Vom Muttertier zum Wunderweib - Menerva Hammad - E-Book

Vom Muttertier zum Wunderweib E-Book

Menerva Hammad

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Beschreibung

Ich bin die Grumpy Cat der Mutterschaft und gebe das offen zu. In den ersten Monaten wollte ich nur eines, dass mein Baby endlich schläft. Ich wollte nicht, dass sich der leidenschaftliche Sex aus meinem Leben verabschiedet und schon gar nicht die Übersicht über mein ganzes Leben verlieren. Und was ist mit Karriere, Geld, Erfolg, Geduld, Selbstrespekt und meiner bewussten Identität als Frau abseits von Babykotze, vollen Windeln und Quiet Quickies mit Peppa-Wutz-Hintergrundmusik? Dieses Buch soll dein Guide in der Motherhood sein, wo du als Mama auch einmal fluchen und schreien darfst, denn wir wissen, wie einsam und grausam Mutterschaft sein kann, auch wenn sie das Wunderschönste auf der Welt ist. Mit dunkelbuntem Humor versuche ich mich dem schön schrecklichen, aber auch schrecklich schönen Mythos Mutterschaft anzunähern und dir zu zeigen, wie wir unsere Weiblichkeit nicht in ihr verlieren, sondern uns als Frauen neu (er-)finden können.

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Seitenzahl: 443

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MENERVA HAMMAD

Vom Muttertier zumWUNDERWEIB

Sämtliche Geschichten beruhen auf wahren Begebenheiten.

Nur die Namen wurden aus Datenschutzgründen geändert.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Auflage 2021

© 2021 by Braumüller GmbH

Servitengasse 5, A-1090 Wien

www.braumueller.at

Coverfoto: © Hibat-Ullah Khelifi

eISBN 978-3-99100-333-5

Für Laila, Lina und Amelia

Inhalt

Einleitung

Sex am Stiel

Endlose Liebe

Mission Schwiegermütter

Berufsbrezel

Die große Welt der Mutterschaft

Eine Frage der (weiblichen) Identität

Becoming Wunderweib

Abschiedsbussi

Ich bin eine Frau,

steh mitten im Leben,

habe beide Füße am Boden

und nicht daneben,

tanze durch die Welten

und dreh mich im Kreis.

Es juckt mich nicht,

dass ich nicht alles weiß.

Hauptsach’ ich spür mich,

Hauptsach’ ich spür mich

und hör auf das Gefühl in meinem Bauch.

Aus dem Original: „I bin a Frau“ von Monika Rosenstatter

Einleitung

Sie kommen nicht oft vor, gefühlt nur jedes halbe Jahrhundert, aber wenn sie geschehen, dann sind sie grandios! Geplant werden sie schon viele Wochen zuvor via WhatsApp-Chats, es werden beinahe ganze Berge versetzt, damit sie überhaupt zustande kommen, und wenn es dann endlich so weit ist, atmen die glücklichen Frauen dieser ausgewählten Nächte nach einer langen Durststrecke wieder auf. Die Rede ist von den sogenannten Mom’s Nights Out. Es handelt sich dabei um jene Nächte, in denen Mütter den Geist der einst ausgelebten Freiheit in die Gegenwart versetzen. An einem ausgewählten Tag, ab einer bestimmten Uhrzeit (meist abends, weil da die Väter die Aufsicht der Nachkommen übernehmen), schließen besagte Mütter die Tür hinter sich und laufen voller Freude einfach vor den eigenen Kindern davon, um sich mit anderen Müttern zu treffen. In dem Moment, in dem die Tür hinter einer von uns Mamis zuknallt, sind volle Windeln, klebrige Hände, schreiende Zwerge und schlafunwillige Menschlein nicht mehr unser Problem – jedenfalls nicht für ein paar Stunden.

An diesen Abenden – Gott allein weiß, wie selten diese Nächte für Mütter sind – habe ich mit der Zeit kleine, aber feine Rituale entwickelt. Normalerweise trage ich keine hohen Schuhe und laufe eher wie ein Hippie herum, das ist mein Style: bunter Schlabber-Casual. Aber an diesen Abenden bin ich en vogue. Ich hole meine eingestaubten High Heels heraus, poliere sie sorgfältig, suche mir ein Outfit heraus, das mir das Gefühl gibt, die einzige Frau auf dieser Welt zu sein, und schminke mich – nur zu diesem Anlass trage ich Rot, und zwar auf den Lippen. Zum Schluss folgt noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen: das Parfum. Denn in dieser Nacht soll niemand die Mutterschaft an mir riechen können. Und wonach riecht die Mutterschaft? Nach Kackkotze. Wer will schon so riechen?!

Eigenlob stinkt, ja, das tut es. Aber an diesen Abenden liebe ich mein Auftreten, es erinnert mich an eine Frau, die ich einmal kannte und war. Sie hatte etwas Besonderes an sich. Sie war beinhart und unberechenbar. Sie wusste genau, was sie wollte, und arbeitete zielstrebig darauf hin. Sie hatte ihr Leben im Griff, sie existierte mit einer unbeschreiblichen Leichtigkeit, nichts konnte sie verunsichern oder ihr Image zum Bröckeln bringen, bis sie Mutter wurde. Sie wurde weich. Sie fing an, in Hoodies herumzulaufen.

Dabei muss ich an ein arabisches Sprichwort denken:

Möchtest du einen Mann verarschen, schicke ihm eine Frau.

Möchtest du eine Frau verarschen, schicke ihr ein Kind.

Ich habe diesen Spruch nie wirklich verstanden, aber mit meiner Mutterschaft wurde mir die Bedeutung dahinter schnell klar. Dieser Spruch stammt garantiert von einer Frau, wahrscheinlich von einer Mutter, die mitten in der Nacht, völlig übermüdet und den Tränen nahe, ihr Baby stillte, das nicht schlafen, sondern viel lieber an Mamas Brust nuckeln wollte, wobei die Mutter an jene Zeit zurückdachte, in der sie schlafen konnte, wann und so lange sie wollte und das auf der Seite, auf der sie schlafen wollte.

Dieser Abend gehörte mir, ich war schon fast draußen aus dem Haus und bei meinem eiskalten Virgin Mojito und meinen Freundinnen – Leidensgenossinnen der verflixten Mutterschaft –, die schon auf mich warteten. Als ich die Tür öffnen wollte (um möglichst schnell abzuhauen), hielt mich mein Kind auf, ich musste ihm vorher unbedingt sagen, wohin ich gehe. Ich wusste, dass alle Regeln der modernen und in den Himmel gelobten Achtsamkeit besagen: Seien Sie ehrlich zu Ihrem Kind, es verdient Ehrlichkeit und ein Gespräch auf Augenhöhe, denn was Sie Ihrem Kind vorleben, bekommen Sie zurück. Aber sie besagen auch, dass ich auf mein Herz hören soll, und mein Mutterinstinkt sagte mir, dass in dieser speziellen Situation die Wahrheit nicht die richtige Entscheidung wäre. Meiner Tochter zu sagen, dass ich nun rausgehen und mich ganz sicher ohne sie – oder mich gerade deswegen – amüsieren würde, weil weder ihre Schwester noch sie dabei waren und ich zum ersten Mal seit Monaten in Ruhe essen durfte, ohne alle drei Sekunden unterbrochen zu werden, ohne den Löffel auf den Kopf geschlagen zu bekommen oder ihnen das Essen aus der Nase fischen zu müssen, schien mir nicht richtig. Also entschied ich mich für den Klassiker: „Ich muss zum Arzt. Ich bekomme eine riesige Spritze.“ – Funktioniert immer. Toll, diese Achtsamkeit, oder? Zum Abschied kotzte mir die Jüngere, die gerade so das Gehen meisterte, auf die frisch gewaschene und mit Sorgfalt gebügelte Bluse. Karma? Ganz sicher, aber ich wäre auch nur in Unterhosen oder sogar ohne zu diesem Treffen und vor allem zu meinem Virgin Mojito gelaufen.

Dort angekommen, saßen meine Freundinnen schon da und taten etwas, das sie bei den Playdates mit den Kindern niemals taten: Sie lachten. Laut. Und es war herrlich. Mein Herz sprang förmlich vor Euphorie, fast so, als hätte ich im Lotto gewonnen. Wir konnten in aller Ruhe essen, das Essen noch warm genießen, wir lachten, quatschten, flirteten vielleicht auch mit dem einen oder anderen Kellner, denn hier kannte uns niemand. Die Crocs aber ließen wir zu Hause, an diesem Abend trugen wir glänzende High Heels und diese sagen vieles aus, nur eines mit Sicherheit nicht: „Mama!“ Sportschuhe hingegen schon, genauso wie Hausschuhe, die frau auf der Straße trägt, Crocs rufen „Hilfe!“ – nur damit Sie sich auskennen.

Obwohl wir uns extra rausgeputzt hatten (alle anderen, denn meine Bluse hatte ich gegen einen Hoodie tauschen müssen, Sie wissen noch, ja?!), so gut wie nie Zeit füreinander fanden und wir über jedes beliebige Thema sprechen konnten, sprachen wir dennoch über sie: die Kinder. Die Antichristen. Die kleinen Monster. Die Blut- und Energiesauger. Die undankbaren kleinen Gfraster! Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Kinder und Kinder generell (auch wenn alles bisher Geschriebene als Beweis dagegen verwendet werden könnte), aber manchmal ist einfach alles scheiße. Darf ich das so sagen? Dürfen wir so ehrlich sein? Ich sage Ja. Hier wende ich die Regeln der Achtsamkeit sehr gerne an. Hier bin ich ehrlich zu mir selbst und hoffe, dass mir das meine Tochter einmal nachmacht. Denn das Aufräumen macht sie mir nicht nach, seit Jahren nicht, und dabei bemühe ich mich jedes Mal so sehr, ich mache es ihr vor, aber ich bekomme nur Geschrei und Geheule, weil sie überhaupt etwas von ihren Spielsachen, die überall am Boden verstreut liegen, aufräumen muss. Die Samthandschuhe der Achtsamkeit helfen mir hier nicht, auch nicht die Augenhöhe, daher räume ich die unzähligen Spielzeuge Abend für Abend meistens vor, nicht mit ihr auf. Das macht sie mir nicht nach, wird sie wahrscheinlich auch nie. Aber die Ehrlichkeit zu sich selbst wünsche ich ihr sehr, denn darauf kommt es an.

In der Anwesenheit meiner Freundinnen kann ich ehrlich sein, ohne über die Schulter zu schauen, einen verwerflichen Blick zu ernten oder in meiner Art der Mutterschaft verurteilt zu werden. Es gibt diesen einen berühmten Satz, den so gut wie jede Mutter mitten in einem Jammeranfall von Außenstehenden hören darf: „Du brauchst Hilfe.“ Nein, warten Sie, es gibt noch einen besseren Klassiker: „Aber du wolltest doch Kinder haben.“ Der erste Spruch ist die unverschämte Art, Ihnen zu sagen, dass Sie der Mutterschaft nicht gewachsen sind, der zweite steht für das überhebliche Achselzucken, das Ihnen mitteilen soll: „Selbstschuld“.

Na? Erkennen Sie sich wieder? Schön. Sie dachten, Sie sind allein? Nope. Wir sind mehr, als Sie zählen können, von uns gibt es mehr als Sandkörner am Meer, nur trauen wir uns nicht, über die Überforderung der Mutterschaft zu reden, denn wer ist schon gern vor allen anderen eine unfähige Mutter?

Ich. In meiner Runde von genauso unfähigen Müttern darf ich schamlos ehrlich sein.

Als gerade der Nachtisch auf dem Weg war, fing Melissa ein unerwartetes Thema an: „Hat sich einer eurer Männer sterilisieren lassen? Wäre das für eure Männer eine denkbare Option?“

Wir staunten nicht schlecht bei der Frage, ich bilde mir sogar ein, meinen Virgin Mojito vor Schreck ausgespuckt zu haben. Tina entgegnete erstaunt: „Ihr habt noch Sex?“

Melissa erwiderte noch erstaunter: „Warum sollten wir keinen Sex haben?“

Tina: „Na, ihr habt doch Kinder.“

Dazu muss ich erwähnen, dass Tina zu diesem Zeitpunkt neugeborene Zwillinge hatte.

Melissa erklärte: „Wir haben genug Kinder, vier sind mehr als genug, darunter ein Spiralenkind und ein Kondomkind. Ich möchte keine mehr. Und ich finde, dass er jetzt dran ist mit ‚das Problem aus der Welt schaffen‘.“

Tina: „Ich weiß nicht einmal mehr, wie mein Mann nackt aussieht. Ich kann mich nicht exakt an seinen Penis erinnern. Sex ist für mich sehr weit weg, total verschwommen, irgendwo im letzten Eck meiner Erinnerung. Noch weiter weg als das Ausschlafen. Und ganz ehrlich, müsste ich mich zwischen beiden entscheiden, ich würde auf jeden Fall ausschlafen. Wahrscheinlich noch vorher masturbieren. Aber garantiert würde ich ausschlafen.“

Wir lachten über Tinas Aussage, und Sarah konnte sie beruhigen: „Meine Kinder sind ja um einiges älter als deine. Lass dir gesagt sein, dass das Ausschlafen nach dem Abstillen kommt und nicht lange danach auch wieder der Sex, die Normalität kehrt wieder ein, also … wären da nicht die Kinder …“

Melissa verneinte: „Nach dem Abstillen kamen bei mir noch mehr Kinder.“

Womit wir wieder am Anfang des Gesprächs waren. Wir sprachen in jener Nacht über so viele Dinge: über Sex, die Kinder, die Männer, das Arbeiten vor und nach den Kindern, das Leben und was uns das Universum eigentlich sagen will.

Dabei ist mir etwas Interessantes aufgefallen: Seit über fünf Jahren schreibe ich den Mamablog „Blog Hotel Mama“, bin selbst Mutter von zwei Töchtern und kenne viele Mütter unterschiedlichster sozialer Schichten, Kulturen, Länder, Glaubensrichtungen, Altersgruppen und Ethnien. Eines ist in meinen Interviews sowie privaten Beobachtungen nicht zu übersehen: Wenn es um die Mutterschaft geht, begleiten uns von Anfang an meistens dieselben Ängste, Schwierigkeiten, Gefühle, Wünsche und Veränderungen. Die Mutterschaft ist neben der Menstruation das, was Frauen weltweit auf eine unbeschreibliche Art und Weise irgendwie miteinander verbindet. In jener Nacht, nach dieser Mom’s Night Out, habe ich zu Hause unter der Dusche etwas beschlossen: Ich werde darüber schreiben. Nicht etwa, weil ich mich mit dem Muttersein besonders gut auskenne oder ein Talent des Multitaskings bin– glauben Sie mir, ich tu mir schon nur mit Tasking unheimlich schwer –, aber ich habe es satt, dass wir als Frauen und Mütter in bestimmte Konstrukte hineinwachsen und sozialisiert werden, denen kein Mensch gerecht werden kann. Ich möchte keine Frau sein, die zwar irgendwann die Hauptdarstellerin ihres eigenen Lebens war, aber mit der Mutterschaft plötzlich nur noch das Hausmädchen für die eigenen Kinder sein darf.

Mit diesem Mindset fing ich an zu recherchieren, aber wirklich fündig wurde ich nicht. Die Buchhandlungen sind voll von Ratgebern darüber, wie man mit Kindern zu leben, sie zu erziehen hat, dass man nicht schimpfen und ja nicht durchdrehen soll. Wir sind überinformiert, in der Theorie wissen wir alles über die unterschiedlichen Erziehungsmethoden, von Helikoptereltern bis hin zu bedürfnisorientierten Eltern. Immer liegt der Fokus auf dem Umgang mit den Kindern, und in dem Moment, in dem es um uns selbst geht, geht es darum, richtig zu atmen, den eigenen Körper zu akzeptieren und sich gefälligst selbst zu lieben, ja, danke schön, aber wie? Wo ist das Rezept zu dieser hochgepriesenen Selbstliebe, die angeblich alles vereinfachen soll? Wie funktioniert sie? DAS verrät Ihnen natürlich niemand, denn das ist subjektiv und irgendwie ein gut gehütetes Geheimnis. Und wenn Sie gerade nicht mit einer Yogamatte auf Bali sind, haben Sie Pech gehabt, denn dann können Sie ja auch gar nicht glaubhaft darüber auf Instagram posten, und wenn Sie es nicht posten, hat sie dann überhaupt stattgefunden, diese Selbstliebe? Dass Sie sich selbst lieben sollen, das ist mittlerweile überall zu lesen, sogar auf T-Shirts, aber über das WIE steht nichts, das ist unbekannt. Was wir eigentlich brauchen, ist eine Enthüllung, die uns zeigt, dass wir in all dem Wahnsinn nicht allein sind und dass es okay ist, nicht jeden Tag okay zu sein. Dass wir unsere Kinder zwar über alles lieben, aber nicht immer die Mutterschaft, und dass wir irgendwo auch eine eigene Identität haben dürfen, denn sie existiert.

In diesem Buch erwarten Sie genau solche Geschichten, meine persönlichen Anekdoten, Gedanken, Theorien sowie die anderer Frauen (deren Namen geändert wurden), denen ich in den letzten Jahren begegnen durfte, und mögliche Lösungsansätze für das eine oder andere Problem. Sie werden Ihre Freundin, Ihre Nachbarin, Ihre Arbeitskollegin oder mindestens eine Mutter, die Sie persönlich kennen, in der einen oder anderen Situation wiedererkennen, und wahrscheinlich auch sich selbst. Kommen Sie mit auf diese Entdeckungsreise ohne Tabus und Geheimnisse, die das Leben nach der Mutterschaft unter die Lupe nimmt und das Frausein, aber vor allem das Fraubleiben mit Händen, Zähnen und dem Herzen festhält. Wir suchen gemeinsam die Antwort darauf, ob und wie Frau als Mama überleben kann, und vor allem den Weg zu uns selbst, wie wir uns als Frau wieder- oder neu (er-)finden können. Auf die Mutterschaft also! Auf die guten, aber vor allem auf die Scheißtage, denn auch die gehen (irgendwann) vorbei. Prost!

Sex am Stiel

Hat es nicht etwas Ironisches, dass der einzig natürliche Weg, um Kinder zu zeugen, gleich das Erste ist, das sich grundlegend verändert, sobald diese da sind? Sex an sich ist ja eine wirklich schöne Sache, die schönste Nebensache der Welt, heißt es. Für ein Paar, das sich erst kennengelernt hat und sich noch in den Anfängen einer Kurzzeitbeziehungsphase befindet, ist es eine der schönsten Hauptsachen. Es wird so viel Zeit, Geld und Mühe in diese eine Sache investiert – vor allem Frauen legen sich da richtig ins Zeug. Überlegen Sie mal: Frau kauft sich verführerische Dessous, enthaart sich, geht zum Frisör, schminkt sich, sie nimmt sich richtig viel Zeit dafür – und als Noch-nicht-Mutter hat man die auch. Diese Flexibilität, mit der man am Morgen aufwacht, das Handy zückt und auf Social Media scrollt, dann in Ruhe ins Bad geht, vielleicht auch noch eine halbe Stunde Yoga macht, ausgiebig frühstückt, um richtig in den Tag zu starten, ist eine andere Philosophie des Lebens, als unfreiwillig nach bloß einer Stunde Schlaf von einer fremden Zehe in der Nase geweckt zu werden, von einem schreienden Zwerg, der gestillt werden möchte und von dem man sogar beim Kacken keine Pause hat, denn da nuckelt und zieht das Kind tanzend an der Brust weiter.

Was den Sex betrifft, ist der Unterschied zwischen kinderlosen Paaren und Eltern, dass Erstere lauten, versauten Sex haben können und das in der ganzen Wohnung, außerhalb der Wohnung, zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit, während Eltern (von kleinen Kindern) viel vorplanen müssen: Wo machen wir’s, wenn die Kinder im eigenen Schlafzimmer schlafen? Sind wir eh leise genug? Wir müssen jetzt schnell sein, es ist kein Wochenende, und wir müssen morgen früh raus. Aber selbst am Wochenende ist man zu müde und möchte es „möglichst schnell über die Bühne bringen“. Quickies bedeuten oft, dass die Frau mit dem Orgasmus zu kurz kommt, denn Frauen brauchen ja so schon länger, um den Wink eines Höhepunkts zu erleben. Da sind Quiet Quickies mit Peppa Wutz als sexy Hintergrundmusik inklusive Grunzeffekt (so eine versaute Sau), die Angst, dass das Baby aufwacht, und die Erschöpfung vom Tag mit den Kindern, dem Wäscheberg im Nebenzimmer und dem Geschirr in der Küche im Hinterkopf, plus die negative Einstellung zum eigenen Körper auch nicht gerade hilfreich. Wer will schon leisen, unfertigen, null erotischen Sex? Niemand.

Das Einzige, das für Langzeitbeziehungen in puncto Sex spricht: Alle Fassaden fallen. Alle. Jede einzelne noch so sorgfältig geplante und gelebte Lüge geht den Bach runter. Wenn da die Beziehung noch besteht, sind Ihre inneren Werte die Gewinner – Gratulation! Ich kann aussehen wie ein abgetragener Schuh, die Haare zerzaust und mit Essensresten vom Mittagessen der Kinder geschmückt, überall unrasiert sein, in einem angekotzten Jogger nach Babyscheiße riechen und dennoch sicher sein: Heute werde ich flachgelegt. Ich muss mir keine Mühe mehr machen, keine Show hinlegen, ich brauche keine Spitzenunterwäsche, die wird ja sowieso ausgezogen, rasiert habe ich mich seit Jänner 2016 nur noch sporadisch (für die Besuche bei der Gynäkologin, denn die soll nicht schlecht von mir denken) und wenn man seit über zehn Jahren zusammen ist, wer schaut da noch auf die Frisur?

Ich habe das bei anderen und mir selbst beobachtet und den passenden Vergleich gefunden: Eine Beziehung entwickelt sich so wie das Anziehen einer Strumpfhose. Am Anfang ist es sehr leicht, angenehm und kann sogar sehr verführerisch sein, von den Füßen bis zu den Knien, da ist alles noch easy, straff, passend, anschmiegsam. Zu Beginn einer jeden Beziehung zeigt man sich von der besten Seite und das auf jeder Ebene, denn man möchte ja geliebt werden und beweisen, wie umgänglich und kompromissbereit man doch ist. Der Funke ist überall spürbar, die Schmetterlinge fliegen im Bauch und die Verliebtheit schlägt die Knie butterweich, allein, wenn man die neue Flamme anruft und deren Stimme hört, pumpt das Herz schon gefühlt hundertmal schneller, sodass es das schlagende Organ fast aus der Brust reißt. Alles ist aufregend, alles ist neu. Man fühlt sich lebendig. Man lebt.

Aber was ist dann? Dann kommen die Oberschenkel (aka Langzeitbeziehung), und es spielt (fast) keine Rolle, ob man Kinder hat oder nicht, eine Langzeitbeziehung bedeutet: Man lebt nicht mehr, man überlebt. Man kennt bereits die Fehler und Macken des anderen und hat die Fürze des anderen schon eingeatmet. Nicht die Zeit, die man miteinander verbracht hat, bestimmt, ob man die Phase der Kurzzeitbeziehung übertreten hat, nein, es ist der erste Furz und die Reaktion des anderen darauf.

Ein Furz ist am Anfang einer jeden Beziehung ein No-Go, er wird unterdrückt, um jeden Preis, denn ein Mensch, der gleich am Anfang einer festen Beziehung furzt, ist ein Schwein (Oh, Peppa!). Bei den ersten Dates möchte niemand von einer stinkenden Gaswolke attackiert werden, das gehört sich nicht, da möchte man vielmehr, dass sich die andere Person bitte um die eigene Fassade kümmert und diese aufrechterhält. Aber irgendwann geschieht es dann doch, denn Menschen furzen eben. Ab dem Zeitpunkt, ab dem man vor seiner oder seinem Partner*in ungeniert, laut und selbstsicher einen fahren lässt, darüber zu zweit lachen kann oder ihn gekonnt ignoriert, als sei es ein selbstverständlicher Bestandteil des Tages, ist man offiziell in der Langzeitbeziehung angekommen, zwar nicht mit rotem Teppich und Champagner, aber mit dem Geruch der wahren Liebe, und genau dann fängt man an, sich in diese „Strumpfhose“ hineinzuquetschen, und die Beziehung verliert jede Fassade. Man kennt die andere Person schon in- und auswendig, mit all ihren guten und weniger guten Eigenschaften, wie die Oberschenkel, mit denen man leben muss. Überraschungen gibt es kaum mehr, und man zieht die Strumpfhose, so gut wie man kann, über die verdammte Beziehung (Oberschenkel) drüber. Bei manchen funktioniert das ganz gut, andere kriegen Laufmaschen und anderen passt die Strumpfhose zwar überhaupt nicht, aber sie tragen sie trotzdem.

Für mich war Sex sehr lange kein Thema. Ich bin praktizierende Muslima und habe ägyptische Wurzeln. Auch wenn ich selbst nie in Ägypten gelebt habe, so sind mir meine Eltern, die in Ägypten aufwuchsen, immer eine Brücke zur ägyptischen Kultur und Sprache gewesen, was mir Tür und Tor für Gespräche mit den unterschiedlichsten Frauen, die Arabisch sprechen, öffnete – und nach wie vor öffnet. Auch Deutsch ist meine Muttersprache, und Englisch spreche ich fließend. Ich führte – und führe nach wie vor – Gespräche in mehreren Sprachen mit Frauen unterschiedlichster Kulturen und religiöser Prägungen über Sex, Lust und weibliche Bedürfnisse im Bett, und in einem Punkt waren sich alle einig: Wenn es um den heterosexuellen Sex geht, ist noch sehr viel Luft nach oben, was das Stillen der weiblichen Bedürfnisse betrifft. Unabhängig von Bildungsgrad, sozialer Schicht und Alter haben Frauen dieselben Denkmuster und Wünsche. Wieso ist das so? Diese Frage ließ mich nicht mehr los. Bei meiner Recherche habe ich schnell gemerkt, wie weit ich ausholen muss, um dieses Thema wirklich von den Wurzeln weg zu behandeln …

Von Jungfernhäutchen und Jungfräulichkeit

Die Art, wie wir als kleine Mädchen unserem Körper gegenüber sozialisiert werden, spielt eine große Rolle. Sie bestimmt die Beziehung, die wir für eine lange Zeit, wenn nicht für immer, mit unserem Körper führen werden, und diese Beziehung wird alle anderen körperlichen Beziehungen, die wir führen werden, beeinflussen. Sie beeinflusst auch, wie wir zu unserem eigenen Körper stehen. In den meisten arabischen und muslimisch geprägten Ländern wird alles, was den weiblichen Körper betrifft, als haram (nach islamischem Glauben verboten) dargestellt und / oder schickt sich nicht. Obwohl der Islam sehr offen mit der menschlichen Sexualität umgeht, wird diese in der Praxis eher verdrängt, vor allem wenn Frauen darüber reden, oder sich damit laut auseinandersetzen möchten, wird dies gerne als Perversion abgestempelt. So ist es zum Beispiel unangebracht, sich als Mädchen oder Frau zwischen den Beinen zu kratzen, wenn es juckt, da es sich um den sogenannten „Schambereich“ handelt. Du musst dich dafür schämen, dass es dich dort juckt, dass du dich da kratzen musst, dass es den Bereich überhaupt gibt. Du darfst dich dort niemals anfassen, ansehen oder schön finden, denn da unten kann eine Frau nicht schön genug sein. Man erzieht Kinder mit dem Narrativ, dass die Ehre der ganzen Familie dort wohnt. Geschmückt wird das Ganze fälschlicherweise mit dem Etikett „haram“. Woher sollen Kinder wissen, was haram ist oder nicht? Sie verlassen sich auf jene Werte, die ihnen von den Eltern mitgegeben werden. Die meisten Muslim*innen haben den Koran vielleicht gelesen und auswendig gelernt, aber nicht interpretiert. Sie haben jene Informationen, auf die sie ihr gesamtes Leben bauen, von ihren Eltern als Werte geerbt, und diese wiederum von deren Eltern. Viele von denen konnten weder lesen noch schreiben, geschweige denn, solch eine Schrift aus unterschiedlichen Perspektiven interpretieren. Die geschichtlichen Entwicklungen, die das Land durch den Kolonialismus mitgemacht hat, brachten fremde Traditionen nach Ägypten und in andere Länder, und die Idee, Frauenkörper zu regulieren, wurde als Religion abgestempelt, und dabei blieb es. Bis heute. Es hat für mich sehr lange gedauert, das Ganze sachlich, wissenschaftlich, aber vor allem objektiv und neu zu definieren. Das Schönheitsideal in arabischen und den meisten östlichen sowie südlichen Ländern ist für Women of Color unmöglich zu erreichen: Man merkt es an der Menge der Bleichungscremen in den Drogeriemärkten. Ich werde untenrum niemals hellhäutig sein, bin ich im Gesicht und sonst auf meinem Körper ja auch nicht, aber das Dunkelsein des Intimbereichs einer Frau gilt in vielen Ländern als Schlampigkeit. Genauso wie jedes Härchen zu viel, auch das ist ein Zeichen der Faulheit, der Unweiblichkeit und Unreinheit. Das Ideal ist die völlige Enthaarung. So wächst man als Kind auf. Ja nicht da unten anfassen, das tut man nicht, das ist nur zum Pinkeln und Gebären da.

Als Teenagerin war ich mehrmals im Sommer in Ägypten. Einmal – und das werde ich nie vergessen – bekam ich dort meine Periode. Vor fünfzehn Jahren gab es in den ärmeren Gegenden, wo meine Teta (Oma) lebte, noch keine großen Supermärkte, sprich, keine eigenen Drogeriemärkte. Man musste für Make-up und Hygieneartikel extra in die Apotheke gehen. Und wenn dort ein Apotheker stand, den man um Binden bat, lief er vor Scham rot an. Stand dort eine Apothekerin, forderte sie einen auf, leiser zu sprechen. So oder so, die Binden wurden in altes Zeitungspapier gewickelt, dann in eine schwarze Plastiktasche gegeben und so ausgehändigt. Fun Fact: Jede*r auf der Straße wusste, was sich in dieser schwarzen Tüte befand, nur sehen sollte man sie nicht, die Spuren der Periode. Die Spuren der heranwachsenden und fruchtbaren Weiblichkeit. Mich hat das damals enorm wütend gemacht, dass ich mich als offensichtlich menstruierende Person verstecken muss. So, als hätte ich eine Schandtat begangen, nur, weil ich eine Frau geworden bin.

Was von alledem ist nun tatsächlich haram und was ist ein Konstrukt der Gesellschaft, um Frauenkörper zu kontrollieren?

Vorehelicher Sex

Vorehelicher Sex ist aus islamischer Sicht für Männer und Frauen gleichermaßen verboten (haram). Im Islam sind beide Geschlechter gleichgestellt, aber gesellschaftlich kann der Mann herumvögeln, wie er möchte, ohne dafür jegliche Konsequenz tragen zu müssen. Frauen hingegen müssen durch das Bluten des Jungfernhäutchens in der Hochzeitsnacht beweisen, ob sie eine Hure oder Heilige sind, was ein völliger Nonsens ist, da nicht alle Frauen beim ersten Mal bluten und nicht alle, die bluten, Jungfrauen sind. Aber dieser Brauch hält sich sehr hartnäckig, und schlimmer noch: Er wird als religiös dargestellt, obwohl weder das Wort „Jungfernhäutchen“ / „Hymen“ noch das Bluten dessen auch nur ansatzweise im Koran oder in anderen heiligen Schriften erwähnt werden.

Dabei muss ich an ein offenes Gespräch mit meinen Cousinen in Alexandria über Sex denken. Ich bin die Älteste und damals war ich auch die Einzige, die verheiratet war, sprich: sexuell aktiv. Das Gespräch tat uns so gut, dass eine meiner Cousinen vorschlug: „Unsere Studienkolleginnen würden das auch besprechen wollen. Vor allem so persönlich.“ Obwohl ich ihnen mehrfach sagte, dass ich keine Sexualberaterin sei, sondern Autorin mit Schwerpunkt weibliche Sexualität, hielten sie es für eine gute Idee und erzählten ihren Kolleginnen davon. Meine Großmutter stellte uns ein Zimmer zur Verfügung und backte einen Kuchen, ich hatte meine Menstruationstassensammlung mit, erklärte, wie man diese Tassen richtig verwende, schenkte jeder von ihnen eine, und wir sprachen über Hygiene, Monatsblutung, den weiblichen Körper und vieles mehr (wir waren circa sieben Frauen). Eine von ihnen trug einen Niqab (Gesichtsverschleierung, bei der man nur die Augen sieht), als Tarnung, um nicht erkannt zu werden. Als alle anderen gegangen waren, blieb sie. Sie hatte noch eine Frage auf dem Herzen: „Ich trage eigentlich keinen Niqab. Ich wollte nur nicht von den anderen erkannt werden. Ich habe nächste Woche einen Termin zur Rekonstruktion meines Jungfernhäutchens und habe Angst. Können Sie mir bitte helfen?“ Das überstieg definitiv meine Kompetenz, und in diesem Moment bereute ich diese Veranstaltung ein bisschen, ich war ratlos. Sie fing an zu weinen. Sie war so verzweifelt, dass ich mich zu ihr setzte: „Was ist passiert?“

„Er hat gesagt, dass er mich liebt, und ich habe mich fallen gelassen. Jetzt will er mich nicht mehr, und ich stehe da. Neben meinem Herzen ist nun auch meine Ehre zerbrochen.“

Ich sah sie an: „Deine Ehre ist nicht zwischen deinen Beinen. Ist sie nie gewesen. Bist du eine praktizierende Muslima?“ Sie nickte. „Im Koran steht nichts über ein Jungfernhäutchen oder ein blutiges Laken in der Hochzeitsnacht. Es steht, dass man sich einer Person im Bund der Ehe vor Allah verspricht. So wie die Pinguine“, lachte ich, um die angespannte Situation aufzulockern. „Du hast dich in den Falschen verliebt, das kann jeder Frau passieren und kommt täglich vor. Sei nicht zu streng mit dir selbst, denn das war er schon zu dir, und mach dir das Leben nicht schwerer, als es ist. Er hat dich ausgenutzt, aber deine Ehre ist unberührt. Die Idee, dass Männer tun und lassen können, was sie wollen, und dann eine Jungfrau heiraten, Frauen aber verteufelt werden, sollten sie auch nur den Blick heben, ist nicht islamisch, es ist eine gesellschaftliche Konstruktion. Mach diesen Eingriff bitte nicht. Sprich mit deinen Eltern, wenn du das Gefühl hast, es ihnen anvertrauen zu können. Wenn nicht, dann überlege, wem du dich bedenkenlos anvertrauen kannst. Wie geht es dir überhaupt nach diesem Schock? Trau dich und verliebe dich wieder, aber vielleicht zuerst in dich selbst. Und das wird die schwierigste aller Aufgaben sein, glaube mir. Alles andere lenkt das Universum und kommt von selbst. Solltest du dich irgendwann wieder in einen anderen verlieben, dann sei ehrlich zu ihm. Der Richtige wird nicht wegen eines Hautfetzens auf dich verzichten wollen.“

Später erfuhr ich von einer meiner Cousinen, dass sie den Eingriff nicht hatte machen lassen und ihre Mutter einweihte. Heute soll sie mit einem anderen Mann verheiratet sein und Kinder haben.

Ihre Geschichte ist kein Einzelfall. Beim Sex denken viele muslimische und / oder arabische Frauen – selbst die verheirateten – an Scham und Schuld und unbewusst daran, dass der Sex ein männliches Privileg ist und ihnen keinen Spaß bereiten darf, sondern in erster Linie dafür da ist, um Kinder zu kriegen, was auch die Menge an Genitalverstümmelungen bei Mädchen, bei denen so gut wie jeder Nerv weiblichen Empfindens abgetrennt wird, bestätigt.

Weibliche Beschneidung

Die weibliche Genitalverstümmelung ist nicht islamisch, der Prophet Mohammed s.a.w hat seine Töchter allesamt nicht beschneiden lassen, das war und ist ein gesellschaftlicher Brauch, bei dem man denkt, die eigene Tochter als tugendhafte Frau in die Welt zu setzen, ohne sexuelles Verlangen, um vorehelichen Sex zu verhindern.

Sex im Islam

Ich staunte nicht schlecht, als ich entdeckte, dass die weibliche Lust, Orgasmen und das Vorspiel schon in alten islamischen Schriften thematisiert wurden. So wird darin den Männern geraten, den Frauen ihre Zeit zu geben und das Vorspiel zu verlängern, damit möglichst beide Geschlechter auf ihre Kosten kommen. Zu Lebzeiten des Propheten s.a.w. wurden allerlei Fragen – auch sexueller Natur – in gemischten Versammlungen öffentlich gestellt und beantwortet. So etwas wie ein „Tabuthema“ existierte damals nicht, denn Bildung und Wissen gingen vor, was sich mittlerweile drastisch verändert hat, denn heutzutage gilt es, alles, was dieses Thema betrifft, im Verborgenen zu halten, und wichtiger noch: als verboten, obwohl es dies gar nicht ist.

Erst muslimisch-arabische Frauen meiner Generation – und wenige der Generation vor uns – sind es, die beginnen zu lesen, zu interpretieren und aufzuklären. Via Social Media, Bücher und andere Medien kommen in einer Welle der Aufdeckung lauter Aha-Momente aus der verfälschten Geschichte unserer Tradition, die uns im Deckmantel der Religion verkauft wurde, ans Licht und sorgen für eine positive Entwicklung in Richtung einer selbstbestimmten, weiblichen Sexualität. Die Sexologin Heba Kotb hatte im ägyptischen Fernsehen sogar eine TV-Sendung, in der sie über alles rund um das Thema Sex aufklärte, und das, obwohl sie einen Hijab trägt – das war damals auf mehreren Ebenen etwas Neues, weil eine bedeckte Frau aus wissenschaftlicher Sicht sehr offen und ohne Tabus über Sex sprach. Die Gesellschaft war über den Inhalt und die Offenheit der Sexologin sehr schockiert, aber gleichzeitig wurden viele Wissenslücken gefüllt. Die Anzahl der anonymen Anrufer*innen in der Show war so hoch, dass die Sendezeit der Show verlängert werden musste. Heba Kotb ist mit ihrem Aktivismus gegen das Unwissen nicht allein, im arabischen Raum werden immer mehr Gynäkolog*innen und Sexolog*innen laut. Es ist noch ein langer Weg, aber die ersten Schritte sind getan und es geht weiterhin in die richtige Richtung, solange sich Frauen nicht einschüchtern lassen und anfangen, über ihre Bedürfnisse zu sprechen, wichtiger jedoch ist, deren Existenz überhaupt anzuerkennen.

Die Nacktheit der weißen Frauen

Viele weiße Frauen denken sich, sobald sie von anderen Traditionen lesen, hören oder diese miterleben: Als weiße Frau kann ich mich bei diesen ganzen frauenfeindlichen Regeln aus dem Süden und dem Osten zurücklehnen, denn mich beschneidet niemand zwischen den Beinen und es greift auch keiner ungefragt hin, außerdem ist dieses Sexthema bei uns schon lange kein Tabu mehr, mich betrifft das alles nicht, denn wir sind feministisch gesehen viel weiter und können schlafen, mit wem wir wollen.

Falsch gedacht. Auch in diesem Punkt bin ich mit einem bestimmten Narrativ aufgewachsen und habe dieses so objektiv und distanziert wie möglich unter die Lupe genommen: die deutsche Sprache. Die Vulvalippen sind nicht nur die Vulvalippen, sie werden in unserer sonst so vielfältigen Sprache als „Schamlippen“ bezeichnet und sollen uns daran erinnern, dass wir uns zu schämen haben, unser Intimbereich deutet also auf die Scham hin, eine Frau zu sein. Ein Hymen ist auch nicht nur ein Hymen, sondern ein „Jungfernhäutchen“.

Selbst die westlichen Länder, die sich einen Fortschritt in puncto sexueller Bildung und Offenheit zuschreiben, haben diesbezüglich einige Lücken zu füllen. So werden wir hier mit nackter Frauenhaut zwar tagtäglich überhäuft, auch dort, wo sie selten einen Sinn hat (Werbung für Lebensmittel und Werbung überhaupt), denn nackte Frauenkörper sind seit Generationen eine funktionierende Marketingstrategie (schlanke, eingeölte Frauen in Bikinis bei Autoausstellungen), aber was eine Frau im Bett braucht, wird nicht erklärt. Der Körper einer Frau dient als Objekt, damit andere Objekte gut bei den Leuten ankommen und verkauft werden, das wird dann auch als Freiheit, Feminismus und Fortschritt bezeichnet (was beim anderen Narrativ die islamische Komponente sein soll), damit keine*r dagegenspricht, sondern viel eher mitmacht. Wer im Westen möchte nicht frei und feministisch sein, nachdem all die BHs verbrannt wurden? Nackt und dadurch automatisch als frei, rebellisch und modern zu gelten, ist seit Jahrzehnten im Trend, viele Frauen bedienen sich dieses Narrativs, weil es einfach auszuführen ist und etwas Heroisches an sich hat. Außerdem bietet es den perfekten, bildlichen Kontrast zu den verschleierten, unterdrückten, anderen Frauen in anderen Ländern. In einem westlichen Land ist es viel einfacher, sich eines Minirocks zu bedienen, als zum Beispiel eines Kopftuchs. Man ordnet sich also in Wirklichkeit dem vorgegebenen Frauenbild unter, anstatt gegen dieses zu rebellieren oder es infrage zu stellen, und das auch noch, ohne es zu bemerken. Aber wehe eine Frau fühlt sich in ihrem Körper wohl oder liebt ihren Körper so sehr, dass sie nichts an ihm ändern möchte, auf andere Frauen nicht herabschaut und Freiheit für sie mehr ist als nur eine Einbahnstraße. So weit sind wir gesellschaftlich noch lange nicht.

Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich als Teenagerin weder einen festen Freund hatte noch Schminke verwendete und somit bei den anderen Vierzehnjährigen, die sich in der Umkleidekabine vor dem Turnunterricht über die Pille und den neuesten Glitzer-Lipgloss unterhielten, nicht mitreden konnte. Obwohl ich in einem liberalen und weltoffenen Haushalt großgeworden bin, hatte ich erst sehr spät – als Studentin – meine erste feste Beziehung, die schnell eine Verlobung wurde. Das lag daran, dass davor einfach keiner da war, mit dem ich eine Beziehung eingehen wollte, auch nicht nur, um einfach einen Freund zu haben. Trotzdem war der Gruppenzwang so enorm und dessen Prägung bei den anderen gut zu beobachten. „Wenn du mit fünfzehn noch Jungfrau bist, dann will dich später keiner mehr“, wurde oft von anderen Mädchen gepredigt. Und was in anderen Kulturen für die Ehre einer Frau steht, bedeutet im „ach so aufgeklärten“ Westen Unerfahrenheit, die man unbedingt loswerden möchte.

Einmal im Unterricht ist eine Klassenkameradin von mir verschwunden und erst nach der Pause zur nächsten Stunde wiedergekommen. Als ich sie fragte, wo sie gewesen sei, erzählte sie mir, dass sie soeben ihre Jungfräulichkeit verloren hätte, an den voll coolen Typen von der Nebenklasse, der ganze drei Jahre älter war. Man konnte ihr ansehen, wie unangenehm es ihr war, dass sie Gesprächsbedarf hatte, dass da etwas nicht stimmte, dennoch agierte sie so, als wäre das normal und als würde sich das so gehören. Als sei die Demütigung, die sie spürte, als er Tage danach wieder zu seiner Ex zurückkehrte und schamlos vor ihr mit der anderen am Schulhof knutschte, ein Preis, den sie zu zahlen hätte. Mit dieser Aktion wollte sie einer Mädchenclique gefallen, die nur aus echten Frauen, also keinen Jungfrauen, bestand.

Das, was wir in westlichen Ländern als Freiheit bezeichnen, wenn es um den weiblichen Körper und Sex geht, ist eigentlich nichts anderes als das Objektivieren dieser, damit wir ja nicht so verschleiert und verklemmt sind wie die ungebildeten und zurückgebliebenen Frauen anderswo, die prüde zu sein scheinen, denn wir wissen es doch um so vieles besser und strecken auf Demos auch gern demonstrativ den blanken Busen raus, um diese Freiheit zu unterschreiben, mit der Gewissheit, dass uns nur so zugehört wird. Das erinnert mich sehr an das Konzept des Friedens, der angeblich nur durch die Führung von Kriegen zu erlangen ist.

Daran, dass man eine Sache nur erreichen kann, wenn man das Gegenteil tut, muss ich immer denken, wenn die leidige Diskussion über „das öffentliche Stillen“ in den Onlineforen losgeht, denn diese Diskussion wird zwar in Europa geführt, aber in Ägypten und anderen arabischen / muslimisch geprägten Ländern zum Beispiel gar nicht. Denn dort verkörpert eine stillende Frau die Mutterschaft. Eine arabische Frau soll eine Mutter sein, aber keine Geliebte und ja nicht sexy. Ein nackter Busen ist in Europa kein großes Thema, denn man sieht überall tiefe Dekolletés, Werbesujets für Reizunterwäsche mit prallem Busen, aber sobald ein Kind dranhängt und das spaßige Duo plötzlich als Nahrungszufuhr fungiert, passt das konstruierte Bild der Gesellschaft nicht mehr, denn sichtbare Mutterschaft ist bäh und ein Busen ist sowieso nur zum Vergnügen der Männer da.

Was beide Gesellschaften gemeinsam haben? Sobald eine Frau sexuell belästigt oder vergewaltigt wird, lautet die erste Frage: „Was hatte sie an, als es geschah?!“ Was danach folgt, sind bösartige Unterstellungen, die Frau habe sich das Ganze eingebildet oder gar erfunden, um der Karriere und der Reputation des Täters zu schaden. Darin sind sich die meisten Gesellschaften dieser Welt einig: Wenn es um sexuelle Belästigungen bis hin zu Vergewaltigungen und Femiziden geht, liegt die Schuld bei der Frau, ganz unabhängig davon, was sie dabei trug.

Der Tinder-Typ

Zugegeben: Ich war zigmal verliebt, zweimal verlobt und bin seit sieben Jahren mit demselben Mann verheiratet – wir beide hatten keinen vorehelichen Sex. Das ist jetzt natürlich sehr privat, aber da ich praktizierende Muslima bin, die mit einem praktizierenden Muslim verheiratet ist, kein allzu großer Schocker und wahrscheinlich auch kein Insider. Mein Mann und ich waren also am Anfang unserer Ehe wie zwei Blinde im Wald, aber verliebt genug, um darüber zu lachen, daraus zu lernen und zu üben. Trotzdem interessieren mich die Erlebnisse von Menschen, die, ohne verliebt zu sein, mit Halbfremden Sex haben können. Ich könnte das nicht. Ich muss verliebt sein, um mit einer Person schlafen zu wollen.

Freitagvormittags bin ich meistens im Fitnesscenter in meinem Wohngebäude, mein Mann hat dann die Kinderaufsicht (bekommen Sie bitte kein falsches Bild von mir, ich treibe dort keinen Sport, sondern verstecke mich vor meinen Kindern und trinke Virgin Mojitos). Dort habe ich Mary kennengelernt. Sie ist Personal Trainerin aus Australien, lebt aber so wie ich in Abu Dhabi. Wir kamen ins Gespräch, weil sie eine Weile in Wien gelebt hatte und mich auf Deutsch sprechen hörte. Wir beide lieben Manner Schnitten und Semmelknödel (wobei man mir beides ansieht, bei ihr verwandelt sich alles in Bauchmuskeln). Es entwickelte sich sehr schnell eine liebe Nachbarschaftsbekanntschaft, das Fitnesscenter wurde eine Art Treffpunkt für uns.

Mary ist Single und liebt Tinder. Und ich liebe ihre Erzählungen über ihre Tinder-Typen. Für mich ist das eine gänzlich neue Welt und als Autorin eine seltene Inspirationsquelle. Auf meine Frage, ob es den perfekten Sex gäbe, antwortete sie: „Nein, aber den perfekten Mann gibt es. Nur der ist meistens nicht verheiratet und wenn doch, dann bekommt sicher nicht seine Frau den perfekten Sex von ihm.“ Autsch. Da kann ich nur hoffen, dass mir mein Mann die gebotene Comedy-Show nicht vorspielt und ein geheimes, super aufregendes Sexleben mit einer anderen führt …

Hier und da hatte Mary auch One-Night-Stands, aus denen sogar Freundschaften oder kurze Zusammenarbeiten entstanden, aber einmal traf sie einen Typen, den sie als „Sex am Stiel“ beschrieb und der für sie der perfekte Mann war. Sie sah dieses tolle Foto auf Tinder, das ein männliches Unterwäschemodel zu zeigen schien, und las erst gar nicht, welche Eigenschaften er angegeben hatte. Sie vereinbarte ein Treffen mit ihm.

„Wir haben uns bei ihm in der Wohnung getroffen, er hatte für mich gekocht, er hat ausgesehen wie ein Adonis, mit diesen dunklen, langen Locken und diesen hellen Augen, den breiten, muskulösen Schultern, seiner glatten Haut und einer Größe von fast zwei Metern, und stell dir vor: Sobald ich die Wohnung betreten hatte, hat er mir die Weste abgenommen, mich in die Küche geführt, die super simpel eingerichtet war, aber mit viel Wert auf Details, und mir ein Glas Rotwein gereicht. Während er dem Essen noch den letzten Touch verliehen hat, haben wir über unseren Tag gesprochen, und im Hintergrund war ‚Sway‘ von Dean Martin zu hören. Beim Essen, wirklich mittendrin, hat er mir eine Rose entgegengestreckt, mit einer Karte dran und einem süßen Spruch. Details spielen eine enorme Rolle. Ich habe mich als Frau, als Mensch und als Gast wertgeschätzt gefühlt. Das Essen war frisch zubereitet, kein halb fertiges Zeugs, das hat man geschmeckt, er war geistig anwesend, hat mir in die Augen gesehen, mir beim Reden sanft über die Hand gestreichelt und sich gemerkt, was ich gesagt habe – ich wurde gesehen. Ich war ihm wichtig. Verstehe mich nicht falsch, ich finde ja, dass sich das so gehört, aber das tut heute keiner mehr. Jetzt kommst bei einem Typen in die Bude rein, der macht Netflix an, du kannst froh sein, wenn du den Film aussuchen darfst, und bestellt wird eine lauwarme Pizza von irgendeinem Lieferservice, während er am Sofa lümmelt und erwartet, dass du ihm einen bläst. Findet das Treffen draußen statt, dann sitzt du im Café, und wenn er dein Getränk bezahlt, dann tut er so, als hätte er dir gerade ein Penthouse gekauft. Danke. Nein. Ich will kein ‚Netflix und chill‘, ich will keinen Kaffee, ich will verdammt noch mal, dass der mit mir swayt – und zwar ins Bett. Und genau das haben wir getan, wir haben es schamlos getrieben. Der Typ hat nicht nur ausgesehen wie Sex am Stiel, er war Sex am Stiel und er hatte einen riesigen Stiel. Er war keine dreißig Jahre alt, dem hast aber nicht erklären müssen, dass er seine Fingernägel gefälligst zu schneiden hat, wenn er vorhat, eine Frau zu fingern. Sein orales Solo an meiner Klitoris war der Hammer, der wusste, wo sie ist, und ich kann dir versichern, besser war es noch nie, er war ein Klitorisflüsterer. Er hat nicht wie wild daran gerubbelt, sie zerdrückt oder ziellos herumgeleckt und auf meine Bestätigung gewartet, nein! Der wusste, was er tat, und er tat es gut, auch das wusste er, und er ließ sich Zeit. Danach hat er mich nicht gefragt, wie gut er gewesen sei, sondern, ob es mir gefallen habe. Es war kein Gefallen, den er mir getan hat, es war für ihn etwas Selbstverständliches, das auch ihm Spaß gemacht hat. Und für den Fall der Fälle hatte er neben Kondomen die Pille danach zu Hause. Zudem hatte er mir vor dem Treffen klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass er kein Typ für eine feste Beziehung sei. Er hat sich sehr gentlemanlike verhalten, sodass Frau sich automatisch in ihn verknallen muss, was aber nicht seine Schuld sein kann, da er von Anfang an ehrlich war. Er war ein Genie, das ficken kann, und die sind wirklich selten, solche Männer sind aber garantiert nicht verheiratet, denn wer es so gut machen kann, der beglückt sicher nicht nur eine Frau.“

Diese Art von Sex ist für Eltern ein ferner Traum, so wie Sex überhaupt, und allein schon in Ruhe zu essen, gilt als Luxus, wenn man Kinder hat …

Nachdem Mary mir ihre Geschichte erzählt hatte, musste ich automatisch an Katharina denken, denn auch sie hatte mir einmal eine ihrer Sexgeschichten anvertraut, diese Geschichte ist der absolute Kontrast zu Marys Sexleben. Woran das liegt? Katharina ist Mutter. Sie hat drei Kinder, davon schläft eines – die kleine Sophie – noch bei ihrem Mann und ihr im Bett. Als ihr Mann und sie eines Nachts beschlossen, im Wohnzimmer auf der Turnmatte der Kinder Sex zu haben, kam es zu mehreren Erschwernissen. Katharina lag da, bereit für ein paar Minuten – mehr würden es nicht werden – Elternsex, hoffentlich ohne Unterbrechung. Ein grundlegendes Problem war: Katharina ist trocken. Eigentlich ist sie das meistens, und an jenem Abend war es nicht anders. Selbst in der Sahara ist mehr Feuchtigkeit zu finden als zwischen ihren Schenkeln.

Die Idee ihres Mannes war da auch nicht wirklich hilfreich: „Ich hole das Babyarschöl“, rief er voller Euphorie.

„Wieso holst du das jetzt?“

„Dann flutscht es besser.“

„Kannst du mich nicht einfach verdammt noch mal lecken?! Ich will das scheiß Öl nicht“, entgegnete Katharina leicht wütend.

Das war natürlich kein Eisbrecher, ihr Mann wagte dennoch einen Versuch, der leider völlig danebenging. Laut Katharina war er mit seiner Zunge nicht einmal in derselben Zeitzone wie ihre Klitoris.

Katharina ließ sich den Mut nicht nehmen, drei Minuten Sex, alle zehn Tage, man musste das Beste daraus machen! Sie versuchte das bisschen Erotik zu retten und schmierte ihm das Babyarschöl auf seinen Penis, damit irgendetwas in die Gänge kommen konnte, als sie etwas im Hintern zwickte.

„Hast du deinen Finger wieder in meinem Hintern? Du weißt, dass ich das nicht mag.“

„Nein! Nein, habe ich nicht. Wirklich nicht.“

Mit ihrer Hand fischte sie einen harten Gegenstand aus ihrem Po – eine Peppa-Wutz-Plastikfigur. Und als sie endlich bei der Sache waren, ging plötzlich eine Sirene los! Genau genommen, war es keine Sirene. Ein Spielzeug der Kinder fing an zu singen. Vor Schreck zog sich das Glied ihres Mannes in die Schlaffheit zurück. Er musste Katharina nicht auffordern, seine Männlichkeit wieder zum Ersteifen zu bringen, sie tat das von sich aus – wie viele Frauen – und hatte dabei keinerlei Orientierungsprobleme.

Als ob das Ganze nicht schlimmer hätte werden können, hörte Katharina tapsige, kleine Schritte, die näher kamen.

„Ich glaube, Sophie kommt.“

„Ich komme auch“, sagte ihr Mann völlig aus der Puste und tat das, was er angekündigt hatte.

Keine Sekunde danach kam auch schon die kleine Sophie weinend um die Ecke, die von ihrem Papa wieder ins Bett gebracht wurde, während Katharina halb nackt auf der Turnmatte lag, von der Plastiksau – fast schon schadenfroh – angestarrt wurde und nicht gekommen war. Nicht einmal annähernd. Sie war nicht einmal unterwegs gewesen.

Volle Windeln zum Frühstück

Wenn man sich an einem Wochenendmorgen im Bett wälzt, noch halb verschlafen, halb nackt – und das mit enormem Selbstvertrauen –, im Geruch des Parfums des gestrigen Abends gebadet, der Partner neben einem liegt, man sich gegenseitig streichelt, küsst und tief in die Augen blickt, wenn die Blicke, jedes Gelächter und jede Berührung eine eigene Geschichte erzählen und Morgensex einfach der beste Start in den Tag ist, fast schon eine Selbstverständlichkeit – was für ein Leben! Was für ein Gefühl der Geborgenheit in einer Beziehung! Was für eine Leichtigkeit im Sein! Was für ein nostalgischer Moment, der mir die Tränen in die Augen treibt, während ich am Morgen die Windeln meiner jüngsten Tochter wechsle, denn seit über fünf Jahren habe ich wie die meisten Mütter nur noch volle Windeln zum Frühstück, die gewechselt werden müssen, und vom Selbstvertrauen sowie vom Geruch eines Parfums ist nur noch der Geruch des Windelinhalts geblieben.

Der Ist-Zustand des Sexlebens eines Paares mit Kindern, die noch im sogenannten Familienbett schlafen, ist meistens bemitleidenswert, und ich würde sogar sagen: eine echte Beziehungsprobe. Einige Mütter haben gar keine Libido mehr und die, die noch den Hauch einer Lust verspüren, vergnügen sich eher mit sich selbst (oder holen sich Hilfe von elektrischen Geräten, die durch Knopfdruck wissen, wie und wo sie funktionieren müssen, ohne Babyarschöl und dergleichen), weil die Zeit zu einem Faktor geworden ist, der gegen einen agiert und weder für Sex noch Kommunikation darüber eine Sekunde übrig ist. Wäre sie das, nützte man sie doch eher für anderes: für die verdammten Kinder. Es dreht sich gerne, aber unfreiwillig und einfach alles nur noch um die Kleinen.

Das muss man sich in den meisten Haushalten in etwa so vorstellen: Bereits beim Aufwachen hat die Frau schon die Kinder an der Backe, den ganzen Tag lang wird nur geschrien, gestritten, kaum geschlafen, gestillt, Windeln gewechselt, die Frau hat gar nicht die Möglichkeit, mal kurz zu verschnaufen, sie schmeißt den Haushalt, kocht so ganz nebenbei, und irgendwo liegt noch ein Wäscheberg, der darauf wartet, zusammengefaltet zu werden – natürlich mit einer Hand, denn am zweiten Arm hockt ein Kind. Ihre Schulter spürt die Frau sowieso nicht mehr, weil das eine Kind ständig getragen werden muss, während das andere Kind irgendwo am Klo sitzt und nach ihr ruft, da es sich noch nicht allein abputzen kann. Dann trudelt irgendwann der Partner zu Hause ein – und das in schlechtester Laune. Es war natürlich ein Scheißtag, weil der Chef ein Trottel ist und der Kollege über ihm ein Schleimscheißer, der nur befördert werden möchte und deswegen alles mit sich tun lässt. Wenn das letzte Mal Elternsex (was für ein beschissenes Wort, oder?) über eine Woche her ist, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Partner, sobald die Kinder eingeschlafen sind, den Po der Mutter zu streicheln beginnt und sie küsst, was ein Stichwort für „Gehen wir ins andere Zimmer“ ist. Beide sind unausgesprochen müde, gestresst und mit der momentanen Lebenssituation generell unglücklich. Sie, weil sie denselben Tag mit den Kindern immer wieder erlebt und in einer Zeitschleife gefangen zu sein scheint. Er, weil er versucht, die Familie finanziell über Wasser zu halten, ohne den letzten Funken an Selbstwert zwischen den Idioten im Büro zu verlieren. Ihre Köpfe sind voller Gedanken und Sorgen, sie verspüren ein Ohnmachtsgefühl und sind gefangen in der Routine des Familienalltags. Unter diesen Bedingungen sollen diese zwei Personen ein- bis zweimal die Woche, innerhalb von einer Viertel- bis halben Stunde oder länger, bombastischen, super feuerwerksmäßigen Sex haben, danach auch noch romantisch und nackt in der Löffelchenstellung miteinander kuscheln, lachen und flirten, bis sie beide wunschlos glücklich einschlafen. Pustekuchen.

In der Realität läuft es ein wenig anders ab: Die Wahrheit über Sex ist hässlich. Sie ist so hässlich, dass sie keiner sehen will. Filme enden ja auch meistens dann, wenn ein Paar heiratet oder endlich zusammenkommt. Im ganzen Film geht es darum, dass die zwei checken, dass sie einander von Anfang an geliebt haben, und in dem Moment, in dem sie es endlich realisieren, kommt ein Kuss und dann ist Schluss. Und wissen Sie, wieso das so ist? Weil es nicht romantisch ist zu zeigen, wie die Frau am Klo sitzt und der Mann plötzlich hereinstürmt, seine Hosen runterlässt und ihr, während sie kackt, seinen Hintern ins Gesicht streckt, um ihr stolz den Pickel zwischen seinen Pobacken zu zeigen, den sie, sobald sie die Toilette verlässt, ausquetschen darf. Wir sind noch nicht bereit für die Wahrheit, nicht diese, nein, das sind wir nicht, auch wenn wir wie verzweifelt nach ihr verlangen. Auf Social Media wollen wir mehr Authentizität, im Film und sonst wo auch, weil wir uns andernfalls betrogen fühlen, aber eigentlich wollen wir sie dann doch nicht, denn dann müssten wir ja der Tatsache ins Auge blicken, dass Frauen nach dem Sex aufs Klo gehen und ordentlich pinkeln müssen, und sollte es länger als eine halbe Minute dauern, steigt die Chance, dass man zu einem schon eingeschlafenen Mann zurückkehrt und somit nicht mehr romantisch kuschelt, sondern daneben hinfällt und pennt. Im Film sieht man in den heißen Sexszenen die Menschen oft komplett nackt, sie ziehen sich sogar gegenseitig aus. Eltern haben dafür keine Zeit. Eins, zwei, drei, die entsprechenden Teile werden entblößt, jeder ist für seine eigenen Klamotten verantwortlich, vier, fünf, Sex, wieder anziehen und dann, er mit dem Handy in der Hand, sie mit dem Handy in der Hand, als sei nichts geschehen. Ist es ja meistens auch nicht wirklich. Jedenfalls nicht für sie.

Diese Phase dauert bei den meisten Eltern so lange an, so lange es in ihrem Leben noch Stillbabys, Kindergartenkinder und ein Familienbett gibt. Paare gehen damit unterschiedlich um. Die einen können darüber lachen und diese Zeit mit den Quiet Quickies sozusagen überbrücken, wissend, dass dies ein temporärer Zustand ist. Bei anderen häufen sich hingegen die Probleme. Die unausgesprochenen Gedanken, die Emotionen werden kalt bis non-existent, vielleicht nicht wegen der veränderten Sexsituation, aber sie ist meist ein zusätzlicher Punkt, der die Fronten verhärtet und die Kommunikation des Paares auf Eis legt. Was übrig bleibt, sind Ungewissheit, Überforderung und jede Menge volle Windeln in der Leere der Emotionen zwischen zwei Menschen, die sich nicht mehr viel zu sagen haben.

Vögelei – die drei goldenen Regeln für besseren (Eltern-)Sex

Ich habe die Gespräche, die ich mit Frauen über ihre Sexualität und Sex generell geführt habe, niemals gezählt. Ich würde auch niemals behaupten, dass ich ein Sex-Guru bin, eine Sexualpädagogin oder Sexualtherapeutin, denn das bin ich alles nicht, aber ich bin eine Autorin mit dem Schwerpunkt „Weibliche Sexualität“. Anhand der Lebenserfahrungen unterschiedlicher Frauen und meiner eigenen Erlebnisse habe ich mir eine Art Kodex zusammengestellt, denn auch wenn einiges überlebt wird, so bin ich auf dieser Welt, um zu erleben.

„Volle Extase, oida“ – so lautet mein Mantra. Ich lasse mir meinen Sex nicht verderben und noch wichtiger: Ich lass mir den Orgasmus nicht nehmen! Selbst ist die Frau! Auch in dieser Angelegenheit! Vor allem