Völkerpsychologie und Entwicklungspsychologie - Wilhelm Wundt - E-Book

Völkerpsychologie und Entwicklungspsychologie E-Book

Wilhelm Wundt

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Beschreibung

Dieses Werk aus dem Jahr 1914 beleuchtet ethnopsychologische Hintergründe. Inhalt: 1. Die Völkerpsychologie: Wort und Begriff. 2. Der Entwicklungsgedanke und die Entwicklungspsychologie. 3. Die psychologische Analyse. 4. Der Begriff des Gesetzes in der Psychologie. 5. Genetische und kausale Interpretation. 6. Das Assimilationsproblem und der Fluß des psychischen Geschehens. 7. Systematische und genetische Betrachtung geistiger Vorgänge und Entwicklungen. 8. Die Völkerpsychologie als Teil einer allgemeinen Entwicklungspsychologie.

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Völkerpsychologie und Entwicklungspsychologie

Wilhelm Wundt

Inhalt:

Wilhelm Wundt – Biografie und Bibliografie

Völkerpsychologie und Entwicklungspsychologie

1. Die Völkerpsychologie: Wort und Begriff.

2. Der Entwicklungsgedanke und die Entwicklungspsychologie.

3. Die psychologische Analyse.

4. Der Begriff des Gesetzes in der Psychologie.

5. Genetische und kausale Interpretation.

6. Das Assimilationsproblem und der Fluß des psychischen Geschehens.

7. Systematische und genetische Betrachtung geistiger Vorgänge und Entwicklungen.

8. Die Völkerpsychologie als Teil einer allgemeinen Entwicklungspsychologie.

Völkerpsychologie und Entwicklungspsychologie, Wilhelm Wundt

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849625337

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Wilhelm Wundt – Biografie und Bibliografie

Namhafter Philosoph, geb. 16. Aug. 1832 zu Neckarau in Baden, verstorben am 31. August 1920 in Großbothen bei Leipzig. Studierte seit 1851 in Heidelberg, Tübingen und Berlin Medizin, habilitierte sich 1857 als Privatdozent für Physiologie in Heidelberg, erhielt 1865 eine außerordentliche Professur daselbst, ging 1874 als ordentlicher Professor der Philosophie nach Zürich und folgte 1875 einem Ruf nach Leipzig, wo er ein Institut für experimentelle Psychologie gegründet hat und leitet, nach welchem Muster viele ähnliche Institute eingerichtet worden sind. Als Physiolog wesentlich von Problemen des animalen Lebens angezogen, gewann W. durch seine Arbeiten über die dem Wollen, Empfinden und Erkennen dienenden und dasselbe bedingenden Nerven, Muskeln und Sinne eine solide Grundlage für die Spekulation auf psychologischem und erkenntnistheoretischem Gebiet, auf der er mit anerkanntem Erfolg weitergebaut hat und baut. Er gehört, wie Joh. Müller und Helmholtz, zu denjenigen Physiologen, die auf dem Boden exakt naturwissenschaftlicher Beobachtungen und Experimente dem philosophischen Postulat Kants nach Kritik unsrer Erkenntnismittel Genüge zu leisten streben. Als Philosoph hat er sich um die Einführung der induktiven Methode in bisher rein philosophische Wissenschaften (Logik, Ethik), insbes. aber um die Psychologie durch exakte Messungsversuche (z. B. der Zeit, deren ein Sinnenreiz bedarf, um zur Empfindung zu werden) verdient gemacht. Er vertritt in der Psychologie den Voluntarismus und betont besonders die Apperzeption; seine Metaphysik läuft auf Voluntarismus, wenn auch in andrer Weise als die Schopenhauersche, hinaus. In der Ethik lehrt er den Evolutionismus, wobei er einen Gesamtwillen anerkennt. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Die Lehre von der Muskelbewegung« (Braunschw. 1858); »Beiträge zur Theorie der Sinneswahrnehmung« (Leipz. 1862); »Lehrbuch der Physiologie des Menschen« (Erlang. 1864. 4. Aufl. 1878); »Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele« (Leipz. 1863, 2 Bde.; 4. Aufl. in 1 Bd., Hamb. 1906; engl. von Creighton und Titchener, Lond. 1896); »Untersuchungen zur Mechanik der Nerven und Nervenzentren« (Erlang. 1871–76, 2 Tle.); »Die physikalischen Axiome und ihre Beziehung zum Kausalprinzip« (das. 1866); »Handbuch der medizinischen Physik« (das. 1867); »Grundzüge der physiologischen Psychologie« (Leipz. 1874; 6. Aufl. 1908, 3 Bde.; Gesamtregister von Wirth, 1903); »Über die Aufgabe der Philosophie in der Gegenwart« (das. 1874); »Über den Einfluß der Philosophie auf die Erfahrungswissenschaften« (das. 1876); »Logik« (Stuttg. 1880 bis 1883, 2 Bde.; 3. Aufl. 1906–07); »Essays« (Leipz. 1885, 2. Aufl. 1906); »Ethik« (Stuttg. 1886; 3. Aufl. 1903, 2 Bde.); »System der Philosophie« (Leipz. 1889; 3. Aufl. 1907, 2 Bde.); »Grundriß der Psychologie« (das. 1896, 8. Aufl. 1907; engl. von Judd, 3. Aufl. 1907); »Völkerpsychologie«, Bd. 1: Die Sprache (1. u. 2. Teil, Leipz. 1900; 2. Aufl. 1904), Bd. 2: Mythus und Religion (1905–06, 2 Tle.); »Einleitung in die Philosophie« (das. 1901, 4. Aufl. 1906). Auch gab er von 1883–1902 »Philosophische Studien« (Leipz.) heraus, welche Arbeiten Wundts (z. B. »Über die Messung psychischer Vorgänge«, »Über die Definition der Psychologie«, »Über naiven und kritischen Realismus«) und seiner Schüler hauptsächlich zur experimentellen Psychologie und Erkenntnislehre enthalten. Seit 1905 gibt er »Psychologische Studien« heraus, in denen die experimentelle Psychologie in rein theoretischem Interesse gepflegt wird. Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Philosophen II«. Vgl. Vannérus, Vid studiet at Wundts psykologi (Stockh. 1896); König, Wilhelm W., seine Philosophie und Psychologie (Stuttg. 1900); Eisler, Wundts Philosophie und Psychologie in ihren Grundlehren (Leipz. 1902) und die Festschrift zum 70. Geburtstag Wundts (Bd. 19 u. 22 der »Philosophischen Studien«, das. 1902).

Völkerpsychologie und Entwicklungspsychologie

1. Die Völkerpsychologie: Wort und Begriff.

    In seiner an Gedanken und Anregungen reichen Abhandlung "Über Entwicklungspsychologie", die Felix Krueger als erstes Heft einer Sammlung von "Arbeiten zur Entwicklungspsychologie" veröffentlicht hat, ist von ihm der Name "Völkerpsychologie" einer ausführlichen Kritik unterzogen worden 1). Diese Kritik kommt zu dem Ergebnis, der von Lazarus und Steinthal eingeführte Ausdruck sei im wesentlichen aus zwei Gründen zu verwerfen: erstens, weil die genannten Forscher selbst mit diesem Ausdruck einen sehr unbestimmten und zum Teil von dem heutigen abweichenden Begriff verbunden haben, und zweitens, weil der Name überhaupt seinem unmittelbaren Wortsinne nach unzutreffend sei. Krueger schlägt daher vor, ihn zu beseitigen, und statt seiner den der "Entwicklungspsychologie" oder, wenn man einer näheren Bezeichnung bedürfe, den der "sozialen Entwicklungspsychologie" einzuführen. Seine Begründung dieses Vorschlags enthält nun zweifellos manches Beachtenswerte. Gleichwohl kann ich dem Schlußergebnis nicht zustimmen. Vielmehr glaube ich, daß, wenn wir den vorgeschlagenen Namenwechsel vornehmen wollten, dies ein schönes und auch im wesentlichen zutreffendes Wort gegen ein minder schönes und in viel erheblicherem Grade kritischen Einwänden ausgesetztes eintauschen hieße. Je erfreulicher daher das rege Interesse ist, mit dem der Verf. für die völkerpsychologischen Probleme eintritt, Probleme, die gegenwärtig noch immer für die meisten Psychologen einer ihrer eigenen Wissenschaft fremden Welt anzugehören scheinen, um so mehr glaube ich meine Bedenken in diesem Punkte nicht verschweigen zu sollen. Ist doch auch in diesem Fall der Name keine bloß äußerliche Sache, da er, soweit dies in einem einzigen Wort möglich ist, auf die wesentlichen Aufgaben der Wissenschaft hinweisen soll. In der Tat wollen die beiden hier in Frage stehenden Ausdrücke dieser Forderung nachkommen, und auch darin stimmen sie überein, daß sie keine exakten Definitionen sein können. Sie weichen aber darin von einander ab, daß der Name "Völkerpsychologie" selbstverständlich zu eng, "Entwicklungspsychologie" dagegen zweifellos zu weit ist, denn dieser Begriff umfaßt außer den menschlichen Gesellschaften bis hinauf zur ganzen Menschheit auch die psychische Entwicklungsgeschichte des einzelnen Menschen, insbesondere also die Psychologie des Kindes sowie die Tierpsychologie. Die strittige Frage lautet demnach nicht, ob einer dieser Ausdrücke der allein zutreffende, sondern welcher der zweckmäßigere sei.

    Nun hat Krueger sicherlich recht, wenn er auf die unbestimmte, nirgends eine sichere Begrenzung gegenüber den historischen Geisteswissenschaften und der Geschichtsphilosophie bietende Formulierung des Programms hinweist, das Lazarus und Steinthal in der einleitenden Abhandlung zum ersten Bande ihrer "Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft" vom Jahr 1860 entwickelt haben, und er bemerkt treffend, in dem inneren Widerspruch, in den sich dieses Programm mit der von beiden Forschern vertretenen Herbartschen Vorstellungsmechanik verwickelt, sei das unsichere Schwanken, in welchem sich ihre Darlegungen bewegen, wesentlich mit begründet 2). Gleichwohl kann ich Krueger nicht beistimmen, wenn er es den beiden Völkerpsychologen zum Vorwurf macht, daß sie auch "die unterscheidende Charakteristik einzelner Völker und ihrer besonderen Geistesart" der Völkerpsychologie als eine ihrer Aufgaben zuwiesen, und wenn er meint, damit sei ihnen "das eigentlich völkerpsychologische Problem", das an sich ein "entwicklungstheoretisches" sei, "unklar in historische Aufgaben hinübergeglitten". Ich meine im Gegenteil, die Aufgabe einer vergleichenden Charakterologie der Völker ist die einzige im vollen Sinne und ausschließlich völkerpsychologische, die von ihnen klar und deutlich als solche hingestellt worden ist, wie sie denn auch wohl am schnellsten in die allgemeine Literatur unter diesem Namen Eingang gefunden hat. Sie ist freilich keineswegs die fundamentale Aufgabe, sondern mehr ein Anwendungsgebiet, aber sicherlich ist sie eine psychologische und keine historische, wie dies schon das ihr mit gutem Recht beigelegte Prädikat einer "vergleichenden" Disziplin in sich schließt. Tritt doch die Charakteristik der geistigen Eigenart eines Volkes überall erst unter dem Gesichtspunkt einer vergleichenden Betrachtung der Charaktereigenschaften verschiedener Völker in die geeignete Beleuchtung. Die Geschichtswissenschaft als solche dagegen hat mit einer derartigen psychologischen Analyse an sich nichts zu tun, wenn sie auch selbstverständlich im Verein mit den die einzelnen Teile des geistigen Lebens umfassenden historischen Spezialgebieten der Geschichte, der Kunst, der Literatur, der Sitten usw., die Hilfsmittel zur Lösung dieser Aufgabe bietet. Freilich ist die letztere ebenso wenig eine entwicklungspsychologische im unmittelbaren Sinne des Wortes. Wohl aber ist sie eine völkerpsychologische. Wollte man daher die hierher gehörigen Fragen deshalb ausscheiden, weil sie sich nicht unter den Begriff einer Entwicklungspsychologie oder gar einer "Entwicklungstheorie" bringen lassen, so hieße dies fordern, der Inhalt einer Wissenschaft solle sich nach dem für sie gewählten Namen, nicht umgekehrt die Wahl des Namens nach ihrem Inhalte richten. Hier hat eben der Ausdruck Völkerpsychologie den Vorzug, daß er seinerseits die Probleme der geistigen Entwicklung einschließt, daß er darum aber wichtige psychologische Aufgaben, die nur hier ihre geeignete Stelle finden, keineswegs ausschließt.