Waidling 1. - Liz Flanagan - E-Book

Waidling 1. E-Book

Liz Flanagan

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Beschreibung

Als der Krieg ihre geliebte Stadt bedroht, fliehen Rowan und ihre Mutter in den Dunkelwald, wo sie bei Großvater und seinem weißen Wolf Arto Unterschlupf finden. Über Nacht gerät Rowans einfaches Leben aus den Fugen, und sie wird in eine neue Welt voller gefährdeter magischer Wesen und ungeahnter Macht gestoßen. Als sie ein Drachenbaby vor Wilderern rettet, entdeckt sie das Geheimnis ihrer eigenen Identität. Dies ist der Beginn von Rowans Bestimmung als magischer Tierheilerin. Ist sie in der Lage, der Verantwortung eines Waidlings gerecht zu werden?

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Seitenzahl: 92

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Liz Flanagan

Waidling

Flucht in den Dunkelwald

Aus dem Englischen von Bettina Münch

Deutsche Erstausgabe

© der deutschsprachigen Ausgabe: von Hacht Verlag GmbH, Hamburg 2022

Alle Rechte vorbehalten

Text Copyright © Liz Flanagan 2021

Cover und Illustrationen im Innenteil © Angelo Rinaldi 2022

Aus dem Englischen von Bettina Münch

Lektorat: Susann Harring

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

ISBN978-3-96826-707-4

 

www.w1-vonhacht.de

www.instagram.com/vonhacht_verlag

1. Kapitel

Am Morgen, an dem ihre Welt auf den Kopf gestellt wurde, konnte Rowan an nichts anderes denken als an das Wettrennen gegen ihre beste Freundin Bella.

Keines der anderen Kinder lief schneller als sie beide, und dieses Rennen würde ein für alle Mal entscheiden, wer von ihnen die Schnellste war. Beide fest entschlossen, heute zu gewinnen, stellten sie sich an einer Stelle auf, die gerade noch innerhalb der Stadtmauern lag, und warteten auf den Glockenschlag zur vollen Stunde.

»Deine Hand berührt das Tor überhaupt nicht!«, beschwerte sich Rowan. »Du kennst die Regeln, und diese hier war sogar deine Idee.«

»Da sind überall Spinnweben, igitt!« Bella streckte die Finger aus, die das mächtige Tor mit den eisernen Beschlägen kaum streiften. »Keine Ahnung, warum sie überhaupt ein Stadttor haben – es steht ja doch immer offen.«

Rowan hätte über den Gesichtsausdruck ihrer Freundin am liebsten gelacht, doch sie musste sich konzentrieren, wandte den Blick wieder nach vorn und überlegte, welchen Weg durch die Stadt sie bis zum Wachturm in den Palastgärten nehmen würde. »Diesmal wird nicht gemogelt. Deine Füße dürfen den Boden nicht berühren, verstanden?« Diese Regel stammte von ihr – sie sollte das Ganze interessanter machen.

»Es war nicht der Boden, sondern mein Bruder Milo!« Bella lachte. Sie hatte das letzte Wettrennen gewonnen, weil sie bei der Überquerung eines heiklen offenen Straßenabschnitts ihren Bruder zu Hilfe genommen hatte.

Die Glocke ertönte und verkündete die volle Stunde.

»Los!«, fauchte Rowan, und die beiden sausten davon.

Rowan kletterte die östliche Stadtmauer hinauf, benutzte raue Steine als Griffe und zog sich dann auf ein flaches Dach. Von dort war es kein Problem, die Reihe der Häuser und Läden entlangzuschleichen. An den aufsteigenden Gerüchen erkannte sie, wo sie gerade war: Sie überquerte die Bäckerei mit ihren köstlichen Aromen, schlug einen Bogen um die Schmiede, um der aufsteigenden Gluthitze des Eisens auszuweichen, und hielt über der Gerberei mit ihrem Gestank von trocknenden Lederhäuten die Luft an. Einige Leute winkten, andere ignorierten sie, und der mürrische Metzger murmelte etwas über Wildfänge, die nichts Besseres zu tun hätten.

Sie kümmerte sich nicht darum, sondern war ganz auf das konzentriert, was als Nächstes kam, denn sie erreichte das Ende der Straße. Das war der schwierigste Teil: Für einen Sprung auf die andere Seite war es zu weit, aber sie hatte darauf spekuliert, dass sie Hilfe erhalten würde. Ein mit Strohballen beladener Karren kam die Straße entlang. Rowan vermutete, dass er auf dem Weg zu ihrem Vater in den Stallungen des Palastes war. Als sich der Karren genau auf ihrer Höhe befand, sprang sie mit einem Satz hinunter. Beim Abrollen spürte sie durch ihren verschlissenen Leinenkittel das kratzige Stroh.

»He, du freche Göre. Runter von meinem Karren!«, schrie der Fahrer sie an.

»Danke!« Rowan rappelte sich auf, passte den richtigen Moment ab und sprang auf eine niedrige Mauer auf der anderen Straßenseite.

Endlich! Jetzt war sie nah an ihrem Zuhause – den luftigen Räumen über dem Stalltrakt – und nahm ihre Lieblingsabkürzung durch die Palastgärten.

Rowan verzog den Mund zu einem Lächeln. Diesmal würde sie gewinnen! Mit einem Satz schwang sie sich auf einen Apfelbaum, flitzte eine hohe, efeubedeckte Mauer entlang und erreichte den Wachturm. Dort begann sie zu klettern. Der Himmel war blau an diesem Morgen, und die Sonne wärmte ihr auf ihrem Weg nach oben den Rücken.

Sie hatte das Ziel fast erreicht, als sie plötzlich Stimmen vernahm und begriff, dass der Wachturm besetzt war. Und zwar nicht von Bella!

Oh, oh.

Sie konnte es sich nicht leisten, von den Wachen entdeckt und jetzt noch vertrieben zu werden.

Mit Händen und Füßen klammerte sie sich an die alten Steine. Ihre Arme begannen zu brennen. Ihre Beine begannen zu zittern. Macht schon, dachte sie, während sie darauf wartete, dass die Wachen abzogen.

Zwei Personen unterhielten sich über langweiliges Zeug, das sie schon öfter gehört hatte: den Krieg im weit entfernten Estrien und die Verteidigungsanlagen der Stadt.

Rowan hörte nicht länger zu und beobachtete stattdessen, wie eine Brieftaube nach unten segelte und in den Gärten neben einem kleinen Taubenschlag landete. Am Fuß des Vogels war eine Nachricht befestigt – Rowan konnte die winzige Papierrolle von ihrem Platz aus erkennen.

Du siehst müde aus, sagte sie in Gedanken zu der Taube. Ich hoffe, du kannst dich jetzt ausruhen.

Das Tier legte den Kopf schief und sah zu ihr herauf, als hätte sie es gehört. In diesem Moment kam Sam, der Taubenjunge, angerannt, um dem Vogel die Nachricht abzunehmen und ihm etwas wohlverdientes Futter und Wasser zu geben.

»Wann wird uns ihre Armee erreichen?«, erklang eine Frauenstimme im Turm über Rowan.

»Es kann jeden Tag so weit sein. Ich erwarte eine Nachricht von unseren Grenzern«, antwortete ein Mann.

»Ich gehe nicht fort«, sagte die Frau.

»Wir müssen für Eure Sicherheit sorgen, Majestät.«

Majestät? Rowan fiel vor Schreck fast vom Turm. Sie schaffte es gerade noch, ihre Zehen ein wenig tiefer in den Spalt zwischen den Steinen zu schieben, um besseren Halt zu bekommen. Sie belauschte die Königin! Dafür gab es sicher Strafen.

Mit einem Blick über die Schulter hielt sie nach Bella Ausschau, um sie zu warnen, sich fernzuhalten, aber die Freundin war nirgends zu sehen.

»Ich lasse mein Volk nicht im Stich«, sagte die Königin.

»Dann schickt wenigstens die Prinzen fort«, schlug der Mann vor.

»Nein.« Die Königin klang entschieden, ihr Entschluss war gefallen. »Welche Botschaft senden wir damit aus? Dass wir Feiglinge sind? Wir bleiben hier. Ich weiß, dass Sie uns alle beschützen werden.«

Der Mann seufzte. »Wir werden unser Bestes tun, Majestät. Aber der Krieg wird kommen.«

»Und wir haben die besten Soldaten«, erwiderte Königin Silvana mit fester Stimme.

Kurz darauf gingen die beiden, immer noch in ihr Gespräch vertieft, davon. Rowan konnte die Königin in ihrem langen Samtmantel und den General mit seinem eleganten Hut und der ebenso eleganten Uniform nun klar und deutlich sehen.

Der Krieg wird kommen. Hierher? In ihre Stadt? Obwohl die Sonne immer noch vom Himmel brannte, war Rowan plötzlich eiskalt.

2. Kapitel

Statt auf den Turm hinauf kletterte Rowan hastig hinunter in die Palastgärten, ohne auf ihre verkrampften Finger zu achten. Dann rannte sie dorthin, wo ihr Vater arbeitete, in die Stallungen des Palasts. Die Ställe mit ihrem warmen, würzigen Geruch von Pferden und frischem Heu waren ihr Lieblingsort. Ihr Vater sagte oft, dass sie eine Begabung für Pferde habe, und sie war sehr gut darin geworden, ihm zur Hand zu gehen.

»Vater!« Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte sie sich, dass der Hof vor den Stallungen leer war. »Ich bin geklettert und wollte wirklich nicht lauschen, aber ich habe die Königin gehört. Was ist los? Gibt es wirklich Krieg? Hier bei uns?« Die Fragen sprudelten nur so aus ihr heraus.

Ihr Vater war groß und stark und fürchtete sich vor nichts und niemandem. Rowan ging davon aus, dass er lachen und ihr sagen würde, es wäre nichts.

Aber das tat er nicht.

Stattdessen ging er in die Hocke, damit er mit Rowan auf gleicher Höhe war. Dann nahm er ihre Hand und sagte zärtlich: »Du hättest es nicht auf diese Weise herausfinden sollen. Aber wenn die Gerüchte stimmen, wird es bald Krieg in unserer Stadt geben.«

Als hätten seine Worte es heraufbeschworen, begann eine laute Alarmglocke zu läuten. Rowan hatte dieses Geräusch noch nie gehört. Das schrille Geläut hallte durch die ganze Stadt.

»Das ist das Signal: Die Kämpfe werden uns bald erreichen.« Ihr Vater runzelte die Stirn. »Deine Mutter und ich haben dafür Vorkehrungen getroffen. Ihr beide müsst fort. Heute noch.«

»Ich will aber nicht weg!« Rowan warf sich ihrem Vater in die Arme und umarmte ihn fest. Sie spürte seinen Stoppelbart auf ihrem Kopf, als er sie fest an sich drückte. »Hier ist unser Zuhause. Ich gehe nicht fort.« Sie konnte mutig sein, genau wie die Königin.

Ihr Vater löste sich sanft aus ihrer Umklammerung und hielt ihre Hände in seinen riesigen Fäusten. »Ich will auch nicht, dass ihr geht.« Sein Blick war ernst und traurig. »Aber du und deine Mutter, ihr werdet bei Großvater bleiben. Bei ihm seid ihr sicher.«

»Aber er wohnt viele Meilen weit weg!«, rief Rowan. Sie war ihrem Urgroßvater nie begegnet, wusste nur, dass er der Großvater ihrer Mutter war: ein alter Mann, der Inigo Webster hieß. Er lebte weit weg, in der Nähe des Dunkelwaldes. »Ich kenne ihn gar nicht. Ich kenne dort überhaupt niemanden«, versuchte Rowan ihrem Vater zu erklären, aber er hörte ihr nicht zu.

Der gellende Glockenklang ließ keinen klaren Gedanken zu. Rowan kam es vor, als wäre ihr ganzer Körper eine Alarmglocke in vollem Geläut. Ihr Herz raste, und ihr Atem ging schnell.

»Beeil dich. Du musst nach Hause und packen. Euch bleibt nicht viel Zeit.« Ihr Vater stand wieder auf. »Da kommt schon deine Mutter.«

»Darf ich mich wenigstens von Bella verabschieden?«, fragte Rowan. »Wir waren gerade noch zusammen. Sie wird sich fragen, was passiert ist …«

»Nein, Rowan. Wir reisen sofort ab.« Ein Blick in das Gesicht ihrer Mutter sagte Rowan, dass sie keine Wahl hatte. Normalerweise war ihre Mutter, die immer leuchtend bunte Kleider und das kastanienbraune Haar als Zopf auf dem Rücken trug, ein fröhlicher und gelassener Mensch. Aber nicht heute. Rowan wurde ganz übel vor Angst, als sie die Anspannung in ihrem Gesicht sah.

Sie hörte zu, wie ihre Eltern sich eilig besprachen: welches Pferd sie nehmen sollten und welche Straße die beste sein würde. Rowan fühlte sich wie in einem schlimmen Traum gefangen. Irgendwie schaffte sie es, zu tun, was die Mutter ihr sagte. Sie stolperte nach Hause, rollte ein Bündel Kleider zusammen und packte eine kleine Tasche mit ihren kostbarsten Besitztümern: ihrem Glücksstein und dem Buch über Tiere, das sie zu ihrem letzten Geburtstag bekommen hatte. Sie beluden einen Wagen und spannten ihr treues Zugpferd Aschanti ein. Die Fuchsstute wandte den Kopf und schnaubte Rowan tröstend an, als wollte sie sagen: Keine Bange, bei mir bist du sicher. Dankbar streichelte Rowan Aschantis samtweiche Nase.

Dann kam der schlimmste Moment: der Abschied von ihrem Vater.

»Warum kannst du nicht mitkommen?«, fragte Rowan und kämpfte gegen die Tränen.

»Meine Aufgabe ist hier«, sagte er. »Ich werde hier mehr denn je gebraucht.«

Dann umarmte er beide gleichzeitig.

Rowan hatte einen Arm um ihre Mutter gelegt und den anderen um ihren Vater. Sie waren eine Familie. Sie drei. Sie würde ihren Vater nicht loslassen, nein, das würde sie nicht. Dann musste er mit ihnen kommen.

Aber der Vater hob sie sanft hoch und setzte sie neben ihre Mutter auf den erhöhten Kutschbock. »Sei tapfer, meine kleine Rowan.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und trat zurück.

Während die Welt in Tränen verschwamm, sah Rowan, wie ihre Mutter sich über die Augen fuhr, heftig schniefte und die Zügel anhob.