Vom Loslassen und Aufsteigen - Klaus Blaser - E-Book

Vom Loslassen und Aufsteigen E-Book

Klaus Blaser

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Beschreibung

Spirituelle Fragen und außergewöhnliche Seinszustände in die Psychotherapie einbeziehen Schulenübergreifend intrapersonelle und zwischenmenschliche spirituelle Fragen erforschen Neue Methode: Durch die Arbeit mit repräsentativen Holzfiguren werden spirituelle Bilder greifbar und erlebbar Dieses Buch stellt eine neue Therapiemethode vor, mit der auf einfache und klare Weise spirituelle Fragen sichtbar gemacht werden können. Neun exemplarische Sitzungen zeigen, wie die Arbeit mit einer Holzfigur und Bausteinen spirituelles Erleben fördern kann. Dabei wird der bisher therapeutisch weitgehend ungenutzte Raum "oben" und "unten" mit einbezogen. Diese vertikale Ebene ermöglicht es, die eigene psychische Innenwelt mit der dazugehörenden Ich-Grenze und die sie direkt umgebende Umwelt aus einer neuen Perspektive wahrzunehmen. Durchlässige und dysfunktionale Ich-Grenzen können zu psychischen Problemen und Störungen führen. Wenn Kinder zu weisen Gärtnern ihrer mentalen Innenwelt heranwachsen dürfen, kann ihnen viel Leid erspart und Lebensfreude geschenkt werden. Die hier vorgestellte dreidimensionale Grenzvisualisierung (3-DGV) holt dies bei Erwachsenen nach. Entscheidende biografische Momente können aufgespürt werden und auf spiritueller Ebene heilende Prozesse in Gang setzen.

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Seitenzahl: 257

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Cover for EPUB

Klaus Blaser

Vom Loslassen und Aufsteigen

Eine spirituelle Therapieform

Mit einem Geleitwort von Thilo Hinterberger

Schattauer

Impressum

Dr. Klaus Blaser

Theodorskirchplatz 7

CH – 4058 Basel

Schweiz

Für Zusatzinformationen siehe www.horizologie.ch

Besonderer Hinweis:

Die in diesem Buch beschriebenen Methoden sollen psychotherapeutischen Rat und medizinische Behandlung nicht ersetzen. Die vorgestellten Informationen und Anleitungen sind sorgfältig recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen weitergegeben. Dennoch übernehmen Autor und Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendeiner Art, die direkt oder indirekt aus der Anwendung oder Verwertung der Angaben in diesem Buch entstehen. Die Informationen sind für Interessierte zur Weiterbildung gedacht.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Gestaltungskonzept: Farnschläder & Mahlstedt, Hamburg

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von Viktorija Lankauskaitė (Unsplash)

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Volker Drüke

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40158-5

E-Book ISBN 978-3-608-12128-5

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20613-5

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Geleitwort

Einleitung

Danksagung

1 Martijn

Nachtrag Martijn

Zwölf Fragen

Vier Anregungen für die spirituelle Arbeit

2 Joke

Nachtrag Joke

Zehn Fragen

Drei Anregungen für die spirituelle Arbeit

3 Brigitta

Nachtrag Brigitta

Sieben Fragen

Vier Anregungen für die spirituelle Arbeit

4 Susanne

Nachtrag Susanne

Neun Fragen

Vier Anregungen für die spirituelle Arbeit

5 Katinka

Nachtrag Katinka

Sieben Fragen

Vier Anregungen für die spirituelle Arbeit

6 Amelie

Nachtrag Amelie

Sechs Fragen

Drei Anregungen für die spirituelle Arbeit

7 Philipp

Nachtrag Philipp

Vier Fragen

Drei Anregungen für die spirituelle Arbeit

8 Grace

Nachtrag Grace

Acht Fragen

Vier Anregungen für die spirituelle Arbeit

9 Ko

Nachtrag Ko

Sieben Fragen

Vier Anregungen für die spirituelle Arbeit

Literatur

Geleitwort

Die vertikale Dimension scheint archetypisch mit einer Vielzahl von Bedeutungen in uns verankert zu sein. Bewusstseinswissenschaftlich kann dies durch die Organisierung unseres Bewusstseinsraumes gemäß unserer physischen Welterfahrung verstanden werden: In den horizontalen Dimensionen findet maßgeblich das Leben statt. Der Boden unter mir ist das, was mich trägt, aber auch der Bereich des unsichtbaren und unzugänglichen Untergrundes. Vor allem das Oben hat einen besonderen Bedeutungsgehalt. Wir assoziieren damit die luftigen Höhen, die Weite, die Freiheit und den Überblick über das Geschehen. Daran knüpfen sich auch geistige Assoziationen wie Leichtigkeit, Erkenntnisse aus einer höheren Warte heraus, Gefühle der Entgrenzung und schließlich Hinweise auf das Göttliche, das im Himmel wohnt. Aus diesem Blickwinkel heraus mag unser Menschsein in seinem größeren Zusammenhang wahrgenommen werden. Doch wie gelangen wir zu solch einer Perspektive?

Klaus Blaser hat mit der dreidimensionalen Grenzvisualisierung (3-DGV) ein faszinierendes und wirkungsvolles Werkzeug entwickelt, um genau dies zu ermöglichen. In diesem Buch stellt er die Methode vor und lässt uns an seinen Erfahrungen damit teilhaben. Die 3-DGV erweist sich als ein Mittel, um sich selbst besser kennenzulernen, zu einer Selbstdistanz zu gelangen, sich aus einer anderen Perspektive zu betrachten und dabei außergewöhnliche Seinszustände zu erleben. Die Erfahrungen, die mit der vertikalen Bewegung in der Visualisierung entstehen, erschienen mir so spannend, dass ich begeistert begonnen habe, gemeinsam mit Klaus Blaser ein wissenschaftliches Forschungsprojekt zu planen und in der Zusammenarbeit mit einer therapeutisch begabten Studentin durchzuführen. So ist ein weiteres Projekt entstanden, das eine neuartige Methode zur Induktion veränderter Bewusstseinszustände und -erfahrungen untersucht. Obwohl die 3-DGV von Klaus Blaser im therapeutischen Rahmen genutzt wird, ist es ein Instrument, das für alle Menschen gleichermaßen ein hohes Potenzial zur Selbsterfahrung, Selbstreflexion und Selbsterkenntnis bietet, und das auf spielerische Weise. Der therapeutische Nutzen ergibt sich als spezielle Art der Intervention und Bearbeitung des Erlebten. Daher haben wir unsere erste Studie mit gesunden Menschen gemacht, und nicht mit Patienten, weil es uns zunächst nicht darum ging, die therapeutische Wirksamkeit zu untersuchen, sondern die Bandbreite möglicher Erfahrungen zu entdecken (Sohst et al. 2022). Und diese scheint enorm zu sein und dem Erleben während einer rein horizontalen Grenzvisualisierung weit überlegen. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, bereits an dieser Stelle einige vorläufige Ergebnisse aus den etwa 40 standardisierten 3-DGV-Sitzungen zu berichten. Der Vergleich von Erlebnissen während horizontaler und vertikaler Visualisierung zeigt, dass in der vertikalen Aufwärtsbewegung der Ich-Figur deutlich mehr bildhafte Erfahrungen gemacht werden. Während bei einer horizontalen Dissoziation die Emotionalität eher abnahm, zeigte sich bei vertikalen Perspektiven eine deutliche Zunahme des Emotions- und Gefühlserlebens, vor allem in Bezug auf Gefühle wie Leichtigkeit, Klarheit und Freude. Da die Befindlichkeitsveränderungen nach einer 3-DGV-Sitzung meist sehr positiver Natur waren, die Proband/innen sich also zufriedener, lebendiger und wohler in ihrem Körpererleben empfanden, kann die 3-DGV als salutogen und gesundheitsfördernd angesehen werden; eine gute Voraussetzung auch für eine therapeutische Wirksamkeit. Hinzu kommt, dass durch die symbolisierte aufwärts gerichtete Grenzüberschreitung vollkommen ideologieunabhängige Transzendenzerfahrungen möglich gemacht werden können.

Ich bin daher sehr gespannt auf die weiteren Entwicklungen und Anwendungen, die mit dieser Methode möglich sind. Aber auch das Lesen des Buches selbst bietet eine erkenntnisreiche Reise, die mittels der persönlichen Fragen am Schluss der Kapitel immer auch den Bezug zur eigenen Innenwelt herstellt. Ich wünsche viel Freude beim Lesen!

Thilo Hinterberger, im Herbst 2022

Einleitung

Wenn Sie dieses Buch jetzt in der Hand halten oder das E-Book auf Ihrem Handy oder E-Book-Reader lesen, ist es wahrscheinlich, dass Sie im übertragenen Sinne mit beiden Füßen auf dem Boden stehen. Vermutlich schweben Sie während dem Lesen nicht an einem Fallschirm in der Luft oder kriechen auf Händen und Füßen durch ein unterirdisches Gewölbe. Es ist wahrscheinlich, dass es Wände oder einen Schutz um Sie herum gibt: die Mauern des Zimmers, die Schutzhülle eines Zuges oder draußen die Bäume eines Waldes.

Was tun wir alles, um uns zu schützen? Wir richten Mauern auf, bauen Häuser, Wasserschlösser, historische Befestigungsanlagen für Städte Stadtwälle und sogar kilometerlange Mauern, die das Land in alle Windrichtungen vor Eindringlingen beschützen soll. Wir schützen uns mit Seife, Desinfektionsmittel, Mundmasken, Impfungen und ausgeklügelten Apps vor unerwünschten Viren.

Warum schützen wir uns eigentlich? Wir möchten die Welt innerhalb der Stadtmauer bewahren, die Bewohner behüten, die angehäuften Güter verteidigen, unsere Zuversicht erhalten, unsere Gemeinschaftsritualen sichern, fremde Gewohnheiten und Ängste außen vor lassen. Was möchten wir schützen, wenn wir x-mal pro Tag die Hände waschen und Mundschutz im öffentlichen Verkehr tragen? Wir behüten unsere Gesundheit, bewachen unser Einkommen, decken unsere Familie, versuchen unsere Existenz in Sicherheit zu bringen, protegieren unsere Wohlfahrt, sichern unsere Ideale, bewahren unsere Wertvorstellungen und stellen unsere Sinngebung unter Schutz. In beiden Beispielen, der Stadtmauer und dem Mundschutz, versuchen wir auch die mentale, psychische Ebene zu schützen. Beschützt uns ein Mundschutz vor der Angst, infiziert zu werden, verhindert die Stadtmauer schlaflose Nächte? Nein, weil vielleicht die wichtigste Protektion unsichtbar ist. Es betrifft die Abgrenzung unserer psychisch-seelischen Innenwelt. Diese Abschirmung kann krank machend durchlässig sein oder kraftvoll innere Geborgenheit schenken.

Die räumliche Darstellung der Abgrenzung des psychisch-seelischen Innenraums mit den Kapla-Hölzchen (siehe anschließend auf den Abbildungen) ist bis jetzt die präziseste Methode, unseren mentalen Schutz zur Außenwelt sichtbar zu machen. In meinem Buch »In mir und um mich herum« (Blaser 2014) wurden erstmals neun Beispiele der dreidimensionalen Grenzvisualisierung (im Weiteren mit 3-DGV abgekürzt) beschrieben. Diese Methode ermöglicht jedem Menschen, sein unbewusstes inneres Bild seiner »Ich-Grenze« sichtbar und greifbar zu machen. Das erstellte Bild zeigt, wie wir in der Welt stehen, wie offen oder abgegrenzt wir sind und welche Dynamik zwischen Innenleben und Außenwelt unser Verhalten kennzeichnet. Leben könnte in diesem Kontext definiert werden als das stetige Streben nach einem intrapsychischen Gleichgewicht bei fortwährenden nur beschränkt kontrollierbaren Änderungen in der Außenwelt. Anders formuliert, wird mit Homöostase die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts eines offenen dynamischen Systems durch innere Regelprozesse gemeint, wobei die Grenze eine entscheidende Rolle spielt. Um die Homöostase immer wieder herstellen zu können, ist die Regulierung des Austausches zwischen Innen- und Außenwelt von überlebenswichtiger Bedeutung.

Die Regulierung des Austausches zwischen dem psychisch-seelischen Innenraum und der mentalen Außenwelt ist abhängig von einer gut funktionierenden und kraftvollen Abgrenzung. Dabei spielt der Schutz vor belastenden, destruktiven und hemmenden Bildern, Erfahrungen, Gefühlen, Ansichten, Aufgaben und Verantwortung (BEGAAV-Elemente) eine lebensnotwendige Rolle. Das Zusammenwirken dieser sechs Elemente ist für das fragile intrapsychische Gleichgewicht von wesentlicher Bedeutsamkeit. Jede Belastung, Überforderung oder Blockierung führt zu einer psychischen Dysbalance, die jedes Mal von neuem ausgeglichen werden muss. Andererseits sorgt die Aufnahme von freudvollen, inspirierenden, kraftvollen und stärkenden Bildern, Erfahrungen, Gefühlen und Ansichten nicht nur für einen möglichen Ausgleich, sondern liefert vor allem den Brennstoff für die fortwährend sich anpassende Homöostase. In meinen bisherigen Publikationen wird immer wieder die Metapher des Gartens für die Innenwelt benutzt. Wie subtil das Zusammenspiel der verschiedenen lebenden Bewohner eines Gartens sein muss, um zu wunderbaren Obstfrüchten heranreifen zu können und zu prächtig blühenden Blumen heranzuwachsen, ist dem Wunder des psychisch-seelischen Innenraums ähnlich. Nur dass der menschliche Körper und vor allem das menschliche Gehirn wahrscheinlich noch um einiges komplizierter ist. Durchlässige und dysfunktionale Ich-Grenzen führen zu psychischen Erkrankungen. Wenn Kinder zu weisen Gärtnern heranwachsen dürfen, kann ihnen viel Leid erspart und Lebensfreude geschenkt werden.

Die 3-DGV ermöglicht es, entscheidende biografische Momente aufzuspüren und heilende Prozesse in Gang zu setzen. Bei den hunderten 3-DGVs, die ich bis jetzt durchgeführt habe, finden diese sichtbar geworden Dynamiken praktisch immer auf der horizontalen Ebene statt. Das heißt, die Holzfiguren bewegen sich auf dem Tisch, auf welchem das Ich-Grenzbild dargestellt wurde. Oft sind mehrere Figuren respektive Personen beteiligt und es zeigt sich beispielsweise, dass der Vater oder die Mutter bei der Entstehung von pathologischen oder gesunden Grenzmechanismen eine entscheidende Rolle gespielt hat. Die Einsicht in diese ursprünglich zwischenmenschlichen, unbewusst ablaufenden Mechanismen ermöglicht bewusste und trainierbare Veränderungen. Anders formuliert: Der Patient erhält durch die neuen Erkenntnisse Werkzeuge, mit welchen er bewusst krank machende oder stabilisierende Muster ändern respektive stärken kann.

Wie gesagt, fast immer bleibt die Holzfigur mit den Füßen am Boden. Selten möchte die Person mit ihrer Figur abheben oder fliegt, ohne es zu realisieren, über den Gartenzaun. Es waren jedoch genau diese seltenen Augenblicke, die in letzter Zeit zunehmend mein Interesse geweckt haben. Welche Konstellationen führen zu einer Aufwärtsbewegung? Was geschieht, wenn die Person ihre Figur nach oben bewegt, vor allem, wenn es keinen sichtbaren Anlass dafür gibt?

Das vorliegende Buch handelt genau von dieser Aufwärtsbewegung, von den Ursache-Dynamiken, von den Änderungen, die den Verbleib in höhere Sphären auslösen, von Bewegungswünschen und Gefühlen. Wir werden sehen, dass die eigene Aufwärtsbewegung viel wichtiger ist, als dies uns im alltäglichen Leben bewusst ist. Zwischenmenschliche Konflikte und berufliche Herausforderungen fordern uns oft dermaßen stark heraus, dass die vertikale Dimension kaum wahr- und ernstgenommen wird.

Eine Umfrage der Associated Press im Jahr 2011 ergab, dass 77 Prozent der Amerikaner an Engel glauben. Die Muslime sollen an sie glauben. Römisch-katholische Christen glauben traditionell, dass jeder Mensch einen persönlichen Schutzengel hat. Das sind eine Menge Flügel, die unsichtbar und unhörbar um uns herumflattern. Nach den Geschichten von »Tausendundeiner Nacht« brauchte man sich auf einem fliegenden Teppich nur ein Ziel zu wünschen, um sofort dorthin gebracht zu werden. Der mythische König Salomon hatte einen Teppich aus glänzender Seide, der groß genug war, um 40 000 Menschen zu transportieren. Die griechischen Mythen erzählen von Pegasus, einem strahlend weißen Pferd mit Flügeln, das der Held Bellerophon auf seiner Mission, die monströse Chimäre zu besiegen, mit sich führte. Muslime glauben, dass der Prophet Mohammed eine »Nachtreise« auf einem fliegenden Pferd unternahm. Er jagte den Buraq, ein pferdeähnliches Wesen mit Flügeln, das gewöhnlich mit einem menschlichen Gesicht dargestellt wird, von Mekka nach Jerusalem, wie die Zentauren der griechischen Mythologie. Man sagt, dass Hexen auf Besen durch die Luft fliegen, und seit kurzem gehört auch Harry Potter zu ihnen. Der amerikanische Weihnachtsmann und seine Rentiere rasen hoch über dem Dezemberschnee von Schornstein zu Schornstein. Meditierende Gurus und Fakire verwenden Tricks, um ihre Behauptung zu untermauern, sie würden im Lotussitz über dem Boden schweben. (Dawkins u. Lenzova 2021, S. 14–17; Übs. d. A.)

In der christlichen Tradition spielte die höhere Warte, der Gott, der von oben auf uns herunterblickte, eine starke Rolle. Die vertikale Ebene hat sich vom christlichen Glauben gelöst und ist durch technischen Fortschritt ersetzt worden. Ferngesteuerte Drohnen im Kriegseinsatz, Satelliten, die zur Massenkommunikation und Überwachung ins Weltall geschickt werden, und Raketen, die zum Mars oder noch weiter entfernten Himmelskörpern unterwegs sind, dienen dem Stillen unserer Neugier und der sogenannten nationalen Sicherheit. Die alltäglichen, uralten Verbindungen zwischen dem Menschen unten und der Welt oben sind schon lange irrelevant, von den Unterweltsphären ganz zu schweigen. Ist »Vom Loslassen und Aufsteigen« ein esoterisches Buch, in dem ich mich als Autor des Werkes nach religiösen Zeiten sehne? Nein, das Buch hat nichts mit Esoterik zu tun. Es berichtet von neun Sitzungen, in welcher die Teilnehmer erzählen, was sie im Augenblick erleben, empfinden, sehen und hören, wenn sie eine zehn Zentimeter große Holzfigur langsam nach oben bewegen. Die Beispiele zeigen, dass da oben ein antwortendes, ein entgegenkommendes, ein verstehendes Etwas ist, welches der Soziologe Rosa »die vertikale Resonanzachse« nennt (Rosa 2016). Das Erstaunliche, wovon die Teilnehmer berichten, wirft Fragen auf, die wir gerne beantworten und erklären möchten. Wir Menschen neigen dazu, alles verstehen und begründen zu wollen, Kausalitäten und Zusammenhänge zu finden, um logisch legitimierte Modelle entwickeln zu können.

Wir werden uns in den nächsten Kapiteln nicht nur auf eine besondere Art mit dem Loslassen und Aufsteigen auseinandersetzen, sondern auch die Reise in die Erde, ins Unterirdische genauer untersuchen.

In jedem Nachwort wird ein Thema kurz beleuchtet und mit wenigen Worten ein Denkanstoß gegeben. Die ausgewählten Themen zeigen zum einen den Reichtum der vertikalen Bewegungserfahrungen, die wir Menschen im Verlauf von tausenden Jahren gesammelt haben, und zum anderen die Hilflosigkeit, mit der wir versuchen, das Stattgefundene zu deuten und zu erklären. Forscher zögern, sich diesen Themen anzunähern, aus Angst, als unseriös und unwissenschaftlich dazustehen. Die fehlende wissenschaftliche Unterbauung macht es schwierig, zu den vertikalen 3-DGVs (in welcher die Holzfigur sich auf der vertikalen Achse bewegt und im Weiteren VK 3-DGV genannt) harte Fakten und Zahlen bringen zu können, was wahrscheinlich genau das Spezifische dieser Arbeit aufzeigt, nämlich, dass sie nicht mit einem rationalen Weltverständnis einzufangen ist.

Ich habe mich bewusst dafür entschieden, die Literatur nur punktuell miteinzubeziehen. Die erwähnte Literatur und die zitierten Autoren wurden als Farbpunkte eingesetzt und sollen den Leser dazu inspirieren, sich mit den dargestellten vertikalen Bewegungserfahrungen auf eigene Art und Weise auseinanderzusetzen. Eine einigermaßen vollständige Literaturübersicht würde den Rahmen eindeutig sprengen. Vielleicht werden manche Leser ermuntert, über ihre eigenen außergewöhnlichen Erfahrungen zu berichten und sich darüber mit anderen auszutauschen.

Jedes Kapitel endet mit ein paar direkt an Sie, den Leser, gerichtete Fragen. Versuchen Sie sich auf die Fragen einzulassen. Einige sind einfach und fördern die Selbstreflexion, andere sind schwieriger, brauchen mehr Zeit und Introspektion, und vielleicht gibt es wenige Fragen, die Sie mit Skepsis lesen und gar nicht beantworten möchten. Sie können die Fragen auch Ihrem Partner und oder Ihren Kindern vorlegen. Zudem werden am Ende des Kapitels einige Anregungen für den Therapiealltag gegeben. Lassen Sie sich inspirieren und tauschen Sie sich mit Ihren Kollegen darüber, zum Beispiel in Intervisionen, aus.

Die vertikale 3-dimensionale Grenzvisualisierung sollte unter Führung eines erfahrenen und achtsamen Therapeuten angeleitet werden, am besten durch einen Psychotherapeuten, der in der Ich-Grenzbewussteinsmethode ausgebildet wurde. Die Übung, die im Nachtrag von Grace beschrieben wird (Seite 155 f.), ist nicht geeignet für Menschen, die emotional instabil oder psychoseanfällig sind. Lassen Sie sich beim Lesen der vertikalen 3-DGV mitnehmen, fühlen Sie mit dem Teilnehmer mit, leben Sie sich in ihre Position ein, assoziieren Sie, lassen Sie eigene Erinnerungen und Bilder hochkommen, ohne Sie zu verurteilen oder zu fürchten, stimmen Sie Ihren Gefühlen zu. Lesen Sie langsam und nehmen Sie sich nach beenden eines Kapitels Zeit, das Gelesene mit Neugier, Gelassenheit und einer gesunden Portion Kritik zu verdauen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Buch die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

Am Ende der Einleitung wünsche ich allen Lesern viel Vergnügen, Überraschungen, neue Einsichten und Inspiration. Möchten Sie mehr wissen und erfahren oder wollen Sie mir eine Rückmeldung geben oder eine Frage stellen, dann nehmen Sie über die Website www.horizologie.ch oder meine E-Mail-Adresse ([email protected]) mit mir Kontakt auf.

Danksagung

Fünf der neun Sitzungen wurden in den Niederlanden in Laren in der Praxis von Brigitta Derksen an zwei nicht aufeinander folgenden Tagen aufgezeichnet. Brigitta stellte nicht nur ihren Raum für die Aufnahmen zur Verfügung, sondern organisierte auch das Video-Equipment. Radjani Edel, die Leiterin des niederländischen Zentrums für Ich-Grenzbewusstsein übernahm im Vorfeld die ganze Organisation und gab mit Ihrem Wissen und Erfahrung wichtige inhaltliche Impulse. In der Schweiz durfte ich in den Praxisräumlichkeiten von Jacqueline Buchli in Basel weitere vertikale 3-DGVs aufnehmen und Anne Potterat stellte sich als Kamerafrau zur Verfügung. Allen gilt mein herzlicher Dank.

Bevor die ersten Video-Aufnahmen gedreht wurden, fanden sowohl in den Niederlanden als auch in der Schweiz Workshops statt, in welchen ausgebildete Self-Boundary-Awareness (SBA)-Coaches und Counselors eine vertikale 3-DGV offen und präzise durchführten und miteinander besprachen. Hierbei auch mein Dank an die Workshop-Teilnehmer für ihre anregenden Beiträge und Rückmeldungen.

Die meisten Teilnehmer haben die Masterclass 1 bis 3 der SBA-Ausbildung durchlaufen und waren mit der Arbeit der Ich-Grenze und den Hölzchen und der Holzfigur bekannt. Eine wichtige Bedingung für die Teilnahme war, dass sie noch keine Erfahrungen mit der vertikalen 3-DGV gemacht hatten. So konnte jeder unbeschwert Neuland betreten. Alle Teilnehmer gaben ihr Einverständnis, das Aufnahmematerial zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen, einige mit Erlaubnis ihre Namen und auch ihre Fotos zur Illustration benützen zu dürfen. Andere bevorzugten anonym zu bleiben, was in den Abbildungen ersichtlich ist. Alle haben die Transkription der Video-Aufnahmen gelesen und die hier vorliegende Version gutgeheißen. Meinen großen Dank gilt Martijn, Joke, Brigitta, Susanne, Katinka, Amelie, Philipp, Grace und Ko. Ohne sie wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Gerne möchte ich auch Lisa Schiess und Stella Voegtli meinen großen Dank aussprechen für die präzisen Textkorrekturen sowie Jacqueline Buchli und Michaela Jordi für die wertvolle inhaltliche Anregungen.

1 Martijn

K:Anschließend werden Sie auf dem Tisch Ihre persönliche psychische Grenze mit Kapla-Hölzchen darstellen. Sie tun dies so, dass es schematisch für Sie richtig ist, also ohne zu viel Details. Wenn Sie damit fertig sind, werden wir sehen, wohin uns die heutige Reise führt. Ich erlaube mir, jede Frage zu stellen, die ich zu einem bestimmten Zeitpunkt für wichtig halte, und Sie erlauben sich dann »nein« zu sagen oder »Ich will diese Frage nicht beantworten«. Wahrscheinlich werden wir beide merken, wann die heutige Reise zu Ende geht, und sobald Sie früher aufhören möchten, teilen Sie mir das bitte mit. Dasselbe gilt für mich, falls ich aus irgendeinem Grund die Erforschung der vertikalen Ebene beenden möchte, werde ich das Ihnen sagen. Ist das für Sie in Ordnung?

M:Ja.

K:Sie können jetzt mit dem Bau Ihrer Ich-Grenze beginnen.

M stellt die Abgrenzung seines Innenraums mit den Kapla-Hölzchen dar. Seine Holzfigur befindet sich außerhalb seines Raumes in der linken Ecke des Tisches (→ Abb. 1-1).

Abb. 1-1

K:Stimmt es so?

M:Ja.

K:Ich werde nun etwas sagen. Schauen Sie mal, ob Sie ganz langsam darauf reagieren können. Ist das in Ordnung?

M:Das ist okay.

K zeigt auf die Figur von M.

K:Sie stehen da.

M:Das ist richtig.

K:Was passiert, wenn ich das sage?

M:Ich warte darauf, dass Sie mich bitten, die Figur in meinen Raum zu stellen. Ich habe die Figur unbewusst dort gelassen.

K:Ist es in Ordnung, wenn ich das, was Sie sagen, so übersetze wie ich es wahrnehme?

M:Ja.

K:Ich nehme das so wahr, als ob Sie von mir die Erlaubnis bräuchten mit Ihrer Figur in Ihren Innenraum gehen zu dürfen.

M:Ja, das stimmt.

K:Ist das so?

M:Nein, nicht wirklich.

K:Ich glaube auch nicht, dass Sie von mir Erlaubnis brauchten, auch nicht in diesem Umfeld.

M nimmt seine Figur und fliegt sie in seinen Raum.

K unterbricht ihn.

K:Das geht sehr schnell. Schauen Sie zuerst von dort zu Ihrem Raum, ist das gut?

M stellt seine Figur zurück, dreht sie ein wenig und richtet sie auf seinen Raum.

K:Wie ist das?

M:Weit weg.

K:Wie ist es, dass es niemanden gibt, der Ihnen Erlaubnis geben muss, in Ihren eigenen inneren Garten zu gehen?

M:Vielleicht habe ich es auch falsch verstanden.

K:Möchten Sie in Ihren eigenen Raum gehen?

M:Ich würde gerne dort sein.

K:Aber Sie haben das Gefühl, dass jemand grünes Licht geben muss, um hineinzugehen?

M:Im Moment schon.

K:Kommt Ihnen das bekannt vor?

M:Ja.

K:Wie ist es für Sie, zu hören, dass dies nicht notwendig ist oder war, nicht jetzt, nicht in der Vergangenheit und auch nicht in der Zukunft?

M:Konfrontierend. Dann kommen Gedanken und Gefühle aus der Vergangenheit. Als ich jung war, musste ich um Erlaubnis bitten. So habe ich es gelernt.

K:Sie wollten in Ihre Innenwelt gehen und jemand hat Ihnen gesagt, Sie müssen warten?

M:Vielleicht wusste ich auch nicht bewusst, dass ich eine eigene Innenwelt habe.

K:Wir wissen das wahrscheinlich schon, vielleicht nicht bewusst, aber irgendwie unbewusst.

M:In der Familie war die Aufmerksamkeit immer auf die andere Person gerichtet.

K:Erst der andere und dann Sie?

M:Ja.

K:Wenn Sie sich an diese Regeln gehalten haben, ging vielleicht die Ampel auf Grün?

M:Ja, genau.

K:Jetzt gibt es keine andere Person, auf die Sie Ihre Aufmerksamkeit richten müssen. Sie müssen sich hier an nichts halten. Wie ist das?

M:An sich gut, ein bisschen verwirrend.

K:Was verwirrt Sie?

M:Dass meine Aufmerksamkeit gerade zwischen meinem Raum und der Figur da draußen hin- und herpendelt. Das macht mich unruhig.

K:Was würden Sie gerne tun, wenn Sie dort draußen stehen?

M:Ich möchte so schnell wie möglich in meinen Raum gehen.

K:Ich schlage vor, dass Sie das tun, aber langsam, um zu sehen, was Sie unterwegs wahrnehmen. Ist das gut?

M:Ja.

M bewegt seine Figur langsam zum Eingang seines Raumes. Als er ungefähr auf halbem Weg ist, stellt K eine Frage.

K:Können Sie sagen, was Sie bisher erlebt haben?

M:Das fühlt sich viel angenehmer an. Ich kann jetzt alles sehen, ohne meinen Kopf drehen zu müssen. Auch die Entfernung zu meinem Raum ist jetzt natürlicher.

M bewegt seine Figur langsam.

M:Ich stelle fest, dass sich das Tor nach links statt nach rechts öffnen sollte.

K:Möchten Sie das ändern?

M:Ja. (→ Abb. 1-2)

Abb. 1-2

M führt seine Holzfigur durch die Türöffnung nach innen, schließt die Tür hinter sich und stellt die Figur in die Mitte des Hauptraumes (→ Abb. 1-3).

Abb. 1-3

K:Wie ist das?

M:Ruhig.

K:Sie nehmen die Ruhe körperlich wahr?

M:Ja.

K:Wo nehmen Sie dies wahr?

M:Draußen hatte ich Empfindungen im Zwerchfell, jetzt kann ich tief durchatmen.

K:Beim Eingang haben Sie eine Art Vorportal, was ist das genau?

M:Es bildet den Auftakt nach außen.

K:Spüren Sie jetzt einen Bewegungsimpuls?

M:Nein, es ist übersichtlich so.

K:Sie stehen mit beiden Beinen auf dem Boden?

M:Mit meiner Figur tue ich das, wie ich hier gerade sitze eher nicht. Ich sitze selten so.

K:Was ist Besonders daran?

M:Für mich ist das eine unnatürliche Haltung.

K:Wo schauen Sie mit Ihrer Figur hin?

M:Ich schaue auf das Vorportal.

K:Wenn Sie sich 360 Grad umschauen würden, würde Ihr Blick irgendwo hängen bleiben?

M:Meine Aufmerksamkeit richtet sich auf die Kante des Zauns, links neben dem Vorportal.

K:Sollen wir etwas versuchen?

M:Ja.

K:Sie stellen sich vor, Sie seien die Figur, und Sie schauen zuerst auf Ihre Füße, den Boden und bewegen dann langsam Ihren Blick nach oben.

M:Das ist in Ordnung.

Nach einem Schweigen:

M:Dann neige ich dazu, den Zaun höher machen zu wollen.

K:Im Vorgespräch haben wir besprochen, dass wir die vertikale Dimension erforschen wollen. Ich schlage vor, dass Sie Ihre Figur in die Hand nehmen und langsam mit ihr nach oben gehen und schauen, was Sie dabei beobachten. Ist das in Ordnung?

M:Ja.

M bewegt seine Figur langsam nach oben (→ Abb. 1-4).

Abb. 1-4

K:Was geschieht jetzt?

M:Als ob ich den Kontakt mit meiner Innenwelt loslassen müsste.

K:Wie ist das?

M:Ich würde lieber unten bleiben, ich nehme das im Magenbereich wahr.

K:Waren Sie schon einmal auf dieser Höhe?

M:Ich habe während meines Trainings Dissoziationsübungen gemacht. (Hiermit sind Übungen gemeint, die die Verbindung zu den eigenen Gefühlen unterbrechen.) Ich weiß nicht, ob ich das damit vergleichen kann. Während der Dissoziationsübungen erinnerte ich mich an mehrere Ereignisse.

K:An welche Ereignisse erinnerten Sie sich? Können Sie ein Beispiel geben?

M:Es könnte ein unangenehmes oder auch ein dramatisches Ereignis sein.

K:Sie kamen damals während der Übung mit einem unangenehmen Ereignis in Kontakt und nahmen ein ähnliches Gefühl wie jetzt wahr?

M:Ja, aber ich habe dabei meinen inneren Garten nicht gesehen.

K:Würden Sie das jetzt dissoziieren nennen, wenn Sie nach oben gehen?

M:Es fühlt sich an, als würde ich meinen Raum verlassen.

K:Am Anfang der jetzigen Visualisierung standen Sie mit Ihrer Figur außen vor Ihrem Innenraum, war das anders?

M:Ich bin jetzt näher an meiner Innenwelt, als ich es am Anfang war.

K:Möchten Sie versuchen, noch höher zu gehen?

M:Ja.

M geht mit seiner Figur weiter nach oben (→ Abb. 1-5).

Abb. 1-5

K:Wie ist das?

M:Von dieser Höhe aus kann ich mehrere Gärten sehen und ich sehe auch Menschen, die auf gleicher Höhe mit mir sind.

K:Sehen Sie jemanden, den Sie kennen?

M:Nein.

K:Wie ist das, diese Menschen zu sehen?

M:Das ist in Ordnung.

K:Haben Sie aus dieser Höhe Kontakt zu ihnen?

M:Ich habe Kontakt zu ihnen, ich fühle eine Verbindung, eine Ebenbürtigkeit.

K:Kennen Sie diese Art von Kontakt?

M:Ja.

K:Sie schauen auf Menschen auf gleicher Höhe und nicht auf die Menschen unten?

M:Nein, darauf konzentriere ich mich im Moment nicht.

K:Können Sie Ihren eigenen inneren Garten sehen?

M:Ja.

K:Wie ist das?

M:An sich gut, aber seit etwa fünf Minuten scheint mir mein Garten kleiner geworden zu sein.

K:Wie klein ist Ihr Innenraum jetzt?

M:Es scheint, als ob der Raum geschrumpft ist.

K:Können Sie von hier oben Ihren Innenraum wieder größer machen?

M:Nein, auf dem Boden war der Raum bereits geschrumpft.

K:Möchten Sie noch höher gehen?

M:Ich möchte es versuchen.

M geht mit seiner Figur noch weiter nach oben (→ Abb. 1-6).

Abb. 1-6

K:Ist es dort anders?

M:Mein erstes Gefühl ist, dass ich nicht höher gehen will, das ist hoch genug. Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht wegfliege.

K:Bedeutet Wegfliegen, zur Seite oder nach oben zu gehen?

M:Beides wäre möglich.

K:Warum möchten Sie nicht höher hinaus?

M:Ich würde gerne noch eine Weile auf dieser Höhe bleiben und dann sehen, ob ich noch weiter gehen möchte. Es sollte sicher sein.

K:Mit sicher meinen Sie, dass Sie nicht wegdriften?

M:Ja.

K:Wenn Sie wollen, können Sie eine Weile hier bleiben und dann entscheiden, ob Sie weiter nach oben gehen wollen.

M:Ja.

Nach einem Schweigen bewegt M seine Figur noch weiter nach oben.

K:Was geschieht jetzt?

M:Ich habe das gleiche Gefühl wie am Anfang, als ich in der Ecke des Tisches stand. Ich habe meinen Garten und meine Figur nicht gleichzeitig in meinem Blickfeld.

K:Gibt es Menschen auf dieser Höhe?

M:Ja, aber weiter weg. Ich schaue jetzt in den rechten hinteren Teil des Zimmers. Ich schaue weiter als vorher, als ich die Menschen in ihren Gärten auf dem Tisch sah.

K:Kennen Sie jemanden?

M:Menschen aus der Vergangenheit, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe und die weit weg sind.

K:Sie sind noch am Leben?

M:Ich sehe meinen Vater, er lebt nicht mehr.

K:Wie lange ist es her, dass Ihr Vater gestorben ist?

M:2004.

K:Sieht er Sie auch?

M:Ich weiß es nicht, ob er mich aus dieser großen Entfernung wiedererkennt.

K:Möchten Sie ihn rufen oder mit ihm sprechen?

M:Nein, jetzt nicht.

K:Ist er auf der gleichen Ebene wie Sie?

M:Ziemlich genau. Ich orientiere mich gerade.

K:Das hier ist eine andere Dimension?

M:Ja. Wo ich jetzt bin, kann ich absichtlich hingehen.

K:Ja.

M:Wo ich wählen kann, auf welcher Höhe ich sein möchte.

K:Ja. Könnten Sie auf dieser Höhe zu Ihrem Vater gehen?

M:Ich glaube schon.

Nach einem Schweigen:

K:Am Anfang, als Sie ein bisschen hochgegangen sind, hatten Sie ein unangenehmes Gefühl im Magen, wie ist das jetzt?

M:Ich fühle mich hier wohl.

K:Mussten Sie eine Art Schwelle überschreiten?

M:Ja. Zur Orientierung schaue ich auch, ob ich die anderen Gärten noch sehen kann.

K:Bietet der eigene Garten nicht genug Orientierung?

M:Ja, dafür brauche ich die anderen Gärten nicht.

Nach einem Schweigen:

K:Was geschieht jetzt?

M:Ich würde gerne wieder nach unten gehen.

K:Ich wollte gerade fragen, ob Sie noch höher gehen wollen.

M:Das macht mich neugierig.

K:Spüren Sie in der gegenwärtigen Höhe Neugierde?

M:Ja, sie ist immer noch da. Dann müsste ich wahrscheinlich aufstehen.

M steht auf und indem er seinen Arm streckt, bewegt er seine Figur noch höher.

M:Das geht zu weit nach oben.

K:Was nehmen Sie wahr?

M:Ich kann meinen eigenen Raum kaum noch sehen.

K:Ihren Vater, können Sie ihn noch sehen?

M:Nein, er ist auf einer anderen Höhe.

K:Waren Sie schon einmal auf dieser Höhe?

M:Nein. Es sieht ein bisschen wie ein Weltraumfoto aus. Irgendwo auf dem Globus ist mein Garten.

M setzt sich wieder hin. Seine Figur ist jetzt auf etwa 40 cm Höhe.

M:Auf und ab zu gehen ist anstrengend.

K:Wie merken Sie das?

M:Ich bin müde, ich fühle einen Druck auf meiner Brust. Ich möchte wieder ganz hinunter in meinen eigenen Raum gehen.

M bewegt seine Figur zurück in seinen Raum und nimmt einen Schluck Wasser.

K:Auf der Erde haben Sie wieder irdische Bedürfnisse, zum Beispiel einen Schluck Wasser zu trinken.

M:Ja.

K:Die Astronauten, die zum ersten Mal zum Mond flogen, fragten sich, ob sie jemals wieder zur Erde zurückkehren würden. Stellten Sie sich diese Frage auch?

M:Nein, die Frage kam nicht, es war für mich offensichtlich, dass ich die Kontrolle habe.

K:War es das wert?

M:Ich denke, das war es wert. Ich finde es auch interessant, was ich gesehen habe.

K:Was würden Sie einer anderen Person unten über Ihre Erfahrungen erzählen?

M:Es hängt davon ab zu wem, welche Beziehung ich zu der anderen Person habe. Jemanden zu bitten mit mir nach oben zu gehen hängt vom Kontext ab.

K:Hier gibt es nur uns beide. Bin ich mit Ihnen nach oben gegangen oder bin ich unten geblieben?

M:Sie sind unten geblieben. Ich kann mir vorstellen, dass ich in Zukunft selbst entscheiden kann, ob und wie hoch ich nach oben gehen will.

K:Möchten Sie jetzt noch unter die Erde gehen?

M:Ja.

K:Haben Sie das schon einmal gemacht?

M:Ich habe in der Vergangenheit buchstäblich eine Menge gegraben.

K:Das kann ich mir nicht vorstellen.

M:Wörtlich gegraben, in Gärten Teiche angelegt.

K:An dies erinnern Sie sich jetzt?

M:Ja.

K:Und Sie waren dabei so tief, dass Ihr Kopf unter der Erdoberfläche war?

M:Einige Mal war es so. Ich sah viele kleine Lebewesen in der Erde.

K:Sie können jetzt noch tiefer hinunter gehen als damals.

M:Dieser Gedanke gefällt mir nicht.

K:Warum nicht?

M:Wenn ich mich umschaue, dann sehe ich nur die Erde, und ich muss aufschauen, um ein wenig Licht zu sehen. Entscheidend ist der Durchmesser der Bohrung.

K:Sie könnten einen unterirdischen Raum oder Saal einrichten.

M:Mich interessieren unterirdische Räume nicht. Im Vergleich zum Aufstieg fühlt es sich nicht wie eine Herausforderung an.

K: