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Es sind zehn Jahre vergangen, seit Jeanne und Valentin an den Stadtrand in der Nähe des Waldes gezogen sind und eine Familie gegründet haben. Eigentlich fühlt Jeanne sich sehr wohl damit, dass sie damals ihren Job als Assistentin von Inspektor Valentin Sacchi bis auf Weiteres mit ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau getauscht hat. Sie liebt es, mit ihren Kindern zusammen zu sein und freut sich am naturnahen Leben in der Nähe des Waldes. Als jedoch in ihrer Straße in einem verlassenen Haus ein Mord geschieht, wird Jeannes detektivischer Ehrgeiz geweckt. Sie würde nichts lieber tun, als bei den Ermittlungen zu helfen, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Und wie das Leben so spielt, kann sie die Ferienvertretung von Carsten, dem Assistenten ihres Mannes, übernehmen. Valentin Sacchi, der die Ermittlungen im Mordfall leitet, und seine Assistentin Jeanne sind noch immer ein eingespieltes Team. Valentins ist ein nüchterner, methodischer Typ, der sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Er ist sachlich, zielstrebig und unbeirrt, aber auch einfühlsam. Jeannes dagegen hat einen lebhaften, ideenreichen Geist und ein berührbares, gemütvolles Wesen. Ihre recht unterschiedlichen Qualitäten ergänzen sich prächtig und machen die spannenden Ermittlungen zu weitaus mehr als bloßer Polizeiarbeit. Und klar, sie werden die Wahrheit ans Licht bringen!
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Seitenzahl: 217
Veröffentlichungsjahr: 2023
© 2023 Dagmar Stimpfig
ISBN Softcover: 978-3-347-92214-3
ISBN E-Book: 978-3-347-92215-0
ISBN Großschrift: 978-3-347-92216-7
Druck und Distribution im Auftrag :
tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
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Wahrheit im Schatten 3
Die Tote auf dem Sofa
Kriminalroman
Cover
Urheberrechte
Titelblatt
Einleitung
Kein schöner Tod
Abschnitt 2
Wer ist diese Frau?
Abschnitt 2
Abschnitt 3
Abschnitt 4
Abschnitt 5
Schönheit und Biest
Abschnitt 2
Abschnitt 3
Abschnitt 4
Abschnitt 5
Abschnitt 6
Abschnitt 7
Abschnitt 8
Das kommt davon
Abschnitt 2
Abschnitt 3
Abschnitt 4
Abschnitt 5
Abschnitt 6
Abschnitt 7
Abschnitt 8
Abschnitt 9
Abschnitt 10
Abschnitt 11
Abschnitt 12
Abschnitt 13
Wahrheit im Schatten
Abschnitt 2
Abschnitt 3
Abschnitt 4
Abschnitt 5
Abschnitt 6
Abschnitt 7
Abschnitt 8
Abschnitt 9
Abschnitt 10
Abschnitt 11
Abschnitt 12
Die Unbekannten
Abschnitt 2
Abschnitt 3
Abschnitt 4
Abschnitt 5
Abschnitt 6
Abschnitt 7
Abschnitt 8
Abschnitt 9
Abschnitt 10
Abschnitt 11
Abschnitt 12
Abschnitt 13
Skrupellos
Abschnitt 2
Abschnitt 2
Abschnitt 3
Abschnitt 4
Abschnitt 5
Abschnitt 6
Abschnitt 7
Abschnitt 8
Abschnitt 9
Abschnitt 8
Abschnitt 9
Abschnitt 10
Abschnitt 11
Cover
Urheberrechte
Titelblatt
Einleitung
Skrupellos
Cover
1
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3
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Einleitung
Es sind zehn Jahre vergangen, seit Jeanne und Valentin an den Stadtrand in der Nähe des Waldes gezogen sind und eine Familie gegründet haben. Eigentlich fühlt Jeanne sich sehr wohl damit, dass sie damals ihren Job als Assistentin von Inspektor Valentin Sacchi bis auf Weiteres mit ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau getauscht hat. Sie liebt es, mit ihren Kindern zusammen zu sein und freut sich am naturnahen Leben in der Nähe des Waldes.
Als jedoch in ihrer Straße in einem verlassenen Haus ein Mord geschieht, wird Jeannes detektivischer Ehrgeiz geweckt. Sie würde nichts lieber tun, als bei den Ermittlungen zu helfen, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Und wie das Leben so spielt, kann sie die Ferienvertretung von Carsten, dem Assistenten ihres Mannes, übernehmen.
Valentin Sacchi, der die Ermittlungen im Mordfall leitet, und seine Assistentin Jeanne sind noch immer ein eingespieltes Team.
Valentins ist ein nüchterner, methodischer Typ, der sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Er ist sachlich, zielstrebig und unbeirrt, aber auch einfühlsam.
Jeannes dagegen hat einen lebhaften, ideenreichen Geist und ein berührbares, gemütvolles Wesen.
Ihre recht unterschiedlichen Qualitäten ergänzen sich prächtig und machen die spannenden Ermittlungen zu weitaus mehr als bloßer Polizeiarbeit.
Und klar, sie werden die Wahrheit ans Licht bringen!
Kein schöner Tod
Der starke Wind hatte in der letzten Nacht reichlich Blätter von den Bäumen geweht und es war heute noch einmal angenehm warm geworden. Jeanne hatte sich vorgenommen, am Nachmittag die Beete frei von Laub zu machen und die Wege zu kehren. Außerdem lagen jetzt ohne Ende Esskastanien auf dem Boden und Jeanne fragte sich, ob sie heute noch die Zeit finden würde, um sie zu verarbeiten. Wenn die Kinder bald genug zurückkämen, könnten sie ihr helfen, das würde die Sache jedenfalls erleichtern.
Während sie dabei war die Kastanien einzusammeln, fragte sie sich, zum wievielten Male es nun schon Herbst geworden war, seit Valentin und sie in diesem Haus wohnten. Es mussten bald zehn Jahre sein, denn sie waren damals am Anfang des Jahres eingezogen. Sie war in jener Zeit mit Laura schwanger gewesen.
„Zehn Jahre!“, sinnierte Jeanne.
Es war viel geschehen in diesen Jahren, von Herbst zu Herbst. Vielleicht wollten die sich stetig im Kreise wiederholenden Jahreszeiten darauf hinweisen, dass es in jenem unendlichen Wandel und Werden wichtige Konstanten gibt. Es schien, als würden diese Konstanten den dauernden Veränderungen im Leben einen gewissen Rahmen geben.
Jeanne war ganz ins Sammeln und Sinnieren versunken, da hörte sie aus der Ferne das aufgeregte Rufen von Moritz, was sie aufhorchen ließ. Sie versuchte, das Rufen genauer einzuordnen. Es war nicht nur aufgeregt, es klang fast hysterisch. Wenn er sich bloß nicht schlimm verletzt hatte! Schnell rannte Jeanne von hinter dem Haus Richtung Gartentür. In dem Moment, als sie den vorderen Garten erreichte, kamen ihr auch schon Laura und Moritz entgegen.
„Mama, Mama!“, rief Laura lauthals und drückte sich ängstlich weinend an Jeanne.
„Mama, ich glaube, die Frau ist richtig tot!“, kreischte Moritz aufgeregt.
„Um Gottes Willen, Kinder, was ist denn passiert?“, rief Jeanne erschrocken.
Die beiden Kinder waren so aufgewühlt, dass sie kaum ganze Sätze sprachen, durcheinander redeten, immer wieder den Kopf schüttelten oder beim Reden plötzlich innehielten. Ihre Emotionen vermittelten deutliche Botschaften, aber der Inhalt ihrer Worte war kaum zu verstehen. Ganz offensichtlich hatten sie etwas sehr Beängstigendes gesehen und konnten es selbst noch gar nicht fassen.
„Wir gehen da sonst nie rein!“, beschwor Laura. „Nur, weil da heute die Türe nicht zu war…“
„…und sie hat so arg geglotzt!“, plärrte Moritz. „Das war so wie ein…“
„Stefanie hat erst noch den Kleiderbügel genommen…“, sagte Laura verstört und unterbrach sich.
„Und der Lars hat geschrien, dass da bestimmt Einbrecher sind!“, rief Moritz.
„Hier seid Ihr zu Hause und alles ist gut“, tröstete Jeanne ihre Kinder und zog sie zu sich. „Versucht jetzt erst mal ruhiger zu werden. Ich will das alles wissen, aber Ihr müsst ganz langsam machen“, sagte Jeanne besänftigend und streichelte sie dabei. „Kommt, wir setzten uns hier auf die Treppen und dann fängt Laura an und erzählt eines nach dem anderen. Ist das in Ordnung?“
Die Kinder nickten.
Die drei setzten sich zusammen auf die Treppen vor dem Hauseingang, Laura rechts neben die Mutter und Moritz links. Langsam beruhigten sich die beiden Kinder und Laura begann zu berichten.
Nach dem Mittagessen waren die Geschwister zu zwei Nachbarskindern gegangen. Stefanie und Lars waren zehn und neun Jahre alt und wohnten nur ein paar Häuser entfernt in derselben Straße. Die vier spielten eine Weile im Haus, aber bald hatten sie mehr Lust darauf, zum Grundstück vom alten Schröder zu gehen.
Das Grundstück vom alten Schröder hatten die Kinder im Sommer zufällig für sich entdeckt. Seither waren sie fasziniert von diesem Ort und gingen öfters zum Spielen dorthin. Sie benutzten eine lose Latte vom Holzzaun als Eingang und betraten dann eine scheinbar völlig andere Welt.
Auf dem Grundstück befanden sich außer einem Haus mehrere kleine Stallungen, ein halb-zerfallenes Gewächshaus, ein Geräteschuppen, eine Werkstatt und ein externer Lagerraum. Die meisten Bauten waren schon etwas von Efeu und Holundersträuchern eingewachsen und wirkten wie aus einer verlorengegangenen Zeit. Mit seinen unendlich vielen Verstecken, Nischen und abgeschlossenen Türen war dieser Ort eine Fundgrube für die Fantasie der Kinder, um geheimnisvolle Ausflüge zu unternehmen und Abenteuer zu suchen.
Heute Nachmittag blieben Laura, Moritz, Stefanie und Lars zuerst eine Zeitlang bei den Obstbäumen, deren Äpfel und Birnen gerade reif waren. Auf einmal rief Lars, sie sollten unbedingt zum Hauseingang kommen. Die anderen hatten bis dahin gar nicht bemerkt, dass Lars sich entfernt hatte. Sein Rufen machte sie neugierig und sie liefen gleich zu ihm.
Ungewöhnlicherweise war heute, anders als sonst, die Haustüre nicht verschlossen. Natürlich war die Entdeckerfreude der Kinder geweckt und sie gingen vorsichtig ins Haus. Laura betonte, dass sie das Haus zuvor noch nie betreten hatten, und heute auch nur, weil die Türe nicht verschlossen gewesen war.
Das kleine Haus stand schon seit Jahren verlassen. Seine Lage am äußersten Ortsrand und der verwilderte Garten verliehen ihm eine etwas geheimnisvolle und fast unheimliche Atmosphäre, die zu mancherlei Gerüchten verleitete, aber eigentlich wusste keiner so genau warum niemand mehr eingezogen war, warum das Häuschen und sein Garten verwahrlosten oder auch, ob sich darin vielleicht ab und zu jemand aufhielt.
Nach und nach erforschten die Kinder die Diele, dann das Schlafzimmer, die Küche und gelangten schließlich ins Wohnzimmer.
Dort saß eine Frau auf dem Sofa und starrte sie an, aber sie sagte kein Wort. Sie kannten die Frau nicht. Als die Frau auf gar nichts und in keiner Weise reagierte, bekamen die Kinder Angst.
Stefanie, die schon zehn war, fasste irgendwann Mut und nahm einen Kleiderbügel, den sie aus dem Schrank im Schlafzimmer holte, um die Frau anzustupsen. Die Frau regte sich weiterhin kein bisschen. Allmählich wurde den Vieren klar, dass die Frau tot war. Sie waren völlig überfordert und erstarrten vor Schreck. Plötzlich jammerte Lars, dass die Mörder und Einbrecher noch im Haus sein könnten und in ihrer Angst flohen die Kinder Hals über Kopf.
Auch Stefanie und Lars rannten zu sich nach Hause.
Jeanne umarmte Laura und Moritz innig, als wollte sie ihre Kinder vor den schlimmen Bildern, die sie gesehen hatten, schützen. Sie versuchte sich darüber klarzuwerden, was jetzt Schritt für Schritt zu tun war.
Freilich wühlte diese Situation auch sie sehr auf, aber sie musste jetzt möglichst nüchtern handeln.
Sie sagte zu den Kindern, sie sollten mit ins Haus kommen und rief als Nächstes ihren Mann an.
„Valentin?“, sagte sie, gleich nachdem Inspektor Sacchi abgehoben hatte. „Du musst gleich kommen, die Kinder haben im Haus vom alten Schröder eine Tote gefunden!“
Valentin war natürlich genauso entsetzt über die schockierende Nachricht und sagte, dass er so schnell als möglich käme.
Er selbst war im Büro, aber sein Assistent Carsten war unterwegs, um einen Bericht zum Staatsanwalt zu bringen. „Ich sage Carsten noch Bescheid und werde gleich noch die Spurensicherung ordern. Dann bin ich schon unterwegs, ich hole Dich ab“, sagte er zu seiner Frau. „Bis gleich.“
2
Als Valentin eintraf, war es bereits halb fünf.
Jeannes Mutter Anne war auch gekommen, um bei ihren Enkeln zu bleiben während Jeanne Valentin begleitete.
Der Inspektor ging gar nicht erst ins Haus, Jeanne kam direkt zum Auto. Sie fuhren das kleine Stück von etwa zweihundert Metern zu Schröders Haus und parkten.
Jeanne berichtete ihrem Mann noch, was sie von den Kindern wusste.
Im Bewusstsein, dass eine Tote auf einem Sofa auf sie wartete, war es jetzt umso unheimlicher die Türschwelle zu übertreten.
Inspektor Sacchi ging voran, und langsam und bedächtig, mit hellwachen Sinnen, liefen sie durch die Diele ins Wohnzimmer. Und da saß sie, die Tote, mit starrendem Blick.
Jeanne stockte. Obwohl sie doch gewusst hatte, was sie hier vorfinden würden, war es reichlich erschreckend, fast gruselig.
„Na die ist zweifelsfrei tot“, sagte Valentin nüchtern und besah die Tote von der Nähe.
„Sie hat eine seltsame Farbe“, bemerkte Jeanne, „so rötlich.“
„Sie riecht auch nach Bittermandel“, meinte Valentin. „Es deutet alles auf eine Vergiftung mit Zyankali hin.“
„Das war bestimmt kein schöner Tod“, sagte Jeanne betroffen.
„Nein, dass war ganz sicher kein schöner Tod“, bekräftigte Valentin. „Ich denke, dass jemand abgewartet hat, bis sie gestorben ist und sie danach wieder so hingesetzt hat – was auch immer sich derjenige dabei gedacht hat.
Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass man bei den höllischen Schmerzen, die diese Art Sterben bereitet, einfach so auf dem Sofa sitzen bleibt.“
Wer ist diese Frau?
Niemand kannte die Tote. Sie trug keinen Ausweis bei sich, sie war in keiner Datenbank der Polizei zu finden und niemand hatte sie bisher als vermisst gemeldet.
„Schon seltsam, oder?“, sagte Jeanne nachdenklich. „Stell Dir mal vor Du stirbst und keiner vermisst Dich.“
„Gott sei Dank wird das bei uns nicht der Fall sein“, erwiderte Valentin humorvoll am anderen Ende der Leitung. „Aber der Tag ist ja noch nicht alt, ich gehe davon aus, dass sich ihre Identität im Laufe des Tages aufklärt. Übrigens, ich komme gleich mit Carsten raus, wir werden zunächst die Nachbarschaft befragen. Und vielleicht kannst Du später mal mit Sabine sprechen.“
„Kommt Ihr auch zu uns, vielleicht für einen Kaffee? Wir sind ja auch die Nachbarschaft“, erkundigte sich Jeanne.
„Wir kommen sogar zuerst zu Dir, dann besprechen wir zusammen alles Weitere“, antwortete Valentin. „Wir sind in einer halben Stunde da.“
„Das klingt gut“, meinte Jeanne. „Also bis gleich!“
Während Jeanne ein paar Hörnchen aufbuk und Kaffee kochte, bereitete sie sich auf das Gespräch mit Valentin und Carsten vor. Wie in „alten Zeiten“ begann ihr Gehirn, die bisherigen Fakten zu sortieren.
Im Labor war man noch dabei, detaillierte Untersuchungen anzustellen, aber eine Vergiftung mit Zyankali – genau genommen mit Kaliumzyanid – war inzwischen als Todesursache bestätigt und der ungefähre Todeszeitpunkt auf gestern Mittag zwischen zwei und vier Uhr eingegrenzt worden.
Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn die Kinder ins Haus geplatzt wären, als… Schnell berechnete Jeanne die Uhrzeit, zu der die Kinder im Schröder Haus gewesen sein mussten. Tatsächlich schienen sie den Täter beziehungsweise die Täterin knapp „verpasst“ zu haben! Wenn der Täter ihnen noch begegnet wäre, was wäre dann wohl geschehen? Doch im nächsten Moment war Jeanne klar, es nützte jetzt kein hätte-wäre-wenn… Sie fasste sich wieder und sann nach: was gab es noch? Das Opfer war etwa dreißig Jahre alt, schlank, gutaussehend, modisch gekleidet und wirkte gepflegt. Sie war brünett, frisch frisiert und trug hochhackige Schuhe. Ob die Frau zum Teetrinken verabredet gewesen war? Immerhin war Teegeschirr auf dem Wohnzimmertisch gestanden. Aber wer trifft sich heimlich in einem verlassenen Haus zum Tee?
Komische Vorstellung.
Obendrein erschloss sich aus diesen Fragen die nächste Überlegung: Aus welchem Grund hatte die Frau oder ihre Verabredung davon gewusst, dass eben dieses Haus unbewohnt und unbenutzt stand? Das war ein sehr wichtiger Aspekt – doch freilich gab es etliche Möglichkeiten, warum jemand davon wissen konnte.
2
Jeanne, Valentin und Carsten saßen bei Kaffee und Hörnchen am Küchentisch und erörterten die Vorgehensweise für den heutigen Tag.
„Die Kinder, die wir befragen wollen, sind am Vormittag in der Schule. Daher sprechen wir zunächst mit den fünf Anwohnern, die keine schulpflichtigen Kinder haben“, sagte Valentin gerade. „Dann essen wir Mittag bei uns und am Nachmittag gehen wir zu den verbleibenden drei Nachbarn.“
„Ob da einer was gesehen hat?“, zweifelte Carsten.
„Es ist nicht so, dass wir uns viel davon versprechen können“, räumte Valentin ein. „Das Haus scheint ja wohl ein heimlicher Treffpunkt gewesen zu sein, und wenn die ihre Sache gut gemacht haben, dann hat halt auch nie jemand etwas davon mitbekommen. Aber man will ja nichts unversucht lassen.“
„Klar. Und ich gehe derweil zu Sabine?“, fragte Jeanne.
„Es wäre interessant, ob ihr etwas dazu einfällt. Auch wenn sie keine direkte Nachbarin ist - Du weißt schon, sie weiß doch alles von den Leuten von hier und überhaupt“, antwortete Valentin mit einem Augenzwinkern.
„Ich habe Dein Grinsen gesehen! Aber sie ist trotzdem keine Tratsche“, verteidigte Jeanne ihre Freundin.
„Ich mag sie ja auch“, beschwichtigte Valentin seine Frau.
„Es ist einfach nur erstaunlich, wie sie das macht.“
Jeanne wusste natürlich, dass Valentin recht hatte. Sabine war nun mal so ein Typ Mensch, der eine gewisse Ausstrahlung hat, dank der man gerne von sich erzählt.
Dabei war sie verständnisvoll und wirklich interessiert.
Allerdings konnte sie ein Geheimnis für sich behalten und war ausgesprochen loyal.
Valentin unterbrach Jeannes inneren Dialog.
„Ach ja, noch etwas, der Gerichtsmediziner hat mich heute Morgen aufgeklärt, dass die Frau keineswegs aufgesetzt worden sein muss, nachdem sie gestorben ist“, berichtete er. „Wenn die Dosis hoch genug ist und direkt im Mund aufplatzt, wie zum Beispiel eine mit Blausäure gefüllte Phiole – davon waren im zweiten Weltkrieg nicht wenige im Umlauf – tritt der Tod in der Regel durch schlagartiges Aussetzen der lebenswichtigen Funktionen innerhalb von fünfzehn Sekunden ein. Tod `mit der Symptomatik einer Apoplexie´ nennt man das dann. Den Rest kann man sich vorstellen.“
„Wow, das ist schon krass. Ein rasant schneller, aber trotzdem bestimmt ein extrem schmerzhafter Tod. Die Sekunden sind wahrscheinlich so furchtbar, dass sie für denjenigen unendlich lang sind“, erwiderte Jeanne.
„Oh ja, ich glaube, Zyankali ist immer ein grausames Sterben“, stimmte Carsten zu. Er nahm noch ein Hörnchen.
Valentin sah ins Nichts und klopfte mit seinem Stift einen kurzen, sich wiederholenden Takt auf den Tisch. Das tat er manchmal, wenn er versuchte, sich neu zu sammeln.
„Mal sehen, ob die Forensik bis heute Nachmittag noch mehr Interessantes herausfinden wird“, sagte er.
„Und wie macht Ihr die Befragung mit den Kindern?“, fragte Jeanne.
„Carsten befragt Laura und Moritz nach dem Essen, Du bist dabei und ich bin auch nur Zuschauer“, erläuterte Valentin. „Die Befragungen mit den anderen Kindern machen ich und Carsten zusammen.“
Somit war das Nötigste geklärt.
Valentin gab Jeanne einen Kuss und nahm seine Jacke.
Carsten bedankte sich bei Jeanne für Kaffee und Hörnchen und die beiden Männer zogen los.
3
Während Jeanne das Mittagessen zubereitete, gingen ihr immer wieder dieselben Fragen durch den Kopf:
Warum war die Ermordete in Schröders Haus gekommen? Wodurch wusste jemand außerhalb dieser Straße davon, dass dieses Haus leer stand? Wie waren sie und ihre Verabredung ins Haus hineingekommen beziehungsweise woher konnte jemand einen Schlüssel haben? Wie kam jemand an eine Zyankali Kapsel?
Es war ganz schön gruselig, dass mit dem Tod jener Frau nun zum zweiten Mal ein Mord hier in der Gegend geschehen war.
Zu jener Zeit wohnten sie erst seit wenigen Wochen in ihrem Haus und sie war mit Laura schwanger. Damals wurde im Wald ein älterer Mann erschlagen, der Tatort damals war auch nur wenige hundert Meter entfernt von ihrem Haus.
„Hoffentlich wird dieser Fall bald aufgeklärt, ein Mord in nächster Nähe macht mich mehr als nervös“, dachte Jeanne und sah auf die Uhr. Jeden Augenblick würden die Kinder heimkommen und auch Valentin und Carsten sollten demnächst zurück sein.
Normalerweise waren Jeanne und die Kinder zum Mittagessen nur zu dritt, sodass sie heute spontan ein paar Erweiterungen zubereitet hatte. Den Kartoffelsalat zu den Fleischküchlein hatte sie mit Möhren, Erbsen und Blumenkohl angereichert und außerdem einen Pudding zum Nachtisch gekocht.
Laura und Moritz kamen fast zeitgleich mit ihrem Vater und seinem Assistenten Carsten. Erfreulicherweise wirkten die Kinder unbeschwert. Tatsächlich fanden sie es äußerst spannend jetzt mit den beiden Männern zusammenzusitzen, die den Mord aufklären sollten, der hier in ihrer Straße passiert war.
Etwas zu essen verschaffte allen eine gewisse Pause von der Beschäftigung mit dem Fall. Abgesehen davon wollte Jeanne sowieso erst heute Abend mit Valentin über die ganze Sache und über seine morgendlichen Ermittlungen sprechen – vielleicht gab es bis dahin ja auch schon ein paar neue Erkenntnisse.
Dann gingen alle gemeinsam ins Wohnzimmer und Valentin bat seine Kinder, seinem Assistenten ein paar Fragen zu beantworten. Laura und Moritz fanden auch diese Situation extrem spannend und bemühten sich, ihre Sache besonders gut zu machen.
Die Befragung der Kinder war natürlich nötig, um ihre Aussagen schriftlich festzuhalten, zum anderen erwähnten die beiden durch den Abstand zum gestern Erlebten und durch die bewusste Konzentration ein paar weitere Details.
Laura ihrerseits war sich sicher, dass sie ein Handy auf dem Wohnzimmertisch gesehen hatte. Und Moritz erinnerte sich, dass er ein Rumpeln hörte, während sie sich gestern im Wohnzimmer des Schröder-Hauses befanden.
Beide waren eifrig bemüht, etwas Hilfreiches zur Lösung des Falles beizutragen und Moritz sprach sogar davon, dass er eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte.
Vor allem war auffällig und erfreulich, dass der große Schrecken, den die Kinder gestern Nachmittag erlebt hatten, bereits einer aufgeregten Neugier gewichen war.
Dann war die Befragung zu Ende und die beiden Kommissare machten sich wieder auf den Weg.
4
Jeanne hatte ihre Freundin Sabine gebeten, im Laufe des Nachmittags vorbeizukommen. Bis dahin würde Jeanne im Garten dort weitermachen, wo sie gestern aufgehört hatte. Während sie die Kastanien aufsammelte, wollte sie abschalten und erst wieder an die tote Frau denken, wenn sie Sabine davon berichten würde.
Es dauerte nicht lang, bis Sabine auftauchte. Durch Jeannes Andeutung, dass sie vielleicht zur Klärung der Identität einer unbekannten Toten beitragen könne, war sie neugierig geworden und ließ nicht auf sich warten.
Sie wusste, dass Jeanne unter dem großen Kastanienbaum zu finden war und kam direkt in den hinteren Garten.
Ohne lang zu fragen half sie Jeanne sogleich beim Sammeln.
„Hat es sich schon herumgesprochen, dass die Kinder gestern eine tote Frau im Schröder-Haus gefunden haben?“, fragte Jeanne.
„Na klar, das ging in Windeseile durch das ganze Viertel“, antwortete Sabine. „Aber sag mal, sind denn die Kinder nicht völlig verschreckt?“
„Gestern waren sie durch den Schock natürlich überfordert – aber sie scheinen beide schon darüber hinweg. Heute früh war es auch gar keine Frage, sie wollten auf jeden Fall in die Schule gehen. Ich finde das ja ziemlich beeindruckend“, meinte Jeanne.
„Hm“, bejahte Sabine, „so Kinder stecken doch mehr weg als man denkt.“ Dann blickte sie auf die zwei randvollen Eimer. „Da haben wir aber eine schöne Menge Maronen, was willst Du damit machen?“
„Ich koche sie erst alle und löffele sie aus, dann wiege ich mal wie viel es insgesamt ist. Es reicht mindestens für ein Mittagessen und ein Rezept Marmelade“, antwortete Jeanne. „Lass uns ins Haus gehen.“
Die Frauen nahmen die zwei Eimer mit den Kastanien und gingen zum Haus.
„Valentin hat mir ein Foto von der Toten dagelassen“, sagte Jeanne. „Ich soll Dich mal fragen, ob Du weißt wer das ist.“
„Da bin ich aber mal neugierig“, erwiderte Sabine.
Nachdem sie sich die Hände gewaschen hatten, gab Jeanne Sabine das Handy, auf dem das Foto der Toten abgebildet war.
„Hm, leider muss ich Dich enttäuschen“, sagte Sabine.
„Die ist mir völlig unbekannt.“
„Na ja, egal, hätte ja sein können. Und Du weißt, wie sehr es mich juckt, Valentin bei dem Fall zu unterstützen, gerade wo der Mord in nächster Nähe passiert ist“, meinte Jeanne.
„Oh ja, natürlich kann ich das verstehen! - Weißt Du noch, als wir zwei seinerzeit mitgeholfen haben, den Mord an Fechtner Senior aufzuklären?!“, sagte Sabine verschwörerisch. Bei aller Bescheidenheit war sie freilich auch stolz darauf, dass sie beide damals zur Lösung des Falls beigetragen hatten.
Jeanne und Sabine hatten sich vor zehn Jahren während den damaligen Ermittlungen um den Toten im Wald kennengelernt. Sie waren sich von der ersten Begegnung an sympathisch gewesen und schon bald waren sie Freundinnen und, gewiss auch durch den speziellen Umstand ihres Kennenlernens, Vertraute geworden. Seitdem gedieh ein Gefühl echter Verbundenheit zwischen den beiden.
Die zwei Frauen überlegten eine Zeitlang im Stillen vor sich hin. Es gab noch so wenige Fakten und zugleich gab es natürlicherweise schon so viele Überlegungen.
„Mir ist bei dem Foto als erstes aufgefallen, dass sie elegant aussieht… und eitel, würde ich sagen. Wie die wohl in dieses Haus kam, ich meine, wie es wohl dazu kam, dass sich jemand wie sie in so einem Haus treffen wollte?“, durchbrach Sabine jetzt die Stille.
„Das ist ein wichtiger Gedanke“, stimmte Jeanne zu. „Ich habe mich auch gefragt, warum jemand überhaupt auf die Idee gekommen ist, sich dort zu treffen. Es muss um ein Geheimnis gehen.“
„Entweder illegale Geschäfte oder eine Affäre. Oder was gäbe es da noch?“, spann Sabine weiter.
„Ich kann mir eigentlich auch nur so was vorstellen“, stimmte Jeanne zu. „Es ist ja doch ein ganz schöner Aufwand, in so ein verlassenes Haus zu gehen, da muss man schließlich erst einmal den Schlüssel auftreiben, oder?“
„Wenn es nicht aufgebrochen wurde?“, meinte Sabine.
„So hat es eigentlich nicht ausgesehen. Außerdem, da war eine Teetasse herumgestanden. Ich denke nicht, dass man in Seelenruhe einen Tee kocht, wenn man die Haustüre nicht aufgeschlossen hat… Du weißt, wie ich meine“, gab Jeanne zu bedenken.
Inzwischen waren die Kastanien fertig gekocht und mussten fürs erste abkühlen.