Volkswagen - Mark C. Schneider - E-Book

Volkswagen E-Book

Mark C. Schneider

0,0
12,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kein anderes Unternehmen spiegelt das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg besser wider als Volkswagen. Mit dem internationalen Erfolg des legendären VW Käfer begann der Aufstieg der Bundesrepublik zum Exportweltmeister. Doch der von Ingenieur Ferdinand Porsche im Auftrag Hitlers im Niemandsland zwischen Hannover und Berlin angesiedelte Autobauer durchlief extreme Höhen und Tiefen: In den 1970ern, den 1990ern, den frühen 2000er-Jahren war die wirtschaftliche Lage des Wolfsburger Konzerns bedrohlich - und sie ist es auch jetzt wieder. Sein Wohl und Wehe spiegelte sich stets in der Politik, mit der er aufs Engste verflochten ist. Kann das Unternehmen mit seinem erzpatriarchalischen Fundament den nötigen radikalen Wandel vollziehen? Mark C. Schneider gibt einen tiefen Einblick in die Entwicklung und Kultur des Autokonzerns und zeigt, wie viel auf dem Spiel steht: für Volkswagen, Mitarbeiter, Aktionäre und Deutschland.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.berlinverlag.de

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Berlin Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2016

ISBN 978-3-8270-7919-0

Redaktionsschluss: 12.August 2016

Für die deutsche Ausgabe © Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin 2016

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

PROLOG

Götterdämmerung

Der Patriarch hatte sich kurzfristig schriftlich entschuldigt. Am Vortag war Ferdinand Piëch noch erschienen, im kleinen Kreis zur Aufsichtsratssitzung der Familienholding Porsche SE in Stuttgart. Ihr gehört mit 52,2Prozent der Stammaktien die Mehrheit an Volkswagen, dank Piëch einem Konzern aus zwölf Marken, darunter Audi, Bentley, Seat und Scania. Der großen Bühne der Hauptversammlung der Porsche Holding am 29.Juni 2016 vor gut viertausend Aktionären blieb er dagegen fern, wegen eines »unvorhergesehenen Terminkonfliktes«, wie sein Cousin Wolfgang Porsche als Versammlungsleiter nicht ohne Süffisanz mitteilte.

Seit seinem jähen Sturz als VW-Aufsichtsratschef am 25.April 2015 rechnen einstige Weggefährten jederzeit mit überraschenden Volten, wenn nicht gar mit der Rache des »Alten«, wie Piëch von vielen im Konzern genannt wird. Zu tief war der Fall des Mannes, der machtvoll und selbstherrlich wie kaum ein Zweiter in der Industriegeschichte herrschte.

In den schmucklosen Räumen des Flughafens Braunschweig nahm seine unglaubliche Karriere im Konzern ein plötzliches Ende. Hektisch ging es in diesen Tagen zu, bis zu jenem Showdown.

Mit dem Auto waren die Piëchs aus Salzburg angereist, Fliegen ist nichts mehr in diesem Alter. Demütigend war diese Sitzung des einflussreichen Aufsichtsratspräsidiums für den mächtigen Mann. Die sechs Mitglieder, darunter sein Cousin Wolfgang Porsche, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Betriebsratschef Bernd Osterloh, machten Piëch ultimativ klar, dass sie seinen einsamen Entschluss, Konzernchef Martin Winterkorn unter fadenscheinigen Vorwänden loszuwerden, unter keinen Umständen mittragen würden. Plötzlich stand Piëch, der in seinem Leben fast jeden Machtkampf gewonnen hatte, vor einer prekären Wahl: Versöhnung mit Winterkorn, Rücktritt oder Sturz. Er entschied sich für Rücktritt.

Seit seiner Attacke auf den langjährigen Ziehsohn, den er öffentlich im Spiegel demontiert hatte (»Ich bin auf Distanz zu Winterkorn«), war es einsam um ihn und seine Ehefrau Ursula – bis dahin ebenfalls VW-Aufsichtsrätin – geworden. Die Arbeitnehmer und das Land Niedersachsen, jahrelang enge Partner, der Porsche-Clan, sogar ein Großteil der eigenen Familie – alle rückten von ihm ab. Kurz vor seinem Fall war es noch einmal richtig schmutzig geworden, von Abhörversuchen, Überwachung, Vertrauensbruch war die Rede.

Heute ist Piëch offiziell das, womit er früher kokettierte: Privatier. Wenngleich noch einflussreich, als milliardenschwerer Anteilseigner und Aufsichtsrat ebenjener Porsche Automobil Holding SE. Und auch Winterkorn, der den unerwarteten Angriff von Piëch wider Erwarten überlebte, ist mittlerweile Geschichte. Fünf Monate nach seinem Triumph, am 23.September 2015, war seine Dienstfahrt zu Ende. Eine noch größere Affäre zog auf: Dieselgate. Am 22.September 2015 gab VW zu, bei bis zu elf Millionen Fahrzeugen die Motoren per Software so manipuliert zu haben, dass sie zwar im Testbetrieb auf dem Prüfstand, aber nicht im realen Fahrbetrieb die strengen US-Abgaswerte für Stickoxid einhielten. Die Verantwortlichen hatten das über Jahre verschleiert: ein krimineller Akt.

EINLEITUNG

Der Fall Volkswagen

In jedem hochentwickelten Land der Welt gibt es große Unternehmen, die symbolhaft für die Gesellschaft stehen, aus der sie stammen: In den USA sind das der Elektronik- und Unterhaltungskonzern Apple, der Social-Media-Koloss Facebook und der Handelsgigant Amazon. Für Japan stehen der Autobauer Toyota oder der Mischkonzern Mitsubishi. Für China stehen der Handels- und Finanzkonzern Alibaba und der Handyhersteller Huawei. Deutschland wird zuvorderst von Volkswagen repräsentiert. Der Autobauer ist das Symbolunternehmen des Landes, wie früher die Deutsche Bank oder Siemens, die beide das Bild von Deutschland in der Welt geprägt haben. Der Wolfsburger Konzern trägt erheblich zum Image der Deutschen, ihrer Wirtschaft und des German Engineering im Ausland bei. Autos wie der VW Golf und der Porsche 911 stehen stellvertretend für die Exzellenz des Made in Germany – oder stellen schlimmstenfalls das Gütesiegel international infrage, wie jüngst durch den Dieselskandal geschehen.

Epochale Krise

Dieselgate erweist sich seit Monaten als eine epochale Krise, wie sie selbst die krisengeschüttelten Wolfsburger imagemäßig noch nie bewältigen mussten. Doch selbst ohne die jüngste Affäre könnte die Firmenhistorie zweifellos kaum bewegter sein.

Alles begann mit der Idee eines »Volkswagens«. Am 28.Mai 1937 gründete die Deutsche Arbeitsfront in Berlin die »Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH«. Mit dem »Volkswagen« wollte Hitler im Dritten Reich ursprünglich die Massen motorisieren. Das technische Konzept realisierte der geniale und politisch gegenüber dem NS-Regime wenig skrupelhaft agierende Ingenieur Ferdinand Porsche (1875–1951), Stammvater des Doppelclans Porsche-Piëch. Die Familien sind heute über ihre Finanzholding größter Aktionär der in der Börsenbundesliga Dax notierten Volkswagen AG.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Autobauer einen steilen Aufstieg, als der legendäre Käfer (Werbeslogan: »… dieser Wagen läuft und läuft und läuft …«) das bundesdeutsche Wirtschaftswunder ankurbelte. In seinen Stärken wie seinen Schwächen war und ist das Unternehmen extrem. Heute ist es ein weltumspannender Konzern, der Fahrzeuge in Afrika, Amerika, Asien und vielen Ländern Europas produziert – ein Global Player aus der niedersächsischen Provinz.

So schwer die aktuelle Krise den Großkonzern auch belastet: Die Geschichte zeigt, dass Volkswagens Entwicklung nur selten gleichförmig verlief – ganz im Gegenteil, der Autobauer durchlief fortwährend Höhen und Tiefen. Seit den siebziger Jahren war die wirtschaftliche Lage alle zehn Jahre bedrohlich – und sie ist derzeit wieder angespannt, angesichts vieler Milliarden Euro, die für die Aufarbeitung der Dieselaffäre nötig sind.

Vertrauen verloren

Dadurch ist die Glaubwürdigkeit abhandengekommen, die Basis eines jeden erfolgreichen Unternehmens. Wie schnell Vertrauen verloren gehe, habe Volkswagen schmerzlich erfahren, sagte Konzernchef Matthias Müller neun Monate nach Beginn des Skandals. »Und wie schwer es zurückzugewinnen ist, das erleben wir in diesen Tagen.«

Dazu kommen kaum überschaubare, schwer einzugrenzende juristische Risiken. Drei Tage vor der Hauptversammlung Ende Juni 2016 in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover detonierte ein juristischer Sprengsatz: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig verkündete, dass sie gegen den früheren, in der Folge von Dieselgate abgetretenen Volkswagen-Chef Martin Winterkorn und den aktuellen Markenchef Herbert Diess Ermittlungen wegen des Verdachts der Marktmanipulation aufnehme. Die Staatsanwälte waren auf eine Strafanzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hin aktiv geworden, die sogar den gesamten Vorstand belastet. Volkswagen und die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe jedoch.

Es bestünden »zureichende Anhaltspunkte« dafür, dass die Pflicht zu einer Mitteilung über die zu erwartenden erheblichen finanziellen Verluste des Konzerns bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestanden habe, so die Argumentation. Erst am 22.September 2015 informierte das Unternehmen die Börse über die Manipulation der Abgaswerte von Dieselmotoren, vier Tage nachdem die US-Behörden die Misere öffentlich gemacht hatten. Zudem sollen Winterkorn und Diess bereits einige Monate zuvor bei einem internen Termin von ihren Technikern auf die Probleme aufmerksam gemacht worden sein.

Klagewelle gegen den Konzern

Staatsanwaltliche Ermittlungen beeindrucken selbst hartgesottene Manager – und bieten den vielen Klägern, die erhebliche Kursverluste geltend machen, unschätzbare Hilfe vor Gericht. Viele Investoren fühlen sich durch die schleppende Informationspolitik geschädigt. Selbst Bundesländer wie Bayern klagen auf Schadenersatz für ihre Pensionsfonds, die VW-Aktien halten. Ein Großkampfplatz für Juristen: Volkswagen ist international gleich einer ganzen Reihe gebündelter Klagen ausgesetzt. Auch wenn das Unternehmen die Vorwürfe zurückweist: Seit dem Bekanntwerden des Skandals hat das Unternehmen an der Börse mehrere Milliarden Euro an Wert verloren. Der Kurs der Vorzugsaktie brach regelrecht ein, von gut 170Euro Anfang September 2015 auf zeitweilig unter 100Euro.

Bei der Hauptversammlung in Hannover mussten Aufsichtsrat und Vorstand Ende Juni 2016 ein Scherbengericht der unabhängigen Aktionäre über sich ergehen lassen. Ulrich Hocker, Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, beklagte: »Die Aktie ist ein Trümmerhaufen und der Diesel eine Mogelpackung.« Christian Strenger, früher Chef der Investmentfonds der Deutsche-Bank-Tochter DWS, warf der Unternehmensspitze »Wagenburg-Mentalität« vor und bemängelte »die mangelhafte Zusammensetzung und Unabhängigkeit des Aufsichtsrats sowie die defizitäre Kontrolle des mit Angstkultur agierenden Vorstands«. Strenger hat mittlerweile über einen Anwalt Klage beim Landgericht Hannover gegen Vorstand und Aufsichtsrat von Volkswagen eingereicht.

Markus Dufner, Chef des Dachverbands der Kritischen Aktionäre, machte auf der Aktionärsversammlung seinem Unmut Luft und kritisierte Chefaufseher Hans Dieter Pötsch, zuvor Finanzvorstand und als solcher für die Information des Kapitalmarktes zuständig: »Als langjähriges Mitglied des Vorstands sind Sie belastet, der personifizierte Interessenkonflikt.«

Dabei sind die Anleger nicht das einzige Problem des Autobauers: Betroffene Kunden in Europa sollen mit Verweis auf die unterschiedliche Rechtslage keine Entschädigung bekommen, während die betrogenen US-Käufer von Volkswagen mehrere Tausend Dollar erhalten. Wäre der Verbraucherschutz in Europa so scharf wie in den USA, hätte das dramatische finanzielle Folgen für den Konzern: »Es würde auf jeden Fall eng werden«, gestand Müller wenige Tage vor der Hauptversammlung ein.

Teuer könnte es dennoch in Deutschland werden: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig startete ein Bußgeldverfahren gegen den Autobauer. Kommt dabei heraus, dass Volkswagen mit einer vorschriftsmäßigen Diesel-Abgasreinigung weniger verdient hätte, könnte die Ermittlungsbehörde den entstandenen Gewinn abschöpfen.

Krise als Katalysator

Die Vergangenheit ist eine Bürde für den Vorstandschef, der dringend Aufbruchsstimmung braucht. »Volkswagen ist mehr als diese Krise«, beschwor Müller die Aktionäre. Im Autoreich tobt ein Kampf zwischen Reformern wie Markenchef Diess und den Beharrungskräften in Betriebsrat und Management – der Ausgang ist ungewiss. Der Autokonzern muss beweisen, dass er nicht den Anschluss verliert und in eine Abwärtsspirale gerät.

Seit der Skandal um vorsätzlich manipulierte Abgaswerte öffentlich wurde und den Autobauer heftig wie nie zuvor in die Schlagzeilen katapultierte, debattieren Investoren, Manager, Medien, Politiker und Kunden kontrovers über die Zukunft des wichtigsten deutschen Industrieunternehmens. Viel steht für Anleger, Mitarbeiter, Unternehmen und Deutschland auf dem Spiel. Wankt Volkswagen, trifft das alle: Schon aufgrund schierer Größe ist der Konzern das, was Politiker systemrelevant nennen. VW ist wie einst die Banken in der Finanzkrise too big to fail – zu groß, um scheitern zu dürfen.

Die Niedersachsen sind ein entscheidender Bestandteil des deutschen Automobil-Clusters aus Herstellern und Zulieferern, dem Rückgrat von Industrie und Volkswirtschaft. Direkt an der Branche hängen laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) hierzulande 785000Arbeitsplätze. Ein Niedergang des mit Abstand größten deutschen Herstellers würde die anderen schwächen, sie anfälliger machen für die Attacken etwa aus China und Korea.

Unverändert habe es der Autobauer »mit asiatischen Herstellern zu tun, die aggressiv auf den Markt drängen«, warnte Martin Rosik, Personalchef der Kernmarke Volkswagen. Sie bauten Autos in Fernost und Osteuropa zu deutlich niedrigeren Arbeitskosten als dies in den deutschen Werken möglich sei.

Erschwerend kommt hinzu, dass im Sog des Wolfsburger Dieselabgrunds weitere deutsche Autobauer wie Opel oder Mercedes-Benz von Interessengruppen wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) heftig kritisiert werden für ihre Abgaswerte und Motorsteuerungen bei Dieselmotoren. Beide Unternehmen widersprechen den Vorwürfen. Beim neuen Modell Zafira hat Opel die Software geändert. Gegen Daimler liegt eine Sammelklage in den USA vor. Das ist ein Instrument des amerikanischen Rechtssystems, um die Interessen verschiedener Kläger zu bündeln.

Eine Branche unter Beschuss

In weiten Teilen der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, die Branche als Ganzes schummle ohnehin. Bei Behörden und in der Politik steht die sonst so geschätzte Industrie unter Generalverdacht. In den USA dauerten die Genehmigungen seit dem Abgasskandal »zum Teil dreimal so lange wie früher«, beklagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Teilweise habe das zu Verzögerungen beim Start neuer Modelle geführt.

Allerdings gibt es bislang keinen Beweis, dass Autobauer – mit Ausnahme von Volkswagen – bewusst Gesetze gebrochen hätten. So scheinen sie vielmehr die Grauzonen des oftmals schwammigen gesetzlichen Spielraums maximal ausgenutzt zu haben, und das mitunter ausgerechnet bei Modellen, die besonders umweltschonend sein sollten – was die Kunden, die dafür mehr Geld gezahlt haben, besonders ärgert.

Für die Beschäftigten ist das eine Bürde. Viele in der Belegschaft bangen um die Zukunft. Die Wolfsburger gehören international zu den größten Arbeitgebern. Hierzulande beschäftigt der Konzern mehr als 278000Menschen, weltweit sind es mehr als 610000Mitarbeiter. Dazu kommen Familienangehörige und Zulieferer. Der gestürzte Volkswagen-Chef Martin Winterkorn hatte einst vorgerechnet, dass rund zehn Millionen Menschen weltweit direkt und indirekt an Wohl und Wehe des Unternehmens hängen.

Der neue Chef Müller hat erkannt, dass es angesichts des Skandals kein »Weiter so« geben kann, soll Volkswagen nicht in der automobilen Bedeutungslosigkeit versinken, wie sie etwa dem italienischen Traditionshersteller Fiat aus anderen Gründen droht: Technisch kaum anspruchsvoll, emotional von geringer Attraktion, dazu mit teurer Fertigung in Europa – die italienische Marke ist ein Schatten früherer Tage. Nur durch den Zusammenschluss mit Chrysler aus den USA konnte Konzernchef Sergio Marchionne bislang Schlimmeres verhindern.

Für Exchef Winterkorn war das Schicksal der US-Autometropole Detroit schon immer ein Schreckensbild: Menschen müssten Arbeit haben, lautete seine Überzeugung. Der Zerfall von Detroit bedrückte ihn. Schließlich hatten General Motors (GM), Ford und Chrysler jahrzehntelang scheinbar unangreifbar die Autowelt dominiert – bis vor allem GM und Chrysler 2009 nur mittels fast 80Milliarden Dollar Kredit, bereitgestellt von den Regierungen der USA und Kanadas, gerettet werden konnten. Der Horror der VW-Manager: Volkswagens Stammsitz Wolfsburg oder der Audi-Zentrale Ingolstadt könnte es eines Tages wie der zerfallenden US-Stadt ergehen.

Wie ernst die Lage ist, zeigt die Aussage eines Eingeweihten: Von einer »existenzbedrohenden Krise für den Konzern« sprach der zu dem Zeitpunkt frisch vom Registergericht Braunschweig ernannte Aufsichtsratschef Pötsch im Herbst 2015 gegenüber den Topmanagern des Konzerns. Er sah die Gefahr, dass Volkswagen sich am Kapitalmarkt nicht mehr würde refinanzieren können. Allein die in den USA anfallenden Entschädigungen, Nachrüstungen und Umweltinitiativen werden bis zu 15Milliarden Dollar (rund 13,6Milliarden Euro) verschlingen. Und damit sind mögliche strafrechtliche Ansprüche noch gar nicht abgedeckt.

Die gesamte Dimension des Schadens ist schwer absehbar. Volkswagen hat mehr als 18Milliarden Euro in der Bilanz zurückgestellt. Die weltweit anfallenden Kosten könnten aber unter dem Strich, je nach Ausgang der rechtlichen Auseinandersetzungen, deutlich mehr ausmachen. Ein schwacher Trost: Kaum ein anderes deutsches Unternehmen könnte überhaupt so viel Geld aufbringen, ohne daran zugrunde zu gehen.

Fundamentale Umwälzungen

Trotzdem werden die Mittel den Wolfsburgern im Wettbewerb an anderen Stellen fehlen. Denn der Autobauer und seine Mitarbeiter sind noch anderen Erschütterungen ausgesetzt. Das macht den Dieselskandal so verheerend und den Zeitpunkt derart prekär.

Die gesamte Branche unterliegt fundamentalen Umwälzungen. Sie stellen das über ein Jahrhundert gültige Geschäftsmodell – Autos entwickeln, fertigen, verkaufen – infrage. Zwar kündigt sich das Zeitalter batteriebetriebener Elektroautos an – aber keiner weiß genau, wann sich welcher Antrieb durchsetzen und wer am Ende davon profitieren wird. So arbeitet die Branche auch weiter am Serieneinsatz der Brennstoffzelle. »Unsere Industrie befindet sich in einem Transformationsprozess«, sagte Müller. Und der Volkswagen-Konzern sei Teil dieses Prozesses.

Als wäre das nicht genug an Herausforderungen: Die US-Giganten des digitalen Zeitalters, allen voran Apple und Google, haben das Auto als vollvernetzten Datenlieferanten entdeckt, mit dem sich vortrefflich Geschäfte machen lassen. Damit dringen sie in die Domäne einer Industrie ein, deren Eintrittsbarrieren im Vergleich zum Jahrhundert des Verbrennungsmotors, das die Deutschen prägten, im Elektrozeitalter bedrohlich gesunken. Das zeigt das Beispiel des aus dem Nichts entstandenen kalifornischen Stromauto-Pioniers Tesla.

Setzt sich das autonome Roboterauto wie erwartet durch, stellt das die Aufgabenteilung zwischen den Herstellern, den Zulieferern und den Betreibern von Mobilitätsdiensten wie Carsharing grundsätzlich infrage – und damit die Verteilung der Gewinne. Vieles spricht dafür, dass es am Ende die Mobilitätsanbieter sein könnten, die aufgrund ihres Datenschatzes den Ton angeben, mittels Software, und nicht mehr die Hersteller als Produzenten von Hardware.

Wandel zum Mobilitätsanbieter

Es ist kein Zufall, dass sich Volkswagen im Frühsommer 2016 für 267Millionen Euro am Fahrdienst Gett aus New York beteiligt hat, einem Rivalen des bekannteren US-Unternehmens Uber, das die Taxiwelt revolutionieren will. Dahinter steckt ein weitreichendes Ziel: VW-Chef Müller beabsichtigt, Mobilitätslösungen als neues Geschäftsfeld »zur zweiten Säule neben dem klassischen Geschäft aufzubauen«.

In zehn Jahren soll Volkswagen zu einem ganz anderen Unternehmen geworden sein. Der Konzernchef übt sich in Bezug auf die Zukunft keineswegs in neuer Bescheidenheit, sondern will den Autobauer zu »einem der weltweit führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität« machen.

Aber welche Rolle kann Mobilität geschäftlich spielen? Rupert Stadler, der seit 2007 Audi führt, geht davon aus, dass die VW-Tochter bereits im Jahr 2020 mit IT-Technik, Software rund ums Autofahren und darauf basierenden Dienstleistungen rund die Hälfte der Einnahmen (Umsatz 2015: 58,42Milliarden Euro) erwirtschaften wird.

Beim Wandel nicht mitzumachen ist keine Option. Im Detail analysierte Stadlers Mannschaft die Schicksale von einst in ihren Bereichen führenden Unternehmen wie Kodak, Nokia und Sony – die gescheitert sind, weil sie die Umbrüche in ihren Märkten verpassten und von neuen Herausforderern an den Rand gedrängt wurden. Auch die Autowelt wird von branchenfremden Unternehmen bedroht. Selbst der chinesische Handels- und Finanzriese Alibaba will mitverdienen: Die Chinesen offerieren beispielsweise Autokredite über das Netz. Und der chinesische Suchmaschinenriese und Google-Rivale Baidu will bis zum Jahr 2021 in großem Stil selbständig fahrende Autos anbieten.

Welche Bedeutung kommt einem Autobauer künftig noch zu, fragen sich viele bei VW. Wächst doch gleichzeitig die Abhängigkeit der Hersteller von den Zulieferern – sie stecken gleichsam im Zangengriff. Schon heute tragen die Lieferanten im Schnitt drei Viertel zum Wert eines Autos bei. Im Sommer 2016 legte der Streit mit einem Zulieferer ganze VW-Werke still. Der Anteil der Zulieferer wird weiter steigen. Ein Elektromotor ist im Vergleich zu einem Verbrenner eine Standardkomponente, die viele zukaufen werden anstatt sie wie Benzin- und Dieselantriebe selbst zu fertigen.

Der Stellenwert großer, von einzelnen Herstellern unabhängiger Autozulieferer wie Bosch, Continental oder ZF, in der Branche Systemlieferanten genannt, liegt darin, technische Neuerungen zu entwickeln, Standardteile modular aufzubauen und große Mengen zu bündeln, damit die Kosten für alle möglichst gering ausfallen. Die Spitzengruppe der Lieferanten wächst überdurchschnittlich stark.

Im Kampf zwischen den kreativen Zerstörern aus dem Silicon Valley und der alarmierten PS-Branche bleiben den Herstellern zumindest einige entscheidende Bereiche: allen voran die Integration der Technik, das Design, die emotionale Führung der Marke und im Idealfall das digitale Dach, das Datenverkehr und Transaktionen rund ums Auto regelt.

Nicht bei allen steht gleich viel zur Disposition. Die Trends in der Branche stellen besonders diejenigen Hersteller vor Herausforderungen, die wie Volkswagen über eine hohe Wertschöpfungstiefe verfügen, also noch viele Arbeitsschritte im eigenen Unternehmen erledigen. Ob der Konzern den Wandel meistern kann, wird aber entscheidend sein für die Arbeitsplätze und die Bewältigung des Dieselskandals.

Tief greifender Strukturwandel

Volkswagen steht im weltweiten Konkurrenzkampf mit neuen Herausforderern, den viele der etablierten Autobauer nicht überleben werden, sofern sie nicht schnell und rigoros handeln. »Der Wettbewerb verschärft sich gefühlt von Monat zu Monat«, stellte Konzernchef Müller fest, »durch alte, aber auch neue Konkurrenten, die in unser angestammtes Geschäft eindringen oder uns Chancen in angrenzenden Bereichen streitig machen wollen.« Im Vorfeld der neuen Mobilitätswelt ist ein heftiger Verteilungskampf entbrannt, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem Volkswagen äußerst verletzlich ist.

Ob beruhigend oder nicht: Dramatisch ist die Lage in der Unternehmensgeschichte von Volkswagen nicht zum ersten Mal. Erwähnt sei nur die beim Videoportal YouTube in Ausschnitten zu sehende Pressekonferenz des damaligen Volkswagen-Chefs Ferdinand Piëch im Sommer 1993, auf dem Höhepunkt der sogenannten López-Affäre um Dokumente des Rivalen General Motors: »Immer wenn es um Krieg geht, sind am Ende weniger vorhanden«, sagte Piëch mit Blick auf die Auseinandersetzung mit den Konkurrenten in der Branche mit kühler Stimme. »Und es gibt immer Gewinner und Verlierer. Und ich habe die Absicht, (…) der Sieger zu sein.«

Eine weitere Parallele in der Geschichte: Heute wie damals belasten hausgemachte, der besonderen Struktur des Unternehmens geschuldete Probleme die Wolfsburger zusätzlich. Doppelarbeit und Komplexität drücken die Effizienz. »In praktisch allen Konzernbereichen gibt es noch reichlich Reserven. Für diese Feststellung genügt ein Blick auf einige wesentliche Kennzahlen, bei denen wir hinter der Konkurrenz liegen«, gestand Müller bei der Präsentation der neuen Strategie offen ein.

Um soziale Verwerfungen, allen voran Massenentlassungen, zu vermeiden, müsste das Unternehmen den demografischen Wandel konsequent nutzen: Tausende Beschäftigte aus den geburtenstarken Jahrgängen, die sogenannten Babyboomer, kommen absehbar ins Rentenalter – eine Gelegenheit, im Wettbewerb mit Hyundai aus Südkorea, Toyota aus Japan oder Peugeot/Citroën aus Frankreich aufzuholen und überzählige Arbeitsplätze in Produktion und Verwaltung abzubauen.

Der Weg ist bereitet: Für das Unternehmen hat Personaler Rosik im Frühjahr 2016 mit der IG Metall und dem Betriebsrat unter seinem mächtigen Vorsitzenden Osterloh ein erweitertes Modell der Altersteilzeit ausgehandelt. Es ermöglicht Einzelnen, bis hin zu ganzen Abteilungen, ohne große finanzielle Einbußen vorzeitig aufzuhören.

Damit steht ein zwar nicht billiges, aber wirkungsvolles Instrument zur Verfügung, um die Transformation ohne einen allzu radikalen Einschnitt zu bewältigen, der die besondere Mitbestimmung des Konzerns und den sozialen Frieden infrage stellen würde. Das kann nur gelingen, wenn der Wandel nicht zu schnell geschieht.

Ein politisches Unternehmen

Der politische Stellenwert des Unternehmens macht die Lage nicht einfacher. Volkswagen ist eng verflochten mit der Politik. Angesichts unklarer Besitzverhältnisse übernahmen der Bund und das Land Niedersachsen 1949 als Treuhänder und Verwalter das Volkswagenwerk von den britischen Besatzern. Bis heute hält Niedersachsen, angefeindet von internationalen Investoren und heimischen Wirtschaftsliberalen, 20Prozent der Stimmen. Im speziellen Fall der Volkswagen AG ermöglichen sie eine Sperrminorität, mit der das Bundesland wichtige Entscheidungen blockieren kann.

Einzigartig in dieser Form: Ein eigenes Bundesgesetz, das in seiner ersten Fassung im Jahr 1960 in Kraft getretene VW-Gesetz, regelt Sonderbestimmungen wie die Sperrminorität oder den weitreichenden Einfluss der Arbeitnehmer. Zudem darf das Land, sofern es über mindestens 15Prozent der Stimmrechte verfügt, zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat des Autobauers entsenden.

Dieser unmittelbare Einfluss bietet Stoff für Konflikte. So will die Landesregierung möglichst viele Arbeitsplätze an den Standorten Braunschweig, Emden, Hannover, Osnabrück, Salzgitter und Wolfsburg sichern. Der Autohersteller ist Niedersachsens Jobmotor. Der Konzern beschäftigt in diesem Bundesland mehr als 107000Menschen, dazu kommen Lieferanten, die vom Autobauer abhängen. Leidet ein Zulieferer in Niedersachsen Not, greifen Politiker zum Telefon und bitten Volkswagen um Hilfe.

Niedersachsen hat besondere Interessen, die nicht zwangsläufig mit denen der anderen Aktionäre übereinstimmen müssen – besonders, wenn es um Jobs an heimischen Standorten geht. Eine Reform des Unternehmens ist somit zwangsläufig ein politisch heikles Thema.

Die führenden Politiker wissen um die Bedeutung »ihres« Weltkonzerns aus der niedersächsischen Tiefebene. Die Bundeskanzler, egal ob von der SPD wie Gerhard Schröder oder Angela Merkel von der CDU, waren und sind sich der Bedeutung des Autobauers für Deutschland und für die eigene politische Zukunft bewusst. Beide sprachen bereitwillig auf Betriebsversammlungen vor Tausenden von VW-Werkern und potenziellen Wählern, pflegten einen kurzen Draht zum jeweiligen Volkswagen-Chef.

Die Automanager wiederum konnten sich in aller Regel auf die Bundesregierung verlassen. Etwa wenn es galt, politischem Gegenwind – besonders strengere Abgaswerte betreffend – aus Brüssel standzuhalten oder ihn zumindest abzumildern. Sie stießen im Kanzleramt meist auf offene Ohren bei ihren Bitten um finanzielle Unterstützung wie im Fall der »Abwrackprämie« auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2009 oder bei der Verkaufsförderung für Elektroautos. Doch das Verhältnis ist derzeit strapaziert wie nie. Weite Teile der Öffentlichkeit misstrauen inzwischen dieser in ihrer Wahrnehmung zu großen Nähe zwischen der Politik und den Konzernen.

Erschwerend kommt hinzu, dass ausgerechnet die Stärken der deutschen Ingenieure, Autos mit fortschrittlicher Technik in hoher Qualität und Zahl zu entwickeln und zu fertigen, vom digitalen Wandel infrage gestellt werden. Dieselgate macht Veränderungen einerseits leichter. Aber es fehlen die Milliarden, um den Anschluss ans Zeitalter des automatisierten, emissionsfreien und vollvernetzten Automobils nicht zu verpassen und Bereiche wie die Fertigung von Verbrennungsmotoren zu verschlanken.

Unangepasste statt Jasager

Damit die Niedersachsen nicht abgekoppelt werden, legte Müller mit seinem Team, allen voran Strategiechef Thomas Sedran, einem früheren Opel-Manager und Unternehmensberater, im Sommer 2016 einen neuen Kurs fest: Der Konzern solle agiler, digitaler und internationaler ausgerichtet werden. Müller, zuvor erfolgreicher Chef des kleinen, aber extrem profitablen Sportwagenbauers Porsche, muss einen Spagat bewältigen: Er muss die Affäre um manipulierte Dieselmotoren aufklären und seine Folgen verarbeiten – und er muss das Unternehmen in einer neuen Struktur und mit zeitgemäßer Führungskultur aufstellen. »Statt die Jasager brauchen wir jetzt die Unangepassten«, unterstrich er wenige Wochen nach seinem Antritt. Seine Vorgänger hätten das wohl nie gesagt.

Müller muss das Geschäftsmodell modernisieren und gegen Attacken aus Kalifornien & Co. verteidigen. Er muss, zumindest in Teilen, mit der Vergangenheit brechen, die seinen eigenen Aufstieg ermöglicht hat. Eine Rüttelstrecke ist unausweichlich. Ende April 2016, zur Vorlage der Bilanz für das Vorjahr, fiel sein Ausblick verhalten aus. Die Prognose sei nicht das von Volkswagen bekannte »Schneller-Höher-Weiter«, die Rekordjagd der vergangenen Jahre sei zumindest unterbrochen. Aber das störe ihn nicht im Geringsten, fuhr er fort. »Unsere wichtigste Währung ist Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in unsere Marken, in unsere Produkte und Volkswagen als Ganzes. Dieses Vertrauen zurückzugewinnen ist die zentrale Aufgabe der kommenden Monate. Alles andere ist vorerst zweitrangig.«

Der neue Chef wendet sich damit klar vom Größenwahn und Zentralismus vergangener Jahre ab, kündigte Kooperationen anstelle spektakulärer Übernahmen an. Müller, ein mitunter granteliger Bayer mit sächsischen Wurzeln, hat wenig zu verlieren – er ist schon aufgrund seines Alters (Jahrgang 1953) ein Manager des Übergangs, mit einem Vertrag bis zum Jahr 2020.

Ein Familienbetrieb

Gefördert von Piëch und Winterkorn, hält Müller einen engen Draht zur Doppeldynastie der Porsches und Piëchs, die das Schicksal des Unternehmens prägen und die ihn ins Amt gebracht haben. Volkswagen ist eben (auch) ein Familienunternehmen.

Entsprechend viel hängt von den Porsches und Piëchs ab. Der Generationswechsel in den Familien wird zeigen, wie stabil die Struktur der Anteilseigner auf Dauer ist. Als Hoffnungsträger und künftige Führungsfiguren gelten Ferdinand Porsches Urenkel: der unorthodoxe Salzburger Pädagoge Daniell Porsche, in seiner Generation größter Einzelaktionär der Porsche SE, und der Salzburger Neurologe Christian Porsche, sein Cousin, gehören dazu.

Seit Jahrzehnten streiten sich die beiden Stämme unerbittlich. Bei allen Konflikten zwischen den Clanführern: Am Ende waren es bisher die in herzlicher Abneigung verbundenen Altvorderen Ferdinand Piëch und sein Cousin Wolfgang Porsche, die im deutsch-österreichischen Clan die Richtung vorgegeben haben. Piëch hat früher einmal bemerkt, ihm sei es egal, an welcher Stelle des Tisches er sitze. Das darf man getrost dergestalt deuten, dass er nach seinem spektakulären, unfreiwilligen Abgang als Aufsichtsratschef so lange wie möglich Einfluss auf »sein« Unternehmen Volkswagen nehmen will. Piëch verliert nicht gern.

Zum Schluss ist die Familie allerdings, aufgrund vertraglicher Regelungen untereinander, zur Einigkeit gezwungen. »Wir halten es für richtig, dass Entscheidungen in einer großen Eigentümerfamilie auch kontrovers diskutiert werden«, gab Ferdinands Bruder Hans Michel Piëch vor der Hauptversammlung im Juni 2016 gegenüber Bild zu Protokoll. Sein Cousin Wolfgang Porsche ergänzte: »Wir stehen als Familien für VW ein. Darin sind sich unsere Familien – gleich welcher Generation – absolut einig.«

Der Traum von Größe

Im Nachhinein wirkt es wie eine klassische Tragödie: Allen Unkenrufen zum Trotz nahm Volkswagen unter dem technikverliebten Vorstandschef Martin Winterkorn einen scheinbar nicht aufzuhaltenden Aufstieg an die Spitze der weltweiten Automobilindustrie – nur um dann umso tiefer abzustürzen.

Der Traum von Größe jedenfalls, der das Autoreich und seine Lenker antrieb, eine Produktpalette vom Motorrad bis zum 44-Tonner aufzubauen, ist erst einmal zu Ende geträumt. Das muss kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Es erlaubt einen klareren Blick auf die Brüche und bietet Chancen für die Zukunft. Die sehr deutsche Geschichte von Volkswagen ist noch lange nicht zu Ende. Beginnen wir mit einem Blick zurück.    

TEIL I

Die Vergangenheit

KAPITEL 1

Der Aufstieg: Eine deutsche Geschichte

Luxus Automobil

Seinen Anfang nahm das Unternehmen Volkswagen mitten in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Idee, einen »Volkswagen« zu bauen, war bereits kurz nach der Jahrhundertwende aufgekommen. Anfang des 20.Jahrhunderts waren Automobile wie der Mercedes 35 PS oder der Mercedes-Simplex von Daimler extrem teure, von Hand gefertigte Luxusgefährte, die hoch besteuert wurden. Nur die wenigsten konnten sie sich leisten, allen voran rennsportbegeisterte Adelige und Industrielle.

Obwohl das Automobil 1886 in Deutschland erfunden worden war, als der deutsche Ingenieur Carl Benz (1844–1929) sein »Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb« zum Patent anmeldete, hing das Land bald weit hinter Frankreich und den USA zurück. »Die deutsche Automobilindustrie zeichnete sich zwar durch hochwertige Fahrzeuge aus, aber auch durch einen Drang zu technischer Perfektion, die es kaum erlaubte, größere Stückzahlen zu produzieren. Außerdem gab es in Deutschland zu viele Hersteller, von denen jeder mehrere Typen baute. 1907 kam hier auf 6953 Einwohner ein Automobil, in Frankreich dagegen bereits auf 1255 Einwohner«, schrieben die Wirtschaftshistoriker Johannes Bähr und Paul Erker in ihrem Werk .

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!