Vom Junkie zum Ironman - Jörg Schmitt-Kilian - E-Book

Vom Junkie zum Ironman E-Book

Jörg Schmitt-Kilian

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Beschreibung

Überarbeitete Neuausgabe des Bestsellers!

Andreas Niedrig ist 12 Jahre alt, als er zum ersten Mal Haschisch raucht. 10 Jahre später ist er heroinsüchtig. Seine Frau verlässt ihn mit dem gemeinsamen Kind. Mit unvorstellbarer Willenskraft gelingt es Andreas Niedrig, sein Leben von Grund auf zu ändern. Gegen alle Widerstände wird er zu einem der weltbesten Triathleten.

Großer Kinofilm - die Verfilmung der Lebensgeschichte von Andreas Niedrig läuft ab März 2008 in den Kinos an.

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Seitenzahl: 256

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Inhaltsverzeichnis
 
Vorwort
Vorwort von Andreas Niedrig
 
I – Stationen einer Drogenkarriere
Mein Leben kehrt zurück
Du brauchst im Leben mindestens einen Menschen, der an dich glaubt
Kiffen macht gleichgültig, aber das ist mir egal
Erster Kontakt mit LSD – von wegen »lauter süße Dinge«!
Verkokste Lehrjahre
Sabine – zwei Chancen hat die Liebe
Ihr werdet füreinander da sein – in guten wie in schlechten Tagen?
Der erste Schuss
Ende der Familienidylle
Heroin – die Spritze sitzt im Kopf
Lieber tot als süchtig
Ich hatte mehr Angst vor dem Leben als vor dem Tod
Fixer ist ein »24-Stunden-Job«
Der Weg zurück ins Leben
 
II – Denn für das Leben ist es nie zu spät!
Therapie in der Holthauser Mühle
Die Entlassung in die Freiheit
 
III – Und das Leben kehrt tatsächlich zurück
Ausdauer zahlt sich aus
Der Lauf meines Lebens
1993: Erster Triathlon
1994: Begegnung mit einem Förderer
1995: Die Rückenwind-Geckos
1996: Europameisterschaft und ein platter Reifen
1997: Weltmeisterschaft in Nizza
Die Welt blickt auf Roth
 
IV – Der Aufstieg in die Top Ten
Als Neuling beim Hawaii-Triathlon
1998: Triathlon in Antwerpen
1999: Dritter in Neuseeland
Zerstörte Hoffnung
 
V – Vom Ironman zum Medienstar
2000: Öffentliche Beichte
Der Tag nach dem Blick in den »Spiegel«
Nach der ersten TV-Show ist nichts mehr wie davor
 
VI – Vom Medienstar zum »Junkie der Nation«
Nicht meine Welt
Ein Sportler ohne Sponsor ist wie ein Fisch ohne Wasser
2001: Zweiter in Roth
11. 9. 2001 – kein Tag wie jeder andere
2002: Zweiter in Florida
 
VII – Ein drittes Leben auf Krücken?
2003: Ständige Schmerzen und Operationen
2004: Rekonstruierte Achillessehne
2005: Endgültiges Aus für den Triathleten?
2006: Neue Qualen in Südafrika
 
VIII – Wann fällt der letzte Vorhang auf der Triathlonbühne?
Ein letztes Mal in Roth
Jeder Abschied ist ein kleiner Tod
Blick in die Zukunft
 
Anhang
Drogen-Glossar
Triathlon-Info
Danksagung
Copyright
HEYNE
© Dinah Schmidt
Jörg Schmitt-Kilian, Jahrgang 1953, Kriminalhauptkommissar und ehemaliger Rauschgiftfahnder, arbeitet schwerpunktmäßig in der Drogen- und Gewaltprävention mit Veranstaltungen, Schulungen und Lesungen. Neben erfolgreichen Büchern zu diesen Themen schrieb er ein Rock-Musical sowie die Vorlage für einen Fernsehfilm. Siehe auch www.schmitt-kilian.de
© Micha Riechsteiner
Andreas Niedrig, Jahrgang 1967, begann 1993 nach einem bewegten Leben als Drogensüchtiger mit dem Laufsport. Zwei Jahre später sattelte er auf Triathlon um. 1997 stellte er beim Ironman-Europe in Roth einen neuen Weltrekord des schnellsten Triathlon-Einsteigers auf, womit er in die Spitzenklasse der Langstrecken-Triathleten aufstieg. Bis 2003 war er Profi-Triathlet, musste dann aber aufgrund einer schweren Verletzung seine Karriere beenden. Andreas Niedrig ist gelernter Orthopädiemechaniker und engagiert sich in Projekten zur Vermittlung von Lebenskompetenzen. Für 2007 hat er sein sportliches Comeback geplant. Seine Geschichte wird verfilmt und kommt 2008 in die Kinos. Andreas Niedrig ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt im Ruhrgebiet. Siehe auch www.andreas-niedrig.com
Vorwort von Jörg Schmitt-Kilian
Ich bin glücklich verheiratet; eine Ehe, die das überstanden hat, wird nichts mehr erschüttern können.
 
Mit diesem Satz beginnt Andreas Niedrig das Tonbandprotokoll für die Aufzeichnung seiner unglaublichen Lebensgeschichte. Einer der besten Triathleten der Welt will anderen Menschen Mut machen, auch in scheinbar ausweglosen Situationen niemals aufzugeben.
Ich als Autor muss ihm konkrete Fragen stellen und kann Andreas die schmerzhaften Rückblicke auf die dunklen Schatten seiner Vergangenheit leider nicht ersparen. Ich begleite ihn auf der Gedankenreise in sein erstes Leben, das mittlerweile lange zurückliegt, ihn aber immer noch emotional sehr aufwühlt. Im vorliegenden Buch lässt Andreas Niedrig seine beispiellose Entwicklung von einer Drogenlaufbahn am Rande der Gesellschaft zu einer Sportlerkarriere im grellen Scheinwerferlicht Revue passieren und schildert bewegende Momente seiner Flucht aus der Drogenhölle in den Sportlerhimmel. Meine Intention ist es, mit großem Respekt vor dem Extremsportler sowie der erforderlichen Sensibilität von einer schicksalsschweren Zeit des seelischen Tiefgangs bis zum Erreichen einer körperlichen Höchstleistung zu berichten, ohne mich dabei auf das Glatteis der reißerischen Unterhaltung zu begeben.
Andreas’ Gedanken springen oft zwischen seinen beiden Leben hin und her. Es fällt ihm sichtlich schwer, die Ereignisse chronologisch geordnet zu schildern. Als Konstante hingegen zieht sich die Kraft der Liebe wie ein roter Faden durch die Tiefen und Höhen seines Lebens. Meine Frau Sabine hat mir zwei Kinder geschenkt. Geschenkt ist der richtige Ausdruck. Zwei Geschenke, die mir den Weg zurück in ein Leben gezeigt haben, von dem ich zu lange abgeschnitten war. Jana hat in ihrer Kindheit zwei ganz verschiedene Väter in einer einzigen Person kennengelernt. Lorenz kennt nur den einen, nämlich den, der ich heute bin.
 
Die leidvollen Erfahrungen von Andreas spiegeln immer wieder seine innere Zerrissenheit zwischen der Sucht nach der Droge und seiner Liebe zu Sabine und seiner kleinen Tochter Jana wider (Lorenz war damals noch nicht geboren). Die liebsten Menschen auf der Welt waren ihm in jener Zeit zugleich so nah und doch so fern. Die Liebe zu seiner Frau, der starke Antrieb, seiner Tochter ein guter Vater zu sein, und der »lange Atem« seiner Familie waren für Andreas’ Ausstieg aus der Drogenszene (überlebens) wichtig. Ohne diese Menschen wäre er heute noch eine der vielen Gestalten, die auf Bahnhofsvorplätzen auf der Jagd nach dem nächsten Schuss herumtigern.
Mit seiner Lebensgeschichte möchte Andreas auch darauf aufmerksam machen, dass Drogenkonsum viele »normale« Familien betrifft, er will diesen Betroffenen, ihren Eltern und allen Personen in ihrem sozialen Umfeld Mut machen, eine Drogenabhängigkeit nicht als unabänderlichen Schicksalsschlag zu betrachten. Diese Biografie wird aufzeigen, dass die Hoffnung in Andreas – selbst in den schlimmsten Krisen – nie ganz abgestorben ist.
Wenn er heute im Rampenlicht des Medieninteresses steht, scheint ihm die Phase seiner Abhängigkeit so fremd, als hätte er sie nie selbst erlebt. Journalisten und Fernsehredakteure berichteten vor seinem »Outing« in unzähligen Artikeln und vielen Fernsehsendungen über seine sportlichen Höchstleistungen. Aber niemand ahnte etwas von seiner Drogenkarriere – ein seltsames Wort für die soziale Verelendung, die Jahre vor seinen sportlichen Erfolgen ihren Verlauf nahm. Andreas’ Geschichte liest sich wie eine Story, die ein Drehbuchautor aus Hollywood nicht besser hätte erfinden könnte. Wäre sie nicht tatsächlich so verlaufen, würde man dem Autor sicher eine zu rege Fantasie unterstellen.
Der süchtige Andreas baumelte lange Zeit kraftlos, wie eine Marionette von unsichtbaren Mächten gesteuert, in einer raum- und zeitlosen Parallelwelt. Auf seiner Gedankenreise muss der Spitzensportler seinen außergewöhnlichen Weg vom Loser zum Winner, vom menschlichen Wrack zum körperlichen Energiebündel noch einmal erleiden. Manchmal kann er es selbst nicht glauben, dass beide Leben die seinen sind. Der andere, ihm heute fremde Andreas taucht immer wieder auf: ein Mann, dem er nie mehr begegnen möchte. Jener Andreas war nicht frei, sondern abhängig. Sein unbändiges Verlangen, das Leben in vollen (Haschisch-) Zügen zu genießen, und das Gefühl von Leere und Wertlosigkeit überrollten ihn wie eine Welle und katapultierten ihn in die Abgründe der Drogensucht.
Aber wären seine späteren sportlichen Erfolge überhaupt möglich geworden, wenn er nicht so viele menschliche Niederlagen erlitten hätte? Kann nur derjenige, der so tief gefallen ist, einen solchen Aufstieg schaffen?
 
Vielleicht bin ich heute gesünder an Herz und Seele und kräftiger in meiner körperlichen Leistungsfähigkeit, als ich es ohne diese Erfahrungen jemals geworden wäre.
 
Liegt in dieser unterschwelligen Frage nicht auch eine Gefahr verborgen? Könnten potenziell Gefährdete nunmehr glauben, sie müssten ganz unten angekommen sein, um auf ähnliche Art zu triumphieren? Zwei Seelen schlugen in Andreas’ Brust: seine Sehnsucht nach der Droge und die nach familiärer Geborgenheit.
 
Aber beides kannst du nicht haben. Wenn du dich nicht entscheiden kannst, entscheidet irgendwann die Droge für dich. Ab diesem Zeitpunkt bist du kein freier Mensch mehr und die Droge diktiert deinen Tagesrhythmus, dein ganzes Leben bis zum bitteren Ende. Nur ganz wenige schaffen den Ausstieg.
 
Die Droge sollte seine Sehnsucht nach Menschen, die sich liebevoll um ihn kümmerten, stillen. Aber sein Wunsch nach stabilen Beziehungen wurde nicht erfüllt und so ließ er sich auf ein chaotisches Leben ein. Von der ersten Zigarette über Alkohol, Haschisch, LSD, Kokain und Heroin rauchte, trank, kiffte, sniefte und spritzte Andreas sich bis zur Endstation seiner Sehnsucht, die er selbst mit den Schüssen in seinen Körper nicht mehr stillen konnte. Mit Alk und Zigaretten hatte er die Freundschaft in der Clique gesucht. Nur mit der Kippe im Mund und der Flasche in der Hand hatte er sich stark in seiner Gruppe gefühlt. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, wenn er mit den Freunden Haschisch geraucht und geile Musik gehört hatte, war ihm das Wichtigste gewesen. Als ihm das Kiffen langweilig wurde, wollte er »mit Koks die Nase kitzeln« und gut drauf sein. Und schließlich betäubte er mit Heroin seine immer wiederkehrende Angst vor der Zukunft.
Aber genug ist für einen Süchtigen nie genug. Der Hunger wird nie gestillt. Andreas wurde immer gieriger auf der Jagd nach neuen Drogenmixturen, jenen Cocktails, die ihm endlich das geben sollten, wonach er suchte.
 
Aber wie kann man etwas finden, wenn man nicht weiß, was man sucht? Ich habe nichts gefunden, hätte allerdings fast mein Leben verloren.
 
Andreas steigerte seinen Konsum schließlich ins Unermessliche – ohne jemals wirklich gesättigt zu werden. In dieser Phase seines Lebens hat er nur noch gelitten. Er vegetierte in einem Zustand dahin, der den Namen »Leben« seiner eigenen bitteren Erfahrung nach nicht verdient. Niemand versteht, wie man sich so etwas antun kann, nicht einmal der Junkie selbst. Aber nur er erfährt, im wahrsten Sinne des Wortes »hautnah«, wie schwer es ist, sich aus den Klauen der Droge zu befreien, die einen immer wieder hinabzieht in die Wogen der süchtigen Flut. Es fällt dem Gestrauchelten zunehmend schwerer, seinen Arm einer helfenden Hand entgegenzustrecken, die ihn aus dem Strudel herausreißen könnte. Wenn es denn eine helfende Hand gibt … Andreas hatte das große Glück, dass sich ihm genügend Hände entgegenstreckten.
Nach dem Erwachen aus diesem Albtraum kämpfte er sich innerhalb kürzester Zeit an die sportliche Weltspitze. Das Kämpfen hatte er auf der Szene gelernt. Immer wieder sucht er in unseren Gesprächen nach den Ursachen dieser erstaunlichen Entwicklung, erahnt Zusammenhänge in seinen beiden Lebenslinien, aber die wahren Hintergründe bleiben ihm vermutlich für immer verborgen.
 
Ich bin immer noch ich. Auch wenn ich auf der Flucht aus dieser Zeit viele Kratzer an meiner Persönlichkeit hinnehmen musste.
 
Der helle Schein der sportlichen Siege überlagert heute die Schatten der Vergangenheit. Andreas spürt auf seiner Reise in die Erinnerung immer deutlicher das Leben, das er in seiner in Nebel eingehüllten Scheinwelt so lange vermisst hatte. Er ist sich aber auch heute noch dessen bewusst, dass sein Weg noch nicht zu Ende ist. Denn ein Süchtiger bleibt immer süchtig. Selbst wenn er über sich selbst hinauswächst wie Andreas in seiner sportlichen Karriere – auch wenn sie für manche nichts anderes als eine Suchtverlagerung ist. Der stabile Boden, auf dem er sich heute bewegt, zeigt ab und zu Risse. Manchmal spürt er noch die kleinen Erdbeben in seiner Seele, auch wenn sein Körper dies nicht immer widerspiegelt.
Wo suchte Andreas das Glück dieser Welt? In jedem Schuss, der ihn herauskatapultierte aus der Realität in seinen sanften Wattebausch, der ihn vor der »grausamen Wirklichkeit« schützen sollte und ihm Schonzeit »vor dem Leben da draußen« versprach? In unseren Gesprächen fügen sich seine schwarzen Zeiten zu lebendigen Wirklichkeiten zusammen.
Doch schließlich wollte er sich nicht länger verstecken und kehrte wie ein verlorener Sohn nicht nur zu seinem Vater, sondern in das Leben zurück. Der Weg zurück führte ihn auf einer abenteuerlichen Reise zu den Dingen des Lebens, die für ihn wirklich zählen. Er verzichtete auf die Droge und wurde so vom Verlierer zum Gewinner. Denn Leben heißt unabhängig und frei sein.
Andreas hat seinen Weg nach einer Odyssee im Drogendschungel gefunden. Leider gelingt dies vielen suchtkranken Menschen nicht, denn die meisten haben keine »Begleiter« in ein unabhängiges Leben. Dabei brauchen junge Menschen unsere Liebe gerade dann am meisten, wenn sie sie »am wenigsten verdienen«.
Dieses Buch begleitet Andreas auf der Reise zurück auf den dunklen Kontinent seiner Seele. Selbst unbekannte Schluchten auf diesem Kontinent machen ihm heute keine Angst mehr. Immer wieder taucht die zentrale Frage auf: Wo lagen die Meilensteine für die Suchtauslösung? Liegt das Geheimnis in seiner Kindheit verborgen? Und was hatte er im Unterschied zu anderen Drogenabhängigen seiner Suchterkrankung entgegenzusetzen, da er sie schließlich doch überwinden konnte?
War es die stille Revolution seines Körpers (So geht es nicht weiter!), das Flehen seiner Seele (Ich will hier raus!) oder seine Angst vor der Zukunft (meine ständige Angst, die liebsten Menschen auf der Welt für immer zu verlieren …), die ihm die Kraft gaben, sein Leben zu verändern? Was spornte ihn zu körperlicher Hochleistung an und vermittelte ihm immer wieder das Gefühl, noch nicht sein Letztes gegeben zu haben?
Das Aufblättern seiner Geschichte kann anderen vielleicht helfen und in den Köpfen und Seelen der Menschen etwas verändern. Ob Andreas irgendwann befriedigende Antworten auf die eigene zwiespältige Natur finden wird? Vielleicht findet der interessierte Leser seine eigene Antwort, wenn er diese unglaubliche Lebensgeschichte gelesen hat.
 
Jörg Schmitt-Kilian, im Januar 2007
Vorwort von Andreas Niedrig
Im Jahre 2000 hat Jörg Schmitt-Kilian anhand von Tonbandaufzeichnungen erstmals meine Lebensgeschichte niedergeschrieben, das Buch hieß auch damals »Vom Junkie zum Ironman«. Wirklich glücklich waren meine Frau Sabine und ich mit der Veröffentlichung jedoch nicht.
Wie der Titel des Buches es sagt, war ich ein Junkie, wurde dann aber zum Ironman. Ich habe damals über den Sport versucht meine Vergangenheit zu verdrängen, durch meine sportlichen Erfolge wurde mir aber klar, dass ich nicht die übliche Geschichte eines Sportlers zu erzählen hatte.
Bei meinem ersten Ironman brach ich den Weltrekord des schnellsten Ironman-Einsteigers weltweit. Die Medien wurden auf mich aufmerksam und hinterfragten meine Vergangenheit.
Ich bat Jörg Schmitt-Kilian, meine Lebensgeschichte aufzuschreiben, bevor die Medien sie an die Öffentlichkeit bringen würden. Damals habe ich mich für meine Vergangenheit geschämt. Ich habe meine Frau, meine Tochter, meine Eltern und meine Freunde belogen und betrogen. Ich war kriminell und hätte für den nächsten Schuss Heroin alles getan.
Jörg Schmitt-Kilian hat es geschafft und verstanden, über meine Vergangenheit so zu schreiben, dass ich heute die Stärke habe, meine Geschichte selbst zu schreiben. Über das erste Buch habe ich gelernt, dass meine Lebensgeschichte nicht allein die eines Junkies ist, der in der Gosse lag.
Seit nun mehr als vier Jahren habe ich verschiedene Projekte ins Leben gerufen, mit denen ich jungen wie auch älteren Menschen vermittle, wie wichtig es ist, sich im Leben immer wieder neue Ziele zu setzen. Ich zeige, dass Menschen ohne Ziele sich sehr schnell verlaufen können, aber andererseits ein Ziel ohne Kraftanstrengung, Ausdauer und Mut nur schwer erreichbar ist. Jörg Schmitt-Kilian hat mir geholfen, mein neues Buch zu berichtigen, zu ordnen, und hat es mit seinem Fachwissen in vielen Bereichen so ergänzt, dass dieses Buch für mich etwas ganz Besonderes wurde. Er hat es geschafft, mich mit immer neuen Fragen an Dinge zu erinnern, die ich schon lange verdrängt hatte. Dieses Buch aber ist nicht allein die Geschichte des Junkies und des Ironmans, denn in meinem Leben hat sich vor allem in den letzten Jahren noch viel mehr ereignet.
Ich freue mich über Ihr Interesse an meiner Geschichte und wünsche Ihnen auch den Mut, an sich zu glauben und Ihre Träume zu verwirklichen.
 
Andreas Niedrig, im Februar 2007
I
Stationen einer Drogenkarriere

Mein Leben kehrt zurück

Die grelle Nachmittagssonne brennt auf sein blasses Gesicht. Er rennt sich auf dem schmalen Waldweg die Seele aus dem Leib, als wolle ihn der Teufel höchstpersönlich in jene Finsternis hinunterziehen, in der dieser junge Mann beinahe für immer verschollen wäre. Seine wachen Augen verfolgen den »alten Mann«, der wenige Meter vor ihm läuft.
Immer wieder brennen die Sonnenstrahlen schmerzhafte Erinnerungen in den ausgemergelten Körper des jungen Waldläufers. Als hinter der nächsten Abzweigung die Sonne einen Schatten vor ihm aufbaut, grinst ihn vor seinem geistigen Auge ein Gesicht an. Bilder der Vergangenheit tänzeln im Laufrhythmus vor ihm her, wollen ihn zurückholen in jene Zeit, vor der er davonrennt. Er erinnert sich an Phasen seines Lebens, die er niemals mehr durchmachen möchte.
Aber das Verdrängen fällt ihm schwer. Immer wieder taucht dieses Gesicht auf. Der Feind in seinem Körper. Die Gesichtszüge verzerren sich zu einer Fratze. Die Fratze grinst ihn an. Er sieht sein eigenes Gesicht wie in einem Spiegel vor sich, weigert sich aber, es zu erkennen. Er spürt den Taumel. Das Summen in seinen Ohren dröhnt immer lauter. Sein Kopf scheint zu explodieren. Die Bäume bewegen sich in Zeitlupe. Und dann hört er sie. Sie sind wieder da. Plötzlich und unerwartet: Die verzerrten Stimmen seiner Vergangenheit erwachen wieder zum Leben. Inmitten der Stille des Waldes mischen sich mit dem Rauschen der Bäume verschiedene Stimmen zu bedrohlichen Rufen.
»Hey, Junkie!«
»Brauchst du was?«
»Heroin, Kokain. Was du willst!«
Bedrohlich nahe dröhnen die grellen Stimmen der Dealer in seinen Ohren, übertönen die Gegenwart und beamen ihn gedanklich aus der Realität in jene Zeit, die auch zu seinem Leben gehört. Genauso wie der Tod.
Es gab eine Zeit, da hatte er mehr Angst vor dem Leben als vor dem Tod. Das Grauen in der Tiefe seines seelischen Ozeans und die Schmerzen der Vergangenheit bedrohen ihn immer noch: jetzt, im Jahr eins nach der Sucht.
Fast wäre er ertrunken im Meer seiner verlorenen Träume. Immer wieder fragt er sich, welche Sehnsucht noch in seinem Innersten verborgen ist. Die längst versunkene Lebensphase taucht wieder auf. Schweißperlen tropfen von seinem Gesicht auf den weichen Waldboden. Atemlos läuft er dem alten Mann und seinem eigenen jungen Leben hinterher. Ist es die Angst vor dem unsichtbaren Verfolger oder der drängende Wunsch nach körperlichem Wohlbefinden, dass er solche Kräfte mobilisieren kann, die er längst verloren glaubte?
Hinter der nächsten Kurve scheinen die Sonnenstrahlen wieder in sein Gesicht, die Schatten verfolgen ihn jetzt von hinten. Genauso wie die Gedanken. Die Vergangenheit heftet sich wie eine Klette an seine Fersen. Sie ist präsent und lässt ihn eine tragisch durchlebte Zeit seines noch jungen Lebens Revue passieren. Fast hätte er den Sprung zurück ins lebenswerte Menschsein nicht mehr geschafft. Er spürt seinen großen Nachholbedarf an Leben, läuft schneller und erahnt am blauen Horizont seine verdrängten Sehnsüchte, seine betäubten Gefühle und seine verborgenen Träume. Er träumt von einem gesunden Leben in der Geborgenheit einer glücklichen Familie und möchte sich nie mehr dem Einfluss einer unsichtbaren Macht beugen. Es war ein menschenunwürdiges Dasein, in dem er sich schon aufgegeben hatte. Auf diesem Waldlauf wird der Film seiner Vergangenheit in Andreas’ Kopf abgespult.
 
Da packt mich der Ehrgeiz. Ich will es diesem »alten« Mann zeigen, obwohl ich ihm hinterherhechle wie ein erschöpfter fettleibiger Hund, der seinem sportlichen Besitzer folgen will. Irgendwie ahne ich, dass ich auf dem besten Weg zurück in ein anderes Leben bin. Während des Laufs reißen zwar alte Wunden aus süchtigen Tagen auf, aber der Schmerz der Erinnerungen gibt mir die Kraft zum Weiterlaufen. Dieser Waldlauf mit meinem Vater ist die entscheidende Wende in meinem Leben.
Vor einer Stunde noch hat er mich tierisch genervt: »Komm mit in den Wald, du schlapper Kerl. Lass uns ein wenig laufen.« Wir hatten eigentlich zehn Kilometer geplant, aber daraus werden siebzehn, weil er sich verlaufen hat. Angeblich. Dabei kennt er jeden Stein auf diesem Waldweg. Ich glaube ihm nicht.
Nach dem Lauf spucke ich tierische Brocken. Ich bin starker Raucher und habe in den letzten Jahren keinen Sport mehr getrieben. Aber dieser Tag ist der Meilenstein in meinem Leben, ein kleiner, aber wichtiger Schritt in die Zukunft. »Es kann nicht sein, dass dich ein alter Sack so abzieht und dann lacht, als wäre nichts gewesen, als sei er gemütlich durch den Wald spaziert«, denke ich, total erledigt.
Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ein Pressluftbohrer hämmert in meinem ganzen Körper und es vibriert in meinen Schläfen. Diese Zustände sind mir nicht unbekannt. Ich habe sie schon oft erlebt, aber früher waren andere Dinge die Ursache für diese Erregung. Ich spüre die Hitze meines Atems und gleichzeitig friere ich wie beim Drogenentzug. Aber ich weiß, dass ich dieses Gefühl selbst produziere und kein fremder Stoff, der von meinem Körper Besitz ergreifen will, um ihn in den Strudel der Abhängigkeit hinunterzureißen.
Ich spüre es wieder. Das Leben in mir. Dabei war ich dem Tod schon so nahe, hatte schon die erste Bekanntschaft mit dem Sensenmann gemacht.
Vor nicht allzu langer Zeit lag Andreas noch auf dem staubigen Boden seiner Abhängigkeit, unfähig, sich zu bewegen. Seine Glieder waren schwer wie Blei, und leere Augen blickten hilflos in eine Welt, die parallel neben der seinen existierte. Er lebte am Leben vorbei und wollte sterben. Immer mehr verstrickte er sich in ein Netz voller Lügen, belog sich selbst und andere, besonders die Menschen, die er über alles liebt. Aber seine Gier nach dem wirklichen Leben ist heute stärker als alle Ängste, die ihn immer wie ein gehetztes Tier vor sich her getrieben haben.
 
Mein Traum heißt Leben. Ein Leben ohne dieses Gift ist Wirklichkeit geworden. Ein Leben, nach dem ich mich immer wieder gesehnt habe. Es grenzt fast an ein Wunder, dass ich noch auf dieser Erde bin. Heute soll ein weiterer Sprung in mein neues Leben gelingen. Ich muss es packen, denn ich habe sie wiedergewonnen, die unbeschreibliche Lust am Leben.
 
Andreas betrachtet den »Lauf seines Lebens« ohne Zorn und Reue und kostet die Tragik seines Schicksals in einer schwierigen Phase als Triumph aus. Aus den Erinnerungsfetzen seiner ruhmlosen Vergangenheit setzt er in unserem Gespräch wie in einem Mosaik nach und nach wieder ganze Bilder zusammen. Die Bilder schmerzhafter Erinnerungen werden wach, führen ihm unbarmherzig vor Augen, was er in seinen Jahren »auf Drogen« versäumt hat. Vor seinem geistigen Auge läuft wie ein düsterer Film sein erstes Leben ab.

Du brauchst im Leben mindestens einen Menschen, der an dich glaubt

Ich bin als ein Kind des Ruhrgebiets aufgewachsen, in einer Zeit, als die Schornsteine der Zechen noch qualmten. Meine Heimatstadt Oer-Erkenschwick hatte damals 24 000 Einwohner, die meisten lebten vom Bergbau. Meine Kindheit ist eine Zeit, an die ich mich gerne zurückerinnere.
Mein Opa, der unter Tage arbeitete, kehrte wie viele andere schwer arbeitende Männer abends stets mit schwarzen Rändern unter den Augen von der Schicht zurück. Doch bevor die Bergarbeiter nach Hause gingen, war es üblich, dass sie nach ihrer schweren Arbeit an der Kohle erst einmal an einer Bude ein Bier tranken und über ihre Arbeit sprachen. So sah man an vielen Ecken Hunderte von Bergleuten, die auf der Straße standen und ihr Bierchen tranken.
Meine Oma, die nur wenige Meter von uns entfernt wohnte, traf ich jeden Tag am geöffneten Küchenfenster. Ein Kissen lag auf ihrer Fensterbank, denn es war üblich, sich auf ein Kissen zu lehnen und sich vom Fenster aus mit den Nachbarn oder vorbeilaufenden Menschen zu unterhalten. War sie gerade mal mit der Hausarbeit beschäftigt, klopfte ich ans Fenster, und schon kam sie, um mir eine Tafel Schokolade zu geben und mit mir vom Fenster aus zu sprechen. Sie beklagte sich immer wieder über die dreckigen Fenstergardinen. Der Kohlenstaub lag eben ständig in der Luft.
Die Nachbarn meiner Oma waren türkischer Abstammung und wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen. Viele Türken kamen damals nach Deutschland, um bei der Arbeit unter Tage zu helfen.
Sehr viel spielte sich damals auf den Straßen ab. Fernsehen gab es tagsüber nicht und so mussten sich die Menschen mit sich selbst beschäftigen. Auch Autos gab es nur wenige und so wurde ich auf der Straße groß. Wir spielten auf der Straße Fußball, und wenn doch einmal Auto kam, stellten wir unsere selbst gebauten Tore weg, grüßten den Autofahrer, der völlig entspannt an uns vorbeifuhr, und spielten danach weiter.
Spielten wir kein Fußball, gab es tausend andere Möglichkeiten, sich zu beschäftigen: Räuber und Gendarm, Verstecken, Fangen, Buden bauen, Rad fahren und vieles mehr. Nach der Schule trafen wir uns draußen, um Spaß zu haben. Wenn es abends nach Hause ging, war ich immer pottdreckig, hatte die ein oder andere Schürfwunde mehr und das eine oder andere Loch in meiner Hose.
Ich hatte eigentlich eine schöne Kindheit und bemerkte nicht, dass mir als Kind doch eins fehlte. Was das war, erfuhr ich erst in meiner Therapie; als Kind fängt man nicht an, sein Leben zu hinterfragen. Für ein Kind ist alles, was es erlebt, erst einmal normal und so hinterfragte ich unsere familiäre Situation damals nicht. Schon als Kleinkind bin ich aufgrund familiärer Probleme mit mir und meinen Bedürfnissen oft allein geblieben. Um welche Probleme es sich dabei handelte, möchte ich aus Liebe zu meinen Eltern und Respekt vor ihnen hier nicht erzählen.
Wir waren eine Familie, wie man sie sich vorstellt: Meine Mutter war Hausfrau und mein Vater ein ziemlich hohes Tier bei der Polizei. Meine Schwester, die viele Menschen heute durch die TV Serie Niedrig und Kuhnt kennen, ist vier Jahre älter als ich, doch wir hatten damals nur wenig miteinander zu tun. Auch wenn wir nach außen eine intakte Familie darstellten, waren wir durch unsere großen Probleme leider nicht in der Lage, familiäre Konflikte untereinander auszutragen. Dadurch lagen immer so viele Schwierigkeiten in der Luft, dass ich schon sehr früh lernte, Konflikte nicht auszutragen, sondern sie einfach zu übersehen. Es tat mir weh, dass durch unsere Probleme meine Bedürfnisse nicht wahrgenommen wurden, und so lernte ich unbewusst meine Gefühle zu unterdrücken. Ich rannte immer lachend durch die Welt, fühlte mich dabei aber eigentlich traurig und allein. Unbewusst schlüpfte ich in eine Rolle, die mir nicht gut tat, denn dadurch wurde ich von meinen Mitmenschen mit meinen Gefühlen und vor allem meinen Bedürfnissen nicht wahrgenommen.
Ohne es zu spüren, tat sich ein Loch in meinem Gefühlsleben auf, das ich nicht mehr stopfen konnte, und irgendwann entwickelte ich eine Taktik, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ich sehnte mich nach echter Liebe und aufrichtiger Zuneigung. Da ich sie zu Hause nicht fand, suchte ich sie bei anderen Menschen. Zunächst bei den Kindergärtnerinnen. Meine kindliche Strategie war einfach: Ich spielte den Clown. Die Erzieherinnen und andere Menschen in meinem sozialen Umfeld fanden es anfangs noch lustig, und ich hatte das Gefühl, dass sie mich alle gern hatten. Dieses Gefühl betrachtete ich als Bestätigung meiner Taktik und glaubte, so könne das Leben funktionieren. Ich dachte, das wäre das Glück, das ich suchte.
Doch meine ständige Suche nach Aufmerksamkeit überforderte irgendwann die Menschen, die ich umgarnte. Ich merkte lange Zeit nicht, dass ich nur noch nervte. Immer häufiger hatte ich Angst, dass die Clown-Nummer nicht mehr funktionierte. Deshalb versuchte ich auf andere Weise, Aufmerksamkeit zu erregen. Ich lernte schnell, dass man nur Scheiße bauen muss, damit sich die anderen um einen kümmern.
Einige Kindergärtnerinnen waren plötzlich der Meinung, ich wäre mit meinen fünf Jahren so intelligent, dass ich schon eine Schule besuchen könnte. Der wahre Hintergrund: Sie wollten das Problemkind entsorgen. Ich war nicht intelligent, sondern einfach nur nervig. Die Erzieherinnen wollten mich loswerden. Sie trauten sich natürlich nicht, den wahren Grund zu nennen, aber ich spürte, dass man mir nun auch hier die Zuneigung verwehrte, die ich so dringend benötigte. Aber das schien niemanden zu interessieren.
Und es kam, wie es kommen musste: Mein Schulanfang war die reine Katastrophe und zum Scheitern verurteilt. Ich war zappelig und konnte mich keine fünf Minuten am Stück konzentrieren. Aber ich konnte auch nicht wieder zurück in den Kindergarten. Ich hatte das Gefühl, dass mich keiner wollte, ich nur weitergereicht wurde. Unsere familiäre Situation erschien mir immer dramatischer.
Mit sechs Jahren begann meine erste sportliche Karriere. Ich kämpfte auf der Judomatte mehr aus Spaß und verschwendete keinen einzigen meiner kindlichen Gedanken an sportliche Leistung. Wenn man das ganze Leben noch vor sich hat und den Ernst des Lebens nicht so ernst nimmt, wie Erwachsene es gerne möchten, kann man Spaß am Sport haben.
Ich hatte nie das Ziel eines Erfolgs vor Augen. Aber unser Trainer war ein kämpferisch verbohrter Erwachsener und legte größten Wert auf sportliche Leistungen. Ob seine »Schützlinge« auch Spaß hatten, interessierte ihn nicht. Da ich nach Meinung des Trainers nicht den notwendigen Ernst für die Sache entwickelte, blieb ich nicht lange auf der Matte und wechselte zum Schwimmverein. Hier trainierten wir Kinder just for fun und wurden nicht auf Bestzeiten getrimmt.
Vielleicht war gerade der Spaß mein Antrieb, entsprechende Leistungen in dieser Disziplin zu erbringen. Ich war bereits nach kurzer Zeit Mitglied des westdeutschen Kaders und nahm an Deutschen Meisterschaften teil. Der Schwimmtrainer prophezeite mir eine sportliche Karriere. »Körperlich bist du sehr stark. Du hast das Talent für einen großen Sportler!«
Die Prognose des Trainers klang wie Musik in meinen Ohren, sollte sich aber erst viel später – nach einer langen Phase einer ungesunden und absolut unsportlichen Lebensweise – bewahrheiten. Aber davon ahnte ich damals noch nichts. Gott sei Dank.
In der Grundschule war ich der anstrengendste Schüler, und die Lehrer waren froh, dass sie mich nur vier Jahre ertragen mussten. Ich wechselte zur Realschule. Obwohl sich dort die Lehrer mit dem Problemkind wirklich Mühe gaben, machte ich nur Unsinn und wurde fast jeden Tag ins Klassenbuch eingetragen. Die Reaktion im Elternhaus war klar: intensive Aufmerksamkeit meines Vaters. Aber nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Es hat nur noch geknallt.
Da ich ständig den Unterricht störte, wurde mein Vater immer wieder in die Schule zitiert. Ich fand mich in der neuen Gemeinschaft nicht zurecht. Dann musste ich in der sechsten Klasse eine Ehrenrunde drehen und hatte noch weniger Lust zum Lernen.
Den einzigen wirklich positiven Kontakt hatte ich zu diesem Zeitpunkt nur noch im Schwimmverein. Wir waren ein starkes Team: vier gute Schwimmer und ein Trainer, mit dem wir uns super verstanden. Unser erstes gemeinsames Erfolgserlebnis: Die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft. Der Teamgeist hat mich im wahrsten Sinne des Wortes trotz allen Ärgers in der Schule über Wasser gehalten.
Doch irgendwann wechselte unser Trainer seinen Beruf und konnte nicht mehr für uns da sein. Er hatte uns verlassen. Ja, genauso habe ich es damals empfunden. Ich fühlte mich verlassen. Das war ein entscheidender Punkt in meinem Leben. Als auch noch zwei Freunde die Staffel verließen, hatte ich kein Interesse mehr am Schwimmtraining.
Da ich die sechste Klasse der Realschule auch beim zweiten Versuch nicht schaffte, musste ich auf die Hauptschule. Hier herrschte ein Klima der Gewalt, das ich davor noch nicht gekannt hatte. In den Pausen kam es immer wieder zu Schlägereien und das ganze Schulhaus kam mir schmutzig und unordentlich vor. Ich habe die Schule wirklich total verdreckt in Erinnerung. Und den Lehrern war auch alles egal. In diesem Klima konnte nichts gedeihen außer Gewalt und Drogenkonsum.