Vorbild: David Carr - Patrick Bahners - E-Book

Vorbild: David Carr E-Book

Patrick Bahners

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Beschreibung

Mit seiner "Geschichte über Aufrichtigkeit im Journalismus" liefert Patrick Bahners nicht nur ein eindringliches Porträt von David Carr, dem berühmten und viel zu früh verstorbenen Journalisten der New York Times. Es porträtiert darin gleichzeitig eine sich rapide verändernde Zeitungs- und Medienlandschaft und zeigt, dass und wie Qualitätsjournalismus insofern unweigerlich selbstreflexiv ist, als der Gegenstand des Mediums immer auch das Medium selbst ist, ohne allerdings deswegen zwangsläufig nur selbstbezüglich zu sein.

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Seitenzahl: 26

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Inhalt

Patrick BahnersVorbild: David CarrEine Geschichte über Aufrichtigkeit im Journalismus

Der Autor

Impressum

Patrick BahnersVorbild: David CarrEine Geschichte über Aufrichtigkeit im Journalismus

I

David Carr starb am 12. Februar 2015. Bei der Arbeit. An seinem Arbeitsplatz, einem Schreibtisch im Redaktionsgebäude der New York Times, brach er gegen neun Uhr abends zusammen. Vorher hatte er im Auftrag seines Arbeitgebers eine Diskussion mit drei Pionieren der Aufklärung des Skandals um die illegale Ausforschung der Amerikaner durch die National Security Agency moderiert, Laura Poitras, Glenn Greenwald und dem aus Moskau zugeschalteten Edward Snowden. Carr wurde 58 Jahre alt. Er hatte seit 2002 für die New York Times gearbeitet. Seit 2006 hatte immer montags seine Kolumne »The Media Equation« im Blatt gestanden, mit deren Lektüre nicht nur für Branchenkollegen die Arbeitswoche begann – in einer Zeit, in der die Wiederkehr solcher festen Termine, das Tägliche am Journalismus den Medienkonsum weniger und weniger bestimmt. Nachrichten werden sieben Tage in der Woche verbreitet und 24 Stunden am Tag.

Das private Weiterverbreiten von Nachrichten, die ursprünglich von Berufsjournalisten produziert werden, findet heute öffentlich statt. Für einzelne Journalisten, die sich unters digitale Volk mischen, kann aus diesem Medienwandel eine neue Form von Prominenz erwachsen. Gleichzeitig begegnet ihnen im Getümmel der Abschreiber, Verknüpfer und Zuspitzer, die als Privatleute die elementaren Operationen der Medien vornehmen, täglich die Frage, ob sie mit ihrem persönlichen Engagement in den sogenannten sozialen Netzwerken nicht an der Abschaffung ihrer Berufsarbeit mitarbeiten. Es können Kollegen sein, die diese Frage aufwerfen. Oder Bürger, die sich durch jegliche Neuigkeit in Wut versetzen lassen, aber unbesorgt die Aussicht betrachten, dass die Presse von der Bildfläche verschwinden könnte. Doch den Tipp oder den Denkanstoß, auf den die ergiebige Reportage und der überraschende Leitartikel typischerweise zurückgehen, benötigt der Journalist gar nicht, der ohne Honorar Texteinheiten in Länge von höchstens 280 Zeichen absetzt, um auf den Gedanken an die Endlichkeit seiner Arbeitswelt zu kommen.

Im Augenblick seines Todes hatte David Carr bei Twitter 469 000 Gefolgsleute akkumuliert. Zum Vergleich: Die gedruckte Auflage der Wochentagsausgabe der New York Times lag in Carrs Todesjahr bei 625 951 Exemplaren und ist seitdem auf 571 500 gesunken. Die Todesnachricht verbreitete sich auf Twitter in Wirbelwindeseile. Nachrufe sind ein journalistisches Produkt, das besonders schnell hergestellt werden muss und deshalb gewöhnlich vorgefertigt wird. In diesem Fall war niemand vorbereitet. Spontan ergoss sich die Trauer der Kollegen, um bei Twitter und jenseits von Twitter zu zirkulieren. Der Journalismus sieht sich, zumal in den Vereinigten Staaten, als ein Gewerbe für harte Burschen. Zur Zunftfolklore gehört kompensatorisch die Sentimentalität. Journalisten leben von Anekdoten und werden mit ihnen beerdigt. Ein plötzlicher Tod ist immer ein Schock. Aber diese Umstände genügen nicht, um die Intensität der Trauer um Carr zu erklären. Es muss etwas Besonderes daran gewesen sein, wie er seinen Beruf praktizierte. Was war das?