Walden oder vom Leben in den Wäldern - H. D. Thoreau - E-Book

Walden oder vom Leben in den Wäldern E-Book

H. D. Thoreau

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Beschreibung

1845 zimmerte sich Henry David Thoreau, Sohn eines Bleistiftfabrikanten, eine einfache Hütte am Waldensee, nah seinem Heimatstädtchen Concord in Massachusetts, um sich für zwei Jahre dorthin zurückzuziehen. »Ich ging in die Wälder, weil ich mit Überlegung leben wollte, mich dem eigentlichen, wirklichen Leben nähern wollte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müssste, dass ich nicht gelebt hatte. Intensiv leben wollte ich, das Mark des Lebens in mich aufsaugen.« Walden ist das Protokoll dieses Experiments eines der ersten modernen Aussteiger und zugleich eine der eigentümlichsten und schönsten Handreichungen zum Glück.

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Henry Thoreau

Walden

oder Vom Leben in den Wäldern

Aus dem amerikanischen Englisch von Wilhelm Nobbe und Regina Roßbach

Kampa

Sparsamkeit

Als ich die folgenden Seiten oder vielmehr den größ- ten Teil davon schrieb, lebte ich allein im Wald, eine Meile von meinem nächsten Nachbarn entfernt in einer Hütte am Ufer des Walden Pond in Concord, Massachusetts, die ich selbst gebaut hatte, und verdiente meinen Lebensunterhalt nur durch meiner Hände Arbeit. Ich lebte dort zwei Jahre und zwei Monate. Jetzt nehme ich wieder am zivilisierten Leben teil.

Ich würde meine Angelegenheiten nicht so sehr der Kenntnis meiner Leser aufdrängen, wenn sich nicht meine Mitbürger so genau über meine Lebensweise erkundigt hätten, dass manche sie wohl als unverschämt bezeichnen würden. Ich selbst empfand es überhaupt nicht als unverschämt, sondern in Anbetracht der Umstände als sehr natürlich und angemessen. Die einen fragten, was ich gegessen, ob ich mich einsam gefühlt oder ob ich Angst gehabt hätte. Andere wollten wissen, welchen Teil meines Einkommens ich für wohltätige Zwecke verwendete, und wieder andere, die große Familien hatten, waren neugierig, wie viele arme Kinder ich unterstützte. Ich bitte deshalb diejenigen meiner Leser, die kein besonderes Interesse für mich fühlen, um Verzeihung, wenn ich versuche, einige dieser Fragen in diesem Buch zu beantworten. In den meisten Büchern wird das »Ich«, die erste Person, ausgelassen. Hier will ich sie beibehalten. Was den Egoismus betrifft, ist das der einzige Unterschied. Wir vergessen meist, dass es letzten Ende immer die erste Person ist, die redet. Ich würde nicht so viel über mich selbst sprechen, wenn es irgendeinen anderen Menschen gäbe, den ich ebenso gut kennen würde. Leider bin ich durch die Begrenztheit meiner Erfahrungen auf dieses Thema beschränkt. Außerdem verlange ich für meinen Teil von jedem Schriftsteller, dass er früher oder später einfach und ehrlich von seinem eigenen Leben berichtet, und nicht bloß von dem, was er über das Leben anderer gehört hat. Etwa so, wie er seinen Verwandten aus einem fernen Land berichten würde. Denn wenn er wirklich gelebt hat, so muss das in einem weit entfernten Land gewesen sein. Vielleicht sind diese Zeilen hauptsächlich an arme Studenten gerichtet. Meine übrigen Leser müssen sich die Stellen zusammensuchen, die zu ihnen passen. Ich hoffe, dass bei der Anprobe des Rocks niemand die Nähte ausdehnt, denn wem er passt, kann der Rock vielleicht gute Dienste leisten.

Ich möchte gern etwas sagen, was nicht so sehr für die Chinesen oder Sandwich-Insulaner gilt als für euch Neuengländer, die ihr diese Zeilen lest; etwas über eure Lage, hauptsächlich über eure äußeren Umstände oder Verhältnisse in dieser Welt, in dieser Stadt: welcher Art sie sind, ob sie notwendigerweise so schlecht sein müssen, wie sie sind, ob sie verbessert werden könnten oder auch nicht. Ich bin in Concord viel herumgekommen, und überall in den Läden, in den Büros und auf den Feldern machten die Bewohner auf mich den Eindruck, als ob sie auf tausend merkwürdige Weisen für ihre Sünden büßten. Ich habe gehört, dass Brahmanen sich zwischen vier Feuer setzen und in die Sonne starren oder sich kopfüber über Flammen hängen, dass sie »über ihre Schulter zum Himmel blicken, bis es ihnen unmöglich wird, ihre natürliche Stellung wieder einzunehmen, während durch die Verdrehung des Halses nur Flüssigkeiten in den Magen gelangen können«, dass sie ihr ganzes Leben an eine Baumwurzel gekettet verbringen, wie Raupen kriechend ungeheure Reiche ausmessen oder mit einem Bein auf einer Säule stehen. Aber selbst diese Äußerungen bewusster Reue sind kaum unglaublicher oder verblüffender als die Szenen, deren Zeuge ich täglich bin. Die zwölf Aufgaben des Herkules waren belanglos im Vergleich zu denen, die meine Nachbarn unternommen haben, denn er hatte nur zwölf davon, und dann war er fertig. Ich konnte dagegen niemals beobachten, dass diese Menschen ein Ungeheuer erschlugen oder einfingen, oder dass sie irgendeine Arbeit beendeten. Ihnen fehlte der Freund Iolaos, der mit glühendem Eisen den Hals der Hydra versengte. Darum wuchsen, sobald ein Kopf zerschmettert war, zwei neue nach.

Ich sehe junge Leute, meine Mitbürger, deren Unglück es ist, dass sie Farmen, Häuser, Scheunen, Vieh und Ackergerät geerbt haben. Denn solche Dinge sind leichter erworben, als an den Mann gebracht. Es stünde besser um sie, wären sie auf offener Weide geboren und von einer Wölfin gesäugt, denn dann würden sie klarer erkennen, wo das wahre Feld ihrer Tätigkeit liegt. Wer hat sie zu Sklaven des Bodens gemacht? Warum sollten sie sich von ihren sechzig Morgen Land ernähren, wenn ein Mensch doch nur dazu verdammt ist, sein Häufchen Staub zu essen? Warum sollten sie gleich nach der Geburt damit beginnen, ihr Grab zu schaufeln? Sie müssen ein Menschenleben führen, sich dabei mit all diesen Dingen abplagen und so gut vorwärtskommen wie möglich. Wie manche arme unsterbliche Seele kreuzte meinen Weg, fast erdrückt und erstickt unter ihrer Last, die Straße des Lebens entlangkriechend, sich mit Ställen abrackernd, die fünfundsiebzig mal vierzig Fuß groß waren – mit Augiasställen, die niemals sauber gemacht wurden, mit hundert Morgen Land, Äckern, Wiesen, Weiden und Waldparzellen! Die Unbegüterten, die sich nicht mit solchen unnötigen, ererbten Fronen herumplagen, haben genug zu tun, ein paar Kubikfuß Fleisch zu beherrschen und zu kultivieren.

Doch die Menschheit krankt an einem Irrtum. Ihr besserer Teil ist bald als Dünger unter den Erdboden gepflügt. Ein scheinbares Verhängnis – gewöhnlich Schicksal genannt – zwingt sie, wie es in einem alten Buch geschrieben steht, Schätze zu sammeln, die von Motten und Rost zerfressen und von Dieben gejagt und gestohlen werden. Es ist ein Narrenleben, wie sie herausfinden, wenn sie am Ende angelangt sind, vielleicht auch schon früher. Es heißt, dass Deukalion und Pyrrha Menschen schufen, indem sie Steine über ihre Köpfe hinweg hinter sich warfen:

Inde genus durum sumus, experiensque laborum

Et documenta damus qua simus origine nati.

Oder, wie Sir Walter Raleigh klangvoll reimte:

»From thence our kind hard-hearted is, enduring pain and care,

Approving that our bodies of a stony nature are.«

»Seither ertragen wir Schmerz und Pein, sind unsere Herzen hart,

für unsere steinerne Abkunft liefern wir selbst den Beweis.«

So kann es gehen, wenn man einem faselnden Orakel blind gehorcht, Steine über seinen Kopf wirft und nicht schaut, wohin sie fallen.

Die meisten Menschen sind, selbst in diesem verhältnismäßig freien Land, aus purer Unwissenheit und Verblendung so sehr von eingebildeten Sorgen und den überflüssigen, groben Arbeiten des Lebens in Anspruch genommen, dass sie gar nicht dazu kommen, seine edleren Früchte zu pflücken. Ihre Finger sind durch übermäßige Arbeit zu ungeschickt und zittrig geworden. Tatsächlich hat der arbeitende Mensch heute nicht mehr die Muße, sich innerlich zu läutern. Es ist ihm nicht möglich, wahrhaft menschliche Beziehungen zu den Menschen zu pflegen; seine Arbeit würde an Marktwert verlieren. Er hat nur Zeit, eine Maschine zu sein. Wie kann er sich seiner Unwissenheit bewusst werden, wie es für seine geistige Weiterentwicklung erforderlich ist, wenn er seine Kenntnisse so oft gebrauchen muss? Wir sollten ihn ab und zu ohne Gegenleistung ernähren und kleiden und gut zu ihm sein, bevor wir ein Urteil über ihn fällen. Die kostbarsten Eigenschaften unseres Wesens können, wie die Blüten der Früchte, nur durch die behutsamste Behandlung erhalten werden. Doch so zartfühlend behandeln wir weder uns selbst noch die anderen.

Einige von euch, das wissen wir alle, sind arm, haben schwer mit dem Leben zu kämpfen, ringen sozusagen von Zeit zu Zeit nach Luft. Ich bezweifle nicht, dass einige Leser dieses Buchs nicht imstande sind, all die Mittagessen zu bezahlen, die sie in Wirklichkeit verzehrt haben, oder die Kleider und Schuhe, die sich so schnell abnutzen oder schon abgetragen sind; sie konnten vielleicht nur deshalb bis hierhin lesen, weil sie geliehene oder gestohlene Zeit dazu verwendet und so ihre Gläubiger um eine Stunde betrogen haben. Es ist eine nackte Tatsache, dass manche von euch elende und niedrige Leben führen; mein Blick dafür ist durch Erfahrung geschärft. All eure Bemühungen drehen sich darum, ins Geschäft hinein- oder aus den Schulden herauszukommen, aus jenem uralten Morast, den die Römer aes alienum nannten, »eines anderen Kupfer«, denn einige ihrer Münzen waren aus Kupfer. Ihr lebt, ihr sterbt, ihr werdet begraben durch das Kupfer eines anderen. Immer versprecht ihr zu bezahlen, morgen zu bezahlen, und dabei sterbt ihr heute – bankrott. Auf alle Arten versucht ihr, um Gunst und Kundschaft zu werben – nur vor Gesetzesübertretungen und Gefängnis hütet ihr euch. Ihr lügt, schmeichelt, versprecht, verkriecht euch mit eurer Höflichkeit in ein Schneckenhaus oder löst euch in eine Wolke seichter und dunstiger Großmut auf, um euren Nachbarn dazu zu bewegen, seine Schuhe oder seinen Hut, seinen Anzug oder seinen Wagen bei euch machen oder seine Gewürze von euch liefern zu lassen. Ihr macht euch krank, damit ihr etwas für eure kranken Tage zusammenspart, etwas, was man in einer alten Truhe oder in einem Strumpf hinter dem Wandbewurf versteckt, oder, um noch sicherer zu gehen, in einer Bank – egal wo, egal wie viel oder wie wenig.

Ich wundere mich manchmal darüber, dass wir so, ich möchte fast sagen, frivol sein können, uns um die schmutzige, aber etwas ferner liegende Form der Knechtschaft, die sogenannte »Negerversklavung«, zu kümmern, gibt es doch im Norden ebenso viele schlaue und findige Sklavenhalter wie im Süden. Es ist hart, einem südlichen, härter, einem nördlichen Sklavenaufseher zu unterstehen, am schlimmsten aber ist es, sein eigener Sklaventreiber zu sein. Redet mir bloß vom Göttlichen im Menschen! Schaut euch doch den Fuhrmann auf der Landstraße an, der sich bei Tag und bei Nacht zum Markt aufmacht. Offenbart sich irgendetwas Göttliches in ihm? Seine höchste Pflicht ist es, seine Pferde zu füttern und zu tränken. Was bedeutet ihm mehr – sein Schicksal oder der Frachtverkehr? Fährt er nicht für Herrn »Nimmerrast«? Was ist göttlich, was unsterblich an ihm? Wie er sich bückt und kriecht, wie er sich den lieben langen Tag unbestimmt fürchtet; er, der weder unsterblich noch göttlich ist, sondern nur der Gefangene und Sklave der Meinung, die er über sich selbst hat und die auf seinen eigenen Taten beruht. Die öffentliche Meinung ist ein schwacher Tyrann im Vergleich zu unserer eigenen. Was ein Mensch von sich selbst denkt, ist die Bestimmung oder Vorsehung seines Schicksals. Wo ist der Wilberforce, der selbst in den westindischen Gebieten einer launenhaften Phantasie die Selbstbefreiung durchsetzt? Denken wir auch an die Damen des Landes, die bis zum jüngsten Tag Toilettenkissen sticken, um nur ja kein allzu lebhaftes Interesse an ihrem Schicksal zu verraten! Als könnte man die Zeit totschlagen, ohne die Ewigkeit zu verletzen.

Die Mehrzahl der Menschen verbringt ihr Leben in stiller Verzweiflung. Was wir Resignation nennen, ist absolute Verzweiflung. Aus der hoffnungslosen Stadt zieht man aufs hoffnungslose Land und tröstet sich mit der Tapferkeit von Nerz und Bisamratte. Eine stereotype, wenn auch unbewusste Verzweiflung ist selbst hinter den sogenannten Vergnügungen und Unterhaltungen der Menschheit verborgen. Von Vergnügen kann da aber keine Rede sein, denn das kommt nach der Arbeit. Für den Weisen aber ist es charakteristisch, nichts aus Verzweiflung zu tun.

Wenn wir uns überlegen, was nach den Worten des Katechismus das höchste Ziel des Menschen ist und worin die notwendigen Lebensbedürfnisse wirklich bestehen, so scheint es, als ob die Menschen absichtlich die gewöhnliche Art zu leben gewählt hätten, weil sie ihr vor jeder anderen den Vorzug geben. Und doch glauben sie allen Ernstes, keine Wahl mehr zu haben. Wache und gesunde Geister dagegen erinnern sich, dass die Sonne einmal ungetrübt aufgegangen ist. Es ist nie zu spät, unsere Vorurteile abzulegen. Auf keine Denk- oder Handlungsweise, sei sie auch noch so alt, kann man sich ohne vorherige Prüfung verlassen. Was heute alle Welt nachbetet oder stillschweigend als wahr gelten lässt, kann sich morgen als falsch erweisen – als Schall und Rauch, den manche für eine Wolke hielten, die düngenden Regen auf ihre Felder bringt. Was frühere Menschen für unmöglich hielten, haben wir ausprobiert, und wir stellen fest, dass es möglich ist. Alte Taten für frühere Menschen, neue Taten für die neuen. Unsere Ahnen wussten nicht, wie sie sich Brennmaterial verschaffen konnten, um ihre Feuer zu unterhalten; heute legt man ein wenig trockenes Reisig unter einen Kessel und saust um den Erdball, so schnell wie ein Vogel. Das Alter ist kein so guter, nein ein schlechterer Lehrmeister als die Jugend, denn es hat nicht so viel gewonnen, wie es verlor. Man kann mit Recht bezweifeln, ob der weiseste Mensch nur durch das Leben irgendetwas von absolutem Wert gelernt hat. In Wirklichkeit haben die Alten der Jugend keinen wertvollen Rat zu geben. Ihre Erfahrungen sind zu unvollständig, und ihr Leben war – aus persönlichen Gründen, wie sie natürlich glauben – ein kläglicher Misserfolg. Und doch haben sie möglicherweise noch etwas Selbstvertrauen übrig, das über diese Erfahrung hinwegtäuscht; dabei sind sie ja nur weniger jung, als sie gewesen sind. Ich habe etwas über dreißig Jahre auf diesem Planeten zugebracht, und doch habe ich bislang noch nicht eine Silbe eines wertvollen oder selbst ernsthaften Ratschlags von meinen älteren Mitmenschen gehört. Sie haben mir nichts geraten, und sie sind dazu wahrscheinlich auch nicht imstande. Hier ist das Leben – ein größtenteils von mir noch nicht versuchtes Experiment. Dass sie es versuchten, nützt mir nichts. Zu keiner Erfahrung, die ich für wertvoll halte, hatten meine Ratgeber irgendetwas zu sagen.

Ein Farmer erklärte mir: »Sie können nicht allein von Pflanzenkost leben, denn sie trägt nichts zur Knochenbildung bei.« Darum widmet er gutgläubig den halben Tag der Versorgung seines Körpers mit dem Rohmaterial für Knochen. Und während er spricht, läuft er die ganze Zeit hinter seinen Ochsen her, die ihn und seinen schwankenden Pflug mit ihren durch Pflanzen genährten Knochen über alle Hindernisse hinwegzerren. Manche Dinge sind für gewisse Kreise wirkliche Notwendigkeiten, und zwar für die Hilflosen und Kranken, während sie anderen bloß als Luxus erscheinen und wieder anderen völlig unbekannt sind.

Es gibt Leute, die meinen, der ganze Bereich des menschlichen Lebens sei von ihren Vorfahren bereits in allen Höhen und Tiefen durchforscht, alle Dinge seien bereits besorgt. Laut Evelyn »hat der weise Salomo sogar für die Entfernung zwischen den Bäumen Vorschriften getroffen. Die römischen Prätoren bestimmten, wie oft man den Boden seines Nachbarn betreten dürfe, um die abgefallenen Eicheln aufzulesen, und wie viel davon dem Nachbarn zustehe.« Hippokrates hat uns sogar Anweisungen hinterlassen, wie wir unsere Nägel schneiden sollen, nämlich auf Höhe der Fingerspitzen, weder kürzer noch länger. Lebensüberdruss und Langeweile, die dem Leben alle Abwechslung und Freude nehmen, sind zweifellos so alt wie Adam. Doch die menschlichen Fähigkeiten sind unermesslich. Wir können auch aus dem wenigen, was bislang versucht worden ist, nicht schließen, was noch möglich ist. Wo auch immer du bisher erfolglos gewesen bist: »Quäle dich nicht, mein Kind, denn wer soll dich für etwas verantwortlich machen, was du nicht vollbracht hast?«

Wir können unser Leben an tausend einfachen Dingen erproben, zum Beispiel daran, dass dieselbe Sonne, die meine Bohnen reift, zugleich ein ganzes System von Weltkörpern wie unsere Erde beleuchtet. Wenn ich mich daran erinnert hätte, hätte ich mir manchen Irrtum erspart. Solche Erleuchtung besaß ich nicht, als ich Bohnen hackte! Wie wunderbar sind die Dreiecke, deren Spitzen von Sternen gebildet werden! Wie verschieden, wie weit voneinander entfernt sind die Geschöpfe in den verschiedenen Teilen des Weltalls, die sie zur selben Zeit betrachten! Die Natur und das menschliche Leben sind so vielfältig wie unsere Anlagen. Wer kann sagen, welche Aussicht sich einem anderen bietet? Wäre es nicht das größte aller Wunder, wenn man für einen Augenblick mit den Augen eines anderen sehen könnte? In einer Stunde würden wir in allen Zeiten der Welt leben, ja in allen Welten aller Zeiten! Geschichte, Poesie, Mythologie! – Ich habe über die Erfahrung anderer nichts gelesen, was so staunenswert und lehrreich wäre.

Im Grunde meines Herzens glaube ich, dass der größere Teil von dem, was meine Nachbarn für gut halten, schlecht ist, und wenn ich irgendetwas bereue, so ist es aller Wahrscheinlichkeit nach mein anständiger Lebenswandel. Was für ein Dämon beherrschte mich, dass ich mich so gut benommen habe? Sprich ruhig deine größte Weisheit aus, alter Mann, der du siebzig Jahre und mit einer gewissen Würde gelebt hast – ich höre eine unwiderstehliche Stimme, die mich von all dem fortlockt. Eine Generation lässt die andere zurück wie gestrandete Schiffe.

Ich finde, dass wir gefahrlos viel mehr vertrauen könnten. Wir sollten uns selbst gerade so viel Sorgfalt widmen, wie wir ehrlich anderen schenken. Die Natur passt sich ebenso gut unserer Schwäche an wie unserer Stärke. Die ständige Angst und Anstrengung mancher Menschen ist eine nahezu unheilbare Krankheit. Wir überschätzen die Wichtigkeit unserer Werke. Und doch: Wie vieles geschieht ohne unser Zutun? Und wenn wir nun krank würden? Wie vorsichtig wir sind; fest entschlossen, uns nicht auf unseren Glauben zu verlassen, wenn wir es vermeiden können. Den ganzen Tag sind wir auf der Hut, abends sprechen wir unwillig unser Gebet und ergeben uns dem Ungewissen. So sehr verehren wir das Leben und hängen mit allen Fasern daran, dass wir die Möglichkeit einer Veränderung leugnen. Das ist der einzig richtige Weg, sagen wir. Und doch gibt es so viele Wege, wie wir Radien von einem Mittelpunkt aus ziehen können. Jede Veränderung wirkt auf uns wie ein Wunder. Doch solch ein Wunder vollzieht sich in jedem Augenblick. Konfuzius hat gesagt: »Zu wissen, dass wir wissen, was wir wissen, und dass wir nicht wissen, was wir nicht wissen, das ist das wahre Wissen.« Sobald auch nur ein Mensch ein Ergebnis seiner Phantasie auf ein Ergebnis seines Intellekts zurückgeführt hat, werden alle Menschen ihr Leben auf dieser Basis aufbauen, davon bin ich überzeugt.

Denken wir einen Augenblick darüber nach, worum sich die erwähnte Mühe und Sorge drehen und inwieweit es notwendig ist, uns zu bemühen oder zumindest, uns zu sorgen. Es wäre eine gute Idee, inmitten unserer Zivilisation ein einfaches Grenzerleben zu führen, bloß um die grundlegenden Lebensbedürfnisse und die Methoden ihrer Befriedigung kennenzulernen. Man könnte auch die alten Geschäftsbücher der Kaufleute durchblättern, um zu sehen, was die Menschen am meisten kauften, was vorrätig gehalten wurde, das heißt, welche Waren am wichtigsten sind. Denn der Fortschritt der Jahrhunderte hatte nur wenig Einfluss auf die Grundgesetze der menschlichen Existenz; werden doch auch unsere Skelette von denen unserer Vorfahren wahrscheinlich nicht zu unterscheiden sein.

Mit »Lebensbedürfnisse« meine ich alles, was der Mensch durch seine eigene Arbeit erwirbt, was von Anfang an oder durch lange Gewohnheit so wichtig für das menschliche Leben geworden ist, dass, wenn überhaupt, nur im Zustand der Wildheit, aus Armut oder aus Philosophie je versucht wurde, darauf zu verzichten. Viele Wesen haben in diesem Sinne nur ein Lebensbedürfnis – Nahrung. Der Bison in der Prärie findet sie in einigen Quadratzoll schmackhaften Grases und in einem Trunk Wasser, falls er nicht den Schutz des Waldes oder den Schatten des Berges aufsucht. Kein Tier der Schöpfung braucht mehr als Nahrung und Unterschlupf. Die Lebensbedürfnisse eines Menschen in unserem Klima kann man ziemlich genau unter folgenden Rubriken zusammenfassen: Nahrung, Wohnung, Kleidung, Brennmaterial. Dann erst, wenn wir uns dieser Dinge versichert haben, können wir frei und mit einiger Aussicht auf Erfolg die wahren Probleme des Lebens erforschen. Der Mensch hat nicht nur Häuser erfunden, sondern auch Kleidung und die Zubereitung von Mahlzeiten. Und möglicherweise entstand durch die zufällige Entdeckung der Wärme des Feuers und durch ihre regelmäßige Nutzung, die anfangs ein Luxus war, unser heutiges Bedürfnis, am Feuer zu sitzen. Auch bei Katzen und Hunden kann diese Gewohnheit beobachtet werden. Durch zweckmäßige Wohnung und Kleidung bewahren wir vernünftigerweise unsere innere Wärme. Wenn wir aber mit diesen Dingen, wie auch mit der Feuerung, nicht Maß halten, das heißt, wenn die äußere Hitze größer ist als unsere Eigenwärme, riskieren wir dann nicht, uns zu verbrennen?

Der Naturforscher Darwin berichtete folgende überraschende Beobachtung, die er in Feuerland machte: Während er und seine Begleiter warm gekleidet nah am Feuer gesessen hätten, ohne es auch nur im Geringsten zu warm zu finden, sei den nackten Wilden, die weit vom Feuer entfernt standen, »bei solchem Rösten« der Schweiß in Strömen heruntergelaufen.

Auch wissen wir, dass der Neuholländer gefahrlos nackt umherspaziert, während der Europäer in seinen Kleidern fröstelt. Ist es unmöglich, die Widerstandsfähigkeit dieser Wilden mit der Intelligenz der zivilisierten Menschen in Einklang zu bringen? Laut Liebig ist der menschliche Körper ein Ofen und Nahrung der Brennstoff, der den Verbrennungsprozess in der Lunge aufrechterhält. Bei kaltem Wetter essen wir mehr, bei warmem weniger. Die tierische Wärme ist das Produkt einer langsamen Verbrennung, und Krankheit und Tod treten ein, wenn sie zu rasch vor sich geht oder wenn aus Mangel an Brennmaterial oder Sauerstoffzufuhr das Feuer erlischt. Natürlich darf die Lebenswärme nicht mit dem Feuer verwechselt werden; so weit zur Analogie. Es scheint also, dass der Ausdruck »tierisches Leben« mit dem Ausdruck »tierische Wärme« nahezu gleichbedeutend ist. Und wie die Nahrung als Brennstoff betrachtet werden kann, die unser inneres Feuer unterhält – und Brennstoff nur dazu dient, diese Nahrung herzustellen oder unsere Körperwärme durch Zufuhr von außen zu erhöhen –, so dienen Wohnung und Kleidung auch nur dazu, die so erzeugte und absorbierte Wärme zu bewahren.

Das Hauptbedürfnis unseres Körpers besteht also darin, warm zu bleiben, die Lebenswärme in ihm zu erhalten. Wie viel Mühe machen wir uns, nicht nur mit unserer Nahrung, Kleidung und Wohnung, sondern auch mit unseren Betten, die unsere Nachtkleider sind; berauben die Vögel ihrer Nester und ihres Gefieders, um diese Wohnung in einer Wohnung herzurichten, wie der Maulwurf, der am Ende seines Baus sein Bett aus Gras und Blättern macht. Die Armen klagen gewöhnlich über diese kalte Welt; auf Kälte, physische wie soziale, führen wir unmittelbar einen großen Teil unserer Leiden zurück. In manchen Klimazonen erlaubt die Sommerzeit den Menschen eine Art paradiesisches Leben. Brennmaterial ist dort, außer zum Kochen, nicht nötig. Die Sonne ist das Feuer, und viele Früchte sind durch ihre Strahlen ausreichend gekocht; die Nahrung überhaupt ist abwechslungsreicher und leichter zu beschaffen. Kleidung oder eine Behausung aber sind dort ganz oder teilweise entbehrlich. An zweiter Stelle stehen bei uns heutzutage, wie ich an mir selbst festgestellt habe, ein paar Werkzeuge: ein Messer, eine Axt, ein Spaten, ein Schubkarren usw., und für den Gelehrten: eine Lampe, Schreibmaterial und der Zugang zu einigen Büchern. All diese Dinge sind für wenig Geld zu haben. Trotzdem gehen einige Dummköpfe auf die andere Seite des Erdballs in unkultivierte, ungesunde Gegenden, widmen sich dort zehn oder zwanzig Jahre lang dem Handel, damit sie leben – das heißt, sich gemütlich warm halten können –, um schließlich in Neuengland zu sterben. Die besonders Reichen sitzen nicht in behaglicher Wärme, sondern in unnatürlicher Hitze; ich sagte es schon: Sie werden gekocht, natürlich à la mode.

Fast jeder Luxus und viele der sogenannten Bequemlichkeiten des Lebens sind nicht nur absolut überflüssig, sondern für den Fortschritt der Menschheit geradezu hinderlich. In dieser Hinsicht haben die Weisesten immer ein einfacheres und armseligeres Leben geführt als die Armen. Nie war jemand an weltlichen Gütern ärmer, an inneren Gütern reicher als die alten Philosophen in China, Indien, Persien und Griechenland. Wir wissen nicht viel über sie. Es ist erstaunlich, dass wir überhaupt so viel über sie wissen. Das Gleiche gilt für die neueren Reformer und Wohltäter späterer Völker. Nur wer den freien Blick besitzt, den freiwillige Armut eröffnet, kann unparteiisch und weise das menschliche Leben betrachten. Die Frucht eines luxuriösen Lebens ist Luxus, sei es in der Landwirtschaft, im Handel, in der Literatur oder in der Kunst. Heutzutage gibt es Philosophieprofessoren, aber keine Philosophen. Wie man einst trefflich sein Leben verbrachte, darüber hört man heute trefflich dozieren. Geistreiche Gedanken und selbst die Gründung einer Schule machen noch keinen Philosophen. Vielmehr muss man die Weisheit so sehr lieben, dass man nach ihren Vorschriften lebt; ein Leben in Einfachheit, Unabhängigkeit, Großzügigkeit und Vertrauen. Es geht darum, einige Probleme des Lebens nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu lösen. Der Erfolg großer Gelehrter und Denker ist häufig ein höfischer Erfolg, kein königlicher oder männlicher. Mit ihrem Anpassungsvermögen schlagen sie sich kümmerlich durchs Leben, gerade wie ihre Väter, und sind in keiner Hinsicht die Erzeuger eines edleren Menschengeschlechts. Doch warum degenerieren Menschen überhaupt? Warum sterben Familien aus? Wie ist ein Luxus beschaffen, der Nationen schwächt und vernichtet? Sind wir sicher, dass nichts davon in unserem eigenen Leben vorhanden ist? Der Philosoph ist seiner Zeit voraus, selbst in der äußeren Lebensform. Er unterscheidet sich durch seine Nahrung, Wohnung, Kleidung und durch sein Wärmebedürfnis von seinen Zeitgenossen. Wie kann er Philosoph sein, wenn er keine besseren Methoden zur Erhaltung seiner Lebenswärme kennt als andere?

Wenn ein Mensch durch die verschiedenen Arten, die ich beschrieben habe, gewärmt wird, was wünscht er sich dann als Nächstes? Sicherlich nicht noch mehr Wärme derselben Art, zum Beispiel mehr und reichhaltigere Nahrung, größere und prächtigere Häuser, bessere und elegantere Kleider oder zahlreichere, beständigere und wärmere Feuer. Wenn er die notwendigen Dinge des Lebens erlangt hat, hat er andere Möglichkeiten, als sich um das Überflüssige zu bemühen, das heißt, er kann sich jetzt an das Leben selbst wagen. Der Boden ist, wie es scheint, für die Saat geeignet, denn sie hat in der Tiefe Wurzeln geschlagen; so mag sie jetzt ihre Sprossen auch vertrauensvoll nach oben senden. Warum hat der Mensch sich so fest in der Erde verwurzelt, wenn er nicht in demselben Maße in den Himmel wachsen will? Edlere Pflanzen beurteilt man nach ihren Früchten, die sie schließlich, frei vom Erdboden, in Luft und Licht erzeugen, und werden nicht wie die niederen Nährpflanzen behandelt, die, auch wenn sie zweijährig sind, nur so lange gepflegt werden, bis ihre Wurzel ausgewachsen ist und deren oberer Teil oft gerade zu diesem Zweck ganz abgeschnitten wird, sodass die meisten sie in ihrer Blütezeit gar nicht erkennen würden.

Ich habe nicht die Absicht, starken und mutigen Naturen Vorschriften zu erteilen. Sie können ihre Angelegenheiten selbst erledigen, ob im Himmel oder in der Hölle. Sie bauen vielleicht großartiger, verschwenden freigiebiger als die Reichen und werden doch nie arm. Sie wissen selbst nicht, wie sie leben – vorausgesetzt, dass es überhaupt solche Menschen gibt. Auch zu denen rede ich nicht, die Ermutigung und Begeisterung gerade im gegenwärtigen Zustand der Dinge finden, den sie mit der Innigkeit und dem Enthusiasmus Liebender in Ehren halten; bis zu einem gewissen Grad gehöre ich selbst zu dieser Zahl. Auch wende ich mich nicht an diejenigen, die sich, egal unter welchen Umständen, gut beschäftigen, und die wissen, ob sie sich gut beschäftigen oder nicht. Nur zu der Masse jener Menschen spreche ich, die unzufrieden sind, die sich vergeblich über die Härte ihres Schicksals oder der Zeit beklagen, während sie beides verbessern könnten. Manche Leute stöhnen und sind untröstlich, weil sie, wie sie sagen, ihre Pflicht tun. Ich denke auch an die scheinbar Reichen, die lauter wertlosen Plunder angehäuft haben, ohne zu wissen, was sie damit tun sollen oder wie sie ihn loswerden können. Sie haben sich ihre eigenen goldenen oder silbernen Fesseln geschmiedet.

Wenn ich versuchen wollte zu schildern, wie ich früher mein Leben am liebsten verbrachte, würden wahrscheinlich diejenigen meiner Leser, die meinen tatsächlichen Lebenslauf kennen, überrascht sein. Diejenigen, die gar nichts davon wissen, würden einfach staunen. Ich will nur einige Unternehmungen andeuten, an denen ich meine Freude hatte.

Bei jedem Wetter, zu jeder Tages- oder Nachtzeit versuchte ich, die Zeit zu nutzen; immer darauf bedacht, dort eine Spur zu hinterlassen, wo zwei Ewigkeiten – Vergangenheit und Zukunft – aufeinandertreffen, das heißt im gegenwärtigen Augenblick. Mit einigen Unklarheiten muss der Leser schon Nachsicht haben, denn in meinem Handwerk gibt es mehr Geheimnisse als in den meisten anderen. Sie werden nicht vorsätzlich gehütet, sondern ergeben sich aus der Natur der Sache. Ich würde mit Freuden alles, was ich darüber weiß, mitteilen, ohne jemals »Zutritt verboten« an meine Tür zu schreiben.

Vor langer Zeit habe ich einen Jagdhund, ein rotbraunes Pferd und eine Turteltaube verloren, und ich suche sie noch immer. Ich habe vielen Wanderern von ihnen erzählt, ihnen ihre Spuren beschrieben und die Rufe, auf die sie hörten. Ein paar hatten das Bellen des Hundes oder den Hufschlag des Pferdes gehört, ja manche auch die Taube hinter einer Wolke verschwinden sehen; und sie alle waren so erpicht darauf, sie wieder einzufangen, als hätten sie sie selbst verloren.

Wir sollten nicht nur den Sonnenaufgang und die Morgendämmerung, nein, wenn möglich das Erwachen der Natur selbst erleben! Wie oft war ich, sommers wie winters, schon frühmorgens bei meiner Arbeit, noch bevor irgendein Nachbar sich zu der seinen aufmachte. Sicherlich haben mich manche meiner Mitbürger gesehen, wenn ich von meiner Beschäftigung zurückkehrte: Farmer, die in der Dämmerung nach Boston wanderten oder Holzfäller, die zur Arbeit gingen. Natürlich half ich der Sonne nicht wesentlich beim Aufgehen, aber allein meine Anwesenheit bei diesem Ereignis war zweifellos von entscheidender Bedeutung.

Wie viele Herbst- und Wintertage verbrachte ich außerhalb der Stadt, um zu hören, was der Wind sagte, und dann das Gehörte eilig weiterzutragen. Fast mein ganzes Vermögen steckte ich hinein und verlor obendrein meinen Atem bei dem Handel, wenn ich ihm entgegenstürmte. Hätte er von politischen Parteien erzählt, hätte es, verlasst euch drauf, gleich in der nächsten Zeitung gestanden. An anderen Tagen hielt ich von einem Felsvorsprung oder einer Baumkrone aus Wache, um irgendeine ungewohnte Ankunft zu telegraphieren, oder ich erwartete abends auf einem Hügel, dass der Himmel herunterfiele, damit ich ein Stückchen davon erwischen könne. Doch ich erwischte nie viel, und selbst das zerschmolz wie Manna in der Sonne.

Lange Zeit war ich Berichterstatter bei einer nicht sehr weit verbreiteten Zeitung, deren Herausgeber es bisher nicht für nötig hielt, den größeren Teil meiner Beiträge zu drucken. So machten sich meine Mühen, wie es Schriftstellern oft ergeht, nur mit meiner Arbeit bezahlt. In diesem Fall allerdings waren meine Mühen schon selbst der Lohn.

Lange Jahre hindurch war ich selbst ernannter Inspektor der Schneestürme und Regenschauer und tat gewissenhaft meine Pflicht. Ich war auch Aufseher, zwar nicht der Landstraßen, aber der Waldpfade und Feldwege, die ich in allen Jahreszeiten gangbar erhielt. Auch Schluchten überbrückte ich, wenn die Fußstapfen des Publikums zu solch nützlichem Tun ermunterten.

Ich überwachte den Wildstand der Stadt, der einem pflichttreuen Hirten zu schaffen machte, weil das Gehege oft übersprungen wurde, und ich hatte ein Auge auf die entlegenen Ecken und Winkel der Felder, wenn ich auch nicht immer wusste, ob Jonas oder Salomo heute auf diesem oder jenem Acker arbeitete – das ging mich auch nichts an. Ich goss die roten Heidelbeeren, die Sandkirschen und den Nesselbaum, die Rottanne und die Schwarzesche, den weißen Wein und das gelbe Veilchen, die vielleicht sonst in trocknen Jahreszeiten verdorrt wären.

Kurz, so trieb ich es eine ganze Zeit und kann, ohne zu prahlen, sagen, dass ich mein Amt pflichttreu ausfüllte. Allmählich aber erkannte ich, dass meine Mitbürger gar nicht daran dachten, mich in die Stadtverwaltung zu wählen oder mir eine Pfründe mit bescheidenem Gehalt zu geben. Meine Abrechnungen, deren Genauigkeit ich beschwören kann, wurden tatsächlich nie angesehen, geschweige denn anerkannt und erst recht nicht beglichen.

Es ist noch nicht lange her, da kam ein umherziehender Indianer an die Tür eines bekannten Rechtsanwalts in meiner Nachbarschaft, um Körbe zu verkaufen. »Wollen Sie Körbe kaufen?«, fragte er. »Nein, wir haben keinen Bedarf«, war die Antwort. »Was!«, rief der Indianer, als er zur Tür hinausging. »Wollt ihr uns vielleicht verhungern lassen?« Da er gesehen hatte, dass es seinen fleißigen, weißen Nachbarn gut ging, dass der Rechtsanwalt nur Argumente zu flechten brauchte, um wie durch Zauberei Geld und eine gute Stellung zu erhalten, sagte er sich: Ich werde auch ein Geschäft anfangen – ich werde Körbe flechten, das ist etwas, was ich kann. Er dachte, wenn er die Körbe hergestellt habe, sei seine Pflicht und Schuldigkeit getan; Pflicht und Schuldigkeit der Weißen sei es nun, seine Körbe zu kaufen. Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass sein Angebot auch einen Wert für die anderen haben oder er sie zumindest überzeugen müsste, dass es so sei, oder dass er etwas anderes herstellen könnte, was anderen kaufenswert erschiene. Auch ich hatte eine Art Korb aus feinem Geflecht angefertigt, konnte aber niemanden davon überzeugen, ihn zu kaufen. Trotzdem fand ich, dass es sich lohnte, ihn zu flechten. Aber anstatt zu versuchen, ihn den Leuten anzupreisen, überlegte ich vielmehr, wie ich der Notwendigkeit entgehen könnte, ihn zu verkaufen. Es gibt nur eine Lebensweise, die von den Menschen gepriesen und als erfolgreich angesehen wird. Aber warum wollen wir von der einen so viel Aufhebens auf Kosten der anderen machen?

Als mir bewusst wurde, dass meine Mitbürger mir wahrscheinlich kein Büro im Rathaus, keine Pfarre oder irgendeinen anderen Broterwerb anbieten würden, dass ich vielmehr mir selbst helfen müsste, wandte ich mein Augenmerk mehr denn je den Wäldern zu, wo ich bekannt war. Ich beschloss, nicht zu warten, bis ich das übliche Kapital erworben hätte, sondern die spärlichen Mittel zu verwenden, die ich bereits besaß, und mein Unternehmen sofort zu beginnen. Als ich an den Walden Pond zog, war mein Ziel weder billig noch teuer zu leben, sondern möglichst ungehindert ein privates Vorhaben zu verfolgen. Mich aus Mangel an gesundem Menschenverstand, Unternehmungsgeist oder Geschäftstalent davon abhalten zu lassen wäre weniger bedauerlich als dumm gewesen.

Ich habe mich immer bemüht, mir strenge Geschäftsprinzipien anzueignen. Sie sind für jeden unverzichtbar. Wer mit dem »Himmlischen Reich« Handel treibt, kann sich durch eine kleine Filiale an der Küste, in irgendeinem Hafen wie dem von Salem eine ausreichende Basis schaffen. Er wird jene Artikel exportieren, die im Land produziert werden: Eis, Kiefernholz und etwas Granit – daran besteht in Amerika ja kein Mangel. Das wäre keine schlechte Unternehmung. Da gilt es alle Einzelheiten persönlich zu überwachen, Lotse und Kapitän, Eigentümer und Versicherungsagent zugleich zu sein, zu kaufen, zu verkaufen und die Bücher zu führen, jeden Brief, der eingegangen ist, zu lesen, und jeden Brief, der versandt werden soll, zu schreiben und durchzulesen, das Eintreffen der importierten Waren Tag und Nacht zu überwachen, an vielen Orten der Küste fast gleichzeitig zu sein – oft wird nämlich die reichste Fracht an den Stränden von New Jersey abgeladen –, sein eigener Telegraph zu sein, unermüdlich den Horizont abzusuchen und alle Schiffe anzusprechen, die anlegen wollen, einen konstanten Warenversand aufrechtzuerhalten, um einen entfernten und kaufkräftigen Markt zu versorgen, die Schwankungen des Marktes genau zu verfolgen, überall die Aussichten auf Krieg und Frieden und die Tendenzen des Handels und der Zivilisation vorherzusehen – sich die Erkenntnisse der Entdeckungsreisen zunutze zu machen, indem man neue Durchfahrten und alle Errungenschaften der Schifffahrt nutzt –, Karten zu studieren, sich die Lage von Riffen, neuen Leuchttürmen und Bojen einzuprägen und wieder und wieder Logarithmentafeln zu korrigieren, denn oft zerschellt ein Schiff, das im freundlichen Hafen alsbald Anker werfen sollte, infolge eines Berechnungsfehlers an einem Felsen – man denke an das rätselhafte Schicksal des Grafen La Pérouse –, Schritt zu halten mit allen Gebieten der Wissenschaft, den Lebenslauf aller großen Entdecker und Seefahrer zu studieren, aller großen Glücksritter und Weltumsegler, von Hanno und den Phöniziern an bis zum heutigen Tag. Von Zeit zu Zeit muss man auch die Lagerbestände aufnehmen, um zu wissen, wo man steht. Eine solche Arbeit kann als Prüfstein für die Fähigkeiten eines Mannes gelten – all diese Probleme von Gewinn und Verlust, von Verzinsung, Gewinnberechnung und Rabattbewilligung zu überschauen erfordert ein universelles Wissen.

Der Walden Pond schien mir ein geeigneter Ort, nicht nur wegen der Eisenbahn oder des Eishandels; er bietet auch andere Vorteile, die man, wenn man klug ist, besser nicht verrät. Der Boden ist gut, und die Lage ist günstig. Es müssen dort auch keine Newa-Sümpfe trockengelegt werden, obwohl man überall auf selbst gefügte Fundamente bauen muss. Wenn die Newa vereist ist, heißt es, könnte eine Sturmflut bei Westwind ganz St. Petersburg vom Erdboden fegen.

Da mein Geschäft ohne das übliche Kapital begonnen werden sollte, ist es nicht leicht zu erraten, woher die Mittel kommen sollten, die zu irgendeiner solchen Unternehmung trotzdem notwendig sind. Was die Kleidung betrifft – um gleich zum praktischen Teil der Frage zu kommen –, lassen wir uns bei ihrer Auswahl vielleicht häufiger von der Mode und der Meinung anderer als von wirklich praktischen Gesichtspunkten leiten. Wer arbeiten muss, sollte nicht vergessen, dass die Kleidung erstens zur Erhaltung der Lebenswärme und zweitens – infolge unserer heutigen sozialen Verhältnisse – zum Verhüllen der Nacktheit dienen soll. Er wird dann erkennen, wie viel notwendige oder wichtige Arbeit er verrichten kann, ohne seinem Kleiderschrank etwas hinzuzufügen. Könige und Königinnen, die ihre Gewänder nur einmal tragen, können, selbst wenn diese von einem Hoflieferanten für Herren- oder Damengarderoben angefertigt werden, gar nicht wissen, was für eine Annehmlichkeit ein Anzug ist, der wirklich sitzt. Sie sind nichts weiter als hölzerne Ständer, über die man saubere Kleider hängt. Mit jedem Tag passen sich unsere Kleider uns besser an, nehmen den Charakter des Trägers immer stärker in sich auf, bis wir uns, wenn alle ärztliche Hilfe versagt hat, nur so schwer und mit solcher Feierlichkeit von ihnen trennen wie von unseren Körpern selbst. Kein Mensch ist je in meiner Achtung gesunken, weil er einen Fleck auf seiner Kleidung hatte, und doch bin ich sicher, dass man im Allgemeinen mehr darauf bedacht ist, moderne oder wenigstens reine und fleckenlose Kleider zu haben als ein reines Gewissen. Dabei ist, selbst wenn das Loch nicht gestopft ist, das schlimmste Laster, das es verrät, die Unvorsichtigkeit. Manchmal stelle ich meine Bekannten durch Fragen wie diese auf die Probe: Wer kann einen Flicken oder auch nur zwei Extranähte auf dem Knie vertragen? Die meisten benehmen sich, als würde das all ihre Zukunftsaussichten zunichtemachen. Es würde ihnen leichter fallen, mit einem gebrochenen Bein in die Stadt zu humpeln als mit einer zerrissenen Hose. Wenn die Beine eines Herrn bei einem Unfall Schaden nehmen, können sie oftmals wiederhergestellt werden. Doch wenn etwas Ähnliches seinen Beinkleidern zustößt, gibt es keine Hilfe, denn er kümmert sich nicht um das, was ehrenwert ist, sondern um das, was geachtet wird. Wir kennen nur wenige Männer, aber sehr viele Röcke und Hosen. Bekleide eine Vogelscheuche mit deinem neuesten Anzug, und stelle dich nackt neben sie – wer würde da nicht zuerst die Vogelscheuche grüßen? Als ich kürzlich an einem Kornfeld vorüberging und dort einen Hut und Rock an einem Stecken hängen sah, erkannte ich den Besitzer der Farm. Er war nur etwas verwitterter als damals, als ich ihn zum letzten Mal sah. Man hat mir von einem Hund erzählt, der Fremde, die sich in Kleidern dem Grundstück seines Herrn näherten, ankläffte, der aber von einem nackten Dieb leicht zum Schweigen gebracht wurde. Es ist eine interessante Frage, bis zu welchem Grad die Menschen ihren jeweiligen Rang behalten würden, wenn sie sich ihrer Kleider entledigten. Könnte man in diesem Fall unter einer Anzahl gebildeter Menschen mit Sicherheit diejenigen ausmachen, die sich des größten Ansehens erfreuen? Als Madame Ida Pfeiffer auf ihrer abenteuerlichen Weltreise von Ost nach West über den asiatischen Teil Russlands heimkehrte, verspürte sie, wie sie sagte, die Notwendigkeit, ihre Reisekleidung gegen andere zu tauschen, sobald sie mit Behörden zu verkehren hatte. Denn sie war »nun in einem zivilisierten Land, wo man die Leute nach ihren Kleidern beurteilt«. Selbst in unseren demokratischen Städten Neuenglands bringt der zufällige Besitz von Vermögen, der sich in der Kleidung und in der Einrichtung zeigt, seinem Besitzer eine fast allgemeine Hochachtung ein. Aber die Menschen, die solche Hochachtung zollen, sind, so groß ihre Zahl auch ist, nichts weiter als Götzendiener, denen man einen Missionar schicken sollte. Außerdem ist durch die Kleidung die Näharbeit entstanden, eine Arbeit, die kein Ende hat. Ein Frauenkleid jedenfalls wird niemals fertig.

Wenn ein Mensch schließlich eine Beschäftigung gefunden hat, braucht er dafür keinen neuen Anzug. Ihm genügt der alte, der wer weiß wie lange auf dem staubigen Dachboden gelegen hat. Ein Held wird ein Paar alte Schuhe länger tragen als sein Diener – falls ein Held überhaupt je einen Diener hat. Nackte Füße sind langlebiger als Schuhe, und er wird sie zu gebrauchen wissen. Nur wer zu Soireen und zu diplomatischen Versammlungen geht, muss neue Kleider haben, muss seinen Anzug so oft wechseln, wie er selbst sich in ihm ändert. Wenn aber mein Rock und meine Hosen, mein Hut und meine Stiefel gut genug sind, um Gott darin zu dienen, so genügen sie überhaupt, oder nicht? War wirklich je ein alter Anzug – ein alter Rock – so abgetragen, so in seine ursprünglichen Bestandteile aufgelöst, dass er nicht noch einem armen Jungen geschenkt werden konnte, der ihn vielleicht einem noch ärmeren schenkte? Oder sollen wir ihn reicher nennen, da er mit weniger auskam? Ich sage euch: Hütet euch vor allen Beschäftigungen, die neue Kleider und nicht einen neuen Träger von Kleidern verlangen. Wie kann ein neuer Anzug passen, wenn der Mensch nicht neu ist? Plant ihr irgendein neues Unternehmen, so versucht es in euren alten Kleidern. Es geht den Menschen nicht darum, was sie tragen, sondern darum, etwas zu tun, oder vielmehr, etwas zu sein. Vielleicht sollten wir uns erst dann einen neuen Anzug anschaffen – wie zerrissen und schmutzig der alte auch sei –, wenn wir fühlen, dass unser Verhalten, unsere Handlungen, unsere Fahrten auf den Gewässern des Lebens uns zu neuen Menschen in alten Kleidern gemacht haben. Behielten wir weiterhin den alten Anzug, so lagerten wir neuen Wein in alten Flaschen. Unsere Mauserungszeit muss, wie beim Federvieh, eine Krise in unserem Leben sein. Während dieser Zeit zieht sich der Eistaucher auf einsame Teiche zurück. Auch die Schlange legt ihre Haut, wie die Raupe ihre wurmige Hülle, infolge einer inneren Geschäftigkeit und Ausdehnung ab. Kleider sind nur äußere Haut, unser »sterblich Teil«. Denn sonst könnte man eines Tages entdecken, dass wir unter falscher Flagge segeln. Dann aber würden wir unweigerlich von unserer eigenen Meinung und der unserer Mitmenschen eingenommen.

Wir ziehen ein Kleidungsstück über das andere an, als ob wir wie exogene Pflanzen durch Zunahme von der Außenseite her wüchsen, unsere äußeren, oft dünnen und ausgefallenen Gewänder sind unsere Epidermis oder falsche Haut, die nichts mit unserem Leben zu tun hat und hier und da ohne böse Folgen abgestreift werden kann. Unsere dickeren Gewänder, die wir beständig tragen, sind die Zellhaut oder die Rinde. Unsere Hemden aber sind unser Bast oder das Zellgewebe, deren Entfernung eine schwere Verletzung oder den Tod des Menschen mit sich bringt. Ich glaube, dass alle Völker zu bestimmten Jahreszeiten etwas Hemdähnliches tragen. Es ist zu wünschen, dass der Mensch sich so einfach kleide, dass er sich selbst im Dunkeln anziehen kann. Er sollte in jeder Hinsicht so schlicht und gut ausgerüstet leben, dass er, falls ein Feind die Stadt einnimmt, wie der alte Philosoph ohne Angst und mit leeren Händen zum Tor hinausziehen kann. Da aber ein dickes Kleidungsstück in den meisten Fällen so gut ist wie drei dünne und passende Kleider zu wirklich billigen Preisen gekauft werden können, da man ferner für fünf Dollar einen warmen Mantel bekommt, der ebenso viele Jahre halten wird, da man sich dicke Hosen für zwei Dollar, ein Paar rindslederne Schuhe für anderthalb Dollar, einen Sommerhut für fünfundzwanzig Cent und eine Wintermütze für zweiundsechzigeinhalb Cent zulegen kann – oder eine noch bessere für einen Spottpreis, wenn man sie selbst macht – welcher Mensch sollte da so arm sein, dass sich, wenn er einen solchen Anzug trägt, den er sich selbst verdient hat, nicht auch weise Männer finden, die ihm Hochachtung entgegenbringen!

Wenn ich ein Kleidungsstück eines besonderen Schnitts bestelle, sagt mir meine Schneiderin mit wichtiger Miene: »So trägt man das jetzt nicht.« Das »man« betont sie dabei nicht, als spräche sie für eine so unpersönliche Autorität wie das Schicksal selbst. So stoße ich, wenn ich etwas nach meinen Wünschen gemacht haben will, auf Schwierigkeiten, nur weil sie nicht glauben kann, dass ich so unbesonnen bin zu meinen, was ich sage. Wenn ich ihren Orakelspruch höre, versinke ich für einen Augenblick in tiefstes Nachdenken, betone für mich jedes Wort einzeln, um ihre Bedeutung zu ergründen, um mir darüber klar zu werden, durch welchen Grad von Blutsverwandtschaft »man« mit »mir« verwandt ist, welche Glaubwürdigkeit »man« in einer Angelegenheit verdient, die mich so persönlich betrifft. Und schließlich fühle ich mich veranlasst, ihr mit dem gleichen mysteriösen Tiefsinn und ebenfalls ohne jede Betonung des »man« zu antworten: »Sie haben recht, in letzter Zeit hat man es so nicht getragen, aber man tut es jetzt.« Was nützt ihr Maßnehmen, wenn sie nicht meinen Charakter misst, sondern nur die Breite meiner Schultern, als ob diese ein Holzpflock wären, über den der Anzug gehängt wird? Wir verehren weder die Grazien noch die Parzen, sondern die Mode. Sie spinnt und webt und schneidet mit höchster Autorität. Der Oberaffe in Paris setzt sich eine Reisemütze auf, und alle Affen in Amerika machen es ihm nach. Bisweilen verzweifle ich an der Hoffnung, dass etwas ganz Einfaches und Ehrliches in dieser Welt von Menschenhand vollbracht werden kann. Man müsste die Menschen erst mit Hochdruck durch eine Presse treiben, ihre alten Anschauungen so energisch aus ihnen herausquetschen, dass sie nicht so bald wieder auf die Beine kämen. Wenn jedoch nur einer darunter wäre mit einer Larve im Kopf, die aus einem Ei gekrochen ist, das Gott weiß wann dort gelegt wurde – denn selbst Feuer tötet dieses Ungeziefer nicht –, dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen. Wir wollen aber trotzdem nicht vergessen, dass der ägyptische Weizen uns von einer Mumie überbracht wurde.

Im Allgemeinen kann man meiner Ansicht nach nicht behaupten, dass Bekleidung sich in diesem oder irgendeinem anderen Lande zum Rang einer Kunst erhoben hat. Heutzutage behelfen sich die Menschen mit der Kleidung, die sie finden können. Wie schiffbrüchige Seeleute ziehen sie an, was sie am Strand finden können. Mit etwas zeitlichem oder räumlichem Abstand jedoch lachen sie einander wegen der Maskerade aus. Jede Generation lacht über die alten Mode und folgt ehrfurchtsvoll der neuen. Wir schmunzeln beim Anblick der Tracht Heinrichs VIII. oder der Königin Elisabeth, als gehörten sie dem König oder der Königin der Kannibaleninseln. Jedes Kostüm wirkt ohne den dazugehörigen Menschen erbärmlich oder grotesk. Nur durch das ernste Auge, das herausblickt, und durch das lautere Leben, das darin verbracht wurde, wird das Gelächter zum Schweigen gebracht, wird die Tracht eines Volks geheiligt. Wenn ein Harlekin einen Kolikanfall erleidet, muss sein Kostüm ihn auch in dieser Lage kleiden. Wenn ein Soldat von einer Kanonenkugel getroffen ist, schmückt ihn ein Lumpen wie Purpur.

Wegen der kindischen und barbarischen Vorliebe der Männer und Frauen für neue Muster müssen unzählige Menschen dauernd Kaleidoskope schütteln und in sie hineingaffen, um gerade jenes Muster zu erraten, nach dem die gegenwärtige Generation verlangt. Die Fabrikanten wissen aus Erfahrung, dass dieser Geschmack nichts weiter als eine Laune ist. Von zwei Mustern, die sich nur durch ein paar Fäden einer bestimmten Farbe mehr oder weniger voneinander unterscheiden, wird das eine schnell verkauft, während das andere im Regal liegen bleibt. Nicht selten aber ist Letzteres in der nächsten Saison dann das modischste überhaupt. Damit verglichen ist das Tätowieren kein so abscheulicher Gebrauch, wie es gewöhnlich heißt. Er ist schon deswegen nicht barbarisch, weil das Muster hauttief geht und unveränderlich ist.

Ich kann nicht glauben, dass die industrielle Erzeugung die beste Methode ist, unsere Kleidung herzustellen. Die Arbeitsbedingungen werden denen in England mit jedem Tag ähnlicher. Das ist nicht verwunderlich, denn nach allem, was ich gehört und gesehen habe, ist das Ziel dieser Produktion nicht eine gute und anständige Kleidung, sondern die Bereicherung der großen Gesellschaften. Auf lange Sicht treffen die Menschen nur das, worauf sie zielen. Darum täten sie besser daran, selbst wenn es nicht gleich gelingt, sich ein möglichst hohes Ziel zu stecken.

Ich will nicht bestreiten, dass eine Wohnung heutzutage ein Lebensbedürfnis geworden ist, obwohl ich Beispiele dafür nennen könnte, dass Menschen auch in kälteren Ländern als unserem ohne ausgekommen sind. Samuel Laing berichtet: »Der Lappländer schläft in seinen Fellkleidern und einem Fellsack, den er sich über Kopf und Schultern zieht, jede Nacht auf dem Schnee, selbst bei Kältegraden, die einen anderen Menschen, auch wenn er in Wolle gekleidet wäre, unfehlbar töten würden.« Er hat sie mit eigenen Augen so schlafen sehen. Dann aber fügt er hinzu: »Sie sind nicht abgehärteter als andere Menschen.« Wahrscheinlich aber hat der Mensch schon nach einer kurzen Zeit auf der Erde die Bequemlichkeit eines Hauses erkannt – »die häusliche Gemütlichkeit«. Dieser Ausdruck wird wohl ursprünglich mehr die Annehmlichkeiten des Hauses als die der Familie bezeichnet haben. Und selbst diese Annehmlichkeit ist nur vorübergehend und begrenzt in jenen Breiten, wo das Haus uns hauptsächlich in der Winter- und Regenzeit nützt und zwei Drittel des Jahres, wenn es nicht gerade als Sonnenschutz dient, eigentlich überflüssig ist. In unserer Klimazone, zumal im Sommer, diente das Haus früher fast ausschließlich als Nachtlager. In der Hieroglyphenschrift der Indianer bedeutete ein Wigwam das Symbol eines Tagemarsches, und eine in die Rinde eines Baums geritzte oder darauf gemalte Reihe davon gab die Anzahl der Nachtlager an. Der Mensch war nicht so groß und stark geschaffen, dass er nicht danach trachten musste, seine Welt einzuengen und einen ihm passenden Raum zu ummauern. Anfangs lebte er nackt unter freiem Himmel. Das war ganz angenehm bei schönem, warmem Wetter und im Tageslicht. Doch Regenzeit und Winter – von glühender Hitze gar nicht zu reden – hätten seine Gattung vielleicht bald im Keim erstickt, wenn er sich nicht schleunigst mit dem Schutz eines Hauses umgeben hätte. Es wird erzählt, dass Adam und Eva sich mit Blättern bedeckten, bevor sie andere Kleider trugen. Der Mensch wünschte sich ein Heim, einen warmen oder gemütlichen Platz, wo er zunächst seinen Körper und dann auch seine Stimmungen wärmen konnte.

Wir können uns leicht vorstellen, dass in der Zeit, in der das Menschengeschlecht noch in den Kinderschuhen steckte, irgendein kühner Sterblicher in eine Felsenhöhle kroch, um Unterschlupf zu finden. In gewisser Weise entdeckt jedes Kind die Welt wieder neu, ist mit Vorliebe selbst bei Nässe und Kälte im Freien. Instinktiv spielt es »Haus« und »Pferd«. Wer erinnert sich nicht an das Interesse, mit dem er als Kind einen überhängenden Felsen betrachtete oder alles, was einer Höhle glich? Ein Teil jenes instinktiven Verlangens unserer Urahnen war noch in uns lebendig. Von der Höhle gingen wir zu Dächern aus Palmblättern über, aus Rinde und Zweigen, aus gewebtem Leinen, aus Gras und Stroh, Brettern und Schindeln, Steinen und Ziegeln. Schließlich wissen wir überhaupt nicht mehr, was es bedeutet, unter freiem Himmel zu wohnen, und unser Leben ist in mehr Beziehungen häuslich, als wir glauben. Vom Herd zum Feld ist es ein weiter Weg. Es wäre vielleicht gut, wenn wir häufiger Tage und Nächte ohne Scheidewand zwischen uns und den Himmelskörpern zubringen würden, wenn der Dichter nicht so viel aus überdachten Räumen heraus sprechen oder der Heilige nicht so lange dort verweilen würde. Vögel singen nicht in Käfigen, und Tauben hüten ihre Unschuld nicht im Taubenschlag.

Wenn aber jemand beabsichtigt, sich ein Wohnhaus zu bauen, so tut er gut daran, ein wenig Yankee-Schlauheit anzuwenden, sonst findet er sich am Ende in einer Fabrik, einem Labyrinth ohne Ausgang, einem Museum, einem Armenhaus, einem Gefängnis oder in einem herrlichen Mausoleum wieder. Überlegen wir uns einmal, wie wenig Schutz absolut notwendig ist! Ich habe in dieser Stadt Penobscot-Indianer gesehen, die in Zelten aus dünnem Baumwollstoff lebten, während ringsum fast einen Fuß hoch Schnee lag. Ja, ich hatte den Eindruck, sie hätten sich gewünscht, dass er noch höher liege, um sie vor dem Wind zu schützen. Früher, als mich die Frage, wie ich mir auf ehrliche Weise meinen Lebensunterhalt verdienen könnte und mir dennoch Zeit für meine eigentlichen Bestrebungen bliebe, noch heftiger quälte als jetzt – denn leider habe ich mir ein etwas dickes Fell zugelegt –, sah ich oft eine sechs Fuß hohe und drei Fuß breite Kiste am Bahndamm stehen, in der die Arbeiter über Nacht ihre Werkzeuge verschlossen. Da kam ich auf den Gedanken, dass jeder Mensch, der in arger Bedrängnis ist, eine solche Kiste für einen Dollar kaufen könne. Würde er ein paar Luftlöcher hineinbohren, so könnte er nachts und zur Regenzeit hineinkriechen, den Deckel festhaken und mit freier Seele nach Herzenslust seinen Neigungen nachhängen. Es schien nicht die schlechteste und eine keineswegs zu verachtende Alternative zu sein. Man könnte wach bleiben, solange man Lust hätte, aufstehen, wann man wollte, und ausgehen, ohne dass einem fortwährend der Hausherr wegen der Miete auf den Fersen wäre. Manch einer wurde wegen des Mietzinses für eine größere und prächtigere Kiste zu Tode gequält, der in solch einer Kiste sicherlich nicht vor Kälte gestorben wäre. Ich scherze durchaus nicht. Über das Problem der Ökonomie lässt sich leicht sprechen, leicht lösen lässt es sich nicht. Früher einmal wurden hier fast ausschließlich aus Material, das die Natur liefert, bequeme Häuser für ein einfaches, abgehärtetes Volk gebaut, das größtenteils unter freiem Himmel lebt. Gookin, ein Aufseher der indianischen Einwohner in der Kolonie Massachusetts schrieb im Jahr 1674: »Ihre besten Häuser sind sehr sauber, dicht und warm mit Baumrinde gedeckt. Die Rinde wird in den Jahreszeiten, wenn der Saft emporsteigt, von den Bäumen losgeschält und im grünen Zustand durch den Druck von Holzblöcken zu großen Platten gepresst … Die gewöhnlicheren Häuser werden mit Matten aus einer Art Flatterbinsen gedeckt. Auch sie sind halbwegs dicht und warm, wenn auch nicht so gut wie die ersten … Einige der Häuser, die ich gesehen habe, waren sechzig oder hundert Fuß lang und dreißig Fuß breit … Ich habe oft in solch einem Wigwam gewohnt und festgestellt, dass es dort so warm war wie in den besten Häusern Englands.« Er fügt hinzu, dass das Innere gewöhnlich mit schön gearbeiteten und bestickten Matten ausgelegt und ausgekleidet und mit den verschiedensten Gegenständen ausgestattet gewesen sei. Die Indianer waren sogar so fortschrittlich, dass sie den Windzug durch eine Matte regulierten, die über der Dachöffnung hing und durch eine Schnur in Bewegung gesetzt werden konnte. Der Bau eines solchen Hauses nahm höchstens zwei Tage in Anspruch; der Abbau und Wiederaufbau dagegen nur einige Stunden. Jede Familie besaß eins oder hatte eine Wohnung darin.

Bei den Wilden besitzt jede Familie ein Obdach, welches den Vergleich mit jedem anderen aushält und für gröbere und einfachere Bedürfnisse genügt. Ich bilde mir jedoch ein, behaupten zu können, dass, während die Vögel ihre Nester, die Füchse ihre Höhlen und die Wilden ihre Wigwams haben, in der modernen zivilisierten Gesellschaft nur ungefähr jede zweite Familie ein Obdach besitzt. In den Großstädten, wo die Zivilisation hauptsächlich herrscht, besitzt nur ein Bruchteil der Gesamtbevölkerung ein eigenes Heim. Der Rest bezahlt für dieses uns äußerste, im Sommer wie im Winter unentbehrlich gewordene Kleidungsstück eine jährliche Steuer, die zum Ankauf eines ganzen Dorfs indianischer Wigwams genügen würde, nun jedoch nur dazu dient, den Menschen sein ganzes Leben lang arm zu erhalten. Ich habe nicht die Absicht, mich hier lange mit den Nachteilen der Miete gegenüber dem Besitz aufzuhalten. Es liegt aber auf der Hand, dass der Wilde ein eigenes Haus besitzt, weil es so wenig kostet, während der zivilisierte Mensch seins mietet, weil er den Besitz nicht bezahlen kann. Allerdings kann er es sich auf lange Sicht auch nicht leisten, es zu mieten. Und doch, entgegnet man mir, erhält der arme zivilisierte Mensch, indem er diese Steuer bezahlt, eine Wohnung, die im Vergleich zu der eines Wilden ein Palast genannt werden kann. Eine jährliche Miete zwischen fünfundzwanzig und hundert Dollar – so viel zahlt man auf dem Land – verschafft ihm Zugang zu Errungenschaften aus Jahrhunderten: geräumige, sauber gestrichene oder tapezierte Zimmer, Rumford-Kamine, Jalousien, kupferne Wasserpumpen, Sicherheitsschlösser, einen bequemen Keller und vieles andere. Doch wie kommt es, dass viele, die in den Genuss all dessen kommen, in der Zivilisation als arm gelten, während der Wilde, der nichts davon besitzt, als Wilder reich ist? Wenn man behauptet, dass die Zivilisation einen echten Fortschritt der Lebensumstände des Menschen mit sich bringt – und ich glaube es, wenn auch nur die Weisen sie zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen –, so muss auch bewiesen werden, dass sie ohne höhere Kosten bessere Behausungen hervorgebracht hat. Die Kosten eines Gegenstands möchte ich daran messen, wie viel von unserem Leben wir über kurz oder lang dafür hergeben müssen. In meiner Nachbarschaft kostet ein durchschnittliches Haus ungefähr achthundert Dollar. Veranschlagt man als Tagelohn eines Arbeiters etwa einen Dollar – denn wenn die einen mehr verdienen, verdienen die anderen weniger –, benötigt er für diese Summe ungefähr fünfzehn bis zwanzig Jahre seines Lebens – selbst wenn er keine Familie zu ernähren hat. Der Arbeiter hat also schon mehr als die Hälfte seines Lebens hinter sich gebracht, bis er seinen Wigwam verdient hat. Wenn seine Alternative lautet, Miete zu zahlen, so ist das nur eine zweifelhafte Wahl zwischen zwei Übeln. Würde ein Wilder unter solchen Bedingungen klug daran tun, seinen Wigwam gegen einen Palast auszutauschen?

Man kann mit Recht vermuten, dass ich die Anhäufung dieses überflüssigen Besitzes nur als Reserve für die Zukunft ansehe, die, betrachtet man den Einzelnen, eigentlich nur dazu dient, für das eigene Begräbnis aufzukommen. Vielleicht aber wird es von dem Menschen gar nicht verlangt, dass er sich selbst begräbt. Trotzdem deutet dies auf einen wichtigen Unterschied zwischen dem Menschen in der Zivilisation und dem Wilden hin. Zweifellos hat man die besten Absichten mit uns, wenn man die Lebensweise eines zivilisierten Volks zu einer Institution erhebt, in der das Leben des Einzelnen größtenteils absorbiert wird, um das der Gesamtheit zu erhalten und zu vervollkommnen. Ich möchte jedoch zeigen, durch welches Opfer dieser Vorteil heutzutage erreicht wird, und darauf hinweisen, dass es doch möglich sein muss, so zu leben, dass wir alle Vorteile, aber keine Nachteile daraus ziehen. Was treibt ihr unter euch das Sprichwort: »Ihr habt allezeit Arme bei euch«, oder »Die Väter haben Herlinge gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden«?

»So wahr ich lebe –«, spricht der Herr, »solch Sprichwort soll nicht mehr unter euch gehen in Israel.«

»Denn siehe, alle Seelen sind mein; des Vaters Seele ist sowohl mein wie des Sohnes Seele. Welche Seele sündigt, die soll sterben.«

Wenn ich meine Nachbarn, die Farmer von Concord, betrachte, die mindestens so wohlhabend sind wie andere Berufsgruppen, so stelle ich fest, dass sich die meisten von ihnen zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre abgequält haben, um wirklich die Eigentümer ihrer Farmen zu werden, die sie gewöhnlich verschuldet geerbt oder mit geliehenem Geld gepachtet haben. Und ein Drittel ihrer mühseligen Arbeit kann man als den Preis ihres Hauses in Rechnung setzen, das sie in der Regel noch gar nicht abbezahlt haben. Tatsächlich übersteigen die Schulden bisweilen den Wert der Farm, sodass diese selbst zu einer Last werden; und doch findet sich ein Mensch, der das Erbe antritt, da er, wie er behauptet, die Sachlage vollkommen kennt. Auf Nachfrage bei der Steuerbehörde erfuhr ich zu meinem größten Erstaunen, dass man mir nicht ohne Weiteres ein Dutzend Leute in der ganzen Stadt nennen konnte, die ihre Farm völlig schuldenfrei besaßen. Wer Interesse an der Geschichte dieser Heimstätten hat, der möge sich bei der Bank erkundigen, bei welcher sie verpfändet sind. Der Mann, der wirklich durch seiner Hände Arbeit seine Farm bezahlt hat, ist so selten, dass jeder Nachbar mit dem Finger auf ihn zeigen kann. Ich bezweifle, dass drei solcher Männer in Concord leben. Was man über Kaufleute sagt, dass nämlich der weit größere Teil – ungefähr siebenundneunzig Prozent – keinen Erfolg hat, trifft genauso auch auf die Farmer zu. Ein großer Teil der Kaufleute macht indessen – ein Kaufmann selbst hat es zutreffend behauptet – nicht wegen finanzieller Schwierigkeiten Bankrott, sondern nur, weil es unbequem ist, übernommene Verpflichtungen noch zu erfüllen. Mit anderen Worten: Die Moral erleidet Schiffbruch. Und das gibt nicht nur dem Ganzen ein weit hässlicheres Aussehen, sondern legt auch nahe, dass es wahrscheinlich selbst den übrigen drei nicht gelingt, ihre Seele zu retten, dass sie vielleicht in einem schlimmeren Sinne scheitern als die, welche ehrlich Bankrott machten. Konkurse und Zahlungsverweigerungen sind die Sprungbretter, von denen aus sich ein großer Teil unserer zivilisierten Menschheit zu Kunststücken und Saltos aufschwingt, während der Wilde auf dem starren Brett der Hungersnot verharrt. Doch die Middlesexer Viehausstellung findet jährlich unter großem Beifall statt, als ob alle Teile des landwirtschaftlichen Apparats vorzüglich funktionierten.

Der Farmer versucht das Problem des Lebensunterhalts durch eine Gleichung zu lösen, die komplizierter ist als das Problem selbst. Um seine Schuhbänder zu verdienen, spekuliert er in Viehherden. Mit vollendeter Schlauheit hat er seine Falle mit einer haarfeinen Feder gestellt, um Bequemlichkeit und Unabhängigkeit zu fangen, beim Fortgehen aber trat er mit seinem eigenen Fuße hinein. Das ist die Ursache seiner Armut. Und aus einem ähnlichen Grunde sind wir alle, obwohl wir von Luxus umgeben sind, arm im Vergleich zu dem Wilden, der sich an tausend Annehmlichkeiten erfreut. Wie Chapman singt:

»Für irdische Größe

Gibt der Menschen heuchlerische Brut

Himmlischen Trost den Winden preis.«