünfzehn Wintern, das neugierig die ihr unbekannten Krieger musterte.

Unn seufzte leise. Dieses Mädchen würde die Aufmerksamkeit sämtlicher junger Männer auf sich ziehen, doch sie war sich sicher, dass ihr Neffe nicht die geringste Chance hatte ihre Gunst zu erwerben.

Hrut stockte beim Anblick von so viel Schönheit der Atem. Das schmale Gesicht mit den hohen Wangenknochen war vollkommen. Große blaue Augen, die den Ausdruck eines staunenden Kindes hatten, stachen daraus hervor und passten zu dem weizenblonden Haar, das schwer über zarte Schultern fiel. Sie war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte. Plötzlich hefteten sich ihre Augen an die seinen. Sie schien bemerkt zu haben, dass er sie beobachtete. Ihr Blick durchfuhr ihn wie ein Blitz und er sah schnell weg, bevor er sich zum Narren machte.

»Wer ist das?« raunte er seiner Tante ins Ohr.

»Oh, das«, sagte Unn zerstreut, als ob sie von den Blicken ihres Neffen nichts bemerkt hätte. »Das ist Svanhild, die Nichte von Knuts Frau. Sie wohnt jetzt bei ihnen.«

Auch Hakon gefiel das Mädchen. Obwohl die Augen in ihrem hübschen Gesicht vor Staunen fast überquollen, war ihre Haltung anmutig und gerade. Sie trug eine einfache Tunika aus ungefärbtem Wollstoff, die lediglich mit einem Gürtel geschmückt war, und bis zu den Knöcheln reichte. Der Stoff zeichnete ihren voll entwickelten Körper darunter ab, der jedoch so schmal und zerbrechlich wirkte, als wäre sie nie in den Genuss eines reich gedeckten Tischs gekommen. Etwas mehr Speck auf den Hüften würden ihr nicht schaden, dachte Hakon. Neben Knuts dicker Frau, die das Mädchen wie eine Glucke bewachte, wirkte sie wie ein Weidenröschen neben einer Eiche. Hakon grinste in sich hinein. Er würde dem Schmied bald einen Besuch abstatten müssen, um sich die Kleine genauer anzusehen.

Wie üblich machte sich Hakon daran, die Beute des Raubzugs an Ort und Stelle zu verteilen. Es war mehr als genug, denn dieses Mal hatte er es nicht nur auf Gold und Silber abgesehen, sondern sich die lebenden Reichtümer der Angelsachsen zunutze gemacht: junge, kräftige Männer und hübsche Mädchen. Er hatte einen Umweg in Kauf genommen und war mit Bronagh nach Hedeby gefahren,einem Handelsplatz der Dänen, von dem er durch andere Nordmänner gehört hatte. In Hedeby gab es Sklavenhändler aus den verschiedensten Gegenden der Erdscheibe. Dort hatte er seine einstige Lieblingssklavin an einen hageren Mann, mit einer großen Hakennase und einer Haut, die an gegerbtes Ziegenleder erinnerte, verkauft. Der florierende Sklavenhandel der Siedlung beeindruckte Hakon. So beschloss er es selbst mit diesem Geschäft zu versuchen, und war mit seiner Beute noch einmal nach Hedeby zurückgefahren, um die kleine Schar gefangener Menschen dort zu verkaufen.

Zwei seiner Männer brachten nun eine Truhe an Land, in der sich die Beute und das Hacksilber befanden, dass er für die Sklaven bekommen hatte. Hakon stellte sich neben den großen Kasten aus Eichenholz und blickte mit seinen eisgrauen Augen gebieterisch in die Runde. Er war groß, kräftig und immer noch stattlich gebaut, obwohl das Alter auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen war. Er hatte schon fünfundvierzig Winter hinter sich, und nun wurden seine einst dunklen Locken von silbernen Fäden durchzogen.

Auf Hakons Zeichen hin öffneten die Männer den Deckel, damit ihr Inhalt sichtbar wurde. Ein Raunen ging durch die Zuschauer, obwohl jeder wusste, dass ihr Jarl den größten Teil der Beute für sich behalten würde. Er griff in die Truhe, holte eine Handvoll Silber heraus und hob es der Menge bedeutungsvoll entgegen.

»Dieses Silber wird uns dazu verhelfen ein weiteres Schiff zu bauen«, rief er in die Runde. »Ein Schiff mit einer neuen Mannschaft, die es uns ermöglicht noch reichere Beute zu machen.«

Das Raunen verstärkte sich. »Doch zuvor müssen Opfer gebracht werden«, sprach Hakon weiter. »Ich brauche Männer die noch vor dem Winter Holz schlagen und Ingjald zur Hand gehen, wenn er das Schiff in der Nähe unserer Bootshäuser baut.« Er wies mit der Hand auf die beiden Häuser, deren Form an ein auf den Kopf gestelltes Schiff mit einem mächtigen Bauch erinnerte. Sie waren groß genug um ein ganzes Langschiff darin unterzubringen. Hakon hatte sie errichten lassen, damit die Drekis ein geschütztes Winterquartier besaßen. »Ich brauche Frauen, die zusätzliche Segel und Taue herstellen«, sprach er weiter. »Und wir werden aus anderen Siedlungen das herbeischaffen müssen, was an größeren Vorräten benötigt wird. – Seid ihr dazu bereit?«

Ein kräftiges »Ja« erklang aus unzähligen Mündern. Die Menschen wussten, dass der Wohlstand der Siedlung ganz entschieden von ihrer Mithilfe abhing. Sie würden die Opfer bringen und wenn Hakons Plan aufging, hatten auch sie etwas davon.

Anschließend verteilte Hakon die Beute nach der Rangfolge seiner Männer, und machte sich dann auf zu seiner Halle.

In diesem Moment platzte Hallas Fruchtblase. Sverri wurde kreidebleich, als er die blutige Pfütze sah, die sich unter dem Rocksaum seiner Frau rasch vergrößerte.

»Trag sie ins Haus, während ich die alte Erindís hole!«, herrschte Unn ihren Schwiegersohn an. »Dein Sohn hat eben beschlossen zur Welt zu kommen.«

Hakon konnte es kaum noch erwarten sich auf seiner gemütlichen Schlafbank auszustrecken. Sein Körper war bis zur Schmerzgrenze erschöpft. Du wirst alt, – alt und grau, dachte er wohl zum hundertsten Mal, und fuhr sich wie zur Bestätigung über den Bart, in dem sich mehr silberne als dunkle Haare fanden. Im Gehen betrachtete er sein rechtes Handgelenk, das ihn in den letzten Wochen erheblich geplagt hatte. Oft konnte er nur mit Mühe das Ruder halten. Er schnaufte verächtlich. Sein ganzes Leben hatte er sich stark und unbesiegbar gefühlt, doch nun schwanden seine Kräfte dahin wie Wasser aus einem löchrigen Kübel, und er konnte nichts dagegen tun. Die Ausweglosigkeit seiner Lage machte ihn mürrisch. Sie passte nicht zu seinen Plänen, denn es gab noch so viel zu tun.

Die drei Sklavinnen begrüßten ihn unterwürfig. Keine erkundigte sich nach Bronagh, obwohl er ihnen ansah, dass sie fast vor Neugierde platzten.

»Bringt mir Essen und Met«, knurrte er und ließ sich von Inga die nassen Stiefel ausziehen, während Vigdis und Raghild ihm eilig ein Horn mit Met und eine Schüssel mit gekochtem Fleisch und zerstampften Erbsen brachten.

Er gestand es sich nicht gern ein, aber Bronagh fehlte ihm. Vielleicht war sie die Quelle seiner Kraft gewesen? Doch es musste sein. Er musste sie wegschicken, wenn er die unangenehme Erinnerung an jene Zeit auslöschen wollte, in der Aldis bei ihm gelebt hatte. Aldis, die Frau die er einst liebte – aber auch die größte Enttäuschung seines Lebens war.

Ausgerechnet Bronagh war diejenige gewesen, die sich regelrecht mit Aldis verbündet hatte. Deshalb hatte sie gehen müssen. Er sah sie noch vor sich. Ihre zierliche Gestalt, die rotblonden Haare und die grünen Augen, die stumm darum bettelten ihr, und dem kleinen Jungen in ihren Armen, dieses Leid zu ersparen, während der adlergesichtige Sklavenhändler sie mit lüsternen Augen anstarrte. Er hatte darüber hinweggesehen. Mitleid war etwas für Skrälinge und er würde nie ein Skräling sein. Zornig wischte er die Gedanken an Bronagh fort.

Stattdessen träumte er von dem blonden Mädchen, als er sich nach dem Essen auf seiner Bank ausstreckte, um seine müden Knochen vom Feuer wärmen zu lassen. Er rief sich jede Einzelheit ihres hübschen Gesichts in Erinnerung. Die ebenmäßigen Züge, die großen, kindlichen Augen, und das dichte, helle Haar. Ihren jungen, zarten Körper. Er spürte, wie er hart wurde und neue Kraft in seinen Körper floss. Er musste dieses Mädchen haben. Jetzt auf der Stelle! Doch selbst ein Jarl hatte den Anstand zu wahren. Knuts Frau würde sie nur dann mit ihm allein lassen, wenn er deutliche Heiratsabsichten bekundete, doch Hakon dachte nicht daran zu heiraten. So begnügte er sich stattdessen mit Inga deren Haare ebenso blond wie die Svanhilds waren.

Ein paar Tage später steuerte Hakon auf das Haus des Schmieds zu. Knuts Werkstatt lag still da. Hakon grinste verstohlen. Auch der Schmied wurde älter und gönnte sich noch ein wenig Ruhe, bevor er seine Arbeit wieder aufnahm. Hakon klopfte an die Tür. Das blonde Mädchen öffnete ihm.

Sie stutzte, als sie in ihm den Jarl der Siedlung erkannte, und senkte sittsam die Augen. »Ich grüße Euch, Herr. Was wünscht Ihr?« fragte sie höflich. Ihre Stimme war ebenso lieblich wie ihre Erscheinung.

Hakon lächelte entwaffnend, während seine grauen Augen sie aufmerksam musterten. »Nun, eigentlich wollte ich den Schmied besuchen. Ich muss mich wohl im Haus geirrt haben, denn noch nie hat mir ein solch hübsches Mädchen die Tür geöffnet.«

Svanhild errötete. »Oh nein«, erwiderte sie. »Ihr habt Euch nicht geirrt. Knut ist mein Onkel.« Sie ging einen Schritt zur Seite und lud ihn mit einer Geste ein, das Haus zu betreten.

Knut hatte sich zu einem tüchtigen Schluck Bier niedergelassen und genoss die wohltuende Abwesenheit seiner Frau, einer meist übel gelaunten Matrone. Er ließ sich das Horn noch einmal von Svanhild füllen, dann hielt er es Hakon hin. Sie sprachen eine Weile über das Wetter und den neuesten Klatsch in der Siedlung. Innigund, die Frau von Thorbrand Steinbeißer, war sich mit Björns jungem Eheweib in die Haare geraten, weil diese ihren Sohn einen Taugenichts genannt hatte. Ein Wort gab das andere und schließlich schlug Innigund ihrer Gegnerin so fest ins Gesicht, dass deren Nase brach. Björn kochte vor Wut. Er verlangte eine Entschädigung für die malträtierten Züge seiner Frau. Ihre Nase würde vermutlich nie wieder gerade werden, aber Thorbrand dachte nicht daran, zu bezahlen.

»Ich werde einschreiten müssen«, entgegnete Hakon, »bevor aus dem Streit eine Blutfehde wird. Björn und Thorbrand sind beide gute Männer. Ich kann es mir nicht leisten auch nur einen von ihnen zu verlieren.«

»Besser du legst ein Knochengeld fest, ehe sie sich gegenseitig erschlagen«, erwiderte Knut zustimmend. Dann lenkte er das Gespräch auf den eigentlichen Grund für Hakons Besuch. »Was führt dich zu mir?« fragte er ohne Umschweife.

Hakon genehmigte sich noch einen Schluck, bevor er antwortete. »Ich brauche Eisennieten und alles was Ingjald sonst noch an geschmiedeten Teilen für das neue Schiff benötigt.«

»Ich werde mich darum kümmern.« Ein Ast im Feuer fiel funkensprühend in sich zusammen. Knut betrachtete nachdenklich die tanzenden Punkte, die wie funkelnde Sterne nach allen Seiten stoben. »Du wirst mehr Krieger brauchen, um noch ein Dreki zu bemannen.«

»So viele werden es nicht sein. Das Schiff soll einen größeren Frachtraum als die anderen Schiffe bekommen. Dieser wird auf Kosten der Riemen gehen. Wenn erst einmal bekannt wird, dass der große Hakon ein neues Schiff baut, werden junge Männer, die ihr eintöniges Bauernleben satt haben, wie die Fliegen ins Tal kommen um einen Platz an diesen Riemen zu ergattern.«

Knut nickte, ohne dabei zu übersehen, dass Hakon nicht ganz bei der Sache war. Er folgte Hakons Blick und erkannte den Grund für seine Unaufmerksamkeit. So war das also. Der alte Hahn konnte das Balzen nicht lassen. »Die Nichte meiner Frau«, sagte er mit einem knappen Nicken in Svanhilds Richtung, die mit flinken Händen den Webrahmen bediente. »Ihr Name ist Svanhild. Bis vor Kurzem wohnte sie auf einem Bauernhof in den Fjells. Thora hat sie zu sich geholt, nachdem sie meinen Vater eines Morgens tot auf seiner Schlafbank fand. Es wird langsam Zeit, dass das Mädchen heiratet. Hier hat sie bessere Aussichten auf eine anständige Vermählung als auf dem abgelegenen Hof ihrer Eltern. Überdies haben die beiden noch genügend Mäuler zu stopfen. Sie hat zehn Geschwister.«

»Zehn Geschwister«, Hakon schnalzte anerkennend mit der Zunge. »Ihr Vater scheint mir ein tüchtiger Mann zu sein.«

Oder ein Narr, dachte Svanhild erbost, deren scharfe Ohren jedes Wort gehört hatten. Wie konnte Mutter nur so dumm sein, einen Mann zu heiraten, der über so wenig Besitz verfügte? Dennoch zeugten ihre Eltern jedes Jahr ein Kind. Ihre Mutter musste hart arbeiten, um die vielen Mäuler auch nur halbwegs zu stopfen. Mit jeder Geburt schmolz ihre einstige Schönheit ein wenig mehr dahin und ihr Vater machte keine Anstalten dem Kindersegen ein Ende zu setzen. Nun war sie eine alte, ausgemergelte Frau von gerade mal dreißig Wintern. Svanhild war sich sicher, dass sie das nächste Jahr nicht überstehen würde.

Sie selbst erinnerte sich noch gut an das bohrende Gefühl eines nur halbgefüllten Magens. Nichts konnte schlimmer sein! Wie schon viele Male zuvor, schwor sie sich, dass ihr das nicht passieren würde. Niemand würde ihr so etwas antun. Ohne es zu bemerken, verengten sich ihre Lider zu schmalen Schlitzen. Sie presste die Lippen fest aufeinander und reckte entschlossen das Kinn. Ein berechnender Ausdruck lag plötzlich auf ihrem lieblichen Gesicht. Sie wusste weshalb sie hier war. Doch sie hatte nicht vor sich der Herrschaft eines Mannes zu unterstellen, schon gar nicht der eines armen Schluckers, wie es ihr Vater war. Sie würde einen reichen Mann heiraten und die Fäden in der Hand halten, so wie die Spinnerinnen, die am Fuße Yggdrasilssaßen und das Schicksal der Menschen spannen.

Während der wenigen Wochen, in denen sie hier wohnte, hatte sie herausgefunden, dass der Jarl noch nie eine Ehe geführt hatte. Vielleicht gelang es ihr, das zu erreichen, was anderen versagt geblieben war? Zwar war er nicht mehr der Jüngste, doch er schien nicht unempfänglich für ihre Reize zu sein.

»Bring uns mehr Bier«, schreckte Knut sie aus ihren Gedanken.

Svanhilds Miene änderte sich schlagartig und nahm einen lieblichen Ton an, als sie den beiden Männern nachschenkte.

Hakon war die Veränderung ihres Gesichts nicht entgangen. Die Kleine schien nicht so harmlos zu sein, wie sie vorgab.

»Ich möchte deine Nichte um einen Gefallen bitten«, sagte er zu Knut, bevor Svanhild sich wieder abwenden konnte. Ihre blauen Augen musterten ihn erwartungsvoll. »Geh zu Hrut Thorkilsson und richte ihm aus, dass ich ihn heute noch sprechen will.«

Es klopfte an der Tür. Halla, die mit ihrem schreienden Säugling auf und ab ging, und ihm dabei begütigend den Rücken tätschelte, öffnete mit glasigen Augen. Ihre Mutter hatte Recht behalten. Sie hatte einen Sohn geboren, doch der Kleine schrie ohne Unterlass und strapazierte die Nerven der Familie aufs Äußerste.

Halla gähnte erschöpft. Sie hatte seit der Geburt, die erstaunlich leicht verlaufen war, so gut wie nicht mehr geschlafen. »Du genießt den besonderen Schutz der Götter«, meinte Unn anerkennend, nachdem das kleine verschrumpelte Wesen so schnell aus ihrem Körper geschlüpft war, das sie es kaum bis zur Schlafbank schaffte. »Möge ihre Gunst bei dir bleiben, und dir noch viele Kinder schenken.« Nach den Anstrengungen der letzten Tage war sich Halla nicht mehr so sicher, ob ihr in diesem Fall viel daran gelegen war.

»Hrut, du hast Besuch«, rief sie, nachdem Svanhild ihr erklärt hatte, warum sie hier war.

Hrut riss erstaunt die Augen auf, als er Svanhild im Türrahmen entdeckte. Sogar Unns Brauen schnellten angesichts dieser Überraschung in die Höhe.

»Komm nur herein«, sagte Halla freundlich und wies mit einer einladenden Geste ins Hausinnere. Hrut erhob sich nervös von seiner Bank, während Svanhild eintrat. Der rußgeschwärzte, dunkle Raum machte sie nach der Helligkeit des Tageslichts, das draußen herrschte, fast blind. Sie konnte kaum etwas erkennen. Mit vorsichtigen Schritten ging sie auf den Mann zu, der neben dem Feuer stand.

»Bist du Hrut Thorkilsson?«

In Hruts Bauch schienen Schmetterlinge zu tanzen, als er in die großen Augen blickte, die im Schein des Feuers so blau wie der Sommerhimmel schimmerten. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, das ihn alles andere vergessen ließ. Hrut räusperte sich: »Ja …, der bin ich.«

Ihr Anblick war bezaubernd. Er besaß gerade noch genug Verstand, um zu sehen wie sich ihre Lider in dem Augenblick verengten, in dem sie sich an das flackernde Licht des Feuers gewöhnt hatten. Sie verbargen nur dürftig den Schreck, als ihr Blick auf seine entstellte Gesichthälfte fiel. Natürlich! dachte Hrut erbittert. Sie würde ihn genauso wenig anziehend finden, wie alle anderen Mädchen. Selbst sein Bart konnte die verbrannten Stellen in seinem Gesicht nicht vollständig verdecken, da er dort nur spärlich wuchs.

»Was willst du von mir?« fragte er barsch.

Svanhilds Mund verwandelte sich in einen Strich. Sie blickte hastig zu Boden. »Der Jarl schickt mich«, erwiderte sie kühl. »Er möchte dich heute noch sehen.«

Ohne einen Gruß drehte sie sich um und verließ das Haus.

Hrut biss so fest die Zähne zusammen, dass sie schmerzten. Heißer Zorn schoss ihm in die Magengrube und verbreitete sich bis in seine Glieder. Dein Geschick bei Frauen ist kaum noch zu unterbieten, dachte er voller Wut. Sein Gesicht gefror zu der Maske, die seiner Familie wohlvertraut war.

Unn bedachte ihre Tochter mit einem bedeutsamen Blick, doch beide zogen es vor den Mund zu halten, während Hrut sich ärgerlich murmelnd auf die Bank fallen ließ und damit fortfuhr einen neuen Holzlöffel zu schnitzen.

Hrut war schlecht gelaunt, als er auf Hakons Langhaus zusteuerte. Ein leichter Regen benetzte seine Tunika aus grobem Wollstoff. Er wischte die Tropfen ärgerlich fort. Die Begegnung mit Svanhild ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Warum war er nur so grob zu ihr gewesen? Er war ein Dummkopf, ein nichtsnutziger Trottel! Schließlich konnte sie nichts dafür, dass er hässlich war. Hrut war es gewohnt, dass die Leute bei seinem Anblick erschraken. Doch dieses Mal bekümmerte es ihn mehr als sonst.

Raghild, wie immer tadellos gekleidet, öffnete ihm die Tür und führte ihn in die große Halle, deren Anblick Hrut mit Ehrfurcht erfüllte. Er schritt zwischen den mit Schnitzereien verzierten Pfeilern hindurch bis zum Feuer, das die Sklavinnen in einem Teil der großen Herdstelle entzündet hatten.

Dort saß Hakon auf seiner Schlafbank. Er begrüßte ihn freundlich und bot ihm ein Horn mit Met an. Hrut schüttete das warme Getränk in sich hinein, während Hakons graue Augen ihn eingehend musterten. Es war nicht zu übersehen, dass ihm etwas über die Leber gelaufen war, aber das war Hruts Sache, nicht die seine. Hakon hatte durch die vielen Jahre, die er nun schon auf Beutezug ging genug Erfahrung gesammelt. Er wusste wen er vor sich hatte. Aus dem schwer gezeichneten Jungen, der kaum seine Schwerthand gebrauchen konnte, war ein überaus guter Krieger geworden, ehrgeizig, rücksichtslos und gehorsam. Auch Hruts Vater war ein solcher Mann gewesen, doch anders als sein Sohn hatte er ein allzu empfindliches Gewissen gehabt. Thorkil konnte es nicht lassen, sich in Dinge einzumischen, die ihn nichts angingen. Mit dieser Unart hatte er schließlich seinen eigenen Tod besiegelt. Zuverlässigere Männer hatten einen Überfall vorgetäuscht, Thorkils Hof angezündet und – um eine Blutfehde zu vermeiden – die gesamte Familie umgebracht. Niemand fand je heraus, dass Hakon hinter dieser Sache steckte, auch Hrut nicht, der als einziger überlebte. Anfangs war Hakon wütend über diese Tatsache. Warum starb er nicht einfach wie der Rest seiner Familie? Aber Hrut war ein Kämpfer und überstand die schweren Verbrennungen. Wie seltsam doch das Werk der Nornen war. Hakon war sich damals sicher, dass sie ihm einen Streich gespielt hatten.

Dennoch fügte er sich in sein Schicksal. Er begann den Jungen zu fördern und bald war er den drei Spinnerinnen dankbar, dass sie ihn am Leben gelassen hatten. Trotz aller Widrigkeiten lernte Hrut ein Schwert zu gebrauchen. Hakon ahnte, dass er eines Tages ein gutes Werkzeug in seinen Händen sein würde. Ein besseres als sein Vater. Nun war die Zeit gekommen, dieses Werkzeug zu benutzen.

»Du fragst dich sicher warum ich dich habe rufen lassen.«Hrut nickte. Der herbsüße Geschmack des Mets brannte ihm angenehm in der Kehle. Er spürte die Wärme des Alkohols bis in die Fußspitzen.

»Ich brauche Männer. Aufrichtige Männer, auf die ich mich verlassen kann. – Du scheinst mir ein solcher Mann zu sein.« Hakon hielt kurz inne und betrachtete die schmeichelnde Wirkung seiner Worte. »Ich habe dich beobachtet«, sprach Hakon weiter. »du hast dich in letzter Zeit als fähig erwiesen. – Fähiger als alle anderen. Und du scheinst ehrgeizig zu sein.«

Hrut sah ihn aus nachdenklichen Augen an. »Wie du weißt gibt es für mich keinen anderen Weg, als den durch eigenen Fleiß zu Besitz zu kommen. Es gibt keinen Hof mehr, den ich erben kann.«

»Ich könnte dir dabei helfen, das zu erreichen, was du begehrst«, erwiderte Hakon. »Vorausgesetzt du tust, was ich sage.«

»Tue ich das nicht immer?« Hakons Worte ließen Hrut aufhorchen. Was führte er im Schilde?

»Doch das tust du.« Hakon öffnete einen Teil der Verschalung unter seiner Schlafbank und zog ein kleines hölzernes Kästchen hervor, das durch eiserne Beschläge zusammengehalten wurde. Der Deckel knarrte leise, als er es öffnete. »Ich möchte dir etwas geben«, sagte er so beiläufig, als läge ein Stück Brot darin.

Hrut riss beim Anblick des Hacksilbers, das im Feuerschein matt glänzte, die Augen auf.

»Es gehört dir«, sagte Hakon, und ermutigte ihn mit einer Geste das Kästchen in die Hand zu nehmen. »Eine kleine Anerkennung deiner Tapferkeit und Treue während unserer letzten Fahrt.«

»Dies alles soll mir gehören?« stammelte Hrut.

»Nimm es«, sagte Hakon milde. »Du hast es verdient. Niemand wird je etwas davon erfahren.«

Das Silber leuchtete begehrlich vor Hruts Augen. Sein Verstand arbeitete fieberhaft. Es würde ihn seinem Traum von einem eigenen Hof ein ganzes Stück näher bringen. Er griff danach und hielt es staunend in den Händen.

»Erinnere dich an den Eid, den du mir geschworen hast: Treue wird in meiner Gefolgschaft immer reich belohnt werden.«

»Ich danke dir«, stammelte Hrut.

»Trinken wir darauf«, erwiderte Hakon. »Inga füll uns das Horn.«

Während sie tranken erzählte ihm Hakon von seinen Plänen. »Mein neues Schiff muss breiter sein als die beiden anderen, damit es genügend Sklaven aufnehmen kann. Mehr im Stil einer Knorr, doch immer noch schnell genug, um mit den Drekis mitzuhalten. Der Bau dieses Schiffes und die Versorgung der Mannschaft werden eine Menge Hacksilber verschlingen. Doch der Gewinn den der Verkauf der Sklaven einbringt, wird um vieles größer sein. Ich werde einen fähigen Mann brauchen, der in der Lage ist es zu lenken, und seine Fracht sicher ans Ziel bringen kann.«

»Du hast viele Männer in deiner Mannschaft, die würdig sind diese Aufgabe zu übernehmen«, erwiderte Hrut.

Hakon lächelte säuerlich. »Doch die wenigsten sind vertrauenswürdig genug, um ihnen eine solche Kostbarkeit anzuvertrauen.« Er ließ sein Horn von Raghild noch einmal füllen und hielt es Hrut hin. »Du könntest der Mann sein, der dieses Schiff steuert«, sagte er gedehnt.

»Ich?«, platzte Hrut erstaunt heraus.

»Warum nicht? Du bist jung und stark, und du hast die Fähigkeit zu lernen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie verbissen du den Umgang mit dem Schwert geübt hast, obwohl du große Schmerzen dabei hattest. Du bist ein Kämpfer, Hrut, und ich bezweifle nicht, dass du ein fähiger Steuermann werden kannst.«

Hakons Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Ein Ausdruck von Stolz entstand in Hruts Zügen. Wie aus dem Nichts sah er plötzlich Svanhilds schönes Gesicht vor seinem inneren Auge. Wenn er der Steuermann dieses Schiffes würde, war er in kurzer Zeit ein reicher Mann. Wäre sie dann immer noch abweisend zu ihm? War es nicht gerade der Besitz eines Mannes der ihn anziehend machte? Und neigten Väter nicht eher dazu ihre Töchter mit einem angesehenen Mann zu verheiraten als mit einem armen Wicht?

»Wirst du diese Aufgabe annehmen?«, entgegnete Hakon.

Hrut konnte nur noch nicken.

Hakon verzog sein Gesicht zu einem zufriedenen Lächeln. »Ich möchte, dass du regelmäßig in meine Halle kommst, damit ich dir alles beibringen kann, was ein Schiffsführer wissen muss. – Und ich möchte, dass du dich wieder mit meinem Sohn anfreundest.«

»Mit Leif?«, fragte Hrut verdutzt. Früher waren sie die besten Freunde gewesen, doch seit Leif aus dem Land der Angelsachsen zurückgekehrt war, hatte Hrut nicht mehr als Verachtung für ihn übrig. Er verstand diese seltsame Wandlung nicht, die aus einem entschlossenen Krieger einen sanftmütigen Skräling gemacht hatte, der es ablehnte unter Hakons Dach zu leben. Leif und Hakon hatten sich nie besonders gut verstanden, obwohl Hrut zugeben musste, dass Hakon das Seinige dazu beigetragen hatte.

Hrut erinnerte sich noch an den Tag, als Hakon vor seinen Männern verkündete, dass Leif sein Sohn war und ihm alles zu Füßen legte, was dieser sich immer erträumt hatte. Doch Leif war so töricht gewesen, die ausgestreckte Hand, die sich ihm bot, auszuschlagen.

»Ich erwarte nicht, dass deine Zuneigung echt ist«, unterbrach Hakon Hruts Gedanken. »Du sollst sein Vertrauen gewinnen und in seinem Haus ein und ausgehen, damit du mir berichten kannst was er, und vor allem der alte Kauz, dort unten treiben. Ich möchte wissen, wovon er spricht, was er den Leuten erzählt, und was er tut, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Ein kleines Opfer für all die Annehmlichkeiten, die dich erwarten.«

Die Erkenntnis traf Hrut wie ein Schlag ins Genick. Es waren nicht seine Fähigkeiten, die Hakon dazu bewogen hatten, ihn zum neuen Steuermann zu machen. Er brauchte einen Kundschafter der ihm von seinem Sohn berichtete. Dies war der eigentliche Grund. Hakon warf die Angel nach Leif aus und er sollte den Köder spielen.

Bis jetzt war Hrut immer ehrlich gewesen. Falsche Spiele lagen ihm nicht. Er dachte voller Abscheu an Óttar, diese schleimige Kröte, die versucht hatte sich durch Lügen und Schmeichelei einen Vorteil zu sichern. Und jetzt verlangte Hakon das Gleiche von ihm? Doch andererseits war die Belohnung mehr als verlockend. Hrut zögerte lange mit der Antwort und starrte Löcher in den gestampften Lehmboden. Doch er musste eine Entscheidung treffen. Mühsam rang er sich zu einer Antwort durch.

»Nein!« sagte er säuerlich. »Wenn du etwas über deinen Sohn erfahren willst, musst du einen anderen schicken.«

Hakon verzog keine Miene. »Du solltest darüber nachdenken«, erwiderte er leichthin. »Zu viel hängt für dich davon ab. Sei dir aber im Klaren darüber, dass ich keinen Steuermann brauche, der mir den Gehorsam verweigert.«

Hrut nickte missmutig. »Ich glaube nicht, dass es noch viel zu überlegen gibt«, antwortete er störrisch.

Kurz darauf verließ Hrut, ebenso missgelaunt wie er gekommen war, die Halle.

Hakon blieb gelassen. Er war noch nicht fertig mit Hrut. »Wenn du dir einen Mann gefügig machen willst, so ködere ihn mit Reichtum, Macht oder Frauen. Wenigstens einem von diesen drei Dingen wird er nicht widerstehen können«, pflegte sein Vater zu sagen. Nachdem der alte Egil gestorben war, fand Hakon heraus, wie klug es war, diesen Ratschlag zu beherzigen.