Waidling (Band 2): Stadt der Geheimnisse - Liz Flanagan - E-Book

Waidling (Band 2): Stadt der Geheimnisse E-Book

Liz Flanagan

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Beschreibung

Der Krieg bedroht immer noch Rowans geliebte Heimatstadt, sodass sie weiterhin bei ihrem Großvater und seinem weißen Wolf Arto in der Nähe des Dunkelwaldes lebt. Obwohl sie ihren Vater und ihre beste Freundin Bella verzweifelt vermisst, hat sie in den Geschwistern Will und Cam neue Freunde gefunden. Und dann ist da ja noch ihre neu entdeckte Gabe! Rowan beginnt, ihre magischen Fähigkeiten als Waidling zu nutzen. Doch die Rettung eines jungen Pegasus bringt schwierige Entscheidungen mit sich, die nicht nur ihre Familie, sondern auch ihr eigenes Leben bedrohen. Als Rowan verraten wird, überschlagen sich die Ereignisse. Plötzlich muss sie sich fragen: Wem kann sie noch vertrauen? Und wo gehört sie jetzt hin, da ihre Familie durch den Krieg zerrissen ist?

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Seitenzahl: 90

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Liz Flanagan

Waidling

Die Stadt der Geheimnisse

Aus dem Englischen von Bettina Münch

© der deutschsprachigen Ausgabe: von Hacht Verlag GmbH, Hamburg 2023

Alle Rechte vorbehalten

Text Copyright © Liz Flanagan 2021

Cover und Illustrationen im Innenteil © Angelo Rinaldi 2023

Verlegerin: Rebecca Weitendorf von Hacht

Aus dem Englischen von Bettina Münch

Lektorat: Susann Harring

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

ISBN978-3-96826-708-1

 

www.w1-vonhacht.de

www.instagram.com/vonhacht_verlag

1. Kapitel

Rowan träumte von ihrem Vater. Ihr lebhafter Traum war erfüllt von seinem Lachen und seiner tiefen, dröhnenden Stimme, während sie zusammen in den königlichen Stallungen arbeiteten. Sie habe ein Talent für Pferde, sagte er oft, und er hörte stets auf ihre Ideen.

Dann wachte sie auf. Aber nicht bei ihrem Vater, nicht zu Hause in der Stadt, sondern in Großvaters Haus am Rand des Dunkelwalds. Enttäuschung spülte über sie hinweg, als ihr klar wurde, dass ihr Vater nach wie vor weit fort war, in der Stadt, wo der Krieg tobte, während sie sicher in ihrem gemütlichen Bett lag. Ein Streifen blasses Mondlicht fiel durch die Vorhänge. Arto, der weiße Wolf, lag auf ihren Füßen, hob den Kopf und knurrte.

Da hörte Rowan sie wieder: Die Stimme ihres Vaters dröhnte durch die Dielen. Es war kein Traum. Es war Wirklichkeit!

»Vater!«, rief sie und stürmte die Treppe hinunter. »Vater, bist du das?«

Sie fegte zur Küchentür hinein.

Tatsächlich! Ihr Vater kniete mit einem großen Bündel im Arm auf dem Boden. »Ich wusste nicht, wohin ich ihn sonst bringen sollte«, sagte er gerade zu ihrer Mutter und dem Großvater.

Mit einem Schrei sprang Rowan ihrem Vater auf den Rücken und klammerte sich an seine breiten Schultern.

»Vater! Du bist gekommen!«

Sie hatte ihn so sehr vermisst. Er war am Leben. Er war hier. Endlich!

Ihr Großvater – eigentlich Rowans Urgroßvater, der aber von allen nur Großvater genannt wurde – trat eilig hinzu, um das Bündel entgegenzunehmen, ehe es Rowans Vater aus der Hand rutschte.

Dann richtete sich dieser mit Rowan zusammen auf und zog sie an seine Brust. Seine Arme waren stark und warm. »Meine Rowan«, sagte er.

Sie hatte so viele Fragen: Was war mit dem Krieg? Warum war er hier? Würden sie jetzt alle nach Hause zurückkehren? Sie wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte. Einen Moment lang klammerte sie sich einfach weiter an ihren Vater, wie ein Bär auf halbem Weg den Baum hinauf.

Über seine Schulter sah Rowan die Mutter lachen. Mit Tränen in den Augen schaute sie zu, wie die beiden einander in den Armen hielten. Endlich war alles wieder so, wie es sein sollte. Ihre Familie war wieder vereint.

Rowan rutschte von ihrem Vater herunter. Sie wollte ihre Mutter bei der Hand nehmen, damit sie alle drei zusammen dastehen konnten wie früher. Doch sobald sie ein Stück von ihm abrückte, fiel ihr das Bündel ins Auge, das der Vater mitgebracht hatte. Darin kam ein lebendes Wesen zum Vorschein, das sich gerade zitternd aufrichtete.

Und plötzlich stand dort ein schwarzbraunes Tier mit:

Vier langen, schlanken Beinen.

Einem kräftigen Rücken.

Einem weichen, flaumigen Stummelschwanz.

Einem elegant geschwungenen Hals.

Und einer dicken schwarzen Mähne.

Das Fohlen hatte riesige dunkle Augen, aus denen es Rowan halb neugierig, halb nervös anstarrte. Sie erwiderte den Blick und spürte, wie ihr das Herz aufging vor lauter Liebe.

»Hallo«, flüsterte sie, streckte vorsichtig die Hand aus und spürte seinen warmen Atem, während das Tier an ihrer Hand schnüffelte. Seine Nase war samtweich, mit stoppeligen Haaren, die ein bisschen kitzelten. Rowan lachte.

Aber was hatten die merkwürdigen Lappen auf dem Rücken des Tieres zu bedeuten, die aussahen wie zusammengelegte Vorhänge? Sie zuckten, glitten auseinander, entfalteten sich und … flatterten!

Rowan blieb vor Staunen der Mund offen stehen.

Dieses Pferd hatte Flügel.

»Ein Pegasus!«, hauchte sie. »Warum hast du uns einen Pegasus gebracht, Vater?«

2. Kapitel

Wenig später saßen sie alle vier an Großvaters langem Küchentisch. Zur Feier des Tages hatte Rowan einen cremigen Kakao bekommen, während die Erwachsenen Kaffee tranken. Das dunkelbraune Pegasusfohlen hatte die letzte Stutenmilch getrunken, die der Vater auf die Reise mitgenommen hatte; jetzt schlief es von Arto bewacht, vor dem Feuer.

Rowan weigerte sich, die Hand des Vaters, der zwischen ihr und der Mutter saß, loszulassen, und lauschte aufmerksam seinem Bericht, was in der Stadt passiert war, seit sie und die Mutter bei Ausbruch des Krieges fortgegangen waren.

»Hast du die Kämpfe gesehen, Vater? Sind die Estrier wirklich in unsere Stadt einmarschiert?«, fragte sie und leckte ihren Löffel ab.

Der Vater seufzte. Er sah müde und älter aus als früher. »Ja, ich habe die Kämpfe gesehen«, erklärte er. »Aber sie haben weiter im Norden stattgefunden. Die Armee hat die Estrier von der Stadt ferngehalten. Ich war dafür zuständig, die Soldaten mit Pferden zu versorgen und mich um die Tiere zu kümmern. Also musste ich immer dorthin, wo die Schlacht war.«

Die Art, wie er sie ansah, gab ihr das Gefühl, dass er abzuschätzen versuchte, wie viel er ihnen erzählen sollte.

»Wir haben schwere Verluste erlitten«, fuhr er schließlich fort, und Rowan konzentrierte sich darauf, ihren Kakao umzurühren, statt darüber nachzudenken, was das zu bedeuten hatte. »Aber die Verluste der Estrier waren noch größer. Wir stehen kurz vor dem Sieg, heißt es.«

»Das klingt beruhigend«, sagte Rowans Mutter, die den Arm um die Schultern ihres Mannes legte und ihn an sich zog.

»Aber was hat das alles mit dem Pegasus zu tun?«, fragte Rowan, während sie über Großvaters Schulter spähte, um zu sehen, ob das Fohlen noch schlief. Arto hob den Kopf und erwiderte ihren Blick, als wollte er sagen: Mach dir keine Sorgen, ich passe auf den Kleinen auf!

»Die Estrier fangen magische Tiere, um sie im Krieg einzusetzen«, erklärte der Vater. »Manche stehlen sie wegen ihrer Fähigkeiten, wie die fliegenden Pegasi. Und andere fangen sie, weil sie glauben, dass ihre Hörner oder ihr Fell Zauberkräfte besitzen, wie die Drachen und Selkies.«

»Oh, das wissen wir!«, platzte Rowan heraus. Sie erzählte ihm von dem verwaisten Drachenbaby, das sie im Wald gefunden hatte und das sie und ihre Freunde Cam und Will von der benachbarten Farm auf den Namen Minze getauft hatten.

»Wir haben Minze aufgezogen, nachdem diese schrecklichen estrischen Wilderer ihre Mutter verschleppt haben.«

Auch dass sie ein ganzes Gelege mit roten Dracheneiern gerettet und ausgebrütet hatten, erzählte sie ihrem Vater. »Und alle haben zusammengearbeitet – die Drachen, die Hexen und wir –, um den Wilderern eine Falle zu stellen.«

Anschließend starrte sie in den Bodensatz ihres Kakaos und fügte düster hinzu: »Wir haben ihnen gesagt, dass sie nie wiederkommen sollen. Aber das haben sie wohl vergessen, denn die Hexen haben Anzeichen dafür gefunden, dass die Wilderer wieder da sind.«

»Solange der Krieg tobt, werden die Estrier alles versuchen, um doch noch zu gewinnen.« Großvater runzelte so heftig die Stirn, dass seine buschigen weißen Augenbrauen sich in der Mitte berührten. »War dieses Fohlen denn in die Kämpfe verwickelt? Es kommt mir dafür ein bisschen klein vor.«

»Nicht direkt«, sagte der Vater. »Die Königin hat nicht nur Soldaten, sondern auch Spione. Einige von ihnen sind getarnt nach Estrien gegangen. Und eine sehr mutige junge Spionin namens Kait hat dieses Fohlen gerettet. Die Estrier haben versucht, Pegasi für den Krieg zu züchten.«

Rowan schauderte, als sie sich vorstellte, wie estrische Soldaten auf geflügelten Pferden über sie hinwegflogen.

»Aber sie haben ihre Tiere nicht anständig versorgt. Außerdem ist ein Pegasus nicht dafür geschaffen, eingesperrt zu sein.« Die Stimme des Vaters wurde tief und grollend.

Rowan wusste, wie sehr er es hasste, wenn Leute ihre Tiere nicht richtig behandelten. Unverzeihlich nannte er das.

»Er ist doch noch ein Baby. Was ist mit seiner Mutter passiert?«, fragte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie das schlafende Fohlen betrachtete.

»Wir wissen es nicht. Sie wurden auf der Flucht getrennt, und wir können nur hoffen, dass sie sich in Sicherheit bringen konnte. Kait hat ihr Leben riskiert, um den Kleinen hier zu retten und in die königlichen Stallungen zu bringen. Es gibt nur noch eine Handvoll Pegasi auf der Welt. Dieser kleine Kerl ist sehr kostbar.« Das klang wie eine Warnung. »Sie werden hinter ihm her sein.«

»Ich verstehe«, sagte die Mutter. »Also deshalb hast du ihn hergebracht?«

»Ich kümmere mich um ihn!«, erklärte Rowan. »Wir können ihn verstecken, nicht wahr, Großvater?« Sie wusste, dass er allen Arten von Tieren half. Sie und Großvater waren Waidlinge und hatten eine besondere Gabe dafür, mit Tieren zu sprechen und sie zu heilen.

Doch Großvater zögerte.

Einen Moment lang sagte niemand etwas. Es war nichts zu hören außer dem Feuer, das im Herd niederbrannte, der tickenden Uhr an der Wand und Artos pfeifenden Atemzügen, während er mit einem aufgestellten Ohr neben dem Fohlen schlief.

»Die Estrier werden überall nach diesem Geschöpf suchen«, sagte Großvater schließlich. »Was du von uns verlangst, ist gefährlich. Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Freunde und Nachbarn, für das ganze Dorf Appeldorn.«

»Ich weiß«, erwiderte Rowans Vater. »Aber ich konnte ihn nicht in der Stadt lassen – man erkennt doch auf den ersten Blick, dass er ein Pegasus ist.«

»Bitte, Großvater!«, flehte Rowan. »Wills Stute Amber hat letzte Woche ein Fohlen bekommen und könnte den Pegasus mit aufziehen. Der Zeitpunkt ist genau richtig. Bitte.«

Sie sah, wie Großvaters Blick von ihr zu ihren Eltern wanderte.

»Na schön«, sagte er schließlich. »Wir werden ihn verstecken und aufziehen. Aber bis zum Frühjahr kommst du mit einem besseren Plan zurück.«

»Zurück?«, stieß Rowan aus. »Was meint er mit zurück? Du darfst uns nicht wieder verlassen.«

»Es tut mir schrecklich leid, Rowan. Ich habe der Königin versprochen, in die Stadt zurückzukommen, sobald ich den Pegasus in Sicherheit gebracht habe.«

Rowan klammerte sich wie eine Ertrinkende an den Arm ihres Vaters. Sie fühlte sich von ihren widerstreitenden Gefühlen hin- und hergerissen. Natürlich war sie froh, dass das Fohlen hier bei ihnen bleiben durfte. Aber der Gedanke, ihren Vater aufs Neue zu verlieren, war unerträglich.

Als hätte es sie gehört, schreckte das Pegasusfohlen aus dem Schlaf und stellte sich auf seine absurd langen Beine. Mit wackligen Schritten stakste es auf Rowan zu, stupste sie sanft an und stieß ein leises Quieken aus.

Rowan konnte seine Gedanken nicht unbedingt in Worten erfassen, es war eher eine Empfindung. Das Fohlen fragte sie etwas wie: Bist du meine Herde?

Sie legte den Arm um seinen Hals und kraulte ihm die Mähne, als sie den Kopf senkte, um sich die Tränen abzuwischen, die niemand sehen sollte. »Ja, das bin ich. Ich verspreche dir, auf dich aufzupassen«, flüsterte sie und ließ das Fohlen in Gedanken wissen, dass es willkommen war und geliebt wurde. »Wir beide halten zusammen, du und ich. Ich werde deine Herde sein.«

3. Kapitel

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