Viking Kingdom - Die Tochter Merciens - Heidrun Hurst - E-Book
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Viking Kingdom - Die Tochter Merciens E-Book

Heidrun Hurst

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Beschreibung

Zwischen Feindschaft und neuer Hoffnung: Der fesselnde historische Roman »Viking Kingdom – Die Tochter Merciens« von Heidrun Hurst als eBook bei dotbooks. Britannien im 9. Jahrhundert: Während das Land noch in sieben rivalisierende Königreiche zerrissen ist, braut sich über der Küste bereits ein neuer Sturm zusammen … Um die Macht ihres Vaters zu festigen, soll die junge Adelstochter Aryana einen Mann heiraten, der ihr zutiefst zuwider ist. Ihr einziger Vertrauter auf der Reise in eine ungewisse Zukunft ist der gutmütige Priester Cuthbert. Doch dann tauchen am Horizont die Segel der gefürchteten Drachenboote auf – und Nordmänner fallen plündernd über die Küste her. In letzter Sekunde gelingt Aryana durch die Hilfe eines geheimnisvollen Fremden die Flucht. Aber wer ist der Mann, der selbst wie ein Wikinger kämpft und in Aryana Gefühle weckt, die den Lauf des Schicksals für immer verändern könnten? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der epische Historienroman »Viking Kingdom – Die Tochter Merciens« von Heidrun Hurst ist der Auftakt ihrer epischen Wikingersaga, die Fans von Kiera Brennan und »Vikings Valhalla« begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 580

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Über dieses Buch:

Britannien im 9. Jahrhundert: Während das Land noch in sieben rivalisierende Königreiche zerrissen ist, braut sich über der Küste bereits ein neuer Sturm zusammen … Um die Macht ihres Vaters zu festigen, soll die junge Adelstochter Aryana einen Mann heiraten, der ihr zutiefst zuwider ist. Ihr einziger Vertrauter auf der Reise in eine ungewisse Zukunft ist der gutmütige Priester Cuthbert. Doch dann tauchen am Horizont die Segel der gefürchteten Drachenboote auf – und Nordmänner fallen plündernd über die Küste her. In letzter Sekunde gelingt Aryana durch die Hilfe eines geheimnisvollen Fremden die Flucht. Aber wer ist der Mann, der selbst wie ein Wikinger kämpft und in Aryana Gefühle weckt, die den Lauf des Schicksals für immer verändern könnten?

Über die Autorin:

Heidrun Hurst, geboren 1966 in Kehl am Rhein, ging schon als Kind gerne mit Hilfe von Büchern auf Reisen in fremde Welten und ferne Zeiten. Ihr Hunger nach geschriebenen Abenteuern und Literatur wurde schließlich so groß, dass sie sich einige Jahre später selbst dem Schreiben widmete. Seitdem veröffentlicht sie historische Romane, für die sie mit Leidenschaft und Neugier tief in die Recherche längst vergangener Zeiten eintaucht.

Die Autorin im Internet:

www.heidrunhurst.de

www.facebook.com/heidrun.hurst

www.instagram.com/heidrunhurst/

Bei dotbooks veröffentlichte Heidrun Hurst ihre »Viking Kingdom-Saga«:»Viking Kingdom – Die Tochter Merciens«

»Viking Kingdom – Der Sohn des Fjords«

Auch bei dotbooks erscheint ihre »Straßburg-Saga«:»Der Teufel von Straßburg« – als eBook, Hörbuch und Print erhältlich

»Die Pestheilerin von Straßburg«

»Das Weib des Henkers«

Sowie ihre »Rheintal-Saga«:

»Die Rheintal-Saga – Die Kinder des Bergmanns«

»Die Rheintal-Saga – Im Feuer des Lebens«

»Die Rheintal-Saga – Der Beginn eines neuen Tages«

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe Januar 2023

Dieses Buch erschien bereits 2009 unter dem Titel »Der weiße Rabe« im Johannis Verlag.

Copyright © der Originalausgabe 2009 Johannis Verlag.

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Diese Werk wurde vermittelt von der litmedia.agency, Mühlhausen-Ehingen.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-453-1

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Hurst,Heidrun

Viking Kingdom - Die Tochter Merciens. Historischer Roman - Band 1

Historischer Roman

dotbooks.

Für Kai

Prolog

Es war an einem Freitag, dem Tag, den das Nordvolk der Liebesgöttin Freya gewidmet hatte. Eine strahlende Sonne ergoss sich über die Frühlingswiesen und ließ violette Farbtupfer aus blühendem Wiesenschaumkraut zwischen zartgrünem Gras aufleuchten. Ein schöner Anblick, doch Hakon Egilsson hatte keine Augen für die Schönheit der Natur. Er starrte voller Bitterkeit auf das Mädchen, das festlich geschmückt, mit anmutigen Schritten hinter ihrem Bruder herging. Der junge Mann, nur zwei Jahre älter als seine Schwester, trug ein Schwert auf seinen ausgebreiteten Händen. Die Brautgabe für ihren zukünftigen Ehemann.

Hakon zwang sich zu einem Lächeln. Er stand neben dem Bräutigam und im Mittelpunkt der bunten Hochzeitsgesellschaft. Das letzte was ihm fehlte war, dass einer seiner Männer merkte, wie sehr er unter dieser Situation litt.

Er war der Jarl dieser Sippe, die an der Mündung des Flusses Nid wohnte, der dort in einen großen Fjord überging, bevor er ins offene Meer floss. Hakon war berühmt dafür, dass ihm, dem großen Nordmann, niemand etwas anhaben konnte. Hier hatte er mit seinen Männern eine befestigte Siedlung gebaut, die ihresgleichen suchte, und jeden Sommer unternahm er mit ihnen Raubzüge die noch nie erfolglos gewesen waren. Ganz im Gegenteil, sie kehrten jedes Mal mit reicher Beute zurück, die einigen ein angenehmes Leben ermöglichte und den Rest davor bewahrte mitsamt ihren Familien den Hungertod zu sterben. Jeder fürchtete und bewunderte ihn, den großen Anführer und Sohn des alten Egil, der ebenfalls ein Jarl gewesen war. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass dieser Titel vom Vater auf den Sohn überging. Allein die Besten hatten ihn verdient, doch die Männer am Nidfluss hatten ihm diese Ehre erwiesen.

Nur Aldis ehrte ihn nicht. Dieses elende Miststück! schrie es in seinem Innern. Wie konnte sie es wagen ihm so etwas anzutun? Er kochte vor Wut und musste seine ganze Willenskraft aufbringen, um nicht nach vorne zu stürzen und sie zwischen seinen Händen zu zerquetschen. Dabei war sie das begehrenswerteste Weib, das er kannte. Verstohlen betrachtete er sie. Ließ den Blick über ihr goldenes, mit einem Blumenkranz geschmücktes Haar gleiten, das sich wie perlendes Wasser bis zu den Hüften ergoss. Mit ausdrucksloser Miene musterte er die sanften, braunen Augen, den schlanken Hals, und die wohlgeformte Figur, obwohl es in ihm ganz anders aussah. Keine konnte sich mit Aldis messen. Trotzdem war es nicht ihre Schönheit, die ihn anzog. Er kannte einige Mädchen im heiratsfähigen Alter, die hübscher waren. Doch ihre stolze, unnachgiebige Art machte sie zu etwas Besonderem. Nichts reizte ihn mehr, als sie zu besitzen. Und was tat dieses Weib? Sie verschmähte ihn!

Vor nicht allzu langer Zeit war alles noch ganz anders gewesen. Damals hatte sie ihn heiraten wollen; den begehrtesten Junggesellen der ganzen Gegend. Er hatte sie geliebt und sich ihrer so sicher gefühlt, obwohl er nie treu war. Doch als sie dahinterkam, dass er sie betrog, hatte sich ihre Liebe in Hass verwandelt. Sie wandte sich von ihm ab und all seine Bemühungen sie zurückzugewinnen waren vergebens. Die Leute begannen hinter seinem Rücken zu tuscheln. Er sah, wie sie sich heimlich das Maul über ihn zerrissen. So etwas machte man nicht mit einem Jarl. Sein Stolz war verletzt und er nahm sich mit Gewalt, was ihm vermeintlich gehörte. Er wollte Aldis zwingen ihn zu heiraten, doch das Biest hatte ihn ein weiteres Mal zum Narren gemacht.

Der Bräutigam, der neben Hakon gewartet hatte, trat nun seiner Braut entgegen. Mit keinem anderen hätte Aldis ihn mehr treffen können als mit ihm – seinem jüngeren Bruder.

Sven war nicht wie er, auch wenn sie sich äußerlich sehr ähnlich sahen. Sie waren beide hoch gewachsen, von kräftiger Statur, hatten dunkle Haare und graue Augen, aber Sven hatte ein ganz anderes Gemüt. Im Gegensatz zu Hakon wirkte er wie ein gutmütiger Trottel und würde Wachs in Aldis’ Händen sein. Er war ein Weichling, der nie ein großer Führer werden würde, und auch nicht zum Ehemann dieser eigenwilligen Frau taugte. Trotzdem hatte sich Aldis für Sven entschieden und nicht für ihn!

Das Hochzeitsritual begann. Svala, die Völva, war vom Langhaus ihres Bruders zur Nidsiedlung gekommen, um die Zeremonie zu leiten. Da die Eltern des Brautpaares nicht mehr lebten, traten Hakon und Thorleif, Aldis’ Bruder als Zeugen auf. Sven übergab Thorleif das Brautgeld, ein kleines Kästchen mit Hacksilber, das dieser für Aldis entgegennahm. Nach der Hochzeit würde es ihr allein gehören. Dann wurde ein Eber vor das Brautpaar geführt. Hakon tötete das zornig quiekende Tier mit einem einzigen Schlag seiner Streitaxt, während die Völva mit dem Messer des Bräutigams dem Eber die Kehle durchtrennte. Blut spritzte auf und färbte das zarte Grün des Frühlingsgrases rot. Den Rest füllte Svala in eine Opferschale, dann nahm sie einen Tannenzweig und besprenkelte die gesamte Hochzeitsgesellschaft mit der warmen Flüssigkeit. In eintönigem Singsang rief sie Odin, Thor und Freya an, und bat die Götter um Schutz und Fruchtbarkeit für die Brautleute. Sven und Aldis hielten sich etwas verschüchtert an den Händen und ließen alles geduldig über sich ergehen.

»Sind sie nicht ein schönes Paar?«, hörte Hakon hinter sich eine weibliche Stimme seufzen.

»Ja, das sind sie in der Tat«, dachte er missmutig. Aldis war nicht viel kleiner als Sven und ihr blondes Haar passte gut zu seinen dunklen Locken.

Das Ende des Singsangs löste die Brautleute aus ihrer Erstarrung.

Hakon trat nun vor und legte Sven das Schwert ihrer Ahnen in die ausgebreiteten Hände. Feierlich drehte er sich damit zu Aldis um.

»Ich gebe dir dieses Schwert, als Gabe für unseren ältesten Sohn. Bewahre es gut, damit du es eines Tages unversehrt an ihn weitergeben kannst«, er beugte sich leicht vor und legte Aldis die schwere Klinge in die Hände.

»Das werde ich, Sven Egilsson«, erwiderte Aldis und überreichte ihm ihr Schwertgeschenk.

Dann löste Sven einen silbernen Armreif aus einer Reihe von vier Ringen, die er am Handgelenk trug, und hängte ihn über den Griff seines Schwertes. »Mit diesem Ring gelobe ich dir Liebe und ewige Treue«, sagte er feierlich.

Aldis nahm den Ring an, tat es ihm gleich und hängte ebenfalls einen Armreif, den sie getragen hatte über den Schwertgriff. »Mit diesem Ring gelobe ich dir Gehorsam, Liebe und ewige Treue.«

Sven nahm den Reif und schob ihn über die andere Hand, zum Zeichen, dass er sie als Frau annahm.

Lauter Jubel brach unter den Zuschauern aus. Jeder drängte nach vorne, um das junge Ehepaar zu beglückwünschen. Aldis lächelte und als ihr Blick Hakons graue Augen traf, lag ein triumphierendes Leuchten darin. Sein voller Mund verwandelte sich für einen Moment zu einem schmalen Strich, bevor er sich eines besseren besann und wieder ein gleichgültiges Gesicht aufsetzte, um sich den Gratulanten anzuschließen.

»Ich wünsche euch beiden Glück«, sagte er freundlich.

»Ich danke dir, Bruder.« Sven strahlte und umarmte ihn herzlich. Er ahnte nicht das Geringste von dem, was in Hakon vorging, denn dieser hatte ihm selbst versichert, dass er Aldis ruhig haben könne, da sein Interesse für sie erloschen sei.

Als das Brautpaar auf die Siedlung zuschritt, um die Hochzeit zu feiern, betrachtete Hakon noch einmal voller Wehmut Aldis’ Haar, von dem manche Strähnen flüchtig im Wind flatterten. Es war das letzte Mal, dass sie es lose und unverhüllt tragen würde.

Odin schlage dieses hochmütige Weib, dachte er erbittert. Eines Tages werde ich ihr heimzahlen, was sie mir angetan hat! Er tröstete sich mit diesem Gedanken, und seine Schritte fielen ihm leichter. Sven hatte die ganze Siedlung zur Hochzeitsfeier eingeladen, und fast sein gesamtes Vermögen ausgegeben, um mit diesem Fest seiner jungen Frau die Ehre zu geben, die ihr gebührte. Da er noch kein eigenes Haus besaß, feierten sie in der Halle seines Bruders, so wie es die Sitte verlangte. Von Hakon, dem Besitzer der Halle und nächsten Verwandten des Bräutigams, wurden eine Menge Trinksprüche auf das junge Paar erwartet. Bier und Met würden in Strömen fließen, ein großer, gegrillter Ochse, mehrere Schafe und der geopferte Eber, warteten darauf verzehrt zu werden. Tief sog Hakon die salzige Brise, die vom Fjord herüberwehte, in seine Lungen.

Er würde seine Rolle gut spielen, denn irgendwann würde der Tag kommen. Sein Tag, an dem er Rache nehmen konnte für all die Schmach, die ihm diese Frau zugefügt hatte.

Teil I

NorwegenIm Jahre 800 nach Christi Geburt

Kapitel 1Elchjagd

Sven Egilsson bückte sich, um die Spur im Schnee näher betrachten zu können. Ohne Zweifel hatten sie gefunden, was sie suchten. Die Abdrücke der großen, geteilten Hufe waren zwischen bereits verwischten Spuren deutlich erkennbar.

»Das hast du gut gemacht«, lobte er Gráfeldur, seinen Hund, während er ihm das dichte, wolfsgraue Fell tätschelte. Gráfeldur hechelte freudig, und bedachte ihn mit einem zwielichtigen Blick aus zweifarbigen Augen, eins blau, eins braun. Immer wenn Sven ihn anschaute, fragte er sich, was die Götter wohl dazu verleitet hatte. Es lag etwas Unheimliches in der Art, wie das Tier einen ansah. Trotzdem war Gráfeldur der treueste und verständigste Hund, den er je hatte.

Sven richtete sich auf und suchte mit den Augen die Gegend ab, um seinem Sohn ein Zeichen zu geben. Leif suchte mit Dimmi, einem zweiten Hund, an einer anderen Stelle des Waldes, doch sie waren immer wieder in Blickkontakt. Als Leif sein Winken bemerkte, eilte er, so schnell es der frostige Boden erlaubte, zu ihm.

Der Winter hatte am Selbusjøen Einzug gehalten, einem großen See, der südöstlich von Hakons Siedlung lag. Hier hatte Sven ein Haus gebaut und eine Familie gegründet.

Er war dieses Jahr spät von der Wikingfahrt zurückgekehrt. Schwere Stürme hatten die Schiffe und ihre Mannschaft auf dem kalten Meer herumgeworfen und sie hatten die Orientierung verloren. Eine Zeitlang glaubte Sven, dass er seine Frau und die Kinder niemals wiedersehen würde. Doch Hakon bewies, wie schon so oft, dass er ein guter Führer war und hatte zur Siedlung an der Mündung des Nid zurückgefunden. Als Sven das Schiff verlassen, und den Anteil seiner Beute erhalten hatte, war er sofort nach Hause geeilt. Eigentlich hätte er sich ausruhen sollen, denn sein Körper war geschwächt und er musste vier qualvolle Tage mit dem voll bepackten Pferd durch die eisige Winterlandschaft laufen, bis er endlich den Palisadenzaun erblickte, der Haus und Hof umgab. Doch seine Frau war schwanger gewesen, als er fortgegangen war und er lebte schon viel zu lange im Ungewissen darüber, ob Mutter und Kind wohlauf waren. Zu viele Frauen starben bei der Geburt, was ein herber Verlust für ihn gewesen wäre, denn er liebte sein Weib. Zu Hause hatte er dann voller Freude den kleinen Jungen bewundert den sie geboren hatte und sich gefreut, dass beide bei bester Gesundheit waren, aber ein schlimmer Husten war der Lohn für sein vorzeitiges Aufbrechen gewesen.

Wie gern hätte er sich nun endlich am heimatlichen Feuer etwas Ruhe gegönnt, um die Freuden seiner Familie zu genießen, doch daraus wurde nichts. Sie hatten kein Fleisch mehr. Er musste schnellstmöglich dafür sorgen, dass die Vorratskammer wieder gefüllt wurde. Ohne tierische Nahrung konnten sie den Winter nicht überleben. Leif war zwar mit Geimund, dem Knecht, auf der Jagd gewesen, aber Geimund taugte nicht zur Jagd und Leif hatte nur ein paar Hasen erbeutet. Sven musste sich also noch einmal zusammenreißen und auf Elchjagd gehen. Ein einziges Tier deckte den Fleischbedarf der ganzen Familie für ein paar Monate. Auch der Rest war verwertbar. Aldis würde aus der Haut Kleidung und Schuhe herstellen und aus Knochen und Geweih konnte man Werkzeuge und Schmuckstücke machen.

»Hast du etwas gefunden Vater?« Leif atmete heftig, als er Sven erreichte. Wangen, Kinn und Nase waren von der Kälte gerötet und bildeten einen starken Kontrast zu seiner sonst so hellen Gesichtshaut. Das eisige Wetter hatte glitzernde Eiskristalle auf seiner Pelzmütze entstehen lassen, welche ihm die langen, blonden Locken verklebten, die darunter zum Vorschein kamen.

»Hier siehst du?« Sven zeigte auf die Spur des Elches und den Kot, den er nicht weit entfernt davon entdeckt hatte. Gierig steckte Dimmi seine spitze Schnauze in die Schneespur und schnüffelte mit Gráfeldur eifrig an ihr entlang. Ihre Nasen durchpflügten die weiße Masse, als ob sich der Elch darunter verborgen hätte, während sich aufgeregte Atemwölkchen über ihren Köpfen sammelten, bevor sie im Nichts verschwanden.

Sven ließ seinen Blick durch die Gegend schweifen. Vielleicht stand das Tier irgendwo zwischen den verschneiten Bäumen, deren schwarze, knorrige Körper wie Totengeister in der Wildnis standen. Oder er hatte sich hinter den dichten Nadeln der Tannen versteckt, um sie aus sicherer Entfernung zu beobachten. Doch Sven sah ihn nicht. Der Wald bot eine gute Tarnung. Da der Kot schon leicht überfroren war, konnte der Elch in der Zwischenzeit weit gewandert sein.

»Trink etwas«, Sven hielt Leif den Wasserbeutel hin. »Du wirst es brauchen.«

Leif nahm ein paar Schlucke, und gab die Flasche seinem Vater zurück.

In der Nähe saß ein großer Rabe auf einem Ast, legte den Kopf schief und beobachtete sie mit seinen klugen Augen.

Sven runzelte die Stirn. Ob das wohl einer von Odins Raben ist? Der Allvater sandte die Vögel, die Hugin und Munin hießen, in die Welt hinaus, damit sie ihm berichteten, was dort vor sich ging.

Die Hunde wurden immer ungeduldiger. Sie scharrten angriffslustig im Schnee und ihr forderndes Bellen hallte durch den Wald. Sven befahl ihnen sofort damit aufzuhören, bevor er selbst einen großen Schluck aus dem Beutel nahm.

»Bist du soweit?«, krächzte er. Das Wasser reizte ihn im Hals, er musste heftig husten und spuckte grünen Schleim in den Schnee.

»Ja Vater.« Rastlos trat Leif von einem Bein auf das andere. Offenbar konnte auch er es kaum noch erwarten, dass die Jagd begann.

Sven verschloss die Flasche sorgfältig und hängte sie über seine Schulter. Er zögerte einen Augenblick. Die Hustenanfälle kamen in immer kürzeren Abständen, sie raubten ihm die Kraft und ließ seine Beine zittern.

Reiß dich zusammen, sagte er sich. Du hast schon Schlimmeres hinter dich gebracht.

»Ist alles in Ordnung?« Leif musterte ihn forschend.

»Gewiss, Junge. Ich brauche nur eine kurze Verschnaufpause.«

Ein neuer Anfall schüttelte ihn. Pfeifend atmete er aus.

Als Sven wieder genügend Luft in seinen Lungen fühlte, gab er den Hunden das Kommando: »Sucht!«

Lautlos lief er hinter den Tieren her.

Leif klopfte rasch den pappigen Schnee von seinen Fellstiefeln und beeilte sich seinen Vater einzuholen. Er wusste, dass die beiden Hunde nicht mehr anhalten würden, bis sie ihre Beute gefunden hatten. Gleichmäßig trabten Vater und Sohn nebeneinanderher, um möglichst lange durchhalten zu können. Ein Elch konnte weite Strecken zurücklegen. Man musste ihn überraschen, wenn man ihn erlegen wollte.

Die Natur schien auf ihrer Seite zu sein, denn der Schnee hatte sich wie eine Glocke über den Wald gelegt und verschluckte ihre Tritte. Auch die Hunde waren verstummt. Umso lauter wirkte das Gezänk zweier Elstern, die sich um einen alten Fleischbrocken stritten.

Dann trat wieder Stille ein. Dann und wann schickte die Sonne ihre Strahlen durch die Bäume und ließ den Schnee unter ihren Füßen glitzern. Leif kam sich so unwirklich wie in einem Traum vor. Die Anstrengung des Laufens holte ihn jedoch bald wieder in die Wirklichkeit zurück, denn es ging stetig bergauf. Etwa zwei Stunden später verkündete lautes Gebell, dass die Hunde den Elch gefunden hatten. Leise näherten sich die zwei Jäger der Stelle und duckten sich hinter ein Gebüsch, damit sie der große, braune Riese nicht bemerkte. Gráfeldur und Dimmi verbellten das Hinterteil eines mächtigen Bullen, dem die aufdringlichen Gesellen langsam zu viel wurden. Abrupt drehte er sich um und senkte angriffslustig sein mächtiges Geweih. Die beiden Hunde stellten nicht wirklich eine Bedrohung für ihn dar, doch ließen ihn die lästigen Quälgeister alles andere vergessen, und so bemerkte er die beiden Jäger im Hintergrund nicht, die den ungleichen Kampf mit ansahen. Mit Vorder- und Hinterläufen versuchte er nun die Hunde zu treten. Geschickt wichen sie den tückischen Tritten aus, doch plötzlich heulte Dimmi laut auf und rollte wie eine Kugel durch den Schnee. Der Elch hatte einen Treffer gelandet und ihn am Bauch erwischt.

Immer noch blieben die beiden Jäger in Deckung und beobachteten die Tiere, während Leif langsam seinen Bogen von der Schulter nahm. Er war fünfzehn, bald sechzehn Jahre alt und dies war der erste Elch, den er selbst erlegen sollte. Konzentriert steckte er einen Pfeil auf die Sehne. Dann spannte er den großen Eibenbogen. Kraft und Geschick waren nötig, um die Sehne weit genug nach hinten ziehen zu können, doch ein kleinerer Bogen hatte nicht genügend Durchschlagskraft, um tief genug in ein so großes Tier einzudringen. Leif hatte es den ganzen Sommer hindurch geübt, trotzdem schmerzten seine Arme vor Anstrengung.

Er begleitete seinen Vater seit dem zehnten Lebensjahr auf die Jagd und hatte schon kleineres Wild erlegt. Ein Elchbulle war etwas ganz anderes. Leifs Herz klopfte wild, trotzdem versuchte er seine Aufregung so gut es ging zu verbergen. Er wollte die Ehre dieses Schusses nicht durch einen Anfall von Schwäche verderben. Tief sog er die klare Winterluft ein und wartete. Er musste die Brust des Tiers treffen, sonst stand ihnen die nächste Verfolgungsjagd bevor.

Einmal hatte Vater versehentlich den Bauch eines Elchs getroffen und sie mussten ihn anschließend zwei Tage lang suchen, bis sie ihn endlich fanden. Er war einen langen, qualvollen Tod gestorben und sein Fleisch war so verdorben gewesen, dass sie es nicht mehr essen konnten. Leif wollte es besser machen.

Dimmi schien sich wieder erholt zu haben, denn beide Hunde umrundeten den Elch nun und versuchten ihn wieder von hinten anzugreifen. Blitzschnell drehte er sich, um sein Hinterteil zu schützen.

»Jetzt!« Leif visierte die Brust an und ließ den Pfeil davonschnellen. Der Elch stieß einen verwunderten Laut aus, als er tief in die Lunge eindrang. Pfeifend entwich die Luft aus seinem Maul, dann knickten die Vorderbeine weg. Eine Weile verharrte er in dieser Stellung, bis das gnädige Ende kam und er zusammenbrach. Leif jubelte, warf den Bogen ins Gebüsch und eilte auf seine Beute zu. Als er das gefallene Tier fast erreicht hatte, prallte er erschrocken zurück. Urplötzlich war der Elch wieder aufgesprungen und stand nun Auge in Auge vor ihm. Leif konnte seine wütenden, blutunterlaufenen Augen sehen, die breite, überhängende Oberlippe, und den großen Hautsack, der von seiner Kehle herabhing. Ganz langsam und vorsichtig machte er einen Schritt auf Leif zu. Sein großer Kopf mit dem breiten Schaufelgeweih senkte sich bedrohlich. Leif fühlte Angst in sich aufsteigen und trotz der Kälte brach ihm der Schweiß aus, doch er stand wie angewurzelt da und konnte nur weiter in die Augen des Tiers starren.

Er wird dich auf sein Geweih nehmen, wenn du dich nicht endlich bewegst, dachte er voller Panik – doch seine Beine versagten ihm den Dienst.

Blutiger Schaum drang dem Tier aus der großen Nase und hinterließ rote Tröpfchen im Schnee. Leif roch den intensiven Wildgeruch. Sein Kopf riet ihm ein weiteres Mal wegzulaufen, doch er konnte es nicht.

Sven stand etwas abseits und beobachtete hustend seinen Sohn. Er würde erst eingreifen, wenn es nicht mehr anders ging. Diese Begegnung würde Leif einiges über die Jagd lehren und seinen Mut auf die Probe stellen.

Genau so plötzlich, wie der große Bulle aufgestanden war, drehte er nun den Kopf zur Seite, nahm seine ganze Kraft zusammen und lief davon. Fassungslos schaute Leif dem flüchtenden Tier hinterher. Er hatte versagt, war zu voreilig gewesen. Fast hätte er diese Dummheit mit dem Leben bezahlt!

Da fühlte er die Hand seines Vaters auf der Schulter. »Warte ein Weilchen. Bald wird der Todeskampf vorbei sein«, sagte Sven sanft.

Leif nickte. Er holte tief Luft und verbarg seine zitternden Hände. Die Angst, die seinen Körper gefangen gehalten hatte, war immer noch spürbar. Nur zögernd wich die Anspannung aus ihm.

Der Elch setzte seine Flucht fort, doch mit der verletzten Lunge würde er nicht weit kommen. Gemeinsam folgten sie der tröpfelnden Blutspur. Die beiden Hunde waren schon längst auf und davon und man hörte ihr entferntes Bellen im Wald. Kurz darauf fanden sie ihn. Er lag auf der Seite, umringt von den aufgeregten Hunden. Die Reflexe seiner Beine ließen ihn auch im Tod noch weiterlaufen, dann lag er still.

»Eine gute Jagd«, Sven klopfte Leif anerkennend auf die Schulter. »Noch ein klein wenig verbesserungswürdig, aber du wirst es lernen.«

Leif lächelte säuerlich. Sogar in solch einem Moment fand sein Vater noch lobende Worte für ihn!

»Na, ja, vielleicht warte ich das nächste Mal ein Weilchen und überzeuge mich erst davon, dass das Tier wirklich tot ist, bevor ich losstürme.«

»Das ist eine gute Idee«, meinte Sven grinsend.

Leif war ein guter Junge. Kurz nachdem er Aldis geheiratet hatte, war sie schwanger geworden und im darauf folgenden Winter gebar sie seinen ältesten Sohn. Er sah ihr sehr ähnlich. Hatte die gleichen sanften, braunen Augen und sein Haar war ebenso golden wie ihres, wenn auch lockig, wie sein eigenes.

Ich werde langsam alt, dachte Sven, dabei hatte er noch keine vierzig Winter erlebt. Doch aus dem dünnen Jungen, den er gekannt hatte, war in der Zeit seiner Abwesenheit ein Mann mit schmalen Hüften und breiten Schultern geworden. Und obwohl sein Gesicht noch die weichen Züge der Kindheit trug, war er groß gewachsen, hatte kräftige Muskeln und seine Stimme klang tiefer als zuvor.

Aldis hatte Sven noch sechs weitere Kinder geboren, doch nur drei waren ihnen geblieben: Ihre Tochter Solveig, die 10 Jahre alt war und der kleine Floki, keine drei Monate alt. Sven hoffte, dass der Säugling den harten Winter, der ihnen bevorstand, überlebte. Die eintretende Dämmerung riss ihn aus seinen Gedanken.

»Komm, wir müssen uns beeilen, es wird bald dunkel werden.« Hustend machte er sich an die Arbeit.

Leif konnte das Gewicht, das auf der Brust seines Vaters lastete, in seinem schweren Husten hören. Fast den ganzen Tag ging es nun schon so. Langsam begann er sich Sorgen zu machen.

Es wird Zeit, dass er nach Hause kommt, dachte er und runzelte die Stirn. »Wenn wir uns ranhalten, könnten wir morgen Abend wieder zu Hause sein. Ein warmes Feuer und Mutters Pflege werden dir gut tun.«

Sven lachte. »Oh ja, mein Sohn, das denke ich auch. Es ist viel zu lange her, dass ich meine Tage unter einem schützenden Dach zugebracht, und etwas Anständiges zu essen bekommen habe.«

»Freust du dich, wieder zu Hause zu sein?«

»Ich freue mich immer euch zu sehen.«

Sven schnitt die Kehle des Elchs auf und ließ das Blut ablaufen.

»Warum gehst du dann jedes Jahr fort?«

Gemeinsam banden sie dem schweren Tier Stricke um die Fesseln, zogen es damit auf den Rücken und befestigten die Beine an vier umstehenden Bäumen, während Sven unter der Last ächzend antwortete:

»Weil ich meinem Bruder verpflichtet bin, Junge. Nimm dein Messer und schneide ihm den Bauch auf.«

Leif schnitt vorsichtig durch die Bauchdecke, um die Gedärme nicht zu verletzen. »Du bist ihm verpflichtet?«

»Nun, Hakon ist der Jarl und wir sind Mitglieder seiner großen Sippe. Jede Familie die zur Sippe gehört, muss zumindest einen Mann als Krieger zur Verfügung zu stellen.«

Leif horchte auf, ließ aber die Augen nicht von seiner Arbeit. »Nur einen Mann?«

»Wenn der Mann erwachsene Söhne hat, sind auch sie ihm verpflichtet.«

»Und was ist mit mir? Bin ich nicht schon längst erwachsen?«

Sven schnaufte und machte sich daran den Elch auszuweiden. »Eines Tages wirst auch du auf Hakons Schiffen über das Meer segeln.«

Leif blickte auf. Der Elch war vergessen. »Wann wird das sein Vater?«

»Ich ... ich weiß es nicht. Im Moment braucht dich deine Mutter noch. Wenn ich weg bin muss jemand da sein, der ihr bei der Bewirtschaftung des Hofs hilft, gerade jetzt, wo sie noch einmal ein Kind bekommen hat.«

Also hatte Bera, die alte Magd doch recht gehabt. Sie hatte ihm schon vor langer Zeit erzählt, dass er eigentlich zu Hakon gehen müsse, um wie alle heranwachsenden Söhne als Krieger ausgebildet zu werden, aber seine Mutter das immer wieder verhinderte. Er kannte seinen Onkel nicht einmal, hatte ihn noch nie gesehen!

»Eine Schande ist das, pah«, hatte sie gesagt und auf den Boden gespuckt. »So wird nie ein richtiger Mann aus dir.«

Schweigend zogen sie dem Elch das Fell ab und zerteilten ihn. Sven machte ein verschlossenes Gesicht und Leif wagte nicht mehr, weiter zu fragen. Aber in seinem Innern kochte es. Mutter brauchte ihn – das war nichts weiter als eine billige Ausrede! Die Veränderung seines Körpers war ihm nicht entgangen. Er war groß und stark geworden und spürte den Drang fortzugehen und Abenteuer zu erleben. Andere Jungen in seinem Alter hatten sicher schon längst den heimatlichen Hof verlassen und waren Krieger geworden. Krieger wie sein Vater, der jedes Jahr mit fetter Beute nach Hause kam, während er sich wie ein Arbeitssklave in seinem eigenen Elternhaus fühlte. Warum wollte Mutter nicht, dass er ging? Er verstand sie nicht.

Es war schon dunkel, als sie ein Feuer machten und frisches Elchfleisch auf Stöcke spießten, um es zu braten. Den Rest legten sie in den Schnee und deckten es damit zu. Gráfeldur und Dimmi bekamen ihren Anteil der Beute und taten sich an Eingeweiden und Luftröhre des Tieres gütlich. Nachdem sie ein Lager mit einem schützenden Dach aus Kieferzweigen errichtet hatten, war es Zeit zu schlafen. Satt legten sich die Hunde in den Schnee, rollten sich zu einer Kugel zusammen und steckten ihre spitzen Schnauzen tief unter den Schwanz. Dimmis schwarzes Fell war gut in der weißen Landschaft zu erkennen, während der graue Gráfeldur fast mit seiner Unterlage verschmolz.

»Ruhe du dich zuerst aus Vater, ich übernehme die erste Wache«, sagte Leif fürsorglich. »Du bist krank.«

Sven widersprach nicht. Seine Schwäche schien zuzunehmen. Er kroch unter das Dach aus Kiefernzweigen, legte sich so nahe wie möglich ans Feuer, um dessen Wärme zu spüren, deckte sich mit seinem Mantel aus Bärenfell zu und war sofort eingeschlafen. Besorgt betrachtete Leif seinen Vater, während er sich neben ihn ans Feuer hockte, um den Schneehügel, der das Fleisch verbarg, im Auge zu behalten. Svens sonst so gut aussehendes Gesicht wirkte eingefallen und tiefe Schatten hatten sich um seine Augen gelegt.

Kapitel 2Schneesturm

Ein kalter Windhauch strich Leif über die Wangen, als er erwachte. Seine Beine waren taub vor Kälte. Schlaftrunken bewegte er die steifen Glieder, damit das Blut in sie zurückströmen konnte. Vater schlief immer noch und lag mit bleichem Gesicht auf seinem Lager. Die Hunde hatten sich zu ihm gelegt. Eine Schneeschicht bedeckte das schützende Dach über ihnen. Es musste gegen Morgen geschneit haben. Müde legte Leif frisches Holz auf das glimmende Feuer, damit es Vater wärmer hatte.

Es war eine lange Nacht gewesen. Mehrmals hatte er das unheimliche Heulen eines Wolfsrudels gehört. Sie waren so nah an das Lager herangekommen, dass er ihre bernsteinfarbenen Augen in der Dunkelheit aufleuchten sah. Der Geruch des frischen Blutes hatte sie angezogen und ihre Hoffnung auf leichte Beute geweckt. Ihre Gegenwart spannte seine Nerven bis aufs äußerste. Er hatte mehr Holz auf das Feuer gelegt und nach seinem Jagdmesser gegriffen, um sich zu vergewissern, dass es noch an seinem Platz im Gürtel steckte. Notfalls hätte er das Fleisch damit verteidigt, obwohl die Aussicht auf Erfolg gering war. Ein Einzelner konnte es nicht mit einem ganzen Wolfsrudel aufnehmen. Vater wäre ihm keine Hilfe gewesen, höchstens die Hunde, die den unerwarteten Besuch wütend anbellten. Trotzdem hätte er es versucht, denn Fleisch war kostbar. Allzu leicht starb man den Hungertod in diesem rauen, kalten Land. Doch heute Nacht hatte die Anwesenheit der Menschen und bellenden Hunde genügt, um die Wölfe zu vertreiben. Das kräftig brennende Feuer hatte sein Übriges getan. Während der ganzen Zeit hatte sich Vater unruhig auf seinem Lager hin und her gewälzt, war aber trotz des Lärms nicht ein einziges Mal wach geworden. So hatte Leif beschlossen, eine weitere Wache lang durchzuhalten, aber dann waren ihm wohl doch die Augen zugefallen.

»Steh auf Vater, es ist schon Tag.« Leif schüttelte ihn sacht.

Sven öffnete die Augen. Obwohl es ein wolkenverhangener Tag war, traf ihn die Helligkeit wie ein Blitz und stach sein Hirn mit feurigen Nadeln. Schnell schloss er sie wieder.

»Es wird bald schneien«, meinte Leif mit einem besorgten Blick nach oben. Er kannte die Vorboten des schlechten Wetters. Der Wind begann schon aufzufrischen, jagte die grauen Wolken wie Schafe über den Himmel, und ballte sie zu einer bleiernen Masse zusammen.

»Wir sollten uns beeilen!«

Schwerfällig raffte Sven sich auf. Das Fieber war schlimmer geworden. Seine Glieder schmerzten und er sehnte eine Schlafbank am warmen Feuer herbei, auf der er sich endlich niederlassen konnte. Doch er durfte seinen Sohn jetzt nicht im Stich lassen!

Sie aßen den Rest der Brotfladen, die ihnen Aldis mitgegeben hatte. Dann machten sie sich daran einen Schlitten zu bauen, auf dem sie das Fleisch transportieren konnten. Schweigend fällten sie zwei junge Bäume, entrindeten die schlanken Stämme und legten sie als Kufen in den Schnee. Darauf bauten sie ein Gestell, das sie mit Stricken zusammenbanden. Den Boden des Schlittens legten sie mit Ästen und Fichtenzweigen aus, die sie fest miteinander verschnürten.

Anschließend grub Leif das Fleisch aus dem Schneehügel aus, das die Hunde nicht aus den Augen gelassen hatten, während Sven sich ausruhte. Leifs Blicke ruhten immer wieder prüfend auf ihm. Auch wenn sein Sohn nichts sagte, so bemerkte er doch, wie krank er war. Husten und Fieber nagten hartnäckig an ihm und der Bau des Schlittens hatte fast seine ganze Kraft verbraucht. Er musste so schnell wie möglich nach Hause.

Leif war eher damit fertig, den Schnee beiseitezuschieben, als ihm lieb war. Danach luden sie das Fleisch auf den Schlitten. Zuunterst kam die Haut des Elches, damit sie sein Fleisch darin eingeschlagen konnten. Auch das Geweih nahmen sie mit. Einen kleinen Teil aber weihten sie, zum Dank für die gute Jagd, den Göttern.

Leif sollte recht behalten. Als sie sich auf den Heimweg machten, begann es zu schneien. Ein kurzes Stück schoben sie den Schlitten über den schmalen, fast ebenen Einschnitt des Berges, der ihnen als Nachtlager gedient hatte. Die Hunde sprangen voller Freude über die Tatsache, dass es nun endlich weiterging, um sie herum. Dann ging die Ebene in eine leichte Senke über und Sven sprang hinten auf, während Leif sich der Vorderseite des Schlittens widmete. Gemächlich glitten sie eine Zeitlang den Berg hinunter, doch bald wurde der Hang steiler. Sie nahmen immer mehr Fahrt auf und schossen geradezu durch die weiße Winterlandschaft. Sven nahm seine ganze verbliebene Kraft zusammen, lenkte den Schlitten geschickt zwischen den Bäumen hindurch und an Felszacken vorbei, die sich immer wieder vor ihnen auftürmten. Im Laufe der Zeit wurde der Schneefall dichter, während der Wind die Baumwipfel krümmte. Eiskristalle peitschten ihnen schmerzhaft ins Gesicht. Bald wurde es so düster, dass sie kaum noch die Hand vor den Augen sehen konnten.

Verzweifelt hielt sich Sven am Schlitten fest. Seine Stärke schwand bedrohlich dahin und er konnte sich nicht mehr dagegen wehren. Das schlechte Wetter tat sein übriges.

»Wir müssen anhalten«, brüllte er gegen den heulenden Sturm an. »Es hat keinen Zweck weiterzufahren.« Erleichtert sah er, wie Leif ihm ein Zeichen gab, dass er verstand. Die Ruhepause würde ihm guttun, so hoffte er.

Bei der nächsten Mulde stoppten sie den Schlitten und zogen ihn nah an eine Felswand, die ihnen etwas Schutz vor dem Unwetter bot. So schnell es ging, luden sie das Fleisch ab, um an die Unterlage aus Fichtenzweigen heranzukommen. Sie kippten den Schlitten zur Seite, während der Sturm, der ihre Gesichter zu Eis gefrieren ließ, brüllend um sie herum tobte. Dann krochen sie in die verbliebene Lücke. Den Fels im Rücken machten sie die Zweige über ihren Köpfen fest, damit sie ein Dach hatten, das den wirbelnden Schnee abhielt. Gráfeldur und Dimmi schlüpften winselnd in die künstliche Höhle, um Schutz bei ihnen zu suchen. So wärmten sich Mensch und Tier gegenseitig. Odin allein wusste, ob sie noch einmal die Sonne sehen würden. Ihr Leben lag allein in der Hand der Götter.

Irgendwann in der Nacht legte sich das beängstigende Geheul des Schneesturms. Ein neuer Tag zog freundlich herauf, der Leif durch die Stille weckte, die ihn umgab. Verwundert stellte er fest, dass er trotz alledem eingeschlafen war. Eine dicke weiße Schicht lag auf den Fichtenzweigen, die während der Nacht ein schützendes Dach über ihnen gebildet und dafür gesorgt hatte, dass sie nicht erfroren. Er schob es fort, war froh, dass er noch lebte, und genoss den schönen Anblick, der ihn erwartete. Der verschneite Wald lag da, als käme er aus einer anderen Welt. Eine strahlende Wintersonne schien vom Himmel und brach sich in Millionen kleiner Eiskristalle. Die Luft war so klar, dass er das Gefühl hatte, alles überdeutlich sehen zu können. Außer ein paar umgestürzten Bäumen schien nichts die Idylle zu trüben. Erst jetzt erkannte Leif, dass ihr Nachtquartier auf einer Lichtung lag, die auf ihrer Seite an eine Felswand grenzte und etwa hundert Schritt weiter ins Tal abfiel.

»Vater, wach auf«, Leif bückte sich, gab Sven einen leichten Stoß und erschrak. Svens schmales Gesicht war käsebleich, der Bart voller Eisklümpchen. Er sah aus wie tot!

»Vater, Vater?« Angstvoll rüttelte er an seiner Schulter.

Sven gab ein gequältes Husten von sich und Leif atmete erleichtert auf. Er lebte!

»Komm steh auf«, versuchte Leif ihn zu ermuntern. »Es ist ein herrlicher Tag. Der Rest des Weges wird nicht mehr so anstrengend sein.«

Doch Sven gab keine Antwort.

»Vater, was ist? Rede doch mit mir!«

Sven hustete erneut und antwortete krächzend: »Ich kann nicht mehr Junge. Ich kann keinen Schritt mehr gehen!«

»Was heißt, du kannst nicht mehr gehen? Versuche es doch wenigstens!« Leif wollte es nicht wahrhaben, doch Sven schüttelte den Kopf. Entsetzt hockte Leif sich neben ihn. Sein Vater würde in dieser öden Wildnis sterben, wenn er ihm nicht helfen konnte.

Bleib ruhig, befahl er sich selbst. Denk nach, was du tun kannst.

»Du musst das Fleisch nach Hause bringen«, krächzte Vater mühsam weiter. Seine Lunge rasselte. »Lass mich hier.«

»Nein, das werde ich nicht tun!«

Was würde Mutter sagen, wenn er ohne Vater nach Hause käme? Wenn er ihn hier ließ, war er tot, bevor er wieder zurückkommen konnte. Das würde er nicht zulassen!

»Ich werde dich mitnehmen!«

Energisch versuchte Leif den schweren Mann hochzuziehen, was ihm große Mühe bereitete.

»Komm, geh die paar Schritte zum Schlitten und lege dich darauf«, bat er ihn schwer atmend. »Ich schaffe es sonst nicht!«

Mit letzter Kraft torkelte Sven, unterstützt von Leif, auf den Schlitten zu und ließ sich darauf fallen, dann rührte sich nicht mehr. Leif holte Svens Fellmantel und deckte ihn damit zu. Tränen rannen ihm über die Wangen. Trotzig wischte er sie fort. Reiß dich zusammen, schalt er sich!

Das Fleisch legte er auf die verbliebene Ladefläche. Was er nicht mehr unterbringen konnte, ließ er liegen. Das Leben seines Vaters war jetzt wichtiger. Dann stellte er sich hinter den Schlitten und versuchte ihn zu schieben. Die Fracht, die er enthielt, war jedoch viel zu schwer und er bewegte sich nicht ein Stückchen. Fieberhaft überlegte Leif, was er als nächstes tun konnte. Er versuchte es damit, den Schnee vor den Kufen wegzuschieben. So kam er zwar etwas vorwärts, aber der Schwung reichte nicht, um den Schlitten richtig in Fahrt zu bekommen.

Wenn ich nur ein Pferd hätte, um den Schlitten anzuziehen, dachte Leif verzweifelt. Doch die beiden Pferde standen zu Hause im Stall und waren unerreichbar. Die Hunde, schoss es ihm durch den Kopf. Sie sind stark, vielleicht sollte ich es mit ihnen versuchen.

»Gráfeldur, Dimmi«, brüllte er. Geduckt schlichen die beiden heran. Sie schienen zu spüren, dass etwas nicht stimmte.

»Hört mir zu! Ihr müsst mir helfen, den Schlitten durch den Schnee zu ziehen.« Er sprach zu ihnen, wie zu einem Menschen und wünschte sich sehnlichst, dass sie ihn verstanden. Sie waren die einzigen Lebewesen, auf die er sich jetzt noch verlassen konnte. Dann suchte er zwei lange Stricke aus dem Gepäck und machte eine Art Halfter daraus. Diese zog er den Hunden an und band sie vor den Schlitten. Mit verbissenem Gesicht postierte er sich am hinteren Ende und versuchte mit aller Kraft, den Schlitten zu schieben. Gleichzeitig gab er den Hunden das Kommando.

»Ziiieeeht«, schrie er und tatsächlich, die Hunde verstanden, was er von ihnen wollte, zogen an, legten sich mit ganzer Kraft in die Seile und stemmten ihre Beine in den Schnee. Leifs Enttäuschung war groß, als sie es auch zu dritt nur ein kleines Stück schafften. Erschöpft lagen sie hinterher auf dem Boden und versuchten wieder zu Kräften zu kommen. Kleine schwarze Punkte tanzten vor Leifs Augen, während die Hoffnungslosigkeit wie eine Welle über ihm zusammenschlug. Ich schaffe es nicht, dachte er verzweifelt. Eine ganze Weile lag er nur da und starrte in den sonnigen, blauen Himmel.

»Du darfst jetzt nicht schwach werden«, sagte er laut zu sich selbst und schüttelte entschlossen seine verzagten Gedanken ab. Nein, ich werde es nicht zulassen, dass Vater hier stirbt. Ich werde ihn nach Hause bringen und er wird wieder gesund werden. Denk nach! Angestrengt zog er die Stirn kraus und überlegte, was er als nächstes tun konnte. Die Hunde hatten den Schlitten gut angezogen, doch sie brauchten mehr Schub von hinten. Er war jedoch immer wieder auf dem glatten Schnee ausgeglitten, der in der Nacht einen rutschigen Eisüberzug bekommen hatte. Sein Blick glitt über das Gepäck. Vielleicht ließe sich dort etwas Brauchbares finden? Zwei Paar Schneeschuhe waren außen am Schlitten festgezurrt, sie hatten sie während der Jagd auf dem Rücken getragen, bis jetzt aber nicht gebraucht. Natürlich, das ist es. Warum war er nicht früher darauf gekommen? Mit ihnen könnte es klappen. Er zog sich die runden, flachen Gebilde aus Holz über die Stiefel und zog die Riemen fest. Die Schuhe verliehen ihm mehr Stärke, da sie die Trittfläche vergrößerten und nicht so leicht vom Boden abrutschen konnten. Zur besseren Trittsicherheit waren Nägel durch das Vorderteil ihrer Sohle geschlagen worden. Mit aller Kraft stemmte er sich noch einmal gegen den Schlitten, während die Hunde am vorderen Ende ihr Möglichstes gaben. Die Kufen schienen festgefroren zu sein. Langsam, ganz langsam fühlte er ein verhaltenes Schlittern.

»Ziiieeht weiter!«, feuerte Leif die Hunde an. Er gab alles. Legte seine ganze Muskelkraft in den Versuch sich fortzubewegen, bis er dachte, sein Kopf würde jeden Moment platzen. Endlich kam der Schlitten vollends ins Rutschen, wurde leicht wie eine Feder und nahm so viel Fahrt auf, dass Leif fast hinfiel. Doch das kümmerte ihn nicht. Er schrie sein Glück hinaus und führte den Schlitten, zusammen mit den Hunden, bis zur Kante der Ebene. Dort band er sie los und ließ das Gefährt den Berg hinunter gleiten. Das Glück war ihm auch weiter hold, denn von nun an ging es gemächlich bergab.

Sein Herz machte vor Freude einen Sprung, als er endlich durch die Bäume ins Tal sehen konnte und dort die große, spiegelnde Fläche des Selbusjøen erblickte.

Den Rest des Weges zog er den Schlitten wieder gemeinsam mit den Hunden über den vereisten See. Es begann bereits dunkel zu werden, als Leif mit seiner Fracht zu Hause ankam. Noch nie in seinem Leben war er so froh gewesen, das Langhaus und die beiden kleineren Nebengebäude zu sehen. Nur der Husten hatte in den letzten Stunden verkündet, dass sein Vater noch lebte.

Kapitel 3Fieber

Hungrig machte sich Leif über das Essen her, dass Bera ihm hingestellt hatte, während er sich die kalten Füße vom Feuer wärmen ließ. Sven hatte das Bewusstsein nicht wiedererlangt und Leif hatte ihn, zusammen mit Geimund, ins Haus tragen müssen.

»Er hat hohes Fieber«, bemerkte Aldis voller Sorge, als sie ihm die Kleider auszog und ihn untersuchte. Unnötigerweise legte sie ihm ein Ohr an die Brust. Man konnte auch so hören, dass die Lunge voller Schleim war. Er brummte und pfiff bei jedem Atemzug.

Aldis stand auf, um mit ihren Blicken die getrockneten Kräuter, die von den geschwärzten Dachbalken hingen, zu durchforsten. Sie entschied sich für eine Handvoll Bachminze und warf sie ins Feuer.

»Wird er sterben Mutter?« Leifs Schwester Solveig stand neben der mit Brettern eingefassten Schlafbank, auf der ihr Vater lag. Sie starrte angstvoll zu dem großen Mann hinunter. Ihre Finger spielten nervös mit dem strohblonden Zopf, den ihr Aldis geflochten hatte.

»Ich weiß es nicht, mein Kind.«

»Du musst die Völva holen, sonst wird er sterben«, drängte Bera. Sie saß, wie immer, ganz nah beim Feuer, um ihre schmerzenden Knochen zu wärmen und krempelte mit den alten, knotigen Fingern, Schafswolle, damit sie zu Garn gesponnen werden konnte.

»Sei still«, fuhr ihr Aldis über den Mund. »Lass mich nachdenken!«

»Überlege es dir gut, bevor du eine andere Entscheidung triffst. Wenn du die Völva nicht kommen lässt, wird er den Strohtod sterben. Schande und Schmach werden über ihn kommen!« Energisch zog Bera die Wolle durch zwei gleich große Nagelbrettchen, um sie zu säubern. »Gewähre ihm wenigstens einen ehrenvollen Tod, obwohl du sonst alles getan hast, um einen Skräling aus ihm zu machen!«

»Halt dein Schandmaul, altes Weib!«, herrsche Aldis sie an.

Obwohl Bera die Magd war, hatte sie fast immer das letzte Wort. Ihre Familie war der Blutrache zum Opfer gefallen, die sie als einzige überlebt hatte. Es war ein glücklicher Zufall gewesen, dass sie in jener Nacht eben ihre Notdurft am Misthaufen verrichtete, als der Feind kam und das Haus in Brand steckte. Sie war geflohen, bevor sie entdeckt wurde, und hatte aus der Ferne mitangesehen, wie man ihren Mann, dessen Eltern und, was das Schlimmste war, ihre Kinder niedergemetzelte, sobald sie aus Angst vor den gleisenden Flammen aus dem Haus rannten. Sie wusste, dass sie ihnen nicht helfen konnte. Dann war sie blind vor Verzweiflung fortgelaufen, eine Frau ohne jeglichen Schutz. Aldis’ Mutter hatte sie beim Pilzesuchen entdeckt, als sie halbtot vor Hunger und Schwäche am Boden lag. Sie hatte Mitleid mit Bera und nahm sie in ihr Haus auf. Als Gegenleistung für einen gefüllten Magen, eine wärmende Schlafbank und die nötige Kleidung, die sie von nun an erhielt, diente sie seit jener Zeit der Familie. Sie half im Haus und auf dem Feld, sah wie Aldis und ihre Geschwister geboren wurden, und erzog sie mit. Sie war eine gute Magd, doch ihr unbeugsames Wesen hatte sie behalten, sie scheute sich nicht davor, ihrer Herrin die Meinung zu sagen.

Leif fuhr sich durch die Haare. Die Kämpfe der beiden Frauen waren ihm wohlvertraut. Aber hatte Bera nicht recht? Er liebte seinen Vater, wusste nicht, wie er als Krieger in der Fremde war und kannte ihn nur als gern gesehenen Gast während der Monate, in denen er nicht auf Wikingfahrt ging. Hier war es leicht zu durchschauen, dass er viel zu gutmütig war, um seiner Frau zu widersprechen. Mutter hatte bei ihnen das Sagen und er beugte sich. War es nicht offensichtlich, dass so etwas nur Skrälinge taten? Trotzdem schien er ein guter Krieger zu sein, denn die silbernen Armreife die er trug, waren der Lohn für die Anerkennung seines Jarls.

Im Feuer verbrannte die Bachminze. Ihr Duft legte sich angenehm über Leifs Atemwege, bevor er in Richtung der geschwärzten Dachbalken zog, um durch den Rauchfang zu entschwinden.

Leif betrachtete seinen Vater nachdenklich, während er einen Brotfladen, den er dick mit Butter bestrichen hatte, verschlang und sich das warme Bier dazu schmecken ließ. Trotzdem hatte er Vater gern und er wusste das Solveig ihn genauso liebte. Ob er wahrnahm, was um ihn herum vor sich ging? Sven war normalerweise ein starker Mann, doch jetzt sah seine reglose Gestalt geradezu zerbrechlich unter der leichten Wolldecke aus. Der Körper wirkte eingefallen, das Gesicht mit den hohen Wangenknochen war hochrot und seine ohnehin schon tiefliegenden Augen schienen noch tiefer als sonst in ihren Höhlen zu liegen. Mutter hatte ihm einen kalten Lappen auf die Stirn gelegt, doch es schien nicht viel zu nützen.

Aldis ging wie ein eingesperrtes Tier in dem langen Raum auf und ab, während sie überlegte. Was konnte sie tun? Sollte sie es selbst versuchen ihn gesund zu pflegen? Nein, das war zu gefährlich. Sein Aussehen und die Art, wie er atmete gefielen ihr nicht. Sie konnte ihn nicht heilen, er würde ihr unter den Händen wegsterben.

Würde ihr das Leid tun? Einen Augenblick zögerte sie. Ja, das würde es! Anfänglich hatte sie Sven geheiratet, um Hakon damit eine Wunde zu schlagen. Doch mit der Zeit hatte sie ihren Mann schätzen gelernt. Sicher, er war kein so großer Krieger, wie Hakon, doch er hatte andere Vorteile und war immer ein guter Ehemann und Vater gewesen.

Was also sollte sie tun? Sollte sie die Völva holen lassen? Wenn sie das tat, würde Hakon wahrscheinlich Wind von der Sache bekommen, und so wie sie ihn kannte, diesen Vorwand nutzen, um seine Nase in ihre Angelegenheiten zu stecken. Sie wusste, dass er neugierig war, doch bis jetzt hatte er noch nie die Gelegenheit bekommen sie zu besuchen. Aldis hatte ihrem Mann deutlich zu verstehen gegeben, dass sie so etwas nicht wünschte, und Sven hatte, wie immer, nachgegeben. Aber es gab keine andere Möglichkeit, sie musste das Risiko eingehen, wenn sie ihren Mann behalten wollte.

»Geimund«, rief sie.

Der Knecht hatte den Auftrag bekommen den Schlitten abzuladen, und pendelte zwischen ihm und dem Haus hin und her, um die zukünftigen Schinken dort abzulegen, bevor sie gesalzen und in den Rauch gehängt werden konnten. Einen weiteren Teil legte er in ein Holzfass, um es später zu Pökelfleisch zu verarbeiten. Den Rest des Fleisches hatte er in eine Grube gelegt, die sich unweit des Hauses befand, sie mit dicken Brettern und einer Schicht Schnee verschlossen, damit das Fleisch dort einfror. Als er seine Herrin rufen hörte, öffnete er die Tür zum Wohnraum.

»Was ist Herrin?«

»Bist du mit dem Fleisch fertig?«

»Noch ein Stück aus dem man einen schönen Schinken machen kann, dann ist der Schlitten leer. Herrliches Fleisch ist das! Muss ein prächtiges Tier gewesen sein.«

»Mag sein«, knurrte Aldis. »Der Appetit auf Elchfleisch ist mir vergangen. Bring den Schinken herein, und komm dann zu mir, du musst etwas für mich erledigen!«

Neugierig kam Geimund kurz darauf wieder.

»Was soll ich tun?«

»Zieh dir warme Sachen an, du musst zur Völva gehen!«

»Aber«, versuchte Geimund zu protestieren, »es ist schon dunkel draußen.«

»Es geht nicht anders. Nimm die Hunde mit und sag ihr, sie muss sich beeilen, sonst ist es zu spät!«

Geimund verstand. Hastig drückte Aldis ihm ein Päckchen Proviant in die Hände, dann nahm sie den Säugling aus seinem Körbchen, der aus Leibeskräften brüllte. Floki hatte geschlafen, jetzt hatte er Hunger und verlangte nach Aufmerksamkeit. Seine Fäustchen ballten sich vor Wut, während er eifrig mit dem Mund nach der Brust suchte, sobald Aldis ihn auf den Arm genommen hatte. Aldis setzte sich neben Leif auf die Bank, öffnete die Ovalfiebel, die ihr Kleid an der Schulter zusammenhielt, und legte Floki an.

Leif konnte die glucksenden Geräusche hören, die sein Bruder beim Trinken machte. Er war ein niedlicher kleiner Kerl, aber Leif hatte im Moment keinen Sinn für solcherlei Dinge. Gedankenverloren stellte er das leere Holzbrettchen zur Seite.

»Wird er durchkommen?«

»Ich weiß es nicht!« Die Traurigkeit, die in Mutters Stimme lag, erwärmte auf seltsame Weise sein Herz. Manchmal war sich Leif nicht sicher, ob sie Vater liebte, oder ob sie überhaupt jemanden liebte. Jetzt hätte er sie gerne getröstet, aber er wusste nicht wie. Sie waren sich nie besonders nahe gewesen. Es war nicht so, dass er sie nicht mochte, aber Mutter konnte selten Gefühle zeigen. Ihr Leben bestand nur aus Arbeit und Pflichterfüllung. Als er jünger war, hatte Leif es vermisst, von ihr in den Arm genommen, um liebkost, oder getröstet zu werden, und nun konnte er es bei ihr nicht.

Zum Glück hatten Bera und Vater diese Aufgabe übernommen, sonst hätte er keine Ahnung davon, was Liebe bedeutete.

Die Tür klappte zu, als Geimund mit einer brennenden Fackel, gefolgt von Gráfeldur und Dimmi, das Haus verließ. Svala, die Völva, wohnte eine halbe Tagesreise entfernt. Wenn er sich beeilte, konnte er morgen Abend mit ihr zurück sein.

Kurz darauf war Floki fertig, Aldis ließ ihn aufstoßen und gab ihn an Solveig weiter.

»Leg dich hin, und schlaf ein wenig. Du siehst sehr müde aus«, wandte sie sich an ihren Ältesten.

Leif nickte dankbar. Er war hundemüde. Die letzten Tage waren sehr anstrengend für ihn gewesen. Ein bisschen Schlaf würde ihm gut tun. Er machte sich sein Lager auf der Bank zurecht, kroch hinein und war kurz darauf eingeschlafen.

Kapitel 4Die Völva

Leif erwachte erst wieder, als ihn jemand kräftig schüttelte.

»Komm, wach auf«, wisperte ihm Solveig aufgeregt ins Ohr.

Er sträubte sich, seine Traumwelt zu verlassen. Warum ließ man ihn nicht einfach in Ruhe? Er war doch eben erst eingeschlafen! Doch Solveig war wild entschlossen, ihn so schnell wie möglich aus seinen angenehmen Träumen zu reißen, und griff zu einer List: Sie kitzelte sein Gesicht mit dem Ende ihres langen Zopfs, bis er prustend lachte.

»Komm beeil dich, die Völva wird gleich hier sein!«

Angestrengt öffnete er ein Auge und sah geradewegs in Solveigs rundes Gesicht mit der kecken Nase und den großen, blauen Augen. »Wie? Ist es denn schon wieder Abend?«, fragte er gähnend. »Dann muss ich wohl ziemlich lange geschlafen haben.«

Solveig lächelte. »Sogar noch länger. Du warst die letzten eineinhalb Tage nicht wach zu kriegen.«

»Was?« Ungläubig sah Leif sie an. Schnell erhob er sich von seinem Lager.

»Wie geht es Vater?«

»Sein Zustand ist immer noch derselbe«, ertönte Mutters Stimme. »Er ist seither nicht mehr zu sich gekommen.« Sie sah müde und mitgenommen aus und er fragte sich, wann sie das letzte Mal ein Auge zugetan hatte.

»Warum bist du dir so sicher, dass die Völva nicht mehr weit ist?«, wandte er sich wieder an Solveig.

»Ich war gerade draußen und habe Svala und Geimund über den See laufen sehen. Nur noch ein kleines Stück und sie sind da.« Ängstlich schaute Solveig ihren Bruder an. »Ach Leif, ich hoffe so sehr, dass sie Vater helfen kann.«

Leif nahm sie tröstend in die Arme.

»Hab keine Angst. Sie ist eine Zauberfrau und kann mit den Göttern reden. Sie wird ihn bestimmt wieder gesund machen!« Er wischte die Tränen fort, die ihr über die Wangen rollten und verdrängte seine eigene Furcht.

Dann ging die Tür auf.

Svala war eine anmutige, schlanke Frau, etwas älter als Aldis’, mit einem immer noch hübschen Gesicht. Ihr aufrechter Gang und der Stab, den sie in der linken Hand hielt, unterstrichen die geheimnisvolle Ausstrahlung, die sie umgab. Schon als junges Mädchen verfügte sie über die Fähigkeiten einer Seherin. Sie konnte das Schicksal der Menschen erkennen, und es im günstigsten Fall mit Hilfe der Götter wenden. Darüber hinaus kannte sie die Magie der Kräuter und wie man sie bei bestimmten Krankheiten einsetzte.

Mit einer geschmeidigen Bewegung nahm sie die Pelzmütze vom Kopf und ließ ihren geflochtenen Zopf aus weizenblondem Haar über den Rücken gleiten. Dann löste sie die Fibel ihres Umhangs, nahm denselben von den Schultern, und drückte beides Bera in die Hände.

»Ich hoffe, wir sind noch nicht zu spät?«, erkundigte sie sich. »Der viele Neuschnee in den Bergen ließ uns nur langsam vorankommen.«

Aldis schüttelte den Kopf.

Svala ging zu dem Kranken und beugte sie sich über ihn. Während sie ihn untersuchte befragte sie die Familie genau nach den Zeichen der Krankheit. Sie wiegte nachdenklich den Kopf. Dann hockte sie sich auf den Boden, zog schweigend kurze Runenstäbe aus ihrem Lederbeutel, hielt sie wie ein Bündel Reisig in der Hand und warf sie abrupt auf den mit Binsen bedeckten Boden. Lange Zeit starrte sie auf das Muster, das die Stäbe gebildet hatten. Auch die Augen der Familie, ausgenommen diejenigen von Sven und Floki, waren auf die am Boden liegenden Runenstäbe gerichtet, während sie mit wachsender Ungeduld darauf warteten, dass Svala die Zeichen deutete. Endlich breitete sie die Arme aus und hob an zu erklären, was sie gesehen hatte:

»Die drei Nornen, die am Fuß der Weltesche Yggdrasil sitzen, breiten ihre Fäden aus, um das Schicksal dieses Mannes zu spinnen. Vom Leben zum Tod, oder vom Tod zum Leben, denn viel davon ist nicht mehr in ihm!« Sacht hob sie die Augenbrauen. »Die Runen sagen mir nicht, was sie vorhaben. Vielleicht hat Loki der Gott der List und Lüge meinen Geist verwirrt? Vielleicht haben die anderen Götter seinen Tod beschlossen? Ich kann nur versuchen, sie gnädig zu stimmen. Viel mehr kann ich nicht für ihn tun!«

Mutter senkte den Kopf und nickte.

Eine seltsame Stimmung, voll unguter Ahnungen verbreitete sich im Haus, doch keiner wagte sie auszusprechen.

Bera saß derweil am Feuer und bereitete das Frühmahl zu, während sich Geimund neben ihr wärmte. Geimund war nur halb so alt wie sie, doch sie verstanden sich gut und er war Bera so teuer wie einer ihrer Söhne, die sie vor langer Zeit verloren hatte. Die alte Magd ergriff lustlos eine große Eisenpfanne, stellte sie in die Glut, nahm etwas Teig und formte mit ihren Händen einen Fladen daraus. Diesen legte sie in die heiße Pfanne, in der schon etwas Fett vor sich hin brutzelte, um ihn darin zu backen.

»Leif, würdest du mit Solveig die Kuh und die Ziegen melken?«, fragte Mutter. Leif nickte. Nichts war ihm lieber, als der angstvollen Stimmung, die wie eine schwere Decke über ihnen lastete zu entgehen. Er schnappte sich zwei Holzeimer und ging mit seiner Schwester in den Winterstall, der sich im hinteren Teil des Hauses befand, und nur durch ein Holzgatter vom Wohnraum abgetrennt war. Drifa, die Kuh, gab ein energisches Muhen von sich, als die beiden Geschwister in ihre Nähe kamen und auch die Ziegen, Schafe und die beiden Pferde begannen sich zu beschweren. Schnell warfen sie ihnen Heu in die Futterkrippe und brachten die Tiere damit zum Schweigen. Der herbe Geschmack des Ziegenbocks und die Ausscheidungen der Tiere rochen hier strenger als im vorderen Teil des Hauses, doch es war ein friedlicher Ort und Leif entspannte sich ein wenig. Geschickt ließ er seine Finger über die Zitzen der Kuh gleiten, deren Milch in einem dicken Strahl in den Holzeimer strömte. Dann half er Solveig bei den Ziegen. Nicht mehr lange, und sie würden darauf verzichten müssen. Der lange Winter und das kärgliche Futter ließen die Milch der Tiere langsam versiegen.

 

Das letzte Brot war fertig gebacken, als sie den Wohnraum wieder betraten. Bera löste es eben mit einem Holzspatel aus der Pfanne. Schweigend setzte sich die Familie ans Feuer, um das Frühmahl einzunehmen, während Svala um das Überleben des Kranken kämpfte.

Sie wird ihm helfen, versuchte Leif immer wieder seinen Geist zu besänftigen. Sie musste es einfach! Er wollte Vater nicht verlieren, er liebte ihn! Die Vorstellung nie wieder mit ihm reden zu können, ihm nicht mehr die Fragen stellen zu können, die ihn beschäftigten, beunruhigte ihn zutiefst.

Die Völva hatte in der Zwischenzeit einen halbrunden Kreis mit ihrem Stab vor dem Krankenlager gezogen, und dessen Enden mit der Schlafbank verbunden. Der Zauber sollte das Böse fernhalten. Ein kleines Kohlebecken stand darin, in dem sie Tannen- und Fichtennadeln räucherte, die einen angenehmen Duft abgaben und dem Kranken das Atmen erleichtern sollten. Dazu hatte sie getrockneten Farn gegeben, um den Kontakt mit den Göttern herzustellen. Nun setzte sie sich selbst in den Kreis. Leif beobachtete neugierig, wie sie sich rhythmisch vor und zurückbewegte und Zauberformeln vor sich hinzumurmeln begann, um die Götter zu besänftigen. Niemand außer Svala durfte sich in der Nähe des Kranken aufhalten, selbst Mutter hatte sie fortgeschickt.

So blieb ihnen nichts weiter übrig, als zuzuschauen und abzuwarten, während sie das Brot aßen und frische Milch dazu tranken. Allein Floki schien das alles nicht zu interessieren. Er lag friedlich in seinem Körbchen und lutschte zufrieden an seinen kleinen Händchen.

»Ich brauche frisches Wasser, um Vater zu kühlen, wenn sie fertig ist«, wandte sich Aldis leise an Leif, um Svala nicht zu stören. »Würdest du es holen, wenn du zu Ende gegessen hast?«

Leif stand eilig auf. Er hatte sowieso keinen Hunger. Ein leerer Wassereimer, an dessen Henkel ein Strick befestigt war, stand an seinem Platz neben der Tür. Er zog sich den Umhang über, nahm den Eimer und die an der Wand hängende langschäftige Axt zur Hand und ging hinaus.

Eisige Luft empfing ihn. Er atmete sie dankbar ein. Es tat gut, dem Geruch nach Rauch und Krankheit in dem fensterlosen Langhaus zu entfliehen. Bald fuhr ihm die Kälte durch die Kleider und ließ ihn frösteln. Trotzdem blieb er noch einen Moment stehen und hörte der Völva zu, wie sie ihre Beschwörungsformeln immer eindringlicher zu den Göttern schickte. Als er sich besser fühlte, stapfte er das kurze Stück zum See.