Vom perfekten Chaos zur kreativen Ordnung - Katharina Auerswald - E-Book

Vom perfekten Chaos zur kreativen Ordnung E-Book

Katharina Auerswald

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  • Herausgeber: AT Verlag
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Ob Gerümpel und Müll oder pedantische Ordnung und sterile Sauberkeit – beides ist beklemmend. Wie schaffen wir ein lebendiges Zuhause, wo wir aufatmen und uns entfalten können? Das zeigt Katharina Auerswald in diesem Buch. Ihre Rezepte für kreative Ordnung hat sie in langjähriger Tätigkeit als Aufräum-Coach entwickelt und erprobt. Sie helfen genau dort weiter, wo es hakt: beim Grundsätzlichen oder konkret etwa bei der »Deponie« in der Diele. Ganz praktisch beantwortet sie Fragen wie: Wie wird das Entrümpeln vorbereitet? Was bleibt, was wird entsorgt? Was, wenn andere nicht mitmachen wollen oder wir uns selbst nicht zum Aufräumen aufraffen können? Mit Praxisbeispielen, Gedanken zu Minimalismus und Nachhaltigkeit und feinsinnigem Humor inspiriert und ermutigt sie uns, loszulassen und unsere eigene Ordnung zu finden.

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Seitenzahl: 310

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KATHARINA AUERSWALD

VOM PERFEKTEN CHAOS

ZURKREATIVENORDNUNG

REZEPTE FÜR EINAUFGERÄUMTES ZUHAUSE

INHALT

DER WEG ZUM BUCH

WARUM SOLLEN SIE DIESES BUCH LESEN?

WIE KÖNNEN SIE DIESES BUCH LESEN?

TEIL 1

BEVOR SIE LOSLEGEN

Was Chaos bewirkt

Lebenslügen und Hindernisse

Loslassen

Wie viel Ordnung brauchen Sie?

Wegwerfen oder behalten?

TEIL 2

ES GEHT LOS!

Aufräumaktion vorbereiten

Wohin mit den aussortierten Dingen?

TEIL 3

AUFRÄUMEN NACH RÄUMEN

Eingangsbereich

Wohnzimmer

Küche

Bad

Schlafzimmer

Klar Schiff im Schrank

Kinderzimmer

Arbeitszimmer

Abstellkammer

Keller

Dachboden

Garage

Auto

Balkon, Terrasse, Garten

TEIL 4

ORDNUNG NACH KATEGORIEN

Bücher

Fotos

Geschenke

Sentimentales

Die letzte Aufräumaktion

TEIL 5

ORDNUNG DAUERHAFT HALTEN

Fünf (plus eine) Regeln, die das Ordnunghalten leichter machen

Die Macht der Gewohnheit

Auf dem Weg der ständigen Verbesserung

TEIL 6

MINIMALISMUS UND NACHHALTIGKEIT

Minimalismus – ein neuer Lifestyle?

Nachhaltigkeit

TEIL 7

HILFE, DIE ANDEREN MACHEN NICHT MIT!

Kooperation und Egoismus

Der Weg aus der Falle

TEIL 8

WIE MAN SICH SELBST MOTIVIEREN KANN

Mr. Logo und das Krokodil

Die Macht der inneren Bilder

ANHANG

LIEBEN SIE HERAUSFORDERUNGEN?

Challenges für verschiedene Gelegenheiten

Drei kleine Projekte für zwischendurch

LITERATURUND QUELLEN

DANK

DIE AUTORIN

DER WEG ZUM BUCH

Im März 2020 bekam für mich der Begriff Zeitmanagement eine ganz neue Bedeutung. Ich war bereits über zehn Jahre als selbstständiger Aufräumcoach tätig, und zu der Aufräumarbeit bei Kundinnen und Kunden kamen ständig weitere Anfragen nach Seminaren und Vorträgen hinzu. Mein Terminkalender war voll.

Im Februar hörte ich erste Meldungen über eine neue Grippe. Ich machte mir keine Gedanken – schließlich gibt es immer wieder neue Grippewellen. Und dann ging plötzlich alles sehr schnell: Der erste Vortrag wurde abgesagt, danach entfiel ein Seminar. In den folgenden Tagen jagte eine Absage die andere, und bald war mein Kalender leer. Nun betrat ich Neuland.

Was jetzt? Ich nahm meine Liste, auf der ich seit Jahren alle meine Ideen und Einfälle notiere, zur Hand. Diese Liste ist für mich aus zwei Gründen wichtig: a) damit gute Ideen nicht verloren gehen, und b) damit ich für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich zu viel Zeit zur Verfügung hätte, wüsste, was ich tun könnte.

Der unwahrscheinliche Fall war nun Realität. Zwischen all den abenteuerlichen Reisezielen und Unternehmungen stand auch der Punkt »Buch schreiben«. Das wollte ich immer schon machen, hatte aber nie Zeit dafür. Jetzt war die Zeit da. Und ich bekam Angst. »Zu viel Arbeit«, dachte ich, und »Keine Ahnung, wie ich anfangen soll.« Gerade, als ich die Liste zurückgelegt und mich entschieden hatte, zuerst meine Wohnung gründlich zu putzen, kam die Schicksals-E-Mail mit dem Betreff »Machen wir ein Buch zusammen?« Das Ergebnis halten Sie jetzt in den Händen.

WARUM SOLLEN SIE DIESES BUCH LESEN?

Haben Sie manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn Sie an die vielen Dinge denken, die Sie in den Keller, auf den Dachboden, in die Garage oder in die Abstellkammer abgeschoben haben?

Haben Sie auch schon erlebt, dass Sie einen Bereich Ihrer Wohnung aufgeräumt haben, während sich an einer anderen Stelle das Chaos wie eine Flechte breitgemacht hat?

Fühlen Sie sich manchmal wie gelähmt von all den unerledigten Dingen? Als ob die Unordnung auch Ihren Kopf befallen hätte? Und möchten Sie an dieser Situation etwas ändern?

Dann lade ich Sie zum Lesen ein. Dieses Buch wird Ihnen helfen, außen und innen Ordnung herzustellen und dauerhaft zu halten. Sie werden von meiner zehnjährigen Erfahrung als Aufräumcoach profitieren. Ich werde mit Ihnen praxiserprobte Tipps und bewährte Strategien gegen das alltägliche Chaos teilen – unkomplizierte Methoden, die sich gut mit Ihrem Alltag vereinbaren lassen. Das trägt auch dazu bei, Spannungen unter Familienmitgliedern und Mitarbeitenden abzubauen.

Was ich nicht habe, ist die eine Methode, die bei allen funktioniert. Jeder Mensch ist anders, hat unterschiedliche Bedürfnisse, Vorlieben und Möglichkeiten. Daher braucht auch jede Person eine individuelle Strategie. Wenn ich ein Aufräumcoaching beginne, frage ich meine Kundinnen und Kunden zuerst nach dem gewünschten Endergebnis. Wir testen verschiedene Systeme und Möglichkeiten so lange aus, bis das Aufräumen und Ordnunghalten gut funktionieren.

Ich verspreche Ihnen nicht, dass Sie nur einmal aufräumen müssen, und dann ist es für alle Zeiten erledigt. Das ist gar nicht möglich, denn das Leben besteht aus einer Reihe von Veränderungen. Wenn zwei Menschen eine Familie gründen, müssen sie ihre Lebensweisen auf die jeweils andere abstimmen und auch die Dinge, die sie in einen gemeinsamen Haushalt bringen, neu sortieren. Kinder stellen wiederum alles auf den Kopf. Plötzlich dominiert Spielzeug das Haus, und bei der Einrichtung weicht die Ästhetik der Sicherheit und Funktionalität. Werden die Kinder größer und verlassen schließlich das Haus, verändert sich die Situation nochmals.

Deshalb möchte ich Sie inspirieren und motivieren, Ihre eigene Strategie, die für Sie persönlich funktioniert, zu entwickeln und laufend an Ihre aktuellen Lebensumstände anzupassen.

WIE KÖNNEN SIE DIESES BUCH LESEN?

Dieses Buch ist wie ein Kochbuch konzipiert und kann genauso gelesen werden. Sie können bei den Basics anfangen oder gleich zu dem Thema springen, das Sie aktuell interessiert. Sie können sich zwischen Aufräumen nach Räumen oder nach Kategorien entscheiden.

Neben klaren Anleitungen finden Sie in dieser Lektüre auch anschauliche Beispiele sowie humorvolle und manchmal auch nachdenkliche Geschichten. Sie werden Ihnen helfen, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Denn vom Lesen allein entsteht keine Ordnung. Leider. Sie müssen ins Tun kommen. Dazu wünsche ich Ihnen viel Spaß und gutes Gelingen.

TEIL 1

BEVOR SIE LOSLEGEN

WAS CHAOS BEWIRKT

Kathrin, eine dreißigjährige Teilnehmerin einer meiner Aufräumkurse, empfing seit drei Jahren keinen Besuch mehr. Nachdem sie mit ihrem Freund zusammengezogen war, war in ihrer kleinen Wohnung alles mehrfach vorhanden. Nach der Arbeit trafen sich die beiden mit Freunden oder machten es sich auf dem Sofa gemütlich. Bald mutierten die Sessel und Stühle zur Ablage für ausgezogene Kleidung, auf dem Esstisch türmte sich Papierkram, und auf dem Fußboden stapelten sich Bücher, Sportutensilien und Dinge, für die es in Schränken und Regalen keinen Platz gab. Kathrins größte Angst war, dass eines Tages unangemeldet Besuch vor der Tür stehen könnte. Nachdem sie bei mir zwei Aufräumkurse besucht hatte, reichte ihre Motivation, um eine große Aufräumaktion zu starten. Zwei Monate später bekam ich folgende E-Mail: »Liebe Katharina, vielen Dank nochmals für deine Tipps und die Unterstützung. Ich räume und räume, und die ersten Ergebnisse sind da. Gestern hat sich der Heizungsableser angemeldet. Das erste Mal seit drei Jahren bin ich ganz ruhig geblieben.«

CHAOS WIRKT SICH NEGATIV AUF BEZIEHUNGEN UND AUF DAS MITEINANDER AUS. Ich kenne Kinder, die sich schämen, Freunde nach Hause einzuladen, Ehepaare, die sich wegen der Unordnung des Partners scheiden ließen, Arbeitskollegen, die sich aus dem gleichen Grund in einem Dauerkonflikt befinden.

Vor etwa drei Jahren kaufte eine Bekannte zwei teure Karten für ein Konzert ihrer Lieblingsband. Acht Wochen später, am Tag der Veranstaltung, fand sie die Karten nicht mehr. Aus dem schönen Abend wurde eine verzweifelte Suchaktion, die mit einem heftigen Streit mit ihrem Ehemann endete. Übrigens, die Karten tauchten nie mehr auf …

CHAOS ERZEUGT INNERE VERWIRRUNG. Eine chaotische Umgebung führt zu Konzentrationsschwierigkeiten, Ablenkung, Unruhe und häufigen Fehlern. Das gilt nicht nur für den Arbeitsplatz. »Mein Kind kann nicht einschlafen, schläft unruhig und hat Probleme, sich auf eine Tätigkeit zu konzentrieren«, berichten mir Kunden oft. Wenn ich dann das Kinderzimmer betrete, wundere ich mich nicht. Die meisten Kinderzimmer sehen aus wie nach einer Explosion im Spielzeugladen: Spielzeug auf dem Bett, Spielzeug auf dem Boden, Spielzeug auf dem Fenstersims. Wände tapeziert mit Bildern, Postern, Plakaten. Möbel, zugepappt mit Stickern. Klamotten in diversen Verschmutzungsstadien liegen dazwischen. In einem solchen Durcheinander könnte ich auch nicht einschlafen oder mich konzentrieren.

Das Innere beeinflusst das Äußere, und umgekehrt. Darin steckt eine große Chance: Wenn Sie überflüssige Dinge loslassen und Ihre äußere Umgebung aufräumen, geben Sie auch Ihrer inneren Welt eine Möglichkeit, in Ordnung zu kommen. Sie werden klarer denken und mutiger entscheiden. Sie werden neue Chancen sehen, wo es früher vor Problemen nur so wimmelte.

CHAOS KOSTET ZEIT. »Niemand hat Zeit für die Ablage, aber jeder hat Zeit zum Suchen« ist mein Standardspruch angesichts der Papierstapel in vielen Arbeitszimmern und Büros. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung hat im Jahr 2006 eine Studie über das Verbesserungspotenzial in den administrativen Bereichen von Unternehmen veröffentlicht1. Aus dieser geht hervor, dass die Mitarbeiter in Büros durchschnittlich 32 Prozent der Arbeitszeit verschwenden. Etwa ein Drittel der Verschwendung entsteht durch das Suchen nach dem richtigen Dokument in chaotischen Dateiverzeichnissen. Rechnen Sie mit: Bei einem 8-Stunden-Tag kommen wir auf eine Dreiviertelstunde, die eine Person täglich auf diese Weise verbraucht. Bei 220 Arbeitstagen im Jahr sind es 165 Stunden, das entspricht 20 Tagen, also 4 Wochen. 4 Wochen! Pro Person! Halten Sie sich diese Zahl vor Augen, wenn Sie das nächste Mal etwas »einfach so« liegen lassen oder »irgendwo« ablegen. Das Gleiche gilt auch für andere Bereiche. Wünschen Sie sich mehr Zeit für sich, für Hobbys, Familie, Freunde? Misten Sie aus, räumen Sie auf, ordnen Sie Ihre Sachen und minimieren Sie die Zeitverluste durch Suchaktionen.

CHAOS RAUBT ENERGIE. Wie geht es Ihnen, wenn Sie bereits beim Betreten Ihrer Wohnung über Schuhe, einen achtlos hingeworfenen Schulranzen oder die liegen gelassene Hundeleine stolpern? Wenn Sie am Esstisch das Frühstückgeschirr mit angetrockneten Müsliresten vorfinden und im Schlafzimmer von auf dem Boden verstreuten Kleidern und zwei Körben mit Bügelwäsche erwartet werden? Wenn Sie vor einem überfüllten Kleiderschrank stehen und gefühlt nichts Vorzeigbares zum Anziehen finden? Wahrscheinlich sind jegliche Motivation, Energie und Lust dahin.

Oder wenn Sie morgens den Blick auf Ihren Schreibtisch werfen: Stapeln sich dort offene Vorgänge, Projekt-Mappen, To-Do-Listen, diverse Zettel und ungelesene Zeitschriften, und alle schreien »Erledigen, lesen, bearbeiten!«? So ein Anblick raubt Ihnen die Energie, noch bevor Sie mit der Arbeit angefangen haben.

CHAOS KOSTET GELD. Birgit war eine meiner ersten Kundinnen. Mitte fünfzig, Unternehmerin mit einem sehr chaotischen Büro. Die Aufräumaktion dauerte einige Tage. Wir arbeiteten uns durch Papierstapel, alte ungeöffnete Post und Unmengen an Info- und Büromaterial. In einer Schublade lagerten uralte Software-CDs. »Die brauchst du alle nicht mehr, in den Müll damit«, wies ich sie an. »Warte!» rief sie. »Ich brauche ein paar Hüllen für meine Foto-CDs.« Wir gingen den Stapel durch und legten einige der Hüllen zu ihren CD-Rohlingen. Am nächsten Tag waren die Regale dran, und siehe da, ich förderte 280 nagelneue CD-Hüllen zutage. »Oh, ich wusste gar nicht mehr, dass ich noch welche habe«, schämte sich Birgit ein wenig. »Sag mal«, fragte ich sie, »wie viele CDs brennst du im Jahr?« »So zwei bis drei.« »Und wie alt bist du genau?« »Sechsundfünfzig.«

Birgit hatte also einen Vorrat an CD-Hüllen für über 90 Jahre. Und sie ist keine Ausnahme. Regelmäßig finde ich bei Kunden gekaufte und schon bald vergessene Reinigungsmittel, Gewürze, Stifte, Bastelmaterialien, Farben, Werkzeug, Kleidung, Bücher und anderes in Mengen vor, die sie in diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr verbrauchen werden. Eine Kundin fand während des Ausmistens unter Bergen von Kleidung einen neuen, nicht ausgepackten Puppenladen – ein Geschenk für ihre Tochter. Da war die Tochter bereits 15 Jahre alt. Bei einer anderen Frau lag in der hinteren Schrankecke eine Schachtel mit ungeöffneten Hochzeitsgratulationen. Sie war zu diesem Zeitpunkt seit acht Jahren verheiratet. Wir öffneten die Umschläge: Zum Vorschein kamen etliche, leider bereits abgelaufene, Gutscheine im Wert von einigen Hundert Euro.

Sie investieren all die Zeit, das Geld und

die Mühe, um Dinge zu kaufen, die Sie ohnehin

nie gebrauchen werden, und zahlen dann auch

noch dafür, sie ohne jeden vernünftigen Grund

auf unbegrenzte Zeit aufzubewahren.

KAREN KINGSTON, FENG SHUI GEGEN DAS GERÜMPEL DES ALLTAGS

CHAOS VERHINDERT WEITERENTWICKLUNG.

Wenn ich loslasse, was ich bin,

werde ich, was ich sein könnte.

Wenn ich loslasse, was ich habe,

bekomme ich, was ich brauche.

LAOTSE

Das Leben ist eine permanente Veränderung, ob wir wollen oder nicht. Der Versuch, es festzuhalten, der Wunsch, dass alles bleiben soll, wie es ist, lässt uns in der Vergangenheit erstarren und verhindert, dass wir uns weiterentwickeln. Ausmisten schafft Freiraum für neue Ideen, bessere Entscheidungen und einen beweglichen Geist.

INS TUN KOMMEN

Notieren Sie mindestens drei Gründe, warum Sie sich mehr Ordnung wünschen. Es müssen unbedingt Ihre eigenen Gründe sein. »Damit mich meine Mutter nicht kritisiert« zählt also nicht. Wenn Sie etwas tun, wovon Sie selbst nicht überzeugt sind, nur um einer klaren Aussprache zu entkommen oder um die eigene Grenze nicht definieren zu müssen, werden Sie immer gegen einen großen Widerstand kämpfen und am Ende scheitern.

LEBENSLÜGEN UND HINDERNISSE

Wenn immer wir etwas tun wollen, es aber nicht tun, sind ein Hindernis oder eine Lebenslüge im Spiel. Hier ist ein Überblick der häufigsten Ausreden, die meine Kundinnen und Kunden (und zugegeben auch manchmal mich selbst) am Entrümpeln hindern.

»EIN GENIE BEHERRSCHT DAS CHAOS.« Wie oft schon haben Sie diesen Satz gehört oder selbst gesagt? Wenn er stimmt, bin ich bereits etlichen Einsteins begegnet. Die Wahrheit aber ist, dass zwischen Genialität und der Fähigkeit, das Chaos zu durchblicken, kein signifikanter Zusammenhang besteht und dass die meisten Chaoten ständig etwas suchen. Ich hielt deshalb diese Aussage für eine der klassischen Lebenslügen, bis ich einer Bürokraft mit einem sehr zugestapelten Schreibtisch begegnete. Auf meine Frage, wo ein bestimmtes Angebot sei, peilte die Dame den Tisch an: »Dritter Stapel von links, circa 7 cm von oben.« Und in der Tat, da war es. Chapeau! Es gibt tatsächlich Menschen, die ein phänomenales räumliches Gedächtnis haben und sich in ihrem Chaos perfekt auskennen. So lange sie allein arbeiten, ist es auch kein Problem. Aber ich hatte von ihrem Vorgesetzten den Auftrag bekommen, mit dieser Frau Ordnung zu schaffen. Denn immer, wenn sie krank oder im Urlaub war, verzweifelte die ganze Abteilung. Die Vertretung fand sich nicht zurecht, die Arbeit blieb liegen, die Kunden sprangen ab. Dass ein Genie sein Chaos beherrscht, ist kein Grund, unter diesen Bedingungen zu leben und zu arbeiten.

»DAS IST KREATIVES CHAOS.« Das ist die zweitbeliebteste Erklärung für einen mit Zetteln, bunten Stiften und leeren Kaffeetassen bedeckten Arbeitstisch. »Oh, wann haben Sie die nächste Ausstellung?«, frage ich in diesem Fall. Die Antwort ist entweder ein »Hä, was meinen Sie damit?« oder ein verlegenes Lachen.

Was ist überhaupt Kreativität? Viele Menschen meinen, sie seien kreativ, wenn sie schön nach Zahlen malen oder ein vorgefertigtes Bastelset erfolgreich zusammenkleben. Für mich ist Kreativität ein schöpferischer Akt, bei dem etwas Neues entsteht, eine neue Lösung, ein neuer Gedanke, ein neues Kunstwerk. Neu zumindest für denjenigen, der etwas hervorbringt. Wenn Sie für sich geklärt haben, was Sie als Kreativität bezeichnen, können Sie schauen, unter welchen Bedingungen Ihre Kreativität gedeiht. Es gibt zwei Extreme: die sterile Leere und die überbordende Fülle. In welchem Bereich zwischen diesen beiden Polen sind Sie am kreativsten und produktivsten? Testen Sie das aus.

Ein Grafiker erzählte mir von seinem Praktikum bei einer großen Werbeagentur: »Clean-Desk-Policy extrem. Wer mehr als ein Blatt und ein Schreibgerät auf dem Tisch hatte, bekam eine Abmahnung. Beim dritten Verstoß folgte die Kündigung. Ich dachte zuerst ›Wo bin ich hier nur hingeraten?‹, aber der Erfolg der Agentur gab ihnen Recht. Nachdem sich mein Widerstand gelegt hatte, merkte ich, dass eine reizarme Umgebung meine Fantasie anregte. Ich war nicht abgelenkt und konnte fokussiert meine Ideen ausarbeiten. Heute bin ich selbstständig, und niemand kontrolliert meinen Arbeitstisch. Aber immer, wenn ich einen neuen Auftrag bekomme, räume ich zuerst alles weg, was mich von der Arbeit ablenken könnte.«

Haben Sie schon Kinder ohne Spielzeug beobachtet? Sie langweilen sich zuerst, dann springt die Fantasie an. Ein umgedrehter Stuhl verwandelt sich in ein Raumschiff, eine Kutsche oder einen Hubschrauber. Ein Stock wird abwechselnd zum Schwert, zur Schranke oder zum Jetski. Aus Gras und Zweigen entstehen Zwergenhäuschen. Dagegen wird in einem überfüllten Kinderzimmer mit Spielzeug, das auf Knopfdruck hupt, bellt, weint und fährt meistens nur vieles herausgezogen, kurz bespielt und danach fallen gelassen, um sich einer neuen Sache zu widmen.

»ORDNUNG IST UNGEMÜTLICH.« Ich habe noch nie erlebt, dass sich jemand sein altes Chaos zurückgewünscht hat, nachdem wir gemeinsam aufgeräumt hatten. In einer Wohnung, in der penible Ordnung und sterile Sauberkeit herrschen, fühlen sich die meisten Menschen wahrscheinlich genauso unwohl wie an einem Ort, an dem alles durcheinander liegt und sich Gerümpel stapelt. Deshalb spreche ich von kreativer Ordnung, die sich an der Natur orientiert.

Haben Sie schon einmal in aller Ruhe eine einfache Blüte betrachtet? Eine Margerite, ein Leberblümchen oder ein kleines Immergrün? Obwohl sich die einzelnen Blütenblätter voneinander unterscheiden, ergeben sie ein wunderbar harmonisches Bild. Diese natürliche Ordnung und Symmetrie finden wir überall zwischen Mikro- und Makrokosmos. Die Strukturen von Kristallen, Tannenzapfen, Sonnenblumen oder Galaxien sind für mich Sinnbild für Ordnung und Schönheit. Es ist nicht die exakte mathematische Präzision, sondern es sind die kleinen Abweichungen, die dem harmonischen Bild Spannung verleihen. So ist es auch bei Wohnungen und Häusern, die ordentlich und aufgeräumt sind und gleichzeitig Lebendigkeit und Individualität vermitteln.

»ICH HABE KEINE ZEIT.« In der Tat: Zeit hat niemand. Sie ist kein Ding, das man haben oder nicht haben kann. Jeder Tag hat 24 Stunden, und es liegt an uns und an unseren Prioritäten, was wir mit der Zeit anfangen.

In der Antike galt der Müßiggang als Idealzustand, der den Geist anregte und schöpferische Kraft freiließ. Die Zeit mit Arbeit zu verbringen, war verpönt, diese lästige Notwendigkeit verrichteten die Sklaven. Im 19. Jahrhundert glaubte man, dass irgendwann Maschinen die schwere Arbeit übernehmen und der Mensch dadurch mehr Zeit für die Muße bekommen würde. Dazu kam es nie. Das ist das große Mysterium unserer Zeit: Fast alle modernen Erfindungen dienen der Arbeitserleichterung und der Zeitersparnis. Aber wo ist die Zeit, die wir gespart haben? Bereits vor 2000 Jahren bemerkte der Philosoph Lucius Annaeus Seneca: »Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nützen.« Machen Sie sich klar, was Sie mit Ihrer wertvollen Zeit anstellen, welche Aktivitäten Ihnen wichtig sind und wie viel Zeit Sie bereit sind, aufzuwenden, um so zu leben, wie Sie es sich wünschen.

»ES WAR DAMALS TEUER.« Wenn Sie so denken, sind Sie der sogenannten sunk cost fallacy auf den Leim gegangen. Beim »Trugschluss der versunkenen Kosten« handelt es sich um einen Denkfehler: Mit einer getätigten Investition wird begründet, dass man weitermacht, auch wenn etwas keinen Sinn mehr ergibt. Wenn Sie sich etwa umwerfend schöne High Heels kaufen und später feststellen, dass Sie damit nicht laufen können. Das aufgewendete Geld ist weg, und es gibt keinen Grund, die Schuhe zu behalten. Das einzig Relevante ist der Blick in die Zukunft: Möchten Sie auf High Heels laufen lernen? Möchten Sie dazu Ihre Zeit hergeben? Können Sie die Schuhe zu einem guten Preis verkaufen? Falls Sie auf alle drei Fragen mit Nein geantwortet haben, haben diese Schuhe gar keinen Wert. Und wenn sie im Schrank liegen bleiben, verursachen sie weitere Kosten – sie beanspruchen Platz, Energie und belasten Sie emotional.

Übrigens findet man für diesen Denkfehler auch in der Wirtschaft und in politischen Entscheidungen viele Beispiele. Der wahrscheinlich bekannteste ist das Milliardengrab Berliner Flughafen. Auch das Überschallflugzeug Concorde ist ein Paradebeispiel eines internationalen Defizitprojekts. Sehr schnell stellte sich heraus, dass dieses englisch-französische Unternehmen niemals Gewinn abwerfen würde. Trotzdem dauerte es 34 Jahre, bis das überteuerte Prestigeprojekt eingestellt wurde.

»ICH KÖNNTE ES NOCH BRAUCHEN.« Ganz bestimmt, nur wie wahrscheinlich ist das? Der Haken liegt am Konjunktiv. Sie könnten aus den gesammelten Korken und Wollresten etwas basteln. Sie könnten aus den restlichen Brettern etwas zusammenbauen. Sie könnten aus den alten Stoffen etwas nähen. Sie tun es aber nicht. Falls Sie ein konkretes Projekt planen, wissen Sie genau, wozu Sie etwas aufbewahren, und im besten Fall auch, wo sich die Sachen befinden und wann Sie Ihr Projekt angehen. Altes Zeug nur »für den Fall« aufzuheben, ist in neunundneunzig von hundert Fällen unsinnig. Gesetzt der Fall, Sie bräuchten tatsächlich ein paar Bretter oder Wollreste: Wie schwierig und wie teuer wäre es, diese Dinge zu beschaffen?

»ICH WERDE ES UPCYCELN.« Upcycling ist der neue Trend, die Wiederentdeckung dessen, was in ärmeren Ländern der ganz normale Alltag ist. Dort werden aus Autoreifen Flip-Flops gemacht, aus alten Plastikflaschen hängende Gärten gebaut und alte Blechdosen zu Kannen, Lampen oder Spielzeug umfunktioniert.

Auch ich wollte vor einigen Jahren Ressourcen sparen und aus gebrauchten Kleidern etwas Neues kreieren. Einen alten Pullover unter den Ärmeln abgeschnitten, oben umgenäht, Gummi reingezogen: Ratz-fatz war aus einem unschönen Pulli ein unschöner Rock geworden. Es hätte mir eine Warnung sein können, war es aber nicht. Stattdessen entschied ich mich, besser zu werden und den nächsten Rock aus einem alten Hemd zu nähen. Mein Freund spendete mir einige aussortierte Exemplare, und ich legte los. Daraus ist etwas geworden, was an eine Oma-Schürze mit Knöpfen erinnerte. Die später eingenähte Spitze machte das Ganze noch schlimmer. Ich gab nicht auf. Recherchen auf Pinterest motivierten mich, noch mehr Altklamotten zu zerschnippeln und einen breiten Gummizug zu kaufen, um endlich einen ultimativ coolen Upcycling-Rock zu kreieren. Das Projekt lag dann fünf Monate im Schrank, bis ich mein Scheitern einsah und die Sachen wegwarf. Es war bitter zu erkennen, dass ich weder ein Upcycling-Talent noch die Figur und das Alter der hippen Youtuberinnen habe. Und es war gut zu erkennen, dass manche Vorhaben nicht Ressourcen schonen, sondern nur Zeit und Nerven kosten und die eigenen vier Wände zumüllen. Denken Sie daran, bevor Sie ein neues Upcycling-Projekt beginnen.

»WENN ICH ABGENOMMEN HABE, PASST ES WIEDER.« Wie viele Kleidungsstücke heben Sie auf in der Hoffnung, sie irgendwann wieder tragen zu können? Und wie fühlt sich es an, wenn Sie sie betrachten: Ist es motivierend oder eher ein Frusterlebnis? Schließen Sie Frieden mit Ihrem Körper und werden Sie Kleider los, die Ihnen nicht passen. Falls Sie so viel abnehmen, dass Sie eine neue Garderobe brauchen, wird es Spaß machen, sich neu einzukleiden. Für alle, die jetzt »Ressourcenverschwendung!« aufschreien: Nein, ist es nicht. Ich kaufe mittlerweile alles, bis auf Unterwäsche und Schuhe, in Second-Hand-Läden oder gebraucht im Internet und bringe meine zu klein gewordene Kleidung in den Kreislauf zurück. Indem man altes Zeug zu Hause hortet, spart man keine Ressourcen.

INS TUN KOMMEN

Identifizieren Sie alle Gedanken, die Sie am Aufräumen hindern. Fragen Sie sich:

•Ist dieser Gedanke wirklich wahr?

•Bin ich mir hundertprozentig sicher?

•Wenn ja, wie könnte ich dieses Hindernis überwinden?

Finden Sie für jeden hinderlichen Gedanken mindestens ein Gegenargument oder eine mögliche Lösung.

LOSLASSEN

Alles, alles hat seine Zeit.

Steine wegwerfen hat seine Zeit,

Steine sammeln hat seine Zeit;

behalten hat seine Zeit,

wegwerfen hat seine Zeit.

AUS DEM BUCH KOHELET

Ich bekomme jede Woche E-Mails und Anfragen von Menschen, die ihre Ehepartner verloren haben, deren Angehörige dauerhaft in Heimen untergebracht wurden oder deren Kinder schon vor Jahren das Haus verlassen haben. Sie alle stehen vor der Frage, wie sie mit den Dingen, die von ihren Angehörigen zurückgeblieben sind, umgehen sollen. Dieselbe Frage stellen sich auch sogenannte Sammlertypen, die sich grundsätzlich schwer von Dingen trennen können.

Solche Anfragen haben eines gemeinsam – es geht ums Loslassen. Loslassen bedeutet, sich von alten Mustern und Strukturen zu befreien und an neue Situationen anzupassen. Es beinhaltet, zu reflektieren und zu erkennen, dass sich die Gegebenheiten verändert haben. Wenn wir das Alte festhalten, können wir das Neue oft gar nicht sehen. Wir haben keine Energie, neue Angebote des Lebens wahrzunehmen. Festhalten bedeutet, dass wir in Situationen verharren, die für uns unvorteilhaft, unangenehm oder sogar schädlich sind. Wenn wir die angeborene Sammelleidenschaft nicht eindämmen und nicht rechtzeitig anfangen, die angesammelten Dinge wieder zu reduzieren, laufen wir Gefahr, von ihnen versklavt zu werden.

Nicht loslassen zu können, verursacht, dass unsere Kleiderschränke überfüllt sind und der Keller nicht mehr begehbar ist. Dass die Küche so vollgestopft mit allen möglichen Gerätschaften ist, dass wir darin nicht wirklich kochen können. Dass wir im Wohnzimmer Schneisen schlagen müssen, wenn sich der Heizungsableser anmeldet, und dass wir seit Jahren keinen Besuch mehr empfangen. Dass wir einmal im Monat das Kinderzimmer abstauben, während unsere sechsundzwanzigjährige Tochter in Südaustralien in einer Strandbar bedient. Dass, wenn wir auf dem Dachboden etwas suchen müssen, wir uns darin verlieren wie in einem fremden Land. Dass wir in unbefriedigenden Verhältnissen leben. Dass wir in Jobs verharren, die uns unterfordern, auslaugen oder krank machen. Dass wir Beziehungen zu Menschen pflegen, die uns weder inspirieren noch sonderlich interessieren.

WARUM IST LOSLASSEN SO SCHWER?

Die Motive für die Unfähigkeit loszulassen sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Doch allen liegt eine gemeinsame Ursache zugrunde: die Angst. Wir haben Angst vor Neuem, denn das Alte, selbst das Unangenehme und das Schmerzhafte, ist uns vertraut. Und wer weiß, ob wir etwas Besseres oder etwas anderes finden? Wir sorgen uns um unser Wohl oder befürchten, später irgendetwas zu vermissen. Wir haben Angst vor der Leere und vor dem Verlust. Aber was können Sie in Wirklichkeit festhalten und für immer besitzen? Und würden Sie es tatsächlich besitzen, wozu sollten Sie es dann festhalten? Wer Angst hat loszulassen, hat im Grunde genommen Angst zu wachsen, sich zu verändern und die Verantwortung für seine Entscheidungen zu übernehmen.

UMGANG MIT DER ANGST

Ich hatte mein ganzes Leben viele Probleme

und Sorgen. Die meisten von ihnen sind

aber niemals eingetreten.

MARK TWAIN

Angst ist ein Gefühl, das wichtig und richtig ist. Es hat uns im Laufe der Evolution das Überleben gesichert. Wer sich vor einem wilden Bären nicht gefürchtet hat, wurde gefressen. Problematisch ist es, wenn Sie sich im gleichen Ausmaß vor einer Maus fürchten. Es ist nicht angemessen, angesichts des kleinen Tierchens auf dieselbe Art zu reagieren. Um mit dieser Angst umzugehen, müssen Sie Ihren Verstand einschalten. Überlegen Sie, ob der Gedanke, der hinter dem Angstgefühl steht, realistisch ist. Suchen Sie gezielt nach Lösungen, sollte der von Ihnen befürchtete Fall doch einmal eintreten.

LOSLASSEN BEDEUTET, ENTSCHEIDUNGEN ZU TREFFEN

Sie werden im Prozess des Ausmistens und Minimalisierens immer und immer wieder die gleiche Entscheidung treffen müssen: »Behalten oder weggeben?« Wenn Sie bei jedem Gegenstand hin und herüberlegen, kommen Sie nicht vorwärts. Sie verlieren nur Ihre Energie, denn zu entscheiden, ist in der Tat meistens anstrengend.

Ich werde oft gefragt »Woher soll ich wissen, dass ich diesen Gegenstand nicht wieder brauchen werde?« oder »Was ist, wenn ich es später bereuen werde, ihn weggegeben zu haben?«

Sie können es nicht wissen! Woher sollen Sie wissen, in welche Situation Sie in Ihrem Leben kommen werden? Gewöhnen Sie sich daran, dass Sie die Zukunft nicht vorhersagen können. Was wäre die Alternative? Sie können natürlich alles weiterhin behalten. Okay, dann bleibt halt alles so, wie es war. Es fühlt sich nicht gut an, oder?

Um loslassen zu lernen, dürfen Sie lernen zu vertrauen. Vertrauen Sie darauf, dass Sie keinen Mangel erleiden werden, wenn Sie sich von einem Teil Ihres Besitzes trennen. Vertrauen Sie darauf, dass Sie für jede Situation eine Lösung finden werden. Vertrauen Sie darauf, dass das Leben es gut mit Ihnen meint.

Loslassen kann man erlernen und üben. Fangen Sie mit Kleinigkeiten an, und steigern Sie nach und nach Ihre Entscheidungs- und Loslassfähigkeit.

INS TUN KOMMEN

BEANTWORTEN SIE FOLGENDE FRAGEN.

•Was möchten Sie loslassen?

•Wozu? Was wollen Sie damit erreichen?

•Welche Vorteile, welchen Nutzen hat der jetzige Zustand für Sie?

•Was hindert Sie daran, loszulassen?

•Welche Nachteile befürchten Sie?

•Welche Überzeugungen und Glaubenssätze stecken dahinter?

•Was ist das Schlimmste, das passieren kann?

•Wie wahrscheinlich ist es, dass das Befürchtete passiert?

•Falls der unerwünschte Fall eintreten sollte – würde es Ihr Leben zerstören?

•Wie könnten Sie mit der Situation fertigwerden?

•Welche Alternativen gibt es, was könnten Sie tun, wer würde Ihnen helfen?

ÜBERPRÜFEN SIE NUN IHRE GEFÜHLE.

Falls Sie immer noch negative Emotionen in Bezug auf den Wunsch, loszulassen, verspüren, untersuchen Sie erneut Ihre Bedenken und Argumente und suchen Sie nach weiteren Lösungsvorschlägen.

Wiederholen Sie die Schleife so lange, bis die positiven Gefühle überwiegen.

Lesen Sie dazu auch »Wie man sich selbst motivieren kann« (Seite 273).

WIE VIEL ORDNUNG BRAUCHEN SIE?

Mein jüngster Kunde, Tim, war fünfzehn Jahre alt. Er liebte Autos, spielte wunderbar Klavier und las viele Bücher. Nach der Einschulung hatte ein Arzt bei ihm ADHS diagnostiziert und ihm Ritalin verschrieben.

Tims Mutter war eine lebhafte, intelligente Frau mit zahlreichen Interessen. Sie war ziemlich chaotisch, und in ihrem Büro herrschte ein Riesen-Durcheinander. Da man in ihrer Jugendzeit noch nicht wusste, dass es eine Krankheit namens ADHS gibt, hatte man sie einfach für eine kreative Person mit sprunghafter Natur gehalten. Als bei ihr das Chaos zu groß wurde, nahm sie keine Medikamente, sondern engagierte einen Aufräumcoach – mich.

Wir räumten einige Tage, und ich schaffte für Sie eine übersichtliche Struktur, die ihr half, den Überblick zu behalten. Während wir mit Sortieren und Ausmisten beschäftigt waren, schwirrte ihr Sohn um uns herum und beobachtete genau, was ich tat. Einige Wochen später, es war Anfang Dezember, fragte ihn die Mutter, was er sich zu Weihnachten wünsche. »Mama«, antwortete er, »ich habe doch alles. Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass Katharina kommt und mit mir mein Zimmer aufräumt.«

Zu Beginn einer Aufräumaktion stelle ich meinen Kundinnen und Kunden einige Fragen: »Was ist Ihr Problem, was ist Ihr Wunsch, und wie möchten Sie, dass es hier ausschaut, wenn wir fertig sind?« Tim hatte auf alles eine klare Antwort. »Ich suche ständig mein Handy und meinen Geldbeutel«, war eines seiner Themen. »Egal, was ich mache, ich kann mir nie merken, wo ich die Dinge hingelegt habe.« Da ich von seiner Vorliebe für Autos wusste, fragte ich ihn, wo sein Vater das Auto parke, wenn er von der Arbeit nach Hause komme. »Hier, vor unserem Haus, auf seinem Parkplatz.« – »Und parkt er manchmal auch woanders, an der Straße beispielsweise oder dort, bei dem Haus gegenüber?« – »Nein, nie, immer hier, immer auf seinem Parkplatz.« – »Okay, was wäre, wenn wir für dein Handy und deinen Geldbeutel auch einen Parkplatz hätten, beispielsweise hier, rechts auf dem Schreibtisch.« – »Das wäre cool«, lächelte er. Wir räumten den Schreibtisch leer und wiesen eine Fläche von 10 mal 15 Zentimeter als Parkplatz für Handy und Geldbeutel aus. »Und jetzt musst du dir Folgendes merken: Immer, wenn du nach Hause kommst, stellst du deine Sachen auf den richtigen Parkplatz. Und der wird dafür freigehalten, wie Vaters Parkplatz vor dem Haus. Ist das klar?« – »Logo, ich bin doch nicht dumm!« Und so räumten wir das Zimmer um, wiesen Parkplätze aus und vereinbarten klare Regeln.

Ich war sehr gespannt, ob der Junge in der Lage sein würde, die Ordnung zu halten. Zwei Monate später rief ich ihn an. Es war ein sehr kurzes Gespräch. »Hallo Tim, hier ist Katharina, wie geht es dir?« – »Gut.« – »Was machen die Parkplätze?« – »Alle noch da.« – »Und machst du es auch, ich meine, die Sachen immer dort zu parken, wo sie hingehören?« – »Ja klar, hast du doch gesagt!«

Nach diesem Gespräch habe ich ein wenig geweint. Weil wir für das ganze Zimmer nur zwei Stunden gebraucht haben. Weil es so einfach war. Und weil es so viele Kinder gibt, die statt Unterstützung nur Schimpfe oder Medikamente bekommen. Die gute Nachricht ist: Wenn Tim es geschafft hat, schaffen Sie es auch.

EIN EIGENES BILD VON ORDNUNG ENTWICKELN

Wenn es um Unordnung und Chaos in unseren vier Wänden geht, hilft uns keine Definition aus der Physik oder aus der griechischen Mythologie. Denn jeder Mensch hat andere Bedürfnisse und seine eigene Vorstellung von Ordnung.

Meine Definition von Ordnung ist sehr simpel: Ordnung ist dann, wenn sich alles an seinem Platz befindet. Wenn ich alles, was ich benötige, sofort finde. Wenn ich nur so viel besitze, wie ich auch brauche, und wenn meine Sachen mir dienen und nicht umgekehrt. Oder, wie Pablo Picasso es ausgedrückt hat: »Ich suche nicht – ich finde.«

INS TUN KOMMEN

Nehmen Sie sich ein Blatt Papier, Stift und etwa 15 bis 30 Minuten Zeit. Schreiben Sie auf, wie Ihre Räume idealerweise ausschauen würden, wenn dort die gewünschte Ordnung wäre. Beschreiben Sie es ganz konkret. Beispielsweise so: Die Hundeleine hängt auf dem Haken neben der Tür. Der Boden ist frei von Kleidungsstücken. Auf dem Esstisch stehen nur eine Kerze und eine Blumenvase. Auf meinem Nachtkästchen befinden sich ein Buch und meine Handcreme. Die Lebensmittel im Vorratsschrank sind in sinnvolle Kategorien aufgeteilt. Das Spielzeug befindet sich in den dafür vorgesehenen Behältern (…). Je klarer Ihre Vorstellung vom gewünschten Ergebnis ist, desto leichter lässt sie sich realisieren.

Fragen Sie sich während des Schreibens nicht, wie Sie es schaffen sollen. Gedanken wie »Schön wäre es, geht aber nicht, weil …« schieben Sie vorerst zur Seite. Zu den Hindernissen kommen wir später. In diesem Schritt stellen Sie sich einfach vor, dass Ihnen eine gute Fee alle diese Wünsche erfüllen will. Malen Sie sich die schönsten Bilder von einer Ordnung, wie Sie sie haben möchten, aus.

Lassen Sie auch alle Familienmitglieder jeweils eigene Listen erstellen und vergleichen Sie sie untereinander. Wenn Ihre Vorstellungen zu sehr auseinanderliegen, müssen Sie gemeinsam eine Lösung finden.

Mehr dazu finden Sie im Kapitel »Bedürfnisse richtig kommunizieren« (Seite 261).

WEGWERFEN ODER BEHALTEN?

»Ich habe zu viel Zeug, aber ich weiß nicht, was ich wegwerfen soll. Irgendwie kann ich alles brauchen. Was soll ich behalten, und was soll weg?«, das ist eine der mir am häufigsten gestellten Fragen.

Ganz einfach: Behalten Sie Ihre Schätze und werfen Sie den Ballast weg. Dazu müssen Sie lernen, Ballast und Schatz voneinander zu unterscheiden.

BALLAST IST LAST

Viele Gegenstände verlangen nach bewusster oder unbewusster Aufmerksamkeit: Fünf Kisten mit Fotos, die sortiert und eingeklebt werden müssen, das kaputte Regal, das seit drei Jahren repariert werden soll, die Handarbeit, die fertiggestellt werden möchte, die Bücher, die wir endlich lesen wollen. Und dann gibt es noch die Sportgeräte, die uns an unser Vorhaben erinnern, endlich etwas für die Fitness zu tun, die Musikinstrumente, die wir spielen lernen wollten, und die Kleidung, die nicht mehr passt. Das alles ist Ballast, und Ballast ist Last.

Sind Sie schon einmal mit dem Rucksack auf dem Rücken mehrere Wochen gewandert? Oder mit dem Fahrrad in den Urlaub gefahren? Ich mache beides regelmäßig, und ich kann Ihnen versichern, dass Sie dabei sehr schnell lernen, Ballast zu identifizieren. Oberhalb von 5000 Metern ist die Luft sehr dünn, und ein Zwölf-Kilo-Rucksack wiegt gefühlt einen Zentner. Und wer eine über 2000 Kilometer lange Radstrecke vor sich hat, überlegt ganz genau, was er in die Satteltaschen packt.

Die eigentliche Lektion beginnt aber erst nach der Rückkehr. Der Kleiderschrank erscheint einem plötzlich überdimensional groß, und die Auswahl an Kleidung überfordert. In der Küche fragt man sich »Wie viele Messer brauche ich, um etwas Vernünftiges zu kochen, und wozu sind die anderen Küchenhelfer da?«

Im Bad erwartet einen das gleiche Bild: So viele Flaschen, Tiegel, Tuben … Und die Pröbchen. Apropos Pröbchen: Das sind diese Mini-Verpackungen mit Shampoo, Duschgel, Cremes und anderen Produkten, die man ewig lang aufbewahrt unter dem Motto »Für den Urlaub oder die Sauna ist es die perfekte Größe.« Und dann füllt man sich doch etwas von eigenen Pflegemitteln ab, während die kleinen im Bad vor sich hingammeln.

Mich hat vor ein paar Jahren eine Apothekerin von weiterem Pröbchen-Sammeln geheilt. Als ich damals ein Medikament abgeholt habe, schob sie ein kleines Fläschchen über die Theke. »Ein Pröbchen für Sie, Öl gegen Schwangerschaftstreifen.« Ich schaute auf meinen Bauch. »Das ist Fett«, teilte ich der Dame mit. »Ich bin über fünfzig, bei mir ist die Familienplanung abgeschlossen.« Leicht verlegen nahm sie das Öl zurück und gab mir stattdessen eine kleine Tube. Erst zuhause las ich, was es war: eine Schrundensalbe.

Ballast ist alles, was Sie nicht brauchen, nicht mögen oder auch wovon Sie zu viel besitzen. Kleider und Schuhe, die Ihnen nicht passen, nicht ihrem Stil entsprechen, unbequem oder abgenutzt sind.

Was nicht richtig funktioniert oder was Sie nicht bedienen können, ist genauso überflüssig wie die alte Kaffeemaschine und der dritte Toaster im Keller.

Bewahren Sie alte Zeitschriften oder Zeitungen auf? Entweder, weil Sie sie noch lesen möchten, oder weil sich dort vermeintlich eine wichtige Information verbirgt? Und haben Sie im Bedarfsfall diese Information schon mal gefunden? Vermutlich nicht. Alles, was man aufhebt, aber nicht nutzt, ist Ballast und sollte entsorgt werden.

Was ist mit Unterlagen aus der Schul- und Studienzeit sowie diversen Fortbildungen? Liegen sie bei Ihnen auch irgendwo herum? Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal dort etwas nachgeschaut? Sind diese Informationen überhaupt noch aktuell? Oder werden Sie sentimental, wenn Sie ihr altes Matheheft betrachten? Wenn nicht, ab damit ins Altpapier.

»Viele Grüße aus dem Urlaub. Die Sonne ist heiß, das Bier ist kalt, das Essen ist gut und günstig.« Das sind die üblichen Texte auf vielen Postkarten. Dass im Urlaub an Sie gedacht wurde, ist schön, es bedeutet aber nicht, dass Sie die Karten aufheben müssen. »Lesen, sich freuen und zeitnah entsorgen«, lautet meine Empfehlung.

Souvenir, Souvenir. Muscheln und Steine am Meer sammeln – wer von Ihnen macht das nicht gerne? Zuhause werden sie dann in eine Schale oder in eine Schachtel gelegt, zu den Steinen und Muscheln vom Vorjahr. Mit Souvenirs wollen wir meistens das Urlaubsgefühl konservieren, uns an die schöne Zeit erinnern. Geblendet von der Sonne und vom Charme des Straßenverkäufers kaufen wir Schnitzereien, Keramikfiguren, Schneekugeln und Tassen mit Motiven, die meisten »Made in China«. Wir stellen die Trophäen in die Regale oder hängen sie an die Wand, wo sie zu gruseligen Staubfängern werden. Die schlabberige Fischerhose ist genauso peinlich wie die T-Shirts mit »I love NY«- oder »I was drunk in Liverpool«-Aufdruck oder die bunten Kopfbedeckungen der einheimischen Bevölkerung am Urlaubsort. Entfernen Sie solche Souvenirs des Grauens, Sie werden sie nicht vermissen.