Wachstumsstrategien für Familienunternehmen - Joachim Schwass - E-Book

Wachstumsstrategien für Familienunternehmen E-Book

Joachim Schwass

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Beschreibung

Das Familienunternehmen ist zweifellos die älteste Betriebsform. Allerdings ist es nicht zwingend ein Erfolgsmodell: Die meisten Familienunternehmen scheitern in der zweiten oder dritten Generation. Fehler werden besonders beim Übergang vom "Senior" auf den "Junior" gemacht. Wer in Familienunternehmen und mit Familienunternehmen arbeitet, muss die charakteristischen Schwachpunkte kennen und verstehen, um sie rechtzeitig bekämpfen zu können - bevor sie sich zu einer Krise auswachsen. Dies ist zugleich die große Barriere, die überwunden werden muss. Wenn man versucht, die Aufmerksamkeit zum ersten Mal auf die besonderen Bedürfnisse von Familienunternehmen zu lenken, muss man beachten: Die große Mehrheit der Eigentümer und Manager von Familienbetrieben fühlt sich äußerst unwohl bei dem Gedanken, die Beziehungen zwischen Familie und Unternehmen aufzudecken und analysieren zu lassen. Dr. Joachim Schwass stellt herausragende Familienunternehmen vor und zeigt auf, mit welchem Erfolg sie geführt werden, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämfen hatten und wie sie diese mit aktiver Planung beseitigen konnten.

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Seitenzahl: 296

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Joachim Schwass

Wachstumsstrategien für Familienunternehmen

Joachim Schwass

Wachstumsstrategien für Familienunternehmen

In der Praxis getestete Langfristansätze

Aus dem Amerikanischen von Almuth Braun

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

2. Auflage 2014

© 2007 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Original edition copyright © 2005, by Joachim Schwass.

All rights reserved.

First published in English by Palgrave Macmillan, a Division of Macmillan Publishers Limited under the title Wise Growth Strategies in Leading family Business by Joachim Schwass. This edition has been translated and published under licence from Palgrave Macmillan. The Author has asserted his right to be identified as the author of this Work.

German edition copyright © 2007 by FinanzBuch Verlag. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Gesamtbearbeitung: Druckerei Joh. Walch, Augsburg

Übersetzung: Almuth Braun

Lektorat: Nicole Luzar

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-89879-357-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-679-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-680-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de

eBook by ePubMATIC.com

Für Nina, Alex, Fred und Max

Inhalt

Liste der Tabellen und Abbildungen

Geleitwort

Ein Interview mit Peter Lorange, President von IMD

Eine einzigartige Auszeichnung

Thierry Lombard, Lombard Odier Darier Hentsch

Vorwort

Danksagung

Einleitung

Kapitel 1Kurzdarstellung der mit dem Distinguished Family Business Award ausgezeichneten Familienunternehmen

Lego

Hermès

Corporación Puig

Henkel

Zegna

Murugappa

Samuel C. Johnson Family Enterprises

Bonnier

Barilla

Kapitel 2Gefahren für das Überleben von Familienunternehmen über viele Generationen

Die drei Archetypen an Familienunternehmen

Ist die Familie eine Gefahr für das Überleben des Unternehmens?

Die größte Gefahr: der Generationswechsel

Was bedeutet das für den Unternehmensführer der Folgegeneration?

Das Risiko des Scheiterns ist sehr real

Welches sind die wahren Herausforderungen für Unternehmensführer der nächsten Generation?

Kapitel 3Die Führungsherausforderungen in Familienunternehmen verstehen

Was will die jeweils andere Generation?

Was sagen uns diese Empfehlungen?

Die Veränderungsinitiative

Generationswechsel bedeutet Evolution, nicht Revolution

Die Führungsphasenmatrix

Kapitel 4Die Strategie des klugen Wachstums

Wer möchte Wachsen?

Die Bedeutung der Erfahrung

Wachstum als Individuum

Kluges Wachstum: Wachstum der eigenen Rolle im Unternehmen

Der Prozess der Visionsentwicklung

Die Veränderung der Führungsrolle

Kluges Wachstum: Wachstum des Unternehmens

Die Planung eines klugen Wachstums

Kapitel 5Schlussfolgerung

Anhang A: Das Familienunternehmen – ein wichtiges aufstrebendes Forschungsgebiet

Anhang B: Der Distinguished Family Business Award für Familienunternehmen

Anhang C: Artikel über die neun mit dem Distinguished Family Business Award ausgezeichneten Familienunternehmen

Lego

Hermès

Corporación Puig

Henkel

Zegna

Murugappa

Samuel C. Johnson Family Enterprises

Bonnier

Barilla

Literaturhinweise

Liste der Tabellen und Abbildungen

Tabellen

2.1Familie: Chance und Gefahr für das Unternehmen

3.1Die Herausforderungen für den Nachfolger nach Interessensebenen in der „Do“-Phase

3.2Die Herausforderungen für den Nachfolger nach Interessensebenen in der „Lead to do“-Phase

3.3Die Herausforderungen für den Nachfolger nach Interessensebenen in der „Let do“-Phase

3.4Die Führungsphasenmatrix

3.5Die Interessensebenen der Stakeholder nach ihrer Zielsetzung

4.1Wachstumsstrategien im Verlauf der Generationen: Henkel

4.2Wachstumsstrategien im Verlauf der Generationen: Bonnier

4.3Wachstumsstrategien im Verlauf der Generationen: Zegna

4.4Zegna: Geschäftswachstumsstrategie über vier Generationen

A.1 Kompassmanagement: ein Prozess der veränderten Einstellungen und Verhaltensweisen

A.2 Barilla-Gruppe: Umsätze und EBITDA nach Tochtergesellschaft im Jahr 2003

Abbildungen

3.1Führungslebenszyklen über Generationen

4.1Strategie des klugen Wachstums: Wachstum als Individuum

4.2Strategie des klugen Wachstums: Wachstum der eigenen Rolle im Unternehmen

4.3Strategie des klugen Wachstums: Wachstum des Unternehmens

Geleitwort

Ein Interview mit Peter Lorange, President von IMD (International Institute for Management Development)

Joachim Schwass [JS]: Warum unterstützt das IMD eine spezielle Auszeichnung für Familienunternehmen?

Peter Lorange [PL]: Der Hauptgrund besteht darin, dass Familienunternehmen ein sehr wichtiger Bestandteil der Wertgenerierungsgleichung und des Wachstums einer Gesellschaft sind, weil sie Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Familienunternehmen bringen außerdem mehr Dynamik in die Gesellschaft. Unsere Forschung bei IMD zeigt, dass Unternehmen, die sich im Familienbesitz befinden, die Performance von börsennotierten Unternehmen oft weit übertreffen. Wir glauben, dass Familienunternehmen ein lebenswichtiger Bereich sind – daher der Distinguished Family Business Award. Das Problem bei Familienunternehmen ist, dass sie oft nur wenig Feedback erhalten – im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen, die in Form von Analystenberichten vom Markt Rückmeldung bekommen. In einem börsennotierten Unternehmen freuen Sie sich, wenn sich Ihre Aktien gut entwickeln oder wenn sich Investoren beteiligen wollen; bei einem Familienunternehmen gibt es so etwas nicht. Außerdem führen die internen Strukturen eines Familienunternehmens dazu, dass der Feedbackmechanismus – zum Beispiel was die Performance anbetrifft – ein wenig verworren ist. Brillante Nachwuchsführungskräfte bekommen im Vorstand beziehungsweise im Managementteam des Familienunternehmens oft zu hören, sie seien mit dem silbernen Löffel im Mund geboren; ihre Stärken, egal welcher Art, werden oft nicht richtig gewürdigt, weil ihnen unterstellt wird, sie seien in den Job hineingeboren. Ein Führungsnachfolger muss unter Umständen also mit einem gewissen „Anti“-Feedback rechnen, egal, was er oder sie unternimmt. Und etwas Ähnliches geschieht mit Hinblick auf die Anerkennung, die Familienunternehmen von außen erfahren. Daher ist es wichtig, dass wir durch unsere Auszeichnung der Welt die Best Practices von Familienunternehmen nahe bringen. Das ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Forschungsagenda, unseres institutionellen Wertekatalogs und Selbstbekenntnisses.

JS: Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Familienunternehmen?

PL: Ich denke, da gibt es mehrere. Der Faktor, auf den sich die Forschung hauptsächlich konzentriert, ist die Führungsnachfolge und alle damit zusammenhängenden Probleme – zum Beispiel, dass beim Generationenwechsel die Interessen der Familie, des Unternehmens und aller Mitarbeiter möglichst harmonisch aufeinander abgestimmt werden. Eine Disharmonie könnte dazu führen, dass Energien verschwendet werden, die Unternehmensperformance sinkt und das Vermögen der Familie geschmälert wird. Es gibt aber noch zwei weitere Faktoren, die beide mit dem Wachstum des Unternehmens an sich zu tun haben: die Silobildung innerhalb der Familienmitglieder und die Silobildung innerhalb der übrigen Mitarbeiter. Man könnte argumentieren, dass sie nicht unbedingt in direktem Zusammenhang mit Familienunternehmen stehen, denn in vielen Organisationen kommt es zur Silobildung, aber in Familienunternehmen können sich besonders unangenehme Silotendenzen herausbilden. Ein Sohn sagt zum Beispiel, er möchte einen bestimmten Geschäftsbereich selbst führen und müsse vor dem Rest der Familie geschützt werden, da seine Geschwister, Cousinen, Onkel und Tanten Schwierigkeiten machen könnten und er daher sein eigenes kleines Fürstentum bilden müsse. Wenn mehrere solcher Ansprüche laut werden, kommt es zur Silobildung. Darüber hinaus kann dies zur Silobildung bei den familienfremden Mitgliedern des Managementteams führen, da sie sich an diesen Familienmitgliedern orientieren. Ich habe so etwas schon oft erlebt, und das ist die Antithese von Wachstum. Es ist wesentlich schwerer zu wachsen, wenn Familienmitglieder alle wichtigen Positionen im Unternehmen besetzen. Die Kultur lautet: „Bleib weg von meinem Hoheitsgebiet, das ist mein Claim.“ Diese Haltung findet man zwar in allen Unternehmen, aber in Familienunternehmen ist sie wesentlich ausgeprägter. Der zweite Erfolgsfaktor wäre also die Vermeidung von Silos in Familienunternehmen.

Ein dritter Faktor hat mit der Rolle des internen Entrepreneurs im Familienunternehmen zu tun. Untersuchungen von Professor Chakravarthy und mir heben die Rolle des internen Entrepreneurs in größeren Unternehmen hervor. Wenn es darum geht, das Wachstum voranzutreiben, dann sind es diese internen Entrepreneure, die mit großem Elan daran arbeiten, Dinge umzusetzen. Oft werden sie von einem Topmanager protegiert, der sie gegen übermäßige Attacken seitens der Unternehmensbürokraten abschirmt. Das Problem in Familienunternehmen ist, dass dieser Prozess oft auf Abwege gerät. Die Familienmitglieder wollen die maßgeblichen Entscheidungen selbst treffen. Sie wollen in alle unternehmerischen Aktivitäten involviert werden, die sich direkt auf ihre „Brieftasche“ auswirken, da es ihr Geld und ihr Unternehmen ist. Ich habe das selbst mit meinem eigenen Transportunternehmen erlebt, das mir zu 100 Prozent gehört. Ich will die unternehmerischen Investitionsentscheidungen selbst treffen. Ich will nicht, dass mein Hauptgeschäftsführer das macht – es ist schließlich mein Geld. Und genau das ist das Problem. Letzten Endes findet man in vielen Familienunternehmen einen geringen unternehmerischen Antrieb, weil es für den Einzelnen keinen Anreiz gibt, zum internen Entrepreneur zu werden. Er oder sie weiß, dass das gegen die Werte des Familienunternehmens verstößt.

JS: Ist dies ein potenzieller Wettbewerbsnachteil für Familienunternehmen?

PL: Ich denke ja, denn alle drei Punkte, die ich hier genannt habe, können zum Scheitern führen. Besonders oft erlebe ich schlecht geplante Führungsnachfolgen. Ein börsennotiertes Unternehmen tut sich damit leichter.

JS: Woran liegt das?

PL: In einem börsennotierten Unternehmen bestimmt der Board die übergeordnete Führungsstruktur. Die Mitglieder des Boards werden gewählt; Eigentümerschaft und Unternehmensführung sind nicht so stark ineinander verflochten. In einem Familienunternehmen sind die Unternehmensführer oder Board-Mitglieder gleichzeitig auch die Eigentümer des Unternehmens. Sie können aus familiären Gründen nicht entlassen werden. Das ist ein potenzieller Nachteil für die Familie, den Governance-Prozess und den Nachfolgeprozess gleichermaßen. Ein weiterer Nachteil können die zuvor erwähnten Silos sein, und der dritte Nachteil ist der Mangel an Entrepreneuren. Demgegenüber bestehen die charakteristischen Vorteile von Familienunternehmen in ihrer langfristigen Perspektive, der Investitionsbereitschaft in langfristige Nutzen, der Beharrlichkeit und dem Durchhaltevermögen, der Fähigkeit, Stabilität zu wahren und Stakeholder bei der Stange zu halten.

JS: Was können börsennotierte Unternehmen von Familienunternehmen lernen?

PL: Ich denke, das größte Problem ist, zwischen lang- und kurzfristigen Zielen zu entscheiden und eine gute Balance zwischen beiden zu erzielen. Börsennotierte Unternehmen können da eine Menge lernen, denn sie sind zweifellos sehr kurzfristig orientiert: Wachstum und Bruttogewinn sind das A und O. Um Wert zu generieren – auch für die Aktionäre des Unternehmens –, müssen sie sowohl den Brutto- als auch den Nettogewinn stetig steigern, da beide kurzund langfristige Auswirkungen haben. In Privatunternehmen ist dieses Dilemma leichter zu bewältigen, weil hier typischerweise eine eher langfristig ausgerichtete Perspektive in Verbindung mit einem gesunden kurzfristigen Fokus vorherrscht. Ein Punkt für die Familienmitglieder eines familiengeführten Unternehmens dürfte sein, dass sie unverrückbar im Unternehmen stehen, während in börsennotierten Unternehmen viel Politik gemacht wird. Die gibt es in Familienunternehmen natürlich auch, aber vielleicht zwingt die Tatsache, dass man die Führungskräfte in Familienunternehmen nicht so leicht entfernen kann, das Unternehmen dazu, Konfliktbewältigung zu lernen. Ich war zum Beispiel sehr vom französischen Reifenkonzern Michelin beeindruckt, der drei Geschäftsführer mit je zehn Jahren Altersunterschied hatte: Ein Geschäftsführer war ungefähr 70 Jahre alt, einer ungefähr 60 und einer um die 50 Jahre. Einer der drei Geschäftsführer gehörte zur Michelin-Familie; in dieser Kombination erhält man eine wirklich beeindruckende Familienkontinuität gepaart mit einer externen Perspektive.

JS: In vielerlei Hinsicht liegt die Stärke von Familienunternehmen also darin, dass sie in der Lage sind, Kontinuität zu wahren, statt mit jedem neuen Unternehmensführer neue Quanten- und Innovationssprünge zu machen. Besteht die Herausforderung für Familienunternehmen vielmehr darin, wie der Unternehmensführer der nächsten Generation innoviert und Innovation mit Tradition verbindet?

PL: Die Folgegeneration könnte immerhin zum internen Entrepreneur werden und mit der älteren Führungsgarde zusammenarbeiten, um das Geschäft zu inspirieren, statt ferngehalten oder ins kalte Wasser geworfen zu werden.

JS: Familienunternehmen sind für ihre starken Wertesysteme bekannt. Wie passt das in die heutige Zeit?

PL: Ich denke, viele Unternehmen haben ausgeprägte Wertvorstellungen, nicht nur Familienunternehmen. Zweifellos hat es bei einigen börsennotierten Unternehmen einen dramatischen Mangel an Werten gegeben – zum Beispiel bei Enron, Parmalat und Skandia. Aber ich denke nicht, dass Familienunternehmen grundsätzlich stärkere Werte haben als börsennotierte Unternehmen. Ich glaube, auch unter Letzteren gibt es sehr gute Firmen mit sehr ausgeprägten Werten.

JS: Sind Familienunternehmen in einer besseren Position, um ihre Werte auf glaubhaftere Weise umzusetzen beziehungsweise sie glaubhafter auszudrücken?

PL: Das ist keine feste Regel. Familienunternehmen können genauso korrupt sein wie börsennotierte Unternehmen. Das kommt bei beiden Unternehmensformen vor.

JS: Sie sind der Leiter eines herausragenden Bildungsinstituts und haben erlebt, dass viele Manager, die nicht aus Familienunternehmen stammen, von den Lernchancen Ihres Instituts profitieren und sich weiterentwickeln konnten. Könnten Führungsmitglieder von Familienunternehmen Ihrer Meinung nach ebenfalls von einer Lernerfahrung, wie sie das IMD bietet, profitieren?

PL: Das kommt darauf an. Ich glaube, das Thema Lernen hat viel mit dem heutigen globalen Austausch zu tun. Wenn Sie akzeptieren, dass Sie als Manager heute mit zahlreichen Dilemmata konfrontiert sind, lässt sich das wohl am besten verstehen, wenn Sie eine ganze Bandbreite an unterschiedlichen Standpunkten aus unterschiedlichen Teilen der Welt kennen. Ein Brasilianer, zum Beispiel, betrachtet ein Problem unter Umständen anders als ein Japaner, ein Kanadier betrachtet es anders als ein Südafrikaner, und ein Australier sieht es anders als ein Schweizer. Ich denke, die Voraussetzung ist, Diversität zu akzeptieren. Die schlechte Nachricht für einige Familienunternehmen ist, dass sie auf individueller und emotionaler Ebene oft enger mit „ihrer Scholle“ verbunden sind als große börsennotierte Unternehmen. Viele mittelständische Unternehmen in Deutschland haben deutsche Wurzeln und deutsche Familien, und sie sind möglicherweise weniger geneigt, sich auf diesen globalen Austausch – auch den Gedankenaustausch – einzulassen. Ich habe mehrere Mitglieder von Familienunternehmen sagen hören: „Das ist nichts für mich.“ Der größte Teil meiner eigenen Familie stammt aus Norwegen, aber wir können unser Familienunternehmen nicht so führen, als verfügten wir in Norwegen über alle Antworten für das Transportgeschäft – das wäre ein Desaster.

Familienunternehmen müssen offener und transparenter werden. Sie müssen eine Neugier auf andere Unternehmen entwickeln und von dem lernen, was börsennotierte Unternehmen und andere Familienunternehmen in anderen Teilen der Welt besser machen. Hier am IMD glauben wir an den Nutzen von Lernerfahrungen, die aus einem dynamischen und wählerischen globalen Schmelztiegel entstehen können.

Eine einzigartige Auszeichnung

Thierry Lombard, Lombard Odier Darier Hentsch

Die englische Sprache hat verschiedene Ausdrücke für das Konzept, jemandem für besondere Verdienste ein Geschenk darzubringen. Bei Nobel, Pulitzer und Ansari wird es als Preis bezeichnet. Bei Lombard Odier Darier Hentsch (LODH) wird es Auszeichnung genannt. Worin besteht der Unterschied?

Etymologisch betont das Wort „Preis“ – im Sinne einer Belohnung – durch seine Nähe zum „finanziellen Preis“ – im Sinne einer Prämie – den Wert, der mit dem Preis belohnt und anerkannt werden soll. Jemandem einen Preis zu verleihen heißt, ihn auf einer Skala zu bewerten und somit jeden wissen zu lassen, wer an der Spitze steht. Zudem wird einem geschätzten Wert (Preis) ein weiterer Wert (Belohnung) hinzugefügt.

Eine Auszeichnung zu verleihen ist ein wenig anders. Die Etymologie des englischen Ausdrucks „award“ hat nichts mit Prämie oder „Bepreisung“ zu tun. Das Wort, dessen Ursprung in der französischen Sprache liegt, bedeutete ursprünglich „entscheiden, untersuchen nach sorgfältiger Beobachtung und Überlegung“. Es betont vielmehr die Untersuchung statt der Benotung und verleiht eher der Beobachtung Wert als dem Ranking.

Das ist genau die Philosophie des IMD-LODH Distinguished Family Business Award. Das hat rein gar nichts mit Triple-A, Double-Y oder einem einfachen Moody’s-Ranking zu tun. Die ausgezeichneten Unternehmen können seit 200 oder 40 Jahren bestehen, aus Spanien, Frankreich oder Dänemark stammen und Spielzeug, Lebensmittel oder Bekleidung herstellen.

Die Experten, die den IMD-LODH Distinguished Family Business Award verleihen, zählen nicht einfach nur irgendwelche Finanzdaten zusammen oder prüfen mit unparteiischem Blick lange Zahlenkolonnen. Sie untersuchen die finanziellen, strategischen und ethischen Aspekte des Unternehmens mit „sorgfältiger Überlegung“, die sich darauf richtet, wer dieses Unternehmen führt, in welche Richtung es zielt und wie und auf Basis welcher Werte es wächst. Das hat nichts mit „Bepreisung“ zu tun, sondern vielmehr mit dem Verständnis der gesamten Unternehmensidentität inklusive der Familien- und Unternehmenspersönlichkeit und einer Reihe an Best Practices. Somit handelt es sich hier um eine Auszeichnung und keinen Preis.

Die Methode dieses Buchs steht im perfekten Einklang mit den Leitprinzipien des IMD-LODH Distinguished Family Business Award. Anstatt neun erfolgreiche, mit dem IMD-LODH Distinguished Family Business Award ausgezeichnete Familienunternehmen darzustellen, wagt es einen Blick darüber hinaus, und zwar durch „sorgfältige Beobachtung“ dessen, was diese Unternehmen so erfolgreich und klug macht. Nachdem der IMD-LODH Distinguished Family Business Award diese Unternehmen als „vorbildlich“ hervorgehoben hat, widmet sich Joachim Schwass nachfolgend der Herausforderung, anhand dieser Beispiele im wahrsten Sinne des Wortes reale und nützliche Modelle für jedes Familienunternehmen zu entwerfen. Anders ausgedrückt: Bisher haben sich neun Unternehmen für diese Auszeichnung qualifiziert; ist die Auszeichnung selbst daher nicht ein Buch wert?

Seit mehr als 200 Jahren und sieben Generationen genießt Lombard Odier Darier Hentsch das Privileg, Entrepreneuren und Familien zuhören, sie beraten und begleiten zu dürfen. Diese Verantwortung – als unabhängige Privatbankiers und Partner in einer Vertrauensposition – hat uns ermöglicht, die Charakteristiken und besonderen Merkmale von Familienunternehmen zu verstehen. Es erfüllt uns daher mit Stolz und Freude, in den letzten neun Jahren mit der Verleihung einer Auszeichnung assoziiert zu werden, die eine langfristige Exzellenz und Leistung im Dienste von Familienunternehmen weltweit anerkennt.

Vorwort

Meine erste Erfahrung mit Familienunternehmen hatte ich zu Hause. In einem Familienunternehmen aufzuwachsen ist eine besondere Bereicherung des Lebens – eine weitere Komponente, die es zu bieten hat. Es gibt zwei Wege, diese Komponente zu erleben: Entweder man empfindet sie als Last oder als Lust.

Sie kann in dem Sinne eine Belastung sein, als sie die Freiheit und die Wahlmöglichkeiten beschränkt. Es existiert eine gewisse Vorbestimmung, die besagt, dass das Unternehmen Priorität vor allem anderen hat. Die implizite und explizite Erwartung lautet, dass sich die Familie und die Folgegeneration um das Unternehmen kümmern und ihm dienen müssen. Ist es schließlich nicht dieses Unternehmen, das die Familie ernährt? Rechtfertigt das nicht die Erwartung, dass sich die nächste Generation ebenfalls in den Dienst des Unternehmens stellt?

Aber es gibt auch noch eine andere Sichtweise: Ein Familienunternehmen kann für die Familie und jedes einzelne ihrer Mitglieder eine Bereicherung sein. Ja, eine Bereicherung, und zwar – was noch wichtiger ist – auf nicht greifbaren Wegen, die Chancen für persönliches Wachstum eröffnen. Chancen, die auf der Lernerfahrung basieren, wie Unternehmen funktionieren; auf dem Verständnis, wie in einem Markt echter Wert generiert wird, sowie auf der Entdeckung der Gründe, warum Menschen an dieses Unternehmen glauben, sowohl als Mitarbeiter als auch als externe Stakeholder. Die Geschichten und Legenden von Familienunternehmen sind ebenfalls eine Bereicherung, da sie ihren Familienmitgliedern einen historischen Kontext bieten. Die Familienmitglieder wachsen mit dem tief verinnerlichten Bewusstsein für die Anfänge des Unternehmens und seine Geschichte auf: warum und wie der Firmengründer zum Unternehmer wurde und wie und warum sich das Unternehmen über mehrere Generation entwickelt hat. Die Familiengeschichte kann sowohl zur Belastungs- als auch zur Bereicherungsskala beitragen.

Der Unterschied zwischen diesen beiden inneren Haltungen hat große Auswirkungen, vor allem auf den Unternehmensführer als Individuum. Welche Rolle spielen Leidenschaft und die motivierende Kraft der freien Wahl? Wenn Sie als Individuum frei entscheiden was Sie tun wollen und dann ganz in dieser Tätigkeit aufgehen – einfach, weil es Ihre eigene Entscheidung war –, dann werden Sie das wahrscheinlich als „Bereicherung“ erleben. Wenn Sie die Rolle im Familienunternehmen dagegen aus Pflichtgefühl übernommen haben, und weniger aus echtem Interesse, dann werden Sie sie vermutlich als „Belastung“ empfinden.

Als ich in die berufliche und akademische Welt von Familienunternehmen eintrat, war ich entsetzt angesichts der hohen Quote an gescheiterten Familienunternehmen – vor allem im Verlauf eines Generationswechsels. Dieses Scheitern wurde als Unternehmensscheitern betrachtet, aber eine eingehendere Postmortem-Analyse wies unmissverständlich auf ein Scheitern auf Familienebene hin. In all den Jahren, in denen ich mit Familienunternehmen auf der ganzen Welt gearbeitet habe, habe ich erlebt, dass es in Familienunternehmen unendlich mehr unglückliche als glückliche Familienmitglieder gibt. Ist das eine unvermeidliche Begleiterscheinung von Familienunternehmen, die sich über viele Generationen entwickeln, oder eher die Saat für ein zukünftiges Scheitern?

Meine Suche nach einer Antwort begann vor mehr als neun Jahren. Wir begannen damit, führende Familienunternehmen auf der ganzen Welt zu finden, die seit mehreren Generationen erfolgreich waren – die also nicht nur überlebt hatten, sondern zu den besten gehörten. Die Kriterien für die Bestimmung der Besten waren sehr streng und basierten im Wesentlichen auf den effektivsten langfristigen und Wert generierenden Verbindungen zwischen den Unternehmen und den Familien, in deren Besitz sich diese befanden. Wir hielten Ausschau nach Unternehmen, die Leitlinien für eine verminderte Ressourcenverschwendung – vor allem finanzieller und humaner Ressourcen – setzen konnten. Wir hielten außerdem Ausschau nach Familienunternehmen, die uns inspirieren könnten bei unserer Suche nach einer konstruktiven, kollektiv und individuell bedeutsamen Antwort auf die Frage, die sich jede Generation vor allem selbst stellen muss: „Warum sollen wir das Unternehmen als Familienunternehmen weiterführen?“

Ich glaube, dass diese Frage für die Kontinuität eines Familienunternehmens von fundamentaler Bedeutung ist. Nach meiner persönlichen Erfahrung und aus heutiger Sicht bedauere ich außerordentlich, dass diese Frage in unserem eigenen Familienunternehmen nicht offiziell gestellt wurde. Ich glaube, das führte zu unnötigen Ineffizienzen. Nach meiner beruflichen Erfahrung und anhand von Forschungsinitiativen über Familienunternehmen aus allen Teilen der Welt kann ich sagen, dass lediglich eine kleine Minderheit über die wahren und realen Probleme nachdenkt, die diese Frage aufwirft. Ich glaube, dass es diese Minderheit ist, der es bestmöglich gelingt, die Bedürfnisse aller vier Interessensebenen eines Familienunternehmens – der Familienebene, der Eigentümerebene, der Managementebene und der individuellen Ebene – gleichermaßen zu berücksichtigen. Familienunternehmen, die seit vielen Generationen erfolgreich sind, haben verstanden, dass die wichtigste Voraussetzung für Nachhaltigkeit darin liegt „beim Anfang zu beginnen“, nämlich sich zuerst um die individuellen Bedürfnisse zu kümmern. Wenn das so einfach ist, warum machen das dann nicht mehr Familienunternehmen? Die überraschende Erkenntnis aus neun Jahren Forschung ist, dass erfolgreiche Familienunternehmen dieses Thema in einem zweistufigen Ansatz angehen.

Zunächst ist die Folgegeneration an Familienmitgliedern im Allgemeinen tief in der Familien- und Unternehmenskultur verankert, und zwar oft auf eine überraschend starke und festgefahrene Weise. An irgendeinem Punkt löst sich die Folgegeneration dann aber von dem festgefahrenen Ansatz und eröffnet den Weg für individuelle Freiheit, der sich oft in den Charakteristiken widerspiegelt, die man in der ersten Gründer- und Unternehmergeneration findet. Es ist dieser Entwicklungsprozess, der bei den ausgezeichneten Familienunternehmen, die in diesem Buch beschrieben werden, zu herausragenden Erfolgen geführt hat. Der Punkt, an dem die neue Führungsgeneration von einer „festgefahrenen“ zu einer „unternehmerischen“ Kultur wechselt, ist von besonderem Interesse. In einigen Fällen wurde diese Veränderung durch Zufall oder Schicksal ausgelöst; in anderen Fällen war die Veränderung Teil eines Masterplans. Das Verständnis dieses Prozesses und der potenziellen Vorteile aktiver Planung machen den Kern des vorliegenden Buches aus.

Ich hoffe, dass die Einsichten, die ich aus den letzten neun Jahren Forschung gewonnen habe, zwei Leserkreisen helfen können: erstens solchen Familienunternehmen, die sich um ihre langfristige Zukunft sorgen, und zweitens allen individuellen Familienmitgliedern – und zwar sowohl denen, die eine aktive Rolle im Familienunternehmen spielen, als auch jenen, die eher passive Rollen ausfüllen –, die ihren Familien dabei helfen, sich in eine erfolgreiche Zukunft zu bewegen.

Joachim Schwass

Danksagung

Zahlreiche Menschen verdienen, dass ich ihnen für die bewusste oder unbewusste Unterstützung bei der Entstehung dieses Buches danke:

Peter Lorange, President von IMD für die Unterstützung des IMD-LODH Distinguished Family Business Award und die Ermutigung, dieses Buch zu schreiben und fertigzustellen;

Thierry Lombard, Senior Partner von LODH für die Unterstützung des Award und sein inspirierendes Engagement für die Forschung über Familienunternehmen;

John L. Ward, mein „Partner“ bei IMD, für seine nie endende Suche nach mehr und noch fundierterem Wissen über Familienunternehmen sowie für den Hinweis, dass es besser ist, klug als smart zu sein (Danke John!);

Alden (Alli) G. Lank, der mich inspirierte und das Risiko auf sich nahm, einen Anfänger in die akademische Welt einzuführen:

Richard Owens, der die Verbindung von Australien aus aufnahm (Danke, Kollege!);

Fred Neubauer, dessen freundliche Disziplin mich bei der Stange hielt;

Tom Bata und Jonathan Pellegrin, die den ersten Award ins Leben riefen und erfolgreich aus der Taufe hoben;

Gordon Adler für seine unermüdliche und überaus wertvolle Unterstützung dabei, mich wiederholt aus festgefahrenen Situationen zu „befreien“;

Ivan Moss, der mehr über Familienunternehmen weiß, als er denkt und der mich dazu veranlasste, noch intensiver nach einer besseren Logik zu suchen;

Nancy Lane, die meine inhaltliche Spannungslinie nochmals überprüfte;

Beverly Lennox, deren Geduld und Gefühl für die Details bei der Korrektur des Skripts wirklich bewundernswert ist;

Megan Price, die mit einem steten Lächeln die Herausforderung der Textverarbeitung übernahm, und Colleen Lief für ihre effiziente Unterstützung in der Forschung;

Susanne Hanson, deren beharrliches Engagement für die Aufgabe, Familienunternehmen mit überlegenem Wissen zu helfen, einfach inspirierend ist.

Und ein abschließendes Dankeschön an:

alle neun mit dem IMD-LODH Distinguished Family Business Award ausgezeichneten Familien, die uns so großzügig an ihrem profunden Wissen und ihren einzigartigen Erfahrungen teilhaben ließen, sowie allen Mitgliedern meiner Familie – jeder einzelne hatte auf seine Weise einen bedeutenden Einfluss auf dieses Buch.

Allen gilt mein herzlichster Dank.

Joachim Schwass

Einleitung

Wie ich im Vorwort bereits erwähnt habe, habe ich beim Verfassen dieses Buches hauptsächlich an Familienunternehmen gedacht. Ich möchte alle Mitglieder ansprechen – die aktiven Führungskräfte, diejenigen, die sich in eher unterstützenden Rollen im Hintergrund engagieren und auch diejenigen, die nach einer aktiven Führungsrolle streben, wenn ihre Generation bereit ist. Ich hoffe, dass ich einige der Einsichten, die ich im Verlauf meiner Recherchen gewonnen habe – nämlich welche Faktoren ein Familienunternehmen wahrscheinlich erfolgreich machen und wie Sie diese Lernerfahrungen in Ihrem Unternehmen in die Praxis umsetzen können – mit Ihnen teilen kann.

Dieses Buch begann im Jahr 1996, als das IMD anlässlich seines 50-jährigen Bestehens den IMD-LODH Distinguished Family Business Award ins Leben rief, der seither alljährlich verliehen wird. Wir verfolgten damit zwei Ziele: Das erste bestand darin, die breite volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen hervorzuheben. Das zweite Ziel war, erfolgreiche Familienunternehmen zu identifizieren und herauszufinden, was sie besser machen als weniger erfolgreiche. Dazu legten wir zunächst einen strengen Nominierungsund Auswahlprozess fest, der in Anhang B erläutert wird. Die Kandidaten mussten folgende sieben Kriterien erfüllen, um sich für diese Auszeichnung zu qualifizieren:

Das Familienunternehmen besteht seit mindestens drei Generationen.

Es erzielt eine nachweislich solide, langfristige finanzielle Performance und Stabilität.

Es stellt Produkte her, die marktführend und in der Branche anerkannt sind.

Es hat ein effektives Governance-System etabliert und gewahrt.

Es ist international tätig.

Es hat Tradition und Innovation effektiv miteinander verknüpft.

Es ist ein guter „Corporate Citizen“ und leistet einen gesellschaftlichen Beitrag zu seinen Standortgemeinden.

Einsichten aus den weltweit führenden Familienunternehmen

Nach neun Jahren der Recherche über die weltweit führenden Familienunternehmen habe ich einige wichtige Einsichten gewonnen und eine Reihe an wertvollen Lektionen gelernt.

Zunächst, und das ist vielleicht keine Überraschung, gibt es kein Patentrezept für ein erfolgreiches Familienunternehmen; nicht eines hat zu jeder Zeit für alle seine Stakeholder alles richtig gemacht. Zweitens zeichnen sich einige wichtige Gemeinsamkeiten ab. Besonders offensichtlich war die Fähigkeit, sich über viele Generationen an interne und externe Veränderungen anzupassen. Externe Veränderungen haben ihren Ursprung im Markt (zum Beispiel Preiskontrollen nach dem Zweiten Weltkrieg und die Öffnung der Märkte), wohingegen interne Veränderungen ihren Ursprung in der Familie und dem Unternehmen haben (zum Beispiel der plötzliche Tod eines Unternehmensführers und Familienmitglieds). Den ausgezeichneten Familienunternehmen ist es gelungen, erfolgreich auf ihrer Geschichte und ihren Traditionen aufzubauen und die notwendigen Entscheidungen zu treffen, die das Unternehmen mit Erfolg in die Zukunft führte: die nächste Generation an Unternehmensführern.

Die Erkenntnis aus diesen Recherchen besteht meiner Meinung nach darin, dass diese Anpassungsfähigkeit über viele Generationen einer ganz klaren Logik folgte. Diese Logik ist von außen nicht immer leicht zu erkennen oder leicht verständlich. In der Tat mag so manche strategische Anpassung wie eine Revolution anmuten und einem Außenstehenden als unsinnig erscheinen. Diese Familien wendeten jedoch ihre eigenen Benchmarks und eine Logik an, die – von innen betrachtet – eher evolutionär als revolutionär ist.

Die jeweilige Familienlogik äußerte sich wiederum sowohl in der Wachstumsstrategie, die sich erfolgreich an dynamische Märkte anpasste, als auch in der Fähigkeit der Familien, eine hoch effektive Unternehmensführung auszuüben, die diese Strategie vorantrieb und umsetzte.

Lektion 1 aus diesen Familienunternehmen ist eine Strategie für das Unternehmenswachstum, die auf den inhärenten Stärken und Vorteilen basiert, die Familienunternehmen gegenüber börsennotierten Unternehmen mit einer breit gestreuten Eignerstruktur haben (mit breit gestreut meine ich, dass die große Mehrheit der Unternehmensanteile nicht von nur einer Person oder einer Familie gehalten wird).

Als Nächstes untersuchte ich, wer diese Familienunternehmen führte: Wer entwickelte und implementierte die erfolgreichen Geschäftswachstumsstrategien? Die ausgezeichneten Familienunternehmen haben in jeder Generation erfolgreiche Unternehmensführer hervorgebracht. War dies das Ergebnis von Glück oder Planung? Sicher hatten Glück und Schicksal einen gewissen Einfluss. Dennoch belegen meine Recherchen, dass diese Unternehmensführung durch eine zukunftsorientierte Wachstumsmentalität ermöglicht wurde, die tief in den Köpfen der Familienmitglieder verankert war.

Lektion 2 aus diesen Familienunternehmen ist eine Wachstumsmentalität. Diese Erkenntnis wurde offensichtlich, als ich die Gründe dafür analysierte, dass Familien gelegentlich ihren „Baum zurückschneiden“. Im Laufe der Zeit eliminierten einige der ausgezeichneten Familien gezielt diverse Mitglieder oder Zweige, die ihre Wachstumsmentalität nicht teilten. In manchen Fällen waren diese Trennungen schmerzhaft, in anderen Fällen waren sie das Ergebnis eines positiven, inspirierten Prozesses. Aber die zugrunde liegende Motivation schien stets die bedingungslose, emotionale Hingabe seitens einiger Familienmitglieder an ein kontinuierlich wachsendes Geschäft zu sein. Dieser darwinistische Selektionsprozess unter Familienmitgliedern, bei dem sich der Stärkste durchsetzt, führte zur nächsten wichtigen Erkenntnis.

Lektion 3 aus diesen Familienunternehmen lautet, dass die Unternehmensführer sich selbst einem disziplinierten Prozess des systematischen Wachstums, sowohl als Individuum als auch in ihrer Rolle als Unternehmensführer, unterwarfen. Die Familienmitglieder und -zweige, die sich selbst im Unternehmen engagieren wollten, schienen von einer vorwärts gerichteten Wachstumsmentalität angetrieben zu sein, und sie waren offenbar klug genug, um die Komplexitäten und inhärenten Risiken zu erkennen, die mit dem Besitz eines Familienunternehmens verbunden sind. Die multiplen Interessensebenen – Familie, Eigentümer, Management und das Individuum – müssen zunächst anerkannt werden, und jede Generation muss für sich selbst den geeigneten Weg finden, um die Bedürfnisse all dieser Stakeholderebenen zu berücksichtigen. Daher lauten die wichtigsten Einsichten, die sich aus den ausgezeichneten Familien gewinnen ließen:

– eine kohärente, auf Unternehmenswachstum basierende Familienvision;

– die Anwendung der Wachstumsmentalität, wobei der Ausgangspunkt die Individuen sind und anschließend deren Rolle im Unternehmen und schließlich das Unternehmen als Ganzes entwickelt wird;

– die Klugheit, die Bedürfnisse der Ebenen Familie, Eigentümer, Management und Individuum in einer vorwärts strebenden Wachstumsdynamik miteinander zu verknüpfen.

Aus diesen Erkenntnissen entstand das Konzept des „klugen Wachstums“, das die ausgezeichneten Familienunternehmen von anderen unterscheidet. Das Verständnis dessen, was kluges Wachstum bedeutet und wie es in die Praxis umgesetzt wird, ist das Ziel dieses Buches.

Anders ausgedrückt versucht dieses Buch, einen systematischen Ansatz für den Generationswechsel der Unternehmensführer zu beschreiben. Dieser Ansatz deckt den Lebenszyklus eines Unternehmensführers im Familienunternehmen ab und unterteilt diesen Lebenszyklus in drei charakteristische Phasen, die sich in ihren Eigenschaften und Bedürfnissen unterscheiden: „Do“, „Lead to do“ und schließlich „Let do“. Dieses Vorgehen ist der Versuch, folgende Frage zu beantworten: „Wie kann ein Familienmitglied mit Führungsambitionen sowohl sich als Individuum, als auch seine Rolle im Unternehmen und das Unternehmen bestmöglich entwickeln?“ Dieses Vorgehen ist auch der Versuch, die wichtigen Risiken und Chancen für Stakeholder zu identifizieren. Das Ganze geschieht aus der Perspektive eines Familienmitglieds, das die Position des Unternehmensführers anstrebt. Dabei verknüpft dieses Buch die Bedürfnisse und die Rolle des Individuums mit den Bedürfnissen des Familienunternehmens, das als ein dynamisches System beschrieben wird.

Die Kurzdarstellungen in Kapitel 1 dienen als Einführung in neun Familienunternehmen, auf denen diese Recherchen basieren. Am Ende einer jeden Kurzdarstellung hebt der Abschnitt Best Practices die Schlüssellektionen aus jeder Fallstudie hervor. Anhang A widmet sich der Bedeutung der Forschung über Familienunternehmen, und Anhang B skizziert den Hintergrund, die Kriterien sowie den Prozess für die Verleihung des IMD-LODH Distinguished Family Business Award. In Anhang C finden Sie eine ausführliche Beschreibung jedes ausgezeichneten Familienunternehmens auf Basis veröffentlichter Zeitungs- und Zeitschriftenartikel aus dem Jahr, in dem diese Auszeichnung verliehen wurde.

Kapitel 2 und 3 beschäftigen sich mit den vielfältigen Herausforderungen, die Familienunternehmen und ihre derzeitigen und potenziellen Unternehmensführer während sich überschneidender Führungszyklen in Bezug auf jede der vier Interessensebenen bewältigen müssen. Kapitel 4 untersucht die drei Dimensionen einer klugen Wachstumsstrategie und hebt die Best Practices der ausgezeichneten Familienunternehmen hervor. Das Buch endet mit den Schlussfolgerungen in Kapitel 5.

Kapitel 1

Kurzdarstellung der mit dem Distinguished Family Business Award ausgezeichneten Familienunternehmen

Der Distinguished Family Business Award wurde 1996 ins Leben gerufen. Heute wird er jährlich vom IMD in Partnerschaft mit der Privatbank Lombard Odier Darier Hentsch verliehen. Neben der Betonung des wichtigen globalwirtschaftlichen Beitrags von Familienunternehmen honoriert diese Auszeichnung herausragende Unternehmen, denen es gelungen ist, Familien- und Geschäftsinteressen erfolgreich in Einklang zu bringen und Best Practices zu identifizieren, die auch für andere Familienunternehmen von Nutzen sein können.

Im Folgenden finden Sie Kurzdarstellungen aller von 1996 bis 2004 ausgezeichneten Familienunternehmen auf Basis der ausführlichen Presseveröffentlichungen in Anhang C. Sowohl die Kurzdarstellungen als auch die eingehenderen Unternehmensbeschreibungen beruhen auf Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln aus dem Jahr, in dem das jeweilige Unternehmen ausgezeichnet wurde.

Lego

1996 mit dem IMD-LODH Distinguished Family Business Award ausgezeichnetes Unternehmen

Lego, das im Jahr 1932 gegründet wurde und fast 9.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt, ist es über all die Jahre gelungen, Familien- und Geschäftsinteressen erfolgreich miteinander in Einklang zu bringen. Die Weltwirtschaftskrise von 1930 und die finanzielle Katastrophe, die sie für viele Menschen bedeutete, trieben Ole Kirk Christiansen und sein junges Schreinerunternehmen beinahe in den Bankrott. Als Christiansen erkannte, dass es sich sehr viele Menschen nicht leisten konnten, ein Haus zu bauen, richtete er sein Geschäft neu aus und begann mit der Produktion von Trittleitern, Bügelbrettern und Holzspielzeugen. Die Nachfrage nach den qualitativ soliden Spielzeugen (LEGO genannt – nach einer Kombination aus den beiden dänischen Worten, „leg godt“, was so viel bedeutet wie „spiel gut“) war hoch und führte zur Entwicklung weiterer Produkte: Diese Diversifikation, die das Unternehmen vor dem Ruin rettete, wurde schließlich zum eigentlichen Geschäft.

Als Folge der finanziellen Probleme aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise und einiger anfänglicher Managementschwierigkeiten blieb die Familie in Bezug auf die Unternehmensfinanzen stets konservativ. Darüber hinaus empfand sie ein tiefes Gefühl der Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und Zulieferern und verschaffte sich durch die stets verlässliche Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen eine entsprechende Reputation. Der Sohn des Unternehmensgründers, Godtfred Kirk Christiansen, begann bereits im Alter von 12 Jahren im Unternehmen mitzuarbeiten. Mit 18 Jahren entwarf er neue Spielzeugmodelle. Mit 24 war er die rechte Hand seines Vaters und für Produktentwicklung, Verkauf und Finanzen verantwortlich.

Im Jahr 1949 brachte das Unternehmen den ersten primitiven Vorläufer der Bausteine auf den Markt, die später zu den revolutionären Plastik-Legosteinen werden sollten. Diese Bausteine erfreuten sich großer Beliebtheit und boten eine Chance für signifikantes Wachstum. Im Jahr 1955 entdeckte Godtfred eine Lücke im Spielzeugmarkt und brachte das „LEGO Spielsystem“ auf den Markt, das auf den Legosteinen basierte. Wenn man bedenkt, dass allein sechs der ursprünglich acht genoppten Steine derselben Farbe auf 102.981.500-fache verschiedene Art und Weise zusammengesetzt werden können, waren den Möglichkeiten für ein kreatives Spielen praktisch keine Grenzen gesetzt. Jedes Jahr werden dem bestehenden Produktspektrum mehr als 100 neue LEGO-Bausätze hinzugefügt, und ungefähr dieselbe Zahl an Bausätzen wird vom Markt genommen. Die sechs Produktentwicklungsstandorte in Dänemark, Japan und den USA generieren aus Hunderten von Ideen ständig neue Elemente, Spielthemen und Bausätze.

LEGOs Globalisierung vollzog sich fast genauso systematisch wie die Entwicklung und Expansion der Produktlinie. Der Vertrieb, der zunächst im benachbarten Norwegen begann, wurde auf ganz Europa ausgedehnt. In der Folge wurden auf der ganzen Welt monopolistische Absatzniederlassungen eröffnet. Anfang der 1970er Jahre war LEGO eine wahrhaft globale Marke.

Alle Geschäftsaktivitäten des Unternehmens folgen dem Leitprinzip der guten „Corporate Citizenship“. Das Unternehmen ist auf der ganzen Welt für seine positiven Beiträge zur Entwicklung junger Menschen bekannt. LEGO stellt die Mittel für einen jährlich verliehenen internationalen Preis in Höhe von einer Million dänischer Kronen (DKK) zur Verfügung, der Individuen oder Gruppen verliehen wird, die sich besonders um das Wohlergehen, die Entwicklung und Schulbildung von Kindern verdient machen.

Bereits in jungen Jahren erwarb sich Godtfred Kirk Christiansens Sohn, Kjeld Kirk Christiansen, den Ruf als äußerst fähiger und fantasiereicher LEGO-Bauer. Godtfred Kirk Christiansen setzte auf den jungen Kjeld als reiche Quelle für neue Produktentwicklungsideen. Nachdem Kjeld die Schule abgeschlossen hatte, stieg er in LEGOs deutsche Tochtergesellschaft ein, machte ein kaufmännisches Diplom und anschließend den MBA-Abschluss.