Wanted! - Matthias Kestler - E-Book

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Matthias Kestler

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Beschreibung

Jede Fehlbesetzung kostet. Geld, Zeit, Reputation - schlimmstenfalls realen Unternehmenswert. Und doch landen viel zu oft die falschen Leute aus den falschen Gründen auf dem Chefsessel. Es regiert das Prinzip des Buddy-Boardings: Die Stelle bekommt, wer den richtigen "Stallgeruch" hat; Können ist zweitrangig. Diese verantwortungslose Recruitingpraxis macht Top-Headhunter Matthias Kestler fassungslos. In "Wanted!" gewährt er einen intimen Blick hinter die Kulissen einer geheimnisumwitterten Szene, in der die wichtigsten Posten der deutschen Wirtschaft vermeintlich ausgewürfelt werden.

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Matthias Kestler

Wanted!

Headhunter, Unternehmen und die knifflige Suche nach den idealen Kandidaten

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Jede Fehlbesetzung kostet. Geld, Zeit, Reputation - schlimmstenfalls realen Unternehmenswert. Und doch landen viel zu oft die falschen Leute aus den falschen Gründen auf dem Chefsessel. Es regiert das Prinzip des Buddy-Boardings: Die Stelle bekommt, wer den richtigen »Stallgeruch« hat; Können ist zweitrangig. Diese verantwortungslose Recruitingpraxis macht Top-Headhunter Matthias Kestler fassungslos.

In »Wanted!« gewährt er einen intimen Blick hinter die Kulissen einer geheimnisumwitterten Szene, in der die wichtigsten Posten der deutschen Wirtschaft vermeintlich ausgewürfelt werden.

Vita

Matthias Kestler ist Gründer und Geschäftsführer der Personalberatung Xellento, die auf die Besetzung von Spitzenpositionen, Vorständen und Aufsichtsräten in internationalen Konzernen ebenso wie in mittelständischen Firmen spezialisiert ist. Die Wirtschaftswoche zählt ihn zu den einflussreichsten Headhuntern Deutschlands.

INHALT

VORWORT

1 BLACKBOX HEADHUNTING: EIN PAAR BASICS

Kann ja nicht so schwer sein!

Wann Headhunter zum Einsatz kommen

Der Faktor Zeit

Die diskrete Suche

Keine 08/15-Position

Besondere Kenntnisse und Fähigkeiten

Besondere Unternehmenssituationen

Erfolglose Besetzungsversuche

Vielfältige Ausgangssituationen, identisches Ziel

Welcher Headhunter soll’s denn sein?

Headhunting-Branche in Zahlen

Verschiedene Unterscheidungsmerkmale

Weiterempfehlung und Referenzen

Wie Personalberater bezahlt werden

Wie Personalberater gestrickt sind

Augenhöhe statt Branchenexpertise

Diskretion statt großer Klappe

Achtung, Abwerbung!

Vorbereitung statt Improvisationstalent

Selektion mit System statt Massenansprache

Big Picture statt Tunnelblick

Diener zweier Herren

Wer dem Headhunter Konkurrenz macht

2 GESUCHT: GEEIGNETE KANDIDATEN

Gemeinsamer Startschuss: Von Anforderungen und Voraussetzungen

Der steinige Weg von der Stellenbeschreibung zur Job-Description

Das Bullseye der Kandidatenzielscheibe

Marktanalyse: Die Branche abklopfen

Erstkontakt: Professionell mit der Tür ins Haus fallen

Persönlich ist nicht privat

Hauptsache kein Nein

Achtung, Fake Jobs!

Research: Eine wichtige Säule der Personalberatung

Einmal mit Profis zusammenarbeiten …

Das Internet, der beste Freund des Researchers

Spitzenkräfte finden Spitzentalente

Diskret am Gatekeeper vorbeikommen

Mix aus Können und Erfahrung

Wechselmotivation: Viele können, aber nur wenige wollen

Bäumchen, wechsle dich?

Karriere nicht um jeden Preis

Follow-up: Den geeigneten Köder auswerfen

Mehr davon

Einmalige Gelegenheit

Kultureller Unterschied

Persönlich: Das konspirative Treffen

Kommunizieren, kommunizieren und noch mal kommunizieren

Vertrauensvolle Begegnung

Referenzen: Was andere sagen

Problemlöser-ABC: Typen für besondere Fälle

Augenmaß

Mut

Fantasie

Menschlichkeit

Zuverlässigkeit

Auswahl: Und dann waren es nur noch … wenige

Präsentation auf dem Papier

Kennenlernen live und in Farbe

Bitte hier unterschreiben

Überblick: Der Such- und Auswahlprozess in sieben Schritten

3 BREMSKLÖTZE: ILLUSIONEN IM BESETZUNGSPROZESS

Alles gar kein Problem

Sparfüchse am Werk

Besetzung ist das Ziel, nicht Qualität

Nach der Kandidatenunterschrift die Sintflut

Rückzieher seitens des Auftraggebers

Feilschen um das Beratungshonorar

Viele Köche verderben den Brei

Personalberater im Blindflug

Umtausch nicht ausgeschlossen

Schlimmer als die Stechuhr

Aktueller Statusbericht: It’s showtime!

»Die Liste«: The show must go on

Viel Lärm um nichts

An uns kommt niemand vorbei!

Glücklose Rekrutierungsprozesse

Begegnungen auf Augenhöhe

Hilfsinstrumente bei der Auswahl

Fehlender Weitblick

Auf der Zielgeraden

Erster Eindruck? Miserabel

Terminchaos

Kuddelmuddel

Zeit ist relativ

Ticktack!

Unternehmen im Höhenflug

Spieglein, Spieglein an der Wand …

Attraktivität ist relativ

Den Umständen entsprechend: Jeder spielt in seiner Liga

Eine Frage des Standorts

Warum in die Ferne schweifen?

Die Besten der Besten der Besten

Wenn »die Besten« einfach nicht wollen

Fatale Einschränkungen

Der ist es – aber der will nicht

Zalando-Effekt: Gibt’s den auch eine Nummer größer?

Nagende Zweifel

Die Qual der Wahl

Die Hoffnung auf das ewig Bessere

Überzogene Erwartungen

Auf dem hohen Ross

Aber mehr darf es auf keinen Fall kosten!

Der Markt bestimmt den Preis

Verhängnisvolle Geheimniskrämerei

Im Kampf gegen Windmühlen

Dringend erwünscht

Reise nach Jerusalem reloaded

4 EXISTENZGEFÄHRDEND: MONOKULTUR IM MANAGERWALD

Die Verlockungen der internen Besetzung

F wie Führungsqualität

Nur eine schnelle Besetzung ist eine gute Besetzung

Ausgebremstes Nachwuchstalent

Intern oder extern? Beides!

Die geklonte Führungselite: Dolly lässt grüßen

Stallgeruch, der zum Himmel stinkt

Interner Widerstand: So wie ich, aber nicht besser

Nur über meine Leiche!

Keine Lösung ist auch eine Lösung

Es kann nur einen geben: Die verflixte Nachfolgeregelung

Ende gut, alles gut

Headhunter, Seilschaften und Abhängigkeiten: Interessenkonflikte und systemimmanente Probleme

Compliance-Regelung – ein zahnloser Tiger

Aus Erfahrung gewählt

Ausgeplaudert

Gelegenheit genutzt

Gekonnt abgesägt

Knallhart kalkuliert

Geschickt eingefädelt

Besetzung nach Proporz: Quoten als Lösung?

Die Geschlechterquote

Der »Petra-Effekt«: Wenn Frauen kneifen

Ein Gedankenexperiment

Qualität statt Quote

Lösungsorientierte Suche nach Personal

Branchenverliebtheit bei der Wahl des Personalberaters

Funktion schlägt Branche

Neue Suchmuster finden neue Problemlöser

DANKSAGUNG

ÜBER DEN AUTOR

ANMERKUNGEN

1 Blackbox Headhunting: Ein paar Basics

2 Gesucht: Geeignete Kandidaten

3 Bremsklötze: Illusionen im Besetzungsprozess

4 Existenzgefährdend: Monokultur im Managerwald

REGISTER

VORWORT

Verschwiegenheit ist in meinem Business das A und O. Dennoch habe ich dieses Buch über Headhunting geschrieben, das hoffentlich zum besseren Verständnis der Arbeit von Personalberatern beiträgt, mit Mythen über meine Zunft aufräumt und den bisweilen langwierigen Prozess der Personalsuche transparent macht. Denn eines ist sicher: Die Suche nach dem idealen Kandidaten wird immer kniffliger.

Der Gehaltshebel alleine bewegt kaum noch jemanden dazu, seinen Posten zugunsten eines anderen Jobs in irgendeiner anderen Firma aufzugeben. Sowohl Headhunter als auch Unternehmen müssen sich immer mehr Mühe geben und den Kandidaten ein attraktives, nahezu maßgeschneidertes Angebot machen. Sicher erleichtern einige technische Entwicklungen wie etwa Online-Portale oder Social-Media-Plattformen die Suche nach vielversprechenden Kandidaten – doch das ist noch längst kein Garant für den Erfolg. Viele Rädchen müssen ineinandergreifen, viele Details sehr früh eindeutig geklärt und viele Hindernisse umschifft werden, bis am Ende die heiß ersehnte Unterschrift auf dem Arbeitsvertrag steht.

Geeignete Kandidaten zu finden ist komplexer, als viele glauben oder sich eingestehen wollen, selbst wenn – oder womöglich gerade weil? – Personalberater passende Kandidaten scheinbar im Handumdrehen aus dem Hut zaubern. Wo die herkommen, muss es schließlich noch mehr geben, so die landläufige Meinung.

Gerade bei der Besetzung hochkarätiger Positionen stelle ich leider immer wieder Verhaltensweisen fest, die einen humanen, respektvollen Umgang miteinander vermissen lassen. Systematisch werden Kandidaten aussortiert nach dem Motto »Gibt’s den auch eine Nummer größer?« – als würden Topmanager und andere Spitzenleute auf Bäumen wachsen und im Online-Shop zum Verkauf angeboten, sauber aufgereiht und mit Labeln versehen. Ab in den Warenkorb, heute bestellt, morgen geliefert – mit satten Rabatten, versteht sich. Amazon Prime lässt grüßen.

Diesbezüglich fehlt manchen Auftraggebern in meinen Augen zum einen oftmals das Verständnis des Such- und Auswahlprozesses – sie verstehen also im Grunde die Arbeitsweise von Personalberatern nicht –, zum anderen kommt eine Überschätzung von Angebot und Nachfrage hinzu. Gleichzeitig zeigt sich eine individuelle Anspruchshaltung sowohl auf der Auftraggeber- wie auf der Kandidatenseite immer häufiger und immer deutlicher: Jeder will seine persönlichen Forderungen durchdrücken. Die Ansprüche sind dabei immens gestiegen und bewegen sich meiner Meinung nach oft genug am Rande des Utopischen. Und zwar auf beiden Seiten.

Die gute Nachricht lautet: Es gibt sie noch, die respektvollen, wertschätzenden Begegnungen auf Augenhöhe im Prozess der Stellenbesetzung. Ich erlebe sie in meiner Arbeit oft, aber nicht oft genug. Diese sollten wir, damit meine ich die Headhunter ebenso wie die Auftraggeber, flächendeckend gemeinsam bei der Personalbeschaffung und -entwicklung anstreben.

Ich sehe in meinem Business sowie in der Zusammenarbeit mit Auftraggebern und Kandidaten einige Defizite und Missverständnisse. Die Tatsache, dass es innerhalb der Branche ein regelrechtes Schweigedogma gibt, macht die Sache nicht gerade leichter: Meine Zunft gibt eher ungern etwas über sich und ihre Methoden preis – das wäre ja ein Wettbewerbsnachteil. Und womöglich glauben die Kunden dann, man könne keine Geheimnisse bewahren. Daher möchte ich Ihnen in Wanted! einen Blick hinter die Kulissen gewähren, Sie mit der Arbeitsweise von Personalberatern bekannt machen und die Schwierigkeiten bei der Suche nach den idealen Kandidaten beleuchten. Ich möchte mit den häufigsten Missverständnissen aufräumen, die einer idealen Besetzung meiner Erfahrung nach im Wege stehen.

Für mich steht fest: Nur wenn alle Seiten einer klaren Rollenverteilung zustimmen und vertrauensvoll folgen, kann für ein Unternehmen der jeweils beste, also in seinem Sinne ideale Kandidat gefunden werden. Und von talentierten Spitzenkräften, erfolgreich geführten Firmen und einer insgesamt gut laufenden Wirtschaft haben wir alle etwas.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!

Dr. Matthias Kestler, im September 2018

1 BLACKBOX HEADHUNTING: EIN PAAR BASICS

Ein attraktiver Arbeitgeber, eine aussichtsreiche Position, eine angemessene Vergütung – aus Unternehmensperspektive ist alles klar: Die besten Kandidaten müssten eigentlich Schlange stehen. Doch in Zeiten des demografischen Wandels ist das immer seltener der Fall. Und so manches Mal sieht sich der vermeintliche »Traumarbeitgeber« gezwungen, einen Personalberater an Bord zu holen. Der soll’s dann richten – nachdem zuvor schon oft so einiges schiefgelaufen ist.

Die besten »Kopfjäger« sind dabei aber nicht jene mit der größten Feuerkraft, sondern jene, die es verstehen, sich dem »scheuen Wild« im richtigen Augenblick in der richtigen Art und Weise zu nähern – womit ein wesentliches Qualitätsmerkmal guter Headhunter beschrieben wäre. Auftraggeber, die dieses Know-how bezüglich Timing und Herangehensweise nicht nutzen, verprellen die idealen Kandidaten manchmal durch ziemlich banale Fehler. Wie so oft im Leben steckt der Teufel eben im Detail!

Wenn Leute den Begriff Headhunting hören, beginnt es sofort in ihren Gehirnen zu rattern: Mysteriöse Anrufe am Arbeitsplatz (»Können Sie gerade frei sprechen? Ich hätte da etwas Interessantes für Sie …«), konspirative Treffen an ungewöhnlichen Orten – Kopfkino pur! Um es gleich vorwegzunehmen: Vieles davon ist von der Realität meilenweit entfernt. Es ist aber kein Wunder, dass der Mythos Headhunter sich weiterhin hartnäckig hält, ebenso wie die Vorurteile und Bedenken, denn die Headhunting-Branche ist für ihre Geheimniskrämerei bekannt. Das gehört mehr oder weniger zum Image. Kaum etwas von den internen Prozessen, von der richtig harten Arbeit, die hinter einer scheinbar mühelosen Stellenbesetzung steckt, dringt nach außen.

Mein Business ist vielleicht nicht so sexy und aufregend, wie es auf den ersten Blick scheint. Aber immerhin ist es ein sehr menschliches – was leider ab und an in Vergessenheit gerät. Bei der Personalsuche geht es immer um Menschen, nicht um Maschinen oder Waren, um Prozesse oder Kennzahlen. Es liegt also in der Natur der Sache, dass nicht immer alles reibungslos verläuft, dass Missverständnisse entstehen, dass den Beteiligten Fehler unterlaufen. Wichtig ist es, sich dies immer wieder bewusst zu machen und Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.

Personalberatung, Headhunting, Executive Search – für jede dieser Bezeichnungen ließe sich rein theoretisch eine eigene Definition finden, doch die Begriffe werden in der Regel synonym verwendet. Daher tue ich das auch, denn im Wesentlichen ist die Kernaufgabe identisch: Wenn in diesem Buch von Headhuntern oder Personalberatern die Rede ist (die Bezeichnung Executive-Search-Berater lasse ich der Einfachheit halber weg), meine ich damit Experten, die eine »gezielte Suche und Auswahl von qualifizierten und oft sehr spezialisierten Fach- und Führungskräften […] im Auftrag von Unternehmen« durchführen, die sich ohne direkte Ansprache nicht dort bewerben würden.1

Personalberatungen kommen heutzutage in vielen Bereichen zum Einsatz. Es dreht sich dabei nicht ausschließlich um die Besetzung der obersten Führungsebene, sondern Headhunter helfen Unternehmen ebenso bei der Besetzung von Stellen im mittleren Management, suchen rare Spezialisten, qualifizierte Fachkräfte und viele andere mehr. Die Beispiele, die ich in diesem Buch beschreibe, beziehen sich jedoch überwiegend auf Führungspositionen ab dem mittleren Management bis hin zu Vorstands- und Aufsichtsratsposten, da ich in diesem Feld über die Jahre die meisten Erfahrungen gesammelt habe. Davon kann ich am meisten erzählen – selbstverständlich anonymisiert und verfremdet, um die in meinem Beruf notwendige Diskretion zu wahren.2

Kann ja nicht so schwer sein!

Mein Onkel – gelernter Elektrotechniker und Inhaber eines Elektrofachgeschäfts – plauderte gerne mal aus dem Nähkästchen. Geschichten über einen speziellen Kundentypus erzählte er mit Vorliebe:

Beispiel

Eine Kundin betritt sein Elektrogeschäft. Es ist – das betont er ausdrücklich – immer die Frau, die von ihrem werten Göttergatten, seines Zeichens Hobby-Elektroschrauber ohne nennenswerte Grundkenntnisse, losgeschickt wird, um ein defektes Elektrogerät zu reklamieren.

»Unser Fernseher geht nicht mehr« lautet die schlichte Diagnose, gefolgt von der vermeintlich unschlagbaren Doppelkombination: »Mein Mann hat aber schon mal reingeschaut, es kann eigentlich nicht viel sein.« Subtext: Das kann gar nicht viel kosten, ist ja nur eine Kleinigkeit.

Bei Ansagen wie diesen schrillen bei meinem Onkel augenblicklich sämtliche Alarmglocken: Der Herr Hobbyschrauber hat also an dem Gerät herumgepfuscht und nun schickt er seine Frau vor, sozusagen als Damsel in Distress, damit die Reparatur nicht allzu teuer ausfällt. Na, das kann ja heiter werden! Meinem Onkel als Profi ist sofort klar: Dieses Gerät ist garantiert ein Totalausfall, nicht mehr zu retten – reif für den Elektroschrott.

An diese Geschichte erinnere ich mich in meinem Arbeitsalltag regelmäßig. Nämlich immer dann, wenn ein Unternehmen auf eigene Faust versucht hat, eine hochkarätige Stelle im Management zu besetzen. Erst wenn die verschiedensten Versuche in die Hose gegangen sind, wird der Personalberater als Profi eingeschaltet, der es jetzt doch bitte richten soll, und zwar am besten noch gestern. »Wir haben uns schon mal umgeschaut« – bei solchen Äußerungen schrillen meine Alarmglocken. Und das passiert ehrlich gesagt öfter, als mir lieb ist. Das Paradoxe: Obwohl die Auftraggeber es selbst nicht geschafft haben, interessante Kandidaten zu finden oder – noch schlimmer – vielversprechende Interessenten durch ihre semiprofessionelle Ansprache vergrault haben, verlangen sie eine schnelle und vor allen Dingen kostengünstige Lösung. Nach dem Motto: »Kann ja nicht so schwer sein!«

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will damit keineswegs sagen, dass Unternehmen oder Personalabteilungen generell nicht in der Lage wären, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das können sie sehr wohl! Es gibt ganz viele Positionen, die Firmen in Eigenregie wunderbar besetzen können. Sie nutzen diverse Kanäle, um neue Mitarbeiter anzulocken und für sich zu gewinnen: Neben Stellenausschreibungen auf ihrer Internetseite machen Firmen in Online-Portalen mit teils pfiffigen Anzeigen auf offene Stellen aufmerksam, sie tummeln sich in den sozialen Medien und sprechen interessante Leute über Facebook, Xing und Co. an, sie bemühen sich frühzeitig um talentierte Köpfe, sie fördern interne vielversprechende Nachwuchskräfte und vieles mehr. Das machen einige Firmen natürlich versierter und geschickter als andere, aber grundsätzlich ist die klassische Stellenbesetzung bei den Unternehmen selbst gut angesiedelt. Da möchte ich mich als Personalberater auch gar nicht einmischen, ebenso wenig wie die meisten meiner Kollegen – Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.

Es gibt allerdings so einige Konstellationen und Situationen, in denen klassische Wege der Personalsuche nicht nur fehl am Platz, sondern in meinen Augen regelrecht kontraproduktiv sind. In dem Fall plädiere ich dafür, frühzeitig einen Experten zurate zu ziehen, um böse Schnitzer zu vermeiden.

Wann Headhunter zum Einsatz kommen

Warum ist es überhaupt vorteilhaft, einen Personalberater zu beauftragen? Was hat ein Unternehmen davon? Weshalb bauen Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer auf die professionelle Unterstützung durch Personalberater? Berechtigte Fragen. Die Ausgangssituationen sind in der Regel sehr vielschichtig und so ist es selten ein einziger Grund, der Unternehmen dazu bewegt, sich externe Hilfe zu holen, wie Sie an den folgenden Beispielen sehen werden.

Vereinfacht gesagt kommen Headhunter häufig dann ins Spiel, wenn eine Stellenausschreibung im Internet unmöglich ist, die internen persönlichen Kontakte und Beziehungen bei der Suche nicht ausreichen und/oder alle anderen Bemühungen des Unternehmens, die freie Stelle zu besetzen, bereits ins Leere gelaufen sind. Vor allem wenn der Leidensdruck hoch und eine schnelle Lösung gefordert ist, kommen Personalberater zum Zuge, die – so die Hoffnung der Entscheider – den idealen Kandidaten nicht nur ausfindig machen, sondern auch zum Wechsel in das Unternehmen bewegen können.

Der Faktor Zeit

Beispiel

Es ist zum Verrücktwerden! Schon wieder eine Vorstellungsrunde für die Tonne. Schon wieder ist ein Tag ins Land gezogen und die offene Stelle bleibt weiter unbesetzt. Keiner der eingeladenen Kandidaten hat bei genauerem Hinsehen das Anforderungsprofil als Senior Vice President EMEA auch nur annähernd erfüllt.

Langsam, aber sicher gerät der Personalleiter eines bekannten Industrieunternehmens unter Druck. Solange er keinen geeigneten Kandidaten findet, herrscht in dem Bereich Stillstand. Das kostet das Unternehmen jeden Tag eine Stange Geld – und der Vorstand sitzt ihm daher auch schon im Nacken. Er entschließt sich, die Suche und Vorauswahl an eine Personalberatung auszulagern, damit bei der Sache endlich etwas vorwärtsgeht.

Wenn eine Stelle, insbesondere eine wichtige Führungsposition, lange unbesetzt bleibt, geht das für ein Unternehmen richtig ins Geld: Aufgaben, die erledigt werden müssen, bleiben liegen, wichtige Entscheidungen werden aufgeschoben und Neues wird vielleicht gar nicht erst angegangen. Die böse Folge können enorme Wettbewerbsnachteile sein, besonders wenn die Konkurrenz die Gunst der Stunde nutzt, um Oberwasser zu gewinnen. Doch die Suche nach geeigneten Kandidaten ist nun mal zeitaufwändig. Nicht in jedem Fall können die Personalverantwortlichen eines Unternehmens dies im Alleingang stemmen.

Eine Vakanz schnell zu besetzen kann demnach viel Geld sparen – und dabei helfen externe Experten mit frischem Blick. Der Personalberater kann sich auf die Suche und Auswahl geeigneter Kandidaten konzentrieren, die Entscheider auf das Tagesgeschäft. Es ist schließlich der Job des Personalberaters, genau diesen Teil des Prozesses in der Personalbeschaffung zu übernehmen; darauf ist er spezialisiert. Eine versierte, professionelle Ansprache potenzieller Interessenten erhöht zudem die Trefferquote und beschleunigt im Idealfall die Besetzung der vakanten Stelle.

Die diskrete Suche

Beispiel

Die Entscheidung ist gefallen: Zwei neue Geschäftszweige sollen das Familienunternehmen aus Hessen voranbringen. Wichtig ist dabei vor allem, einen fähigen Head of Business Development zu gewinnen, der neben der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen auch die internationale Ausrichtung verantworten kann. Die Konkurrenz darf davon aber auf gar keinen Fall zu früh erfahren!

Gleichzeitig stellt sich die Frage: Wie kann man die passenden Leute finden, wenn der klassische Weg über Stellenausschreibungen und Veröffentlichungen tabu ist? Das Unternehmen beschließt, eine Personalberatung ins Boot zu holen, die vielversprechende Kandidaten nicht nur ausfindig machen, sondern auch unauffällig ansprechen kann.

Wenn ein Unternehmen plant, ein neues Geschäftsfeld oder einen neuen Markt zu erschließen, zu expandieren oder sich anderweitig zu verändern, soll dieser Entschluss nicht unbedingt sofort an die große Glocke gehängt werden. Ebenso wenig soll vorzeitig publik werden, dass für bestimmte Positionen neue Führungskräfte gesucht werden. Das kann verschiedene Gründe haben. Wesentliche Wettbewerbsvorteile gehen verloren, wenn zu früh herauskommt, dass eine Firma einen neuen Markt oder ein neues Segment erschließen möchte und dafür noch geeignetes Führungspersonal benötigt. Mal ganz davon abgesehen ist gerade bei höheren Managementpositionen Diskretion bei der Suche das A und O: Schließlich werden die raren Spitzenkräfte aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis abgeworben. Logisch, dass das nicht unbedingt im Rampenlicht erfolgen soll, oder?

Nicht selten wird auch nach einem Nachfolger für eine bestimmte Position gesucht. Der Knackpunkt dabei: Die Stelle ist aktuell nicht frei. Jedenfalls noch nicht. Es ist vom geschäftlichen Standpunkt aus nachvollziehbar, dass der derzeitige Stelleninhaber von den Absichten des Vorstands beziehungsweise des Aufsichtsrats nicht erfahren soll, bevor ein adäquater »Ersatz« parat steht. Wie eine solche Vorgehensweise moralisch einzustufen ist, überlasse ich jedem Einzelnen. Ich erlaube mir hierzu kein Urteil – aber das Unternehmen wird schon seine Gründe haben.

Der Vorteil, einen Headhunter zu engagieren, liegt in diesen Situationen auf der Hand: Indem der Auftraggeber einen Personalberater als Mittelsmann einschaltet, bleibt er selbst über weite Strecken des Besetzungsprozesses anonym. Geeignete Kandidaten werden diskret gefragt, ob sie eventuell an einem Jobwechsel interessiert sind. Natürlich wollen diese in der Regel wissen, wer der neue Arbeitgeber denn sei. Niemand kauft schließlich gerne die Katze im Sack. Doch bei der Ansprache potenzieller Kandidaten ist – zumindest beim ersten Kontakt per Telefon oder E-Mail – zum Beispiel die Rede vom »sehr erfolgreichen, unternehmergeführten Wohnungsbauunternehmen, das sich in einem spezifischen Marktsegment bundesweit etabliert hat« oder vom »renommierten mittelständischen Familienunternehmen mit mehreren Hundert Mitarbeitern und Sitz in Bayern« oder von »einem internationalen Konzern im Bereich Komponenten für die Luft- und Raumfahrttechnik«. Alles sehr schwammig. Die grobe Richtung ist klar, aber von der Auflösung, wer sich tatsächlich dahinter verbirgt, ist man noch weit entfernt. Wann das Geheimnis um die Identität des Auftraggebers gelüftet wird, erfahren Sie in Kapitel 2, das sich mit dem Ablauf des Such- und Auswahlprozesses beschäftigt.

Keine 08/15-Position

Beispiel

Der Aufsichtsrat will den Vorstandsvorsitzenden eines börsennotierten Unternehmens »auswechseln«. Allerdings sehr diskret. Denn eine verfrühte Bekanntgabe des anstehenden Führungswechsels würde, so die Befürchtung, große Unruhe innerhalb der Firma verursachen, die Aktionäre verunsichern und unter Umständen sogar das Image des Unternehmens ankratzen. All das möchte der Aufsichtsrat gerne vermeiden und wendet sich daher an eine Personalberatung.

Diese Geschichte ist ein klassisches Beispiel für die verdeckte Suche nach einem Nachfolger, wobei der aktuelle Stelleninhaber keinen blassen Schimmer davon hat oder höchstens ahnt, dass er ersetzt werden soll.

Tatsächlich entdeckt man immer häufiger auf Online-Jobportalen wie Stepstone oder Monster, aber auch im Online-Stellenmarkt von der Süddeutschen Zeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Stellenausschreibungen für Führungskräfte, vom Filial- oder Teamleiter über Business-Developer bis hin zum Geschäftsführer. Die Angebote stammen sowohl direkt von namhaften Firmen als auch von bekannten größeren Beratungshäusern.

Klar, kann man so machen, als Unternehmen ebenso wie als Personalberatung, vorausgesetzt, die Geheimhaltung hat in dem Fall keinen allzu hohen Stellenwert. Davon gehe ich einfach mal aus, alles andere könnte man am ehesten mit dem Attribut »stümperhaft« beschreiben. Aber ist diese Methode bei Besetzungen auf der höheren Managementebene wirklich zielführend? Ich persönlich bin der Ansicht, dass sich damit höchstens Zufallstreffer unter den extrem Wechselwilligen erzielen lassen. Hier melden sich Kandidaten schließlich von sich aus auf ein Stellenangebot. Das lässt demnach stark vermuten, dass sie in ihrer bisherigen Anstellung unzufrieden oder sogar schon arbeitslos sind, da sie sich bereits auf Jobportalen nach neuen Möglichkeiten umsehen und die Anzeigen im Stellenmarkt aktiv durchforsten.

Manche Personalberatungen setzen in der Tat auf einen Mix aus direkter Ansprache und Stellenanzeigen. Ich frage mich hingegen: Warum sollte ein Topmanager, um den sich viele Firmen regelrecht reißen, eine Bewerbung nach dem Motto »Ich bin ein Topmanager – holt mich hier raus!« verfassen? Ab einem gewissen Level sind Stellenbesetzungen einfach nicht mehr auf klassischem Wege per Ausschreibung möglich. Das gilt vor allem dann, wenn für eine Position nur besonders qualifizierte, hochkarätige Spitzenmanager infrage kommen: Je spezieller, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie auf klassische Art und Weise angesprochen werden können. Je höher auf der Karriereleiter sich die Kandidaten befinden, desto unwahrscheinlicher ist es zudem, dass sie sich aktiv auf einen frei werdenden Posten bewerben.

Warum finden sich aber in den Stellenmärkten dann überhaupt Ausschreibungen für Vorstände und Geschäftsführer? Wenn Sie eine solche Anzeige sehen, können Sie davon ausgehen, dass es sich dabei oft um eine Position mit einem Jahresnettogehalt zwischen 80 000 und 150 000 Euro handelt – und in dieser »Preisklasse« tummelt sich die Champions League der Headhunting-Szene nicht. Es gilt: Je bedeutender ein Job ist, desto seltener taucht er in öffentlich zugänglichen Stellenausschreibungen auf. Ebenso gilt: Die internationalen großen Personalberatungshäuser und die Boutiquen der Szene (mehr dazu im Abschnitt »Welcher Headhunter soll’s denn sein?«) sprechen Kandidaten für Spitzenpositionen in der Regel direkt an; das nennt sich im Fachjargon »Direct Search«. Auf diesem Level werden also so gut wie keine Anzeigen mehr geschaltet, weil das überhaupt keinen Erfolg verspricht – jedenfalls nicht, wenn man an den Besten ihres Fachs interessiert ist.

Es wäre schon großes Glück, wenn eine Spitzenführungskraft, die im Grunde zufrieden mit ihrer aktuellen Anstellung ist, über eine solche Anzeige stolpert und sich dann auch noch von sich aus meldet. Meiner Erfahrung nach brauchen derartige Topleute einen leichten Schubs im Sinne einer anderen Perspektive, die den neuen Job und damit einen Wechsel für sie überhaupt erst attraktiv macht (mehr dazu in Kapitel 2, »Follow-up: Den geeigneten Köder auswerfen«). Das kann keine Stellenanzeige der Welt leisten, das funktioniert nur im persönlichen Gespräch. Demnach ist nur die Direktansprache interessanter Kandidaten wirklich erfolgversprechend – und darauf sind Top-Headhunter schließlich spezialisiert!

Besondere Kenntnisse und Fähigkeiten

Beispiel

Das mittelständische Luft- und Raumfahrtunternehmen aus Bayern ist sich bewusst, dass die Suche nach einem geeigneten Kandidaten knifflig wird, weil für den Posten als Vice President Qualitätssicherung unter anderem bestimmte Kompetenzen erforderlich sind, die vermutlich nur wenige Kandidaten gut genug beherrschen.

Das bedeutet, die Suche nach potenziellen Kandidaten ist aller Voraussicht nach zeitaufwändig, und niemand in der Personalabteilung weiß so recht, wo man am besten beginnen sollte. Mit Initiativbewerbungen und herkömmlichen Stellenausschreibungen auf der Internetseite des Unternehmens und in den sozialen Medien kennen sich die Mitarbeiter gut aus. Aber wie um Himmels willen spricht man Leute aus dem Nichts an – und dann auch noch bei der Konkurrenz? Nein, das ist selbst dem Personalchef zu heikel. Das geht höchstwahrscheinlich ins Auge. Um das zu vermeiden, vertraut er lieber auf die diskrete Hilfestellung einer Personalberatung.

Das Anforderungsprofil für geeignete Kandidaten ist im Grunde klar. Doch die Preisfrage lautet nun: Wo sind solche besonderen Talente überhaupt zu finden? Gerade bei engen Märkten und speziellen Nischenqualifikationen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die gesuchten Talente nicht auf dem freien, sondern nur auf dem verdeckten Arbeitsmarkt verfügbar sind. Sie »verstecken« sich also an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz und müssen hervor- und weggelockt werden. Interessante Kandidaten stehen demnach erstens nur indirekt und zweitens nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung. Nicht selten sind Personalabteilungen in solchen Fällen bei der eigenhändigen Suche nach und Ansprache von passenden Kandidaten überfordert.

Ein Personalberater beziehungsweise ein Researcher (mehr zu dessen Aufgaben in Kapitel 2, »Research: Eine wichtige Säule der Personalberatung«) kann sich hingegen schnell und diskret einen Überblick über eine Branche verschaffen und bei Bedarf auch in angrenzenden Bereichen Kandidaten identifizieren, die sich ebenso gut für die ausgeschriebene Funktion eignen und die das Unternehmen womöglich überhaupt nicht auf dem Schirm hat. So vergrößert sich der Pool potenzieller Kandidaten und die Trefferquote erhöht sich – zwar nicht automatisch und nicht immer, aber oft genug lohnt sich der Blick über den Tellerrand. Über sein gut gepflegtes Netzwerk bekommt der Headhunter zudem frühzeitig Signale, wer interessiert oder generell wechselwillig sein könnte, bei welchen Firmen wichtige Aufstiegschancen versperrt sind und wo potenzielle Interessenten in Warteposition sitzen. Er weiß auch, wo und wie er dezent Hinweise fallen lassen kann, ohne dass die Konkurrenz des Auftraggebers weiß, woher der Wind weht. Damit hat er schließlich in der Regel jahrelange Erfahrung.

Besondere Unternehmenssituationen

Beispiel

Der Markt hat sich gedreht und der Großkonzern aus der Gesundheitsbranche droht den Anschluss zu verlieren. Jetzt heißt es schnell handeln! Gesucht sind als CEO und als dessen Head of Program Office vor allen Dingen Leute, welche die bevorstehenden disruptiven Veränderungen mittragen und/oder antreiben können. Sie sollten in der Lage sein, funktionierende Geschäftsmodelle abzuleiten, die das Unternehmen weiter voranbringen. Nur so lässt sich ein Vorsprung wieder erringen, halten und im besten Fall ausbauen.

Managern und Personalverantwortlichen fehlt in vielen Fällen der Überblick – auch wenn manche von ihnen diesbezüglich völlig anderer Meinung sind. Sie haben keine Ahnung, welcher Problemlöser bei der Konkurrenz gerade wechselbereit sein könnte. Manchmal wissen sie noch nicht einmal ganz genau, welche Art von Problemlöser sie überhaupt brauchen (mehr dazu in Kapitel 2, »Problemlöser-ABC«), egal ob es um neu zu erschließende Märkte, eine bald unumgängliche Sanierung oder eine andere Notlage des Unternehmens geht. Sie wissen lediglich, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, und sehen ihre Zukunftsfähigkeit bedroht. Immerhin! Bei intern bisher unbekannten oder völlig neu entstehenden Spezialthemen wie zum Beispiel Industrie 4.0, künstliche Intelligenz oder Digitalisierung haben die Entscheider in den Unternehmen zudem mitunter Schwierigkeiten, die dafür nötigen Kompetenz möglicher Kandidaten richtig einzuschätzen.

Personalberater profitieren dagegen von ihrer langjährigen Erfahrung im Umgang mit Spitzenkräften und besten Kontakten, einer gut gepflegten Datenbank und einem engen Beziehungsnetz in verschiedenste Branchen. Und sie wissen, wie sie sich schnellstmöglich und professionell neue, wertvolle Kontakte aufbauen, wenn sie etwa in einer fremden Branche unterwegs sind oder einen ganz speziellen Fall zu lösen haben.

Erfolglose Besetzungsversuche

Beispiel

Nicht einmal ganze drei Monate hat der neue Head of Finance durchgehalten, bevor er frustriert das Handtuch geschmissen hat. Sein Vorgänger hat zumindest ein knappes Jahr geschafft! In der Vergangenheit gab es auf diesem Posten bereits ein reges Kommen und Gehen und dem Vorstand reicht es jetzt endgültig. Die Position soll nun endlich langfristig und nachhaltig besetzt werden – und er beauftragt daher einen Personalberater, auf dessen Expertise er vertraut.

Manche Firmen haben aufgrund von schlechten Erfahrungen Angst vor einer Fehlbesetzung. Zu Recht, denn neben schlechten Ergebnissen und negativer Publicity sorgt die falsche Person in der Führungsetage mitunter für Aufruhr in der Belegschaft und gegebenenfalls auch bei den Aktionären. Muss sie gar wieder ausgetauscht werden, belastet die Vakanz nach der selten einvernehmlichen Trennung die Firmenkasse spürbar, wie ich bereits im Abschnitt »Der Faktor Zeit« ausgeführt habe. Teuer für das eigene Unternehmen!

Ein versierter Personalberater nimmt eine gründliche erste Überprüfung und Vorauswahl vor, bevor er dem Auftraggeber Profile von potenziellen Problemlösern vorstellt. Damit reduziert sich das Risiko einer Fehlbesetzung – vorausgesetzt, das Briefing war passgenau, versteht sich (mehr dazu in Kapitel 2, »Gemeinsamer Startschuss: Von Anforderungen und Voraussetzungen«). Eine Erfolgsgarantie kann jedoch selbst der allerbeste Personalberater nicht geben. Es liegt nämlich zu großen Teilen in der Verantwortung des auftraggebenden Unternehmens, den »Neuen« einen guten Einstieg zu ermöglichen, statt sie einfach ins kalte Wasser zu stoßen. Sicher ist es unnötig, eine Spitzenführungskraft bei allem an die Hand zu nehmen, aber eine gelungene Einführung in die Unternehmenskultur ist schon einmal ein Anfang, damit sich neue Topmanager in die Firma eingebunden fühlen und sich gut einleben können. Darauf sollten so einige Unternehmen meiner Meinung nach mehr Wert legen.

Vielfältige Ausgangssituationen, identisches Ziel

Wie Sie sehen, überlappen die Schilderungen der Ausgangslage bei den Auftraggebern oft in gewissen Punkten. Und das war auch nur eine kleine Auswahl der »Bauchschmerzen«, mit denen Unternehmen bei einem Personalberater aufschlagen. Der Ansatz »One size fits all« ist angesichts dieser Vielfalt logischerweise fehl am Platz. Klar ist, dass für die unterschiedlichen Problemstellungen bestimmte Kandidaten eher infrage kommen als andere. Mit anderen Worten: Jedes Unternehmen braucht einen bestimmten Problemlöser mit speziellen Eigenschaften. Diesen gilt es ausfindig zu machen. Ein besonders interessanter Aspekt: Entgegen der landläufigen Meinung spielt die Branche bei den meisten Besetzungen in Spitzenpositionen eher eine untergeordnete Rolle. Doch dazu mehr in Kapitel 4, »Lösungsorientierte Suche nach Personal«.

Im Großen und Ganzen müssen Unternehmen und Personalberater meiner Erfahrung nach heute mehr denn je Hand in Hand arbeiten und zudem in der Regel größere Geschütze auffahren, um geeignete Kandidaten zu suchen und zu finden, anschließend zu »bezirzen« und letztlich zu einem Jobwechsel zu bewegen.

Welcher Headhunter soll’s denn sein?

Es gibt also viele gute Gründe für ein Unternehmen, mit einem Personalberater zusammenzuarbeiten. Doch sobald klar ist, dass Hilfe bei der Suche und Rekrutierung vielversprechender Kandidaten nötig ist, folgt die Qual der Wahl: Welcher der vielen Personalberater soll’s denn sein? Internationales Beratungshaus oder Boutique, Branchenspezialist oder Generalist?

Headhunting-Branche in Zahlen

Laut der Studie »Personalberatung in Deutschland 2016/2017« des Bunds Deutscher Unternehmensberater, kurz BDU, geht es den Personalberatern in der Bundesrepublik recht gut: Der Umsatz in der Branche lag im Jahr 2016 knapp unter der 2-Milliarden-Euro-Marke, im Vorjahr waren es noch rund 1,8 Milliarden. Da kann man nicht meckern. Das Befinden der Headhunting-Branche hängt natürlich eng mit den allgemeinen Entwicklungen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt zusammen. Das bedeutet: Wenn es den Unternehmen gut geht und sie deswegen mehr Personal einstellen, werden logischerweise auch Headhunter verstärkt gebraucht.

So wurden laut BDU im Jahr 2016 deutschlandweit rund 62 500 Führungs- und Expertenpositionen mithilfe von Headhuntern besetzt, wobei das durchschnittliche Jahresnettoeinkommen der Kandidaten bei 150 000 Euro lag. Bis eine Stelle vergeben war, vergingen in der Regel rund zwölf Wochen. Hierzu kann ich gleich einschränkend sagen: Man kann keine allgemeingültige Aussage treffen, wie lange es vom ersten Briefing-Gespräch bis zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrags dauert, nicht einmal ansatzweise. Manchmal geht es bei der Suche nach geeigneten Kandidaten sehr fix, manchmal aber auch extrem langsam voran. Und die endgültige Entscheidung für oder gegen einen Interessenten fällt auch im auftraggebenden Unternehmen nicht immer ganz so flott, wie man sich das als Personalberater vielleicht wünschen würde. Aber darauf komme ich im Laufe der nächsten Kapitel noch genauer zu sprechen.

Die gute wirtschaftliche Lage macht Personalberatungen offenbar Lust, selbst personell in die Zukunft zu investieren: Im Jahr 2016 zählte der BDU rund 2 000 Personalberatungsunternehmen mit 7 100 Personalberatern und 3 500 festangestellten Researchern, die den Headhuntern bei der Identifizierung von Zielfirmen und -personen helfen (mehr dazu in Kapitel 2, »Marktanalyse: Die Branche abklopfen«). Laut der Studie planen drei Viertel der großen Personalberatungen, zusätzliche Headhunter einzustellen, und rund die Hälfte spielt mit dem Gedanken, mehr Researcher einzustellen; die mittelgroßen Personalberatungen wollen demnach vor allem in die Erweiterung ihrer Research-Teams investieren.3

Verschiedene Unterscheidungsmerkmale

Geht man rein nach den Umsatzzahlen (die längst nicht alle Beratungsunternehmen preisgeben), belegen die großen, international agierenden Personalberatungen die Spitzenplätze: Das sind die hiesigen »Ableger« der amerikanischen Beratungshäuser Korn/Ferry, Spencer Stuart, Russell Reynolds, Heidrick & Struggles, Odgers & Berndtson und Boyden International sowie Egon Zehnder, das seinen Hauptsitz in der Schweiz hat.

Ein anderes Unterscheidungsmerkmal ist das Betätigungsfeld oder die Angebotspalette. Die Wirtschaftswoche erstellt immer wieder einmal ein Ranking der deutschen Personalberatungen, das bestimmt so manche Auftraggeber als Informationsquelle nutzen.4 Zu den Generalisten, die in allen Märkten und für alle möglichen Kunden nach neuen Spitzenkräften suchen, gehören unter anderem große Beratungshäuser wie Egon Zehnder oder Russell Reynolds sowie mittelgroße, aber auch lokale Boutiquen, zu denen ich unter anderem zum Beispiel mein eigenes Beratungsunternehmen Xellento zähle. Darüber hinaus tummeln sich zahlreiche Einzelkämpfer in der Personalberatungsszene, die vielleicht nur einen oder wenige Kunden betreuen.

Daneben gibt es eine Reihe von Personalberatungen, die sich auf bestimmte Branchen spezialisiert haben, etwa auf die Automobilbranche oder Konsumgüterindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau, den Immobiliensektor, die Energiebranche oder den Bereich Chemie, Pharma und Gesundheit. Manche von ihnen konzentrieren sich (auch) ausschließlich auf bestimmte Hierarchieebenen, Berufsgruppen oder Funktionen.

Die meisten Personalberatungen segmentieren zudem nach Gehaltsstufen – das heißt, sie treten erst ab einem bestimmten Mindestjahresgehalt des gesuchten Kandidaten in Aktion: Manche kümmern sich erst ab 450 000 Euro Jahresnettogehalt aufwärts um das Auffinden aussichtsreicher Spitzenmanager, andere beginnen schon ab einem Jahresnettoeinkommen in Höhe von 150 000 Euro mit der Suche und wieder andere übernehmen die Suche nach Fach- und Führungskräften auf den unteren Ebenen.

Nach all diesen Kriterien kann man Personalberatungen zunächst einmal grob unterscheiden und sortieren, wenn man denn möchte. Allerdings ist dies alles für sich gesehen noch kein Qualitätsmerkmal. Überlegen Sie mal, wer ist nun »besser geeignet«: Der Einzelkämpfer, weil er immer vollen Einsatz zeigen muss? Der Branchenspezialist, weil er sich auf bestimmte Berufsgruppen festlegt? Oder der internationale Player, weil er mit einem ganzen Bataillon an Personalberatern an den Start gehen kann? Selbst ich kann Ihnen darauf auch keine erschöpfende, geschweige denn allgemeingültige Antwort geben. Meine Kollegen vermutlich ebenso wenig. Warum ein zu enger Fokus auf eine einzige Branche aber problematisch sein kann und mit welchen Nachteilen ein großes Beratungshaus mitunter zu kämpfen hat, erfahren Sie in Kapitel 4.

Weiterempfehlung und Referenzen

Viele Firmen vertrauen bei der Wahl eines Personalberaters auf frühere gute Erfahrungen. Das bedeutet, sie haben schon mit einem bestimmten Headhunter oder Beratungshaus zusammengearbeitet und platzieren deswegen erneut einen Auftrag dort. Verständlich, wobei dieses Vorgehen mitunter auch Vetternwirtschaft vermuten lässt – die Deutschland-AG lässt grüßen. Mehr dazu erfahren Sie in Kapitel 4.

Fehlt diese Vorerfahrung, weil beispielsweise erstmalig Hilfe bei der Personalbeschaffung vonnöten ist, hören sich die meisten Auftraggeber um und lassen sich jemanden empfehlen. Der Vorteil von Empfehlungen und Referenzen liegt auf der Hand. Wir kennen es allzu gut aus dem Alltag: Egal ob Sie einen speziellen Arzt, einen modischen Friseur, ein gutes Restaurant, einen glaubwürdigen Versicherungsmakler oder einen sonstigen Spezialisten suchen, können Sie sich natürlich einfach die Gelben Seiten vornehmen, die entsprechende Seite aufschlagen, mit geschlossenen Augen irgendwohin tippen und anschließend das Beste hoffen. Oder – etwas moderner und medienaffiner – Sie fragen Google um Rat und picken sich einen x-beliebigen Dienstleister aus der Ergebnisliste heraus. Auf Bewertungsportale im Internet könnten Sie ebenfalls zurückgreifen, wissen aber nie hundertprozentig sicher, wie viele der Lobhudeleien dort womöglich nicht so ganz den Tatsachen entsprechen. Erfolg ist und bleibt hierbei Glückssache!

Mit anderen Worten: Sie sind besser beraten und erhöhen die Chance erheblich, einen wirklich fähigen Problemlöser ausfindig zu machen, indem Sie jemanden aus Ihrem Bekanntenkreis nach einer persönlichen Empfehlung fragen. Es ist ja davon auszugehen, dass Sie von einem Freund eine ehrliche Auskunft und einen ungeschönten Erfahrungsbericht bekommen. Gleiches gilt auch in der Personalberatung.

Es gibt aber noch ganz andere, eher persönliche oder politische Beweggründe, einen speziellen Headhunter auszuwählen oder ein bestimmtes Personalberatungshaus zu engagieren. Mehr darüber erfahren Sie in Kapitel 4.

Wie Personalberater bezahlt werden

Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, arbeiten Personalberater nicht aus Jux und Tollerei, sondern lassen sich ihre Dienste bezahlen. Dabei lassen sich verschiedene Honorarmodelle unterscheiden. Doch erst einmal zur allerwichtigsten Frage, die Ihnen vermutlich bereits unter den Nägeln brennt: Was kostet der Spaß eigentlich?

In der Regel bekommt ein Top-Headhunter, der Führungspositionen besetzt, über den Daumen gepeilt ein Drittel des Jahresnettogehalts des Kandidaten als Honorar: Bei mehr als der Hälfte der Personalberatungen orientierten sich laut der bereits genannten BDU-Studie »Personalberatung in Deutschland 2016/2017« die Honorare am Zieleinkommen der Kandidaten, im Schnitt erhielten sie 25,6 Prozent des Jahresnettogehalts.5 Dieser Betrag wird – je nach Vereinbarung – in mehreren Tranchen ausbezahlt, üblicherweise drei oder vier.

Bei einer Drittel-Regelung wird das erste Drittel des Honorars bei Auftragserteilung fällig und deckt die ersten anfallenden Kosten im Suchprozess. Das zweite Drittel ist dann erst bei der Präsentation der vielversprechendsten Kandidaten im Unternehmen fällig. (Wie der Such- und Auswahlprozess genau abläuft, erfahren Sie in Kapitel 2.) Der Restbetrag wird gezahlt, wenn sich Arbeitgeber und Kandidat einig sind und beide Parteien den Arbeitsvertrag unterzeichnen. Dieser Teil des Honorars würde dem Personalberater demnach durch die Lappen gehen, sollte der Besetzungsprozess kurz vor Schluss scheitern. Demzufolge ist der Headhunter daran interessiert, dass am Ende ein unterschriebener Vertrag herauskommt. Allerdings kann er in so manchen Fällen gar nichts dafür, dass eine Besetzung nicht erfolgt. Was im Laufe des Recruiting-Prozesses so alles dazwischenkommen oder schiefgehen kann, erfahren Sie noch ausführlich in Kapitel 3 und 4.

Sind vier Tranchen vereinbart, ist das erste Viertel in der Regel bei Auftragserteilung fällig. Die weiteren Teile werden jeweils nach 30, 60 und 90 Tagen in Rechnung gestellt. Das ist meiner Meinung nach ein ziemlich klares und damit für die Auftraggeber gut nachvollziehbares Honorarmodell.

So manche Personalberatung legt als Berechnungsgrundlage auch den Aufwand und Schwierigkeitsgrad der Suche zugrunde und abgerechnet wird dementsprechend nach vereinbarten Tages- oder Stundensätzen. Ich persönlich finde das für den Auftraggeber zu intransparent und demzufolge schwer kalkulierbar.

Es gibt noch ein weiteres Honorarmodell, nämlich das rein erfolgsbasierte. Hier bekommt der Personalberater nur bei einer erfolgreichen Besetzung Geld. Das ist der Wunschtraum so manchen Auftraggebers und dieses Honorarmodell mag auf den ersten Blick sehr attraktiv erscheinen. Doch ist es für eine seriöse Personalberatung schwer oder gar nicht möglich, auf dieser Grundlage vernünftig zu arbeiten, schon gar nicht bei komplexen Suchaufträgen (mehr dazu in Kapitel 3, »Sparfüchse am Werk«). Im Grunde können auf diese Art und Weise nur reine Personalvermittler arbeiten, die massenhaft Stellen in kürzester Zeit besetzen und dabei – wenn überhaupt – Lebensläufe checken. Sofern Quantität vor Qualität geht, kann man das machen. Man sollte sich aber bewusst sein, was diese Vorgehensweise unter dem Strich bedeutet: dass sie in der Regel schmerzhafte Kompromisse auf Auftraggeberseite erfordert. Auf den idealen Kandidaten darf man dann eben einfach nur hoffen.

Wie Personalberater gestrickt sind