3,99 €
Étienne de La Boëtie wurde mit dieser Schrift aus dem 16. Jahrhundert zentraler Wegbereiter heutiger Theorien der individuellen Freiheit. »Dieser Essay verkündigt, was in anderen Sprachen später Godwin und Stirner und Proudhon und Bakunin und Tolstoi sagen werden: In euch sitzt es, es ist nicht draußen; ihr selbst seid es; die Menschen sollen nicht durch Herrschaft gebunden sein, sondern als Brüder verbunden. Ohne Herrschaft; An-Archie.« - Gustav Landauer
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 39
Veröffentlichungsjahr: 2013
Étienne de La Boëtie
Von der freiwilligen
Knechtschaft
Ein Essay
Aus dem Französischen von
Gustav Landauer
Books on Demand
Vorwort des Übersetzers
Feigheit
Von der Freiheit und Trägheit eines Volkes
Über die Natur des Menschen
Drei Arten von Tyrannen
Über die Ursachen freiwilliger Knechtschaft
Wurzeln der Herrschaft
Étienne de La Boëtie hat von 1530 bis 1563 gelebt; die vorliegende Schrift ist vor dem Jahr 1550 von ihm verfaßt worden, vor mehr als 360 Jahren also. Sie kursierte schon bei Lebzeiten des jungen Verfassers, der in seiner Verborgenheit blieb, in Abschriften; eine solche Abschrift kam in die Hände Michel Montaignes, der darum seine Bekanntschaft suchte und sein Freund wurde. Den revolutionären Republikanern, die in den nächsten Jahrzehnten in England, den Niederlanden und Frankreich gegen den Absolutismus kämpften und die man die Monarchomachen nennt, muß die Schrift wohl bekannt gewesen sein. Aus dem Kreise dieser französischen Revolutionäre des 16. Jahrhunderts heraus ist sie auch zuerst gedruckt worden – gegen Montaignes Willen, dessen widerspruchsvolle Äußerungen auf seine behutsame Vorsicht zurückzuführen sind. Diese Herausgeber gaben der Schrift den treffenden Namen »Le Contr’un«, der sich nicht ins Deutsche übersetzen läßt; den Sinn würde wiedergeben die Fremdwörterübersetzung: Der Anti-Monos, wobei unter Monos eben der Eine, der Monarch zu verstehen wäre, als dessen grundsätzlicher Gegner der Verfasser auftritt. Später ist die Abhandlung dann doch von den Herausgebern von Montaignes Essays anhangsweise dem Essay über die Freundschaft, der zu großem Teil Étienne de La Boëtie gewidmet ist, beigegeben, aber immer nur als eine Art literarisches Kuriosum betrachtet worden, bis in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Lamennais die politische Bedeutsamkeit der grundlegenden Schrift erkannte. Näheres über den Zusammenhang, in den diese einzige Erscheinung gehört, habe ich in meinem Buche »Die Revolution« gesagt.
Gustav Landauer
»Mehreren Herren untertan sein, dieses find’ ich schlimm gar sehr, nur ein einziger sei Herrscher, einer König und nicht mehr«, so sagt Ulysses bei Homer vor versammeltem Volke. Hätte er nur gesagt: »Mehreren Herren untertan sein, dieses find’ ich schlimm gar sehr«, so wäre das eine überaus treffliche Rede gewesen; aber anstatt daß er, wenn er mit Vernunft reden wollte, gesagt hätte, die Herrschaft von mehreren könnte nichts taugen, weil schon die Gewalt eines einzigen, sowie er sich als Herr gebärdet, hart und unvernünftig ist, fuhr er gerade umgekehrt fort: »Nur ein einziger sei Herrscher, einer König und nicht mehr.«
Immerhin jedoch kann Ulysses entschuldigt werden; etwa mußte er diese Sprache führen und sie klüglich benutzen, um die Empörung des Kriegsvolks zu sänftigen; mich dünkt, er hat seine Rede mehr den Umständen als der Wahrheit angepaßt. Um aber in guter Wahrheit zu reden, so ist es ein gewaltiges Unglück, einem Herrn untertan zu sein, von dem man nie sicher sein kann, ob er gut ist, weil es immer in seiner Gewalt steht, schlecht zu sein, wenn ihn das Gelüste anwandelt; und gar mehrere Herren zu haben, ist gerade so, als ob man mehrfachen Grund hätte, gewaltig unglücklich zu sein. Gewißlich will ich zur Stunde nicht die Frage erörtern, die schon mehr als genug abgedroschen ist; ob nämlich die andern Arten der Republiken besser seien als die Monarchie. Wenn ich darauf kommen wollte, dann müsste ich, ehe ich ausforschte, welchen Rang die Monarchie unter den Republiken haben soll, erst ausmachen, ob sie überall einen haben darf, denn es ist schwerlich zu glauben, daß es in dieser Form der Regierung, wo alles Einem gehört, irgendwas von gemeinem Wesen gebe. Aber diese Frage bleibe einer andern Zeit überlassen und müßte wohl in einer sonderlichen Abhandlung geprüft werden wobei ich freilich fürchte, daß die politischen Streitigkeiten alle miteinander aufs Tapet kämen.
Für dieses Mal will ich nur untersuchen, ob es möglich sei und wie es sein könne, daß so viele Menschen, so viele Dörfer, so viele Städte, so viele Nationen sich manches Mal einen einzigen Tyrannen gefallen lassen, der weiter keine Gewalt hat, als die, welche man ihm gibt; der nur soviel Macht hat, ihnen zu schaden, wie sie aushalten wollen; der ihnen gar kein Übel antun könnte, wenn sie es nicht lieber dulden als sich ihm widersetzen möchten. Es ist sicher wunderbar und doch wieder so gewöhnlich, daß es einem mehr zum Leid als zum Staunen sein muß, wenn man Millionen über Millionen von Menschen als elende Knechte und mit dem Nacken unterm Joch gewahren muß, als welche dabei aber nicht durch eine größere Stärke bezwungen, sondern (scheint es) lediglich bezaubert und verhext sind von dem bloßen Namen des EINEN