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In "Wallenstein" entfaltet Ricarda Huch ein vielschichtiges Porträt des berühmten Feldherrn Albrecht von Wallenstein, der zur Schlüsselfigur im Dreißigjährigen Krieg wurde. Huchs literarischer Stil ist geprägt von einer Mischung aus historischer Genauigkeit und künstlerischer Freiheit, wodurch sie sowohl die politischen Intrigen als auch die psychologischen Motive ihrer Charaktere eindrucksvoll darstellt. Das Buch fügt sich in den literarischen Kontext der frühen 20. Jahrhunderts ein, in dem sich viele Autoren mit den komplexen Verhältnissen von Macht und Menschlichkeit auseinandersetzten und das Thema des tragischen Helden beleuchten. Ricarda Huch, eine der wegweisenden Schriftstellerinnen und Intellektuellen ihrer Zeit, genutzt ihre tiefgreifenden Kenntnisse der Geschichte und Philosophie, um Wallenstein sowohl als strategischen Denker als auch als menschliches Wesen zu charakterisieren. Huchs eigenes Leben, das von einem starken Interesse an Politik und einer kritischen Auseinandersetzung mit Autorität geprägt war, spiegelt sich in der komplexen Darstellung von Konflikten und moralischen Dilemmata wider, die das Werk prägen. "Wallenstein" ist für Leser*innen empfehlenswert, die sich für historische Romane interessieren und eine raffinierte Erzählweise zu schätzen wissen. Huchs Fähigkeit, sowohl die historische Realität als auch die innere Welt ihrer Figuren zu entfalten, lädt die Leser*innen ein, sich mit den Herausforderungen und Widersprüchen des Lebens im Spannungsfeld von Macht, Loyalität und persönlichem Verlust auseinanderzusetzen. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Im Brennpunkt von Ricarda Huchs Wallenstein steht die unablässige Spannung zwischen persönlichem Machtwillen und politischer Verantwortung, zwischen der magnetischen Ausstrahlung eines Einzelnen und den anonymen Mechanismen eines Kriegs, der ein zerrissenes Reich zugleich zusammenzwingt und auseinanderreißt, und der Frage, wie weit Klugheit, Ehrgeiz und Charisma tragen, wenn sie auf die spröde Realität von Bündnissen, Logistik und Misstrauen treffen, sodass sich im Porträt eines Feldherrn die größeren Linien einer Epoche bündeln, in der jede Entscheidung ein Preisgeben von Möglichkeiten bedeutet und jeder Erfolg bereits die Keime künftiger Gefährdungen in sich trägt, während die Deutung der Ereignisse um das Gedächtnis der Zeitgenossen ringt.
Dieses Werk ist eine historische Biografie und Charakterstudie, die das Leben und Wirken Albrecht von Wallensteins im Kontext des Dreißigjährigen Krieges beleuchtet. Schauplätze sind das Heilige Römische Reich deutscher Nation und die miteinander vernetzten Höfe, Lager, Städte und Landschaften Mitteleuropas, in denen Politik, Religion und militärische Notwendigkeiten ineinandergreifen. Ricarda Huch verbindet erzählerische Verdichtung mit reflektierender Analyse; das Buch gehört zu ihren historisch-essayistischen Darstellungen der frühneuzeitlichen Epoche. Anstatt fiktional zu dramatisieren, rekonstruiert Huch die Figur auf Grundlage historischer Überlieferung und zeichnet ein Bild, das sowohl politische Strukturen als auch persönliche Dispositionen sichtbar macht.
Zu Beginn entfaltet Huch die Ausgangslage einer zerrissenen Ordnung: zerbrochene Loyalitäten, konfessionelle Konflikte, eine überdehnte kaiserliche Herrschaft und Fürsten, die Sicherheit ebenso wie Vorteil suchen. In dieses Spannungsfeld tritt ein ehrgeiziger böhmischer Adliger, der seinen Aufstieg der Fähigkeit verdankt, Kräfte zu bündeln, Ressourcen zu organisieren und Vertrauen zu wecken, ohne sich ganz in den Dienst anderer zu geben. Die Autorin skizziert Herkunft, Umfeld und erste Schritte an den Höfen und in den Heeren, zeigt Netzwerke, Kalküle und Zufälle, die Wege öffnen, und deutet zugleich an, welche Abhängigkeiten und Erwartungen jeden gewonnenen Handlungsspielraum begrenzen.
Das Leseerlebnis ist geprägt von einer ruhigen, präzisen und zugleich bildkräftigen Sprache, die Beobachtung und Bewertung sorgfältig austariert. Huch schreibt essayistisch, mit Sinn für psychologische Feinheiten, ohne Sensationslust und ohne den historischen Abstand zu verwischen. Sie entfaltet Szenen knapp und legt das Gewicht auf Motive, Konstellationen und Konsequenzen, sodass sich Biografie und Strukturgeschichte gegenseitig erhellen. Der Ton bleibt kontrolliert, gelegentlich von verhaltener Empathie getragen, stets der Frage verpflichtet, wie Charakter und Lage sich gegenseitig formen. Dadurch entsteht eine dichte, konzentrierte Lektüre, die Aufmerksamkeit belohnt und weniger auf dramatische Wendungen als auf Einsicht zielt.
Zu den zentralen Themen zählen Macht und Verantwortung, Loyalität und Eigeninteresse, die Ökonomie des Krieges und die Kunst, in unübersichtlichen Allianzen handlungsfähig zu bleiben. Huch interessiert, wie Führung entsteht, worauf Autorität beruht und welche Rolle Organisation, Geld, Reputation und Zeit spielen, wenn Entscheidungen unter Druck fallen. Ebenso wichtig ist die Frage, wie aus Ereignissen Deutungen werden: wie Zuschreibungen entstehen, wie Mythen wachsen und wie Geschichte bereits im Augenblick ihres Geschehens interpretiert wird. Das Buch erkundet die Spannungsfelder zwischen persönlicher Integrität, politischer Zweckmäßigkeit und den Strukturen, die selbst mächtige Akteure einhegen.
Gerade darin liegt die Aktualität für heutige Leserinnen und Leser. Die Darstellung sensibilisiert für die Mechanismen von Macht in Krisenzeiten, für die Versuchung, Komplexität auf einfache Erzählungen zu reduzieren, und für die moralischen Kosten strategischer Entscheidungen. Wer nach Orientierung im Verhältnis von Führung, Öffentlichkeit und Institutionen sucht, findet in Huchs Analyse einen Maßstab, der nüchtern und zugleich verantwortungsethisch ist. Sie zeigt, wie schnell Legitimität erodiert, wenn Vertrauen instrumentell behandelt wird, und wie notwendig Maß, Transparenz und Selbstprüfung bleiben, auch wenn äußere Umstände Entschlossenheit fordern.
Als Einführung lädt Wallenstein dazu ein, historische Komplexität an einer exemplarischen Figur zu durchdenken, ohne sich in Detailfluten zu verlieren. Leserinnen und Leser, die politische Psychologie, Ideen- und Strukturgeschichte verbinden möchten, erhalten ein konzentriertes Porträt, das Urteile nicht diktiert, sondern vorbereitet. Es empfiehlt sich, das Buch mit Bereitschaft zur langsamen Lektüre zu öffnen, die Einschübe, Nuancen und Übergänge ernst zu nehmen und Parallelen zur Gegenwart erst nach der sorgfältigen Beobachtung zu ziehen. Am Ende steht kein fertiges Urteil, sondern ein geschärfter Blick für Ambivalenzen, aus dem verantwortliches Entscheiden in schwierigen Lagen lernen kann.
Ricarda Huchs Wallenstein ist eine biografisch-historische Darstellung des kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein im Kontext des Dreißigjährigen Krieges. Die Autorin verbindet quellengestützte Erzählung mit psychologischer Charakterzeichnung und stellt die Frage, wie persönliche Ambition, Staatsräson und die Zerrissenheit des Reiches miteinander kollidieren. Von den ersten Schilderungen des politischen Umfelds bis zu den großen Entscheidungen des Protagonisten folgt die Darstellung einer klaren Chronologie. Huch interessiert weniger die Anekdote als die Konstellation von Kräften, in der Wallenstein agiert: Hof, Stände, Bündnisse, Kriegsmärkte. Leitend sind Spannungen zwischen Loyalität und Autonomie, Ordnungsidee und Gewaltökonomie zugleich.
Zu Beginn zeichnet Huch die Voraussetzungen von Wallensteins Aufstieg nach. Aus einem regional verwurzelten Adelsmilieu stammend, erkennt er die Chancen einer Zeit, in der Heerwesen, Finanzen und Politik neu verschaltet werden. Durch zielbewusstes Vermögenmanagement, Patronage und militärische Erfahrung formt er ein Profil, das am Hof Beachtung findet. Huch zeigt, wie der künftige Feldherr früh lernt, Disziplin, Versorgung und Loyalität als Machtressourcen zu begreifen. Die Biografie verweilt auf Charakterzügen wie Strenge, Verschwiegenheit und planerischer Weitblick, ohne sie zu romantisieren. Bereits hier wird das Grundmotiv sichtbar: individuelle Energie wird zum Hebel, ein zersplittertes Gemeinwesen zu organisieren.
Mit der kaiserlichen Beauftragung erhält Wallenstein Gelegenheit, seine organisatorischen Ideen in großem Maßstab zu erproben. Er stellt ein Heer auf, das sich nicht nur auf Subsidien stützt, sondern über Kontributionen und Lieferverträge die Kriegswirtschaft formt. Huch veranschaulicht, wie diese Effizienz Bewunderung weckt, zugleich aber Widerstände erzeugt: Landstände, Verbündete und Rivalen sehen in der neuen Militärmacht eine Bedrohung ihrer Einflussräume. Der Feldherr wird zum Machtfaktor eigener Art, dessen Loyalität erwartet, aber zunehmend misstrauisch beobachtet wird. Die Darstellung betont die Doppelgesichtigkeit des Erfolgs: Stabilisierung des Reiches einerseits, Belastung und Entfremdung der Betroffenen andererseits.
Die wachsende Zwischenstellung Wallensteins spitzt die Konflikte zu. Huch entfaltet das Geflecht aus Hofpolitik, Bündnistreue und persönlicher Ehre, in dem sein Auftreten als anmaßend gilt und seine Unabhängigkeit als Risiko. Intrigen, Anwürfe und strategische Differenzen führen zu Entscheidungen, die seinen Handlungsspielraum vorübergehend begrenzen. Statt sensationeller Episoden interessiert Huch die Mechanik der Entmachtung: wie Kommunikationsbrüche, Eifersüchteleien und divergierende Kriegsziele eine Abberufung plausibel machen. Gleichzeitig arbeitet sie die innere Lage des Protagonisten heraus, der Ordnung schaffen will, aber in einem Umfeld operiert, das Verdacht produziert. Der biografische Fokus bleibt auf Haltung, Stil und politischer Urteilskraft.
Als neue militärische Krisen das Reich erschüttern, tritt Wallenstein erneut in den Vordergrund. Huch schildert die zweite Phase seines Wirkens als Versuch, Strategie und Diplomatie weiter zu denken, als es Lagerlogik und Konfessionsgrenzen erlauben. Der Feldherr verhandelt, sondiert und manövriert, um einen tragfähigen Ausgleich zu erreichen, der die Erschöpfung Europas berücksichtigt. Seine Vorsicht, sein Schweigen und sein Drang zur Kontrolle verstärken jedoch den Eindruck von Undurchsichtigkeit. Die Biografie zeigt die Ambivalenz eines Plans, der auf Frieden zielt, aber in einer Umgebung der Misstrauensbildung entsteht. Damit verschärfen sich die Spannungen zwischen Anspruch, Mittel und Wahrnehmung.
Je stärker Wallenstein auf eigenständige Initiative setzt, desto dichter wird das Netz aus Beobachtungen und Verdächtigungen. Huch beschreibt, wie sich ein kleiner Kreis von Vertrauten um ihn schart und gleichzeitig die Distanz zum Hof wächst. Militärische Erwägungen, Versorgungsfragen und politische Optionen greifen ineinander, doch die Legitimationsbasis wird fragiler. Der Feldherr sucht Spielräume, die andere als Grenzüberschreitung deuten. Die Autorin lässt die Konstellation in eine kritische Zuspitzung münden, ohne sie auf einfache Motive zu reduzieren: Selbstbehauptung steht gegen Gehorsam, Staatsraison gegen persönliche Integrität. Auf diesem Höhepunkt wird der Ausgang durch das Zusammenspiel vieler Kräfte vorbereitet.
Huchs Wallenstein endet nicht als bloßes Porträt eines Heerführers, sondern als Studie über die Bedingungen politischer Macht in einer Zeit des Systembruchs. Die Biografie verbindet Anschaulichkeit und Urteilskraft und zeigt, wie Ideen von Ordnung an Kriegspraxis, Ressourcenzwang und institutionelle Grenzen stoßen. Indem sie psychologische Motive mit strukturellen Zwängen verschränkt, stellt sie die Frage, was Loyalität bedeuten kann, wenn Legitimität umstritten ist. Ohne sensationelle Auflösung zu forcieren, bleibt die nachhaltige Wirkung in der Einsicht, dass große Pläne nur tragen, wenn Vertrauen, öffentliche Zustimmung und rechtliche Bindung zusammenfinden. So wirkt das Buch als nüchterne, zugleich eindringliche Reflexion über Herrschaft.
Ricarda Huchs Wallenstein-Biographie verortet sich im frühneuzeitlichen Mitteleuropa des 17. Jahrhunderts, insbesondere im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Prägende Institutionen waren das Kaisertum der Habsburger mit seinem Hof in Wien, der Reichstag und die Reichskreise sowie konfessionelle Bündnisse wie die Protestantische Union (1608, bis 1621) und die Katholische Liga (ab 1609). Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 regelte das Bekenntnis nach dem Prinzip cuius regio, eius religio, ließ jedoch den Calvinismus unberücksichtigt und verschärfte Spannungen. Universitäten, Jesuitenorden und fürstliche Kanzleien institutionalisierten die Konfessionalisierung. Kriegführung beruhte zunehmend auf Söldnerheeren und Kriegsunternehmern, die über Kontributionen und Lieferverträge finanziert wurden.
Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein (1583–1634) stammte aus dem böhmischen Niederadel. Er konvertierte in jungen Jahren zum Katholizismus und trat in habsburgische Dienste. Nach der Niederschlagung des böhmischen Aufstands und der Schlacht am Weißen Berg (1620) erwarb er durch Konfiskationen umfangreiche Besitzungen und wurde zum Herzog von Friedland (1625) erhoben. Wallenstein nutzte das System der Kriegsunternehmung, rüstete Truppen aus und finanzierte sie über Abgaben der besetzten Territorien. Seine Karriere fiel in die Zeit der sogenannten Militärrevolution: steigende Heeresgrößen, Logistik und Verwaltung gewannen an Bedeutung. Huchs Darstellung beleuchtet diese sozialen und administrativen Voraussetzungen, die seinen Aufstieg im Reich ermöglichten.
Im Dänisch-Niedersächsischen Kriegsteil (1625–1629) trat Wallenstein als kaiserlicher Feldherr hervor. 1626 schlug er Mansfeld an der Dessauer Elbbrücke, drängte die dänischen Kräfte zurück und sicherte Norddeutschland für den Kaiser. 1628 belehnte ihn der Kaiser mit Mecklenburg, nachdem dessen Herzöge entsetzt worden waren. Wallensteins Versuch, die Ostseeküste zu kontrollieren, scheiterte jedoch am hartnäckigen Widerstand der Hansestadt Stralsund (Belagerung 1628). Das Edikt von Restitution (1629), von Ferdinand II. erlassen, forderte die Rückgabe säkularisierter Kirchengüter und verschärfte die konfessionelle Front. Mit dem Frieden von Lübeck (1629) schied Dänemark aus dem Krieg aus; Wallensteins Einfluss blieb dennoch umstritten.
Seine Machtfülle rief erheblichen Widerstand der Reichsstände und der Katholischen Liga unter Maximilian I. von Bayern hervor. Sie kritisierten die eigenständige Finanz- und Rekrutierungspolitik seines Heeres und fürchteten eine Stärkung des kaiserlichen Absolutismus. Auf dem Kurfürstentag von Regensburg 1630 setzte die Kurfürstenmehrheit Wallensteins Entlassung durch. Im selben Jahr landete der schwedische König Gustav II. Adolf in Pommern; die schwedische Intervention veränderte das Kräfteverhältnis grundlegend. Auch innerkatholische Rivalitäten zwischen Liga und kaiserlichem Hof trugen zur Entscheidung bei. Huch zeigt, wie institutionelle und konfessionelle Interessen Wallensteins Stellung bestimmten und wie eng militärische Führung, Reichsverfassung und Bündnispolitik miteinander verknüpft waren.
Nach der schwedischen Niederlage des kaiserlich-ligistischen Heeres bei Breitenfeld (1631) wurde Wallenstein 1632 erneut berufen und stellte in kurzer Zeit eine neue Armee auf. Im Sommer 1632 traf er bei Nürnberg auf Gustav II. Adolf; die Gefechte um die Alte Veste brachten keine Entscheidung. Im November 1632 kam es bei Lützen zur Schlacht, in der der schwedische König fiel, Wallenstein jedoch keine vollständige strategische Wende erreichte. Huchs Biographie ordnet diese Operationen nüchtern in die Zielkonflikte von Versorgung, Bündnissen und Hofpolitik ein, ohne die Ereignisse zu romantisieren. Die Kämpfe verdeutlichten die Grenzen offensiver Feldzüge in einem verwüsteten und überdehnten Operationsraum.
In den Jahren 1633/1634 suchte Wallenstein, der große Autonomie in der Kriegsführung beanspruchte, zwischen konkurrierenden Reichsständen und auswärtigen Mächten Spielräume zu gewinnen. Seine Verhandlungen, unter anderem mit kursächsischen und schwedischen Vertretern, weckten in Wien Misstrauen. Im Januar 1634 enthob Ferdinand II. ihn des Oberbefehls. Wallenstein wich nach Böhmen aus und begab sich nach Eger (Cheb). Dort wurde er am 25. Februar 1634 von kaiserlich loyalen Offizieren getötet. Huch behandelt diese Vorgänge als politisch-diplomatische Krise der Kriegsmonarchie und macht die Quellenlage – kaiserliche Mandate, Korrespondenzen, zeitgenössische Berichte – für die Rekonstruktion nachvollziehbar.
Ricarda Huch, 1864 geboren und 1947 verstorben, verband literarisches Erzählen mit quellenbasierter Geschichtsschreibung. Ihre Wallenstein-Biographie erschien 1929 in der Weimarer Republik. Huch hatte zuvor mehrbändige Darstellungen zur deutschen Geschichte vorgelegt und arbeitete mit archivalischen Zeugnissen und Briefen. In Wallenstein rückt sie Verwaltung, Finanzierungsmechanismen und die Verfassung des Reiches neben die Feldzüge ins Zentrum und knüpft an die Forschungstradition seit Ranke an. Zugleich grenzt sie ihre Darstellung deutlich von Friedrich Schillers dramatischer Trilogie (1798/99) ab, indem sie die historische Figur von literarischen Überformungen trennt und Entscheidungen in ihrem institutionellen Kontext erklärt.
Als Kommentar zur Epoche zeigt Huchs Buch, wie Konfessionalisierung, Staatsbildung und Kriegsökonomie die Handlungsspielräume eines Heerführers im Reich bestimmten. Es beleuchtet die Abhängigkeiten zwischen Hof, Ständen, Finanzierern und Städten und veranschaulicht die europäische Verflechtung des Krieges von Böhmen bis an die Ostsee. In der Zwischenkriegszeit bot die Biographie einem breiteren Publikum eine quellengestützte Neubewertung einer prominenten Figur, jenseits nationaler Mythisierungen. Damit fungiert das Werk als nüchternes Korrektiv zur Legendenbildung um Wallenstein und als reflektierte Darstellung einer Krisenzeit, deren administrative und verfassungsrechtliche Strukturen Huch in den Mittelpunkt der historischen Analyse rückt.
Das siebzehnte Jahrhundert war für das Deutsche Reich die Zeit der Auflösung: die einzelnen Organe des ungeheuren Körpers waren so selbständig geworden, daß die Kraft des Mittelpunktes nicht mehr ausreichte, sie zusammenzufassen. In ganz Europa war während des Mittelalters mit dem Feudalsystem[1] die Vielheit der Grundgedanke der Staatenbildung gewesen, nirgends aber so im Wesen der Nation wurzelnd wie in Deutschland. Die strenge und kahle Einheit, die dem Romanen entspricht, widersteht dem kindlich phantasievollen Germanen, den es zur Fülle der Einzelerscheinung drängt, und dieser Geistesverfassung gemäß gestalteten sie die von den Romanen übernommene Idee des Weltreichs überschwenglich um. Sie wurde desto formloser, je weiter die Grenzen der Erde sich ausdehnten, vollends aber durch den Zusammenhang mit der weltumfassenden Kirche.
Daß der Süden Deutschlands Italien mehr zuneigte, war schon durch die geographische Lage und alles damit Zusammenhängende bedingt; in der Glaubensspaltung kam diese Verschiedenheit der Richtung unausgleichbar zum Ausdruck. Durch das in eine Menge von Einzelexistenzen zerfallende Reich war damit ein Schnitt geführt, der es in zwei gegensätzliche Hälften teilte, von denen die südliche als Sitz der Kaisergewalt stärker war, die nördliche als Quell frischer Energien und als Träger einer neuen, zweckmäßigeren politischen Idee.
Hätten sich nur die kaiserliche Zentralgewalt und die protestantischen Rebellen gegenübergestanden, so wäre ein entschiedener Sieg auf der einen oder anderen Seite möglich gewesen; aber in einem weit unheilbareren Gegensatz zum Kaiser standen seine uralten Gegner, die Aristokraten, von denen die vornehmsten, die Kurfürsten[2], in ihrer Gesamtheitihm überlegen waren. Der Kaiser war für das Reich, das er nicht unmittelbar beherrschte, der Quell der Rechte und Freiheiten; es bezeichnet die Verzwicktheit der Verhältnisse, daß die Fürsten, insbesondere die Kurfürsten, sich die Vorkämpfer der deutschen Libertät nannten, womit sie ihre Unabhängigkeit vom Reichsoberhaupte meinten. Dies hätte die Städte, deren Selbständigkeit auf der Abhängigkeit vom Kaiser beruhte und durch die zunehmende Libertät oder Übermacht der Fürsten bedroht war, nicht täuschen können, wäre nicht der Kaiser zugleich Fürst, wäre er nicht katholisch und mit Spanien verbündet gewesen, wodurch er zum Feind auch ihrer Freiheit wurde, sowohl der äußeren wie der inneren. Ein Wirrwarr von Beziehungen ergab sich aus dem doppelten Gegensatz, so daß des Kaisers schärfste politische Gegner, die Kurfürsten, soweit sie katholisch waren, doch seine Stütze bildeten, während sie untereinander durch den Glauben getrennt und von den übrigen Fürsten durch ihre höheren Ansprüche geschieden wurden. Die natürlichen Verbündeten des Kaisers, die freien Städte, machte ihr evangelisches Bekenntnis zu seinen Gegnern; andererseits warnte sie berechtigtes Mißtrauen nicht nur vor den katholischen, sondern auch vor den glaubensverwandten Fürsten.
Die Dezentralisation hätte nicht der Zustand des Reiches sein können, wenn es nicht der Zustand seiner Bewohner gewesen wäre, die um die Wende des sechzehnten Jahrhunderts anfingen, von dem Typus abzuweichen, der sich in einer Reihe von Geschlechtern herausgebildet hatte. Man könnte das siebzehnte Jahrhundert, einen Teil des sechzehnten mit hinzunehmend, das interessanteste und anziehendste, vielgestaltigste und rätselhafteste unserer Geschichte, das Jahrhundert der Degeneration oder Entartung nennen, besser noch der Abartung oder Arterweiterung, damit durch denAusdruck angedeutet sei, daß die abnormen Individuen, die nun erscheinen, nicht notwendig schlechter als der normale Typus sein müssen, wenn sie auch zu ihrer Erhaltung und zur Erhaltung der Art weniger gut geeignet sind.
An der Spitze des zerfallenden Riesenkörpers stand die Familie der Habsburger, in ihrer seelischen Zerrüttung ein erschütterndes Symbol des dem Untergange geweihten heiligen Reiches. Der Ausgangspunkt der Krankheit, die sich mittels der vielverzweigten Herrscherfamilie wie ein zersetzender Giftstrom durch Europa ergoß, wird in Johanna der Wahnsinnigen[3], der Erbin Spaniens, gesucht; wie es heißt, erkrankte sie beim Tode ihres Mannes, Philipps des Schönen[4], und wollte seinen Leichnam nicht von sich lassen. Es scheint jedoch, daß auch die Familie Habsburg sowie die Familie Burgund, von denen Philipp, Sohn des ersten Maximilian, abstammte, bereits in Entartung begriffen waren, so daß sich in dieser verhängnisvollen Ehe die Schwäche und Begabung zweier sich auflösender Geschlechter kreuzten. Nebeneinander treten nun bei den Habsburgern eine Neigung zur Schwermut auf und eine oft bis zum Vernunftlosen und Kindischen gehende Leichtfertigkeit, welch letztere schon im Charakter Maximilians I[5]. sich zeigte. Auf einem zeitgenössischen Bilde von Johanna der Wahnsinnigen sieht man das lange Gesicht, die lange Nase, die schwere Unterlippe, die für die Habsburger charakteristisch wurden; ihre Augen haben den gegenstandslosen, trostlosen Blick der Schwermut.
