Was das Dao leert - Timo Schmitz - E-Book

Was das Dao leert E-Book

Timo Schmitz

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Beschreibung

"Was das Dao leert" ist eine ausführliche Einführung in den Daoismus. In den ersten Kapiteln werden daoistische Grundbegriffe eingeführt, unter anderem das Dao, das De, das Qi, die Bedeutung der Unsterblichkeit, sowie die Pantheonsfrage ("Hat der Daoismus eine Götterwelt?"). Danach wird an die Theorie der für die daoistische Praxis benötigten Grundlagen herangeführt, sowie die daoistischen Glaubensausrichtungen, anhand der geschichtlichen Entwicklung des Daoismus nähergebracht. Da der Daoismus eng mit den philosophischen Lehren Laozis und Zhuangzis verbunden ist, wird ausführlich auf den Daodejing eingegangen und die Grundthesen zusammengefasst, gleiches folgt für Zhuangzis Werk "Das wahre Buch vom südlichen Blütenland" (Nanhua Zhenjing). Abschließend wird der Daoismus in ausgewählten asiatischen Ländern betrachtet, ein Vergleich daoistischer Grundbegriffe zum Platonismus und damit zur westlichen antiken Philosophie gezogen, und über einige daoistische Mythen, vor allem das Fengshui, aufgeklärt. Für Könner der chinesischen Sprache werden im Anhang ausgewählte besonders wichtige Passagen des Daodejing am Originaltext im klassischen Chinesisch unter Zurhilfenahme einer modernen chinesischen Interpretation, aufgeschlüsselt, und das Hintergrunddenken dieser Textpassagen analysiert, und daraufbasierend einen eigenen Übersetzungsvorschlag angeboten. Das Werk bedarf keiner Vorkenntnisse und ist sowohl für einfache Interessenten, als auch für Experten von großem Nutzen, da es schrittweise in die Materie einsteigt, diese dann aber im Einzelnen besonders vertieft.

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Seitenzahl: 223

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Inhaltsverzeichnis

Was ist der Daoismus?

Das Dao und das De

Das Qi

Die Unsterblichkeit

Der daoistische Dualismus

Daoistische Praktiken

Daoistische Schulen

Diskussionsfrage um das daoistische Pantheon

Der Daodejing

Zhuangzi

Daoismus in Korea

Daoismus in Südostasien

Plato und das Dao?

Spiritualkapitalismus

Anhang 1: Quellenbelege aus dem Daodejing

Einleitung

Der Daoismus (in älteren Quellen auch als Taoismus bezeichnet, wobei der Anfangsbuchstabe dann als d ausgesprochen wird) ist die einheimische Religion Chinas. Im Westen verbindet man sie vor allem mit Schlagworten wie Yin- und Yang, Feng Shui, I Ging (Yijing), sexuellem Yoga, Qigong und Kampfkunst, wobei vielen Menschen die eigentlichen Glaubensinhalte des Daoismus völlig unbekannt sind. Wieso auch sonst ordnen viele Laien den Yijing dem Daoismus zu, obwohl er eigentlich zum Konfuzianismus gehört? Sind wir nicht eigentlich alle irgendwie Laien, wenn es um das tiefe Verstehen und Begreifen einer solchen Religion geht? Auch der Autor dieses Werkes bekennt sich dazu und lässt wissen, dass er in der Vergangenheit oft fälschliche Annahmen zum Daoismus gemacht hat, die er hier revidieren möchte. Dass solche Fehler entstehen liegt an verschiedenen Faktoren. Zum einen ist der Daoismus äußerst komplex und nicht so strukturiert, wie man es als Westler vielleicht von einer Religion erwartet. Zum anderen suggerieren viele westliche Werke von Pseudo-Kennern und Möchtegern-Gurus, dass gewisse Praktiken daoistisch seien, da sie sich so besser verkaufen lassen. Dieser Spiritualkapitalismus floriert im Westen prächtig und erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Durch das Aufdrucken des Taijitu auf Lebensmitteln, Büchern und Beschilderungen diverser Einrichtungen wird dem westlichen Betrachter weiß gemacht, dass es sich hierbei um etwas daoistisches oder zumindest Chinesisches handelt, weil man es mit der chinesischen Philosophie und damit automatisch mit Harmonie und Einklang in Verbindung bringt. So wird Fengshui oft als daoistisch dargestellt, was aber wie Komjathy richtig festgestellt hat, nicht der Fall ist (siehe Komjathy: Misconceptions).

Um bei dem Beispiel Fengshui zu bleiben, so muss man feststellen, dass es sich hierbei um keinen genau definierten Begriff handelt. Die Vertreter dieser Richtung stützen sich auf eine angeblich traditionelle Philosophie aus China, die in China (zumindest heute) zudem nahezu völlig unbekannt ist und nicht der modernen fernöstlichen Mentalität und Philosophie entspricht. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine moderne Form der Gelderwirtschaftung, bei der Menschen ausgenutzt werden, die ihr Leben umstellen möchten oder einen Halt suchen, indem man diesen Menschen mit „negativen Energien“ und Aberglaube Angst macht, damit die Betroffenen ihr Geld zur Bekämpfung dieser angeblich negativen Einflüsse investieren, sodass am Ende nur der so genannte Fengshui-Berater (und so kann sich heute jeder nennen!) davon profitiert. Der Grund warum es dennoch nicht gleich auf den ersten Blick als undaoistisch auffällt, und weswegen auch der Autor Fengshui lange Zeit für daoistisch hielt, liegt vor allem daran, dass es – wenn auch nur einige wenige – Daoisten gab und gibt, die sich dem Fengshui bedienten und diese von der Spiritualkapitalismus-Lobby als Vorzeige-Daoisten präsentiert werden. Da dem Autor nun die Frage quälte, was wirklich Daoismus ist und was moderner westlicher Humbug, hat er sich genau mit dem Daoismus beschäftigt und diesen kritisch untersucht.

Was ist der Daoismus?

Der Daoismus ist die einheimische Religion Chinas. Ähnlich wie beim Hinduismus gibt es keinen Religionsstifter (s. Komjathy: Information), jedoch wird Laozi oft als legendärer Religionsstifter bezeichnet. Es ist heute umstritten, ob Laozi je gelebt hat, da es keine historischen Beweise für seine Existenz gibt. Jedoch wird ihm der Daodejing, ein philosophisches Werk aus der Zeit der Hundert Schulen, zugeordnet.

Bereits der erste große Historiker Chinas Sima Qian erwähnte Laozi, wobei auch er keine historischen Befunde lieferte, sondern von einer Legende berichtete. Laozi war dieser Legende zufolge ein verzweifelter Philosoph (und zudem Lehrer des Konfuzius), der genug von der Welt hatte und aus der Gesellschaft aussteigen wollte. Daher reiste er (auf einem Wasserbüffel) nach Westen Richtung Indien (früher reiste man zumeist über Xinjiang und Kaschmir nach Indien, da die Himalaya-Berge unpassierbar waren), wobei der Grenzwärter ihn bat, dass er ihm seine Lehre hinterließe. Laozi setzte sich daher drei Tage zur Ruhe und schrieb seine Lehren auf. Dem Grenzkommandant übergab er dann – ein äußerst „schmales Werk mit 5000 Zeichen“, wie Huston Smith anmerkte – den Daodejing, wobei davon auszugehen ist, dass das uns heute bekannte Daodejing nicht mit dem ursprünglichen Daodejing – was, da offensichtlich kein tatsächlicher Autor bekannt ist, als anonyme Veröffentlichung eingestuft werden kann – identisch ist. Es kann nicht einmal davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Werk um einen alleinigen Autor handelt, da das Werk immer wieder ediert und Passagen gestrichen oder hinzugefügt wurden. Darauf lässt der Stil, der Inhalt und die Struktur schließen. 

Interessant ist in diesem Kontext, dass die Daoisten in China den Buddhismus anfangs als verirrter Daoismus einstuften. Den Chinesen war ja die Legende des Laozi bekannt und somit ging man davon aus, dass Laozi den Indern seine Lehre weitergab, diese ihn aber nicht verstanden. Hinzu kommt, als die ersten Buddhisten und Textesammler von Indien nach China kamen und die Texte ins Chinesische übersetzten, verwendeten sie viele bereits existierende daoistische Begriffe, um buddhistische Konzepte zu beschreiben, für die es bis dato keine eigenen Begriffe im Chinesischen gab, was die These der Daoisten begünstigte. Der Daoismus dagegen zeigt interessante Parallelen zum Hinduismus auf, bediente sich selbst aber auch immer wieder des Konfuzianismus. Dies liegt wiederum daran, dass die daoistischen Schriften immer wieder von Neokonfuzianisten ediert wurden und diese dann ihr konfuzianisches Verständnis und Weltbild in die Editionen mit einbrachten.

Die daoistische Grundlehre besteht aus dem Dao und dem De. Das Dao (道, Weg) ist das Absolute. Aus dem Dao ist alles entsprungen und in ihm endet alles. Sein Gegenspieler ist das De (德, spirituelle Kraft). Dao und De sind in Einklang zubringen. Als drittes wichtiges Element gilt die Lebensenergie Qi (气), die alle Lebewesen und Gegenstände mit Leben erfüllen. Das Qi hält den Menschen am Leben. Beim Qi handelt es sich nicht um ein aus dem Daoismus stammendes Prinzip, denn es existierte bereits vorher. Das Qi ist zudem fester Bestandteil des Konfuzianismus, die Konfuzianer machten es sich zu eigen. Es kann daher gesagt werden, dass das Qi aus dem antiken Volksglauben entstammt. Als religiöses Symbol verwendet der Daoismus das Taijitu, was allerdings die Problematik aufwirft, dass das mit dem Taijitu verbundene Prinzip von Yin- und Yang kein aus dem Daoismus stammendes Prinzip ist, sondern seine Wurzeln im Konfuzianismus bzw. im Volksglauben hat. Ein weiteres verbreitetes Symbol für den Daoismus ist die Lotusblüte. Auch hier ergibt sich die Problematik, dass die Lotusblüte eigentlich kein daoistisches, sondern ein buddhistisches Symbol ist, was vor allem bei den Mahayana – und ganz besonders bei den Tiantai-Anhängern – als religiöses Symbol dient (der Buddha auf einem Lotus sitzend (Lotusbuddha) ist ein weiteres buddhistisches Symbol, das Lebensrad ist das religiöse Symbol des tibetischen Buddhismus). Als alternatives Symbol kann auch das chinesische Schriftzeichen für „Dao“ verwendet werden (vgl. Komjathy: Information).

Ziel des Daoismus ist die Erlangung der Unsterblichkeit. Genau hier setzt die moderne Kritik ein, denn die Möglichkeit, die Unsterblichkeit zu erlangen, kann und muss aus wissenschaftlicher moderner Sicht angezweifelt werden. Dennoch gibt es Menschen, die heute noch daran glauben. Aus diesem Grund hat auch der Autor dieses Werkes lange an der Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit des Daoismus gezweifelt. Dennoch ist er bei seiner Recherche darauf gestoßen, dass nicht mehr alle Daoisten auf die Unsterblichkeit abzielen und ist den daoistischen Zielen des modernen Daoisten nachgegangen.

Im modernen Daoismus spielt vor allem die Harmonie in der Natur eine entscheidende Rolle. Die Natur als höchstes Prinzip und das Leben mit der Natur beschäftigt den heutigen Daoisten ganz besonders. Der Daoismus ist aber zudem nicht uneigennützig. Sowohl das Qi in der Natur, als auch das eigene Qi sollen in Einklang gebracht werden. Viele Daoisten nähern sich heute dem Buddhismus an, in dem man versucht durch die innere Harmonie und absoluten Einklang des Qi die Erleuchtung zu erlangen und damit in einen höheren Bewusstseinszustand einzutreten (Quanzhen-Daoismus). Dem klassischen Daoismus ist jede Art der Jenseitsvorstellung fremd, da das Erlangen der Unsterblichkeit das höchste Ziel war. Heute werden im Daoismus „Acht Unsterbliche“ verehrt, wobei man sagt, dass die Menschen nach Erlangung der Unsterblichkeit den menschlichen Körper verlassen haben, um außerhalb der uns bekannten Welt für immer weiterzuleben. Dies kann aber auch nach hinten losgehen. So gab es einst einen chinesischen Kaiser, der nach der Unsterblichkeit geizte. Da sein Hofarzt ihm diesen Wunsch nicht erfüllen konnte und daher den Dienst quittierte, lud er alle Magier, Mystiker und andere Heuchler an den Hof ein, die ihm versprachen die Unsterblichkeit zu ermöglichen. Ein Magier reichte ihm einen „Zaubertrank“. Der Kaiser erlitt daraufhin schwere Übelkeit und musste sich übergeben. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich von Stunde zu Stunde, wenig später war er Tod. Er starb an einer Quecksilbervergiftung.

Es gibt bis heute keine einheitliche daoistische Soteriologie. Komjathy erwähnt die Vereinigung mit dem Dao als soteriologisches Element einerseits und die Unsterblichkeit auf der anderen Seite. Beide Vorschläge zeigen uns, wie wenig der Daoist auf den Tod hoffte, denn mit dem „Eins-werden“ mit dem Dao und der Vereinigung mit diesem, sollte letztendlich auch die Unsterblichkeit erlangt werden, da man auf der „gleichen Welle“ mit dem Kosmos und damit auch mit der Ewigkeit oder dem Zeitlosen ist. In der chinesischen Kaiserzeit gab es eine Synkretition zwischen Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus. Wenn ein gläubiger Daoist trotz seiner Unsterblichkeitserlangungsversuche „zufällig“ gestorben war, so griff man auf den Buddhismus und die buddhistischen Jenseitsvorstellungen zurück und versuchte sie mit dem Daoismus in Einklang zu bringen. Auch konsultierten die Familienangehörigen im Todesfall gerne einen buddhistischen Priester.

Daoisten gehen davon aus, dass es zum Tod kommt, wenn das menschliche Qi aufgebraucht ist. Da man das menschliche Qi untereinander austauschen kann ist es zu sexuellen Künsten, dem sog. sexuellen Yoga gekommen.

Das Dao und das De

Das Dao bezeichnet im Daoismus das Absolute. Es ist die Quelle allen Seins und damit der Ursprung allen Seins. Das Dao ist formlos. Man kann es nicht sehen, hören, fühlen oder riechen. Es ist immer da, an jedem Ort, egal wo man sich befindet. Man kann es auf der Erde oder im Universum suchen und dennoch nicht finden, was aber nicht heißt, dass es nicht vorhanden ist, denn das Dao ist überall. Somit ist das Dao primordial, denn es gibt nichts, was vor dem Dao existierte. Es wird daher als „Mutter allen Seins“ beschrieben. Das Dao geht seinen natürlichen Weg, oder anders gesagt, dass Dao ist der Weg und zwar im Sinne des Wortes, denn das chinesische Wort „dao“ (道)bedeutet übersetzt „Weg“. Jemand der das Prinzip des Daos (also das Prinzip des Weges) verstanden hat, übt sich im Wuwei (无为), dem Nicht-Handeln. Er beobachtet das Dao und versucht nicht in seine Natur einzugreifen. Das Dao ist somit das natürliche Prinzip: „Es liegt in der Natur eines Fisches zu schwimmen und es ist das Schicksal eines Pilzes nur einen Tag zu leben und das der Pinie fünfhundert Jahre zu leben“ (s. Kurzzusammenfassung, Fudan-Universität). Das Dao ist somit immanent, denn es existiert im Diesseits und formt die gesetzmäßige Natur unseres Lebens. Demnach wäre es unsinnig, einem Fisch das Laufen beizubringen, da es nicht in seiner Natur liegt. Der Fisch muss also schwimmen. Tut er dies nicht, sondern geht an Land, so stirbt er. Desweiteren muss man sein Schicksal akzeptieren. Man darf nicht dem entgegen wirken, was kommt. Der Daoismus ist somit monistisch, da er sich auf ein grundlegendes Prinzip stützt. Zudem ist er panentheistisch (von pan-en-theos: im Wortsinn Krauses, dass das Eine auch das All sei, womit Gott immanent und zugleich auch transzendent, aber Gott und die Welt nicht das Gleiche sind) und panenhenisch (ein von Zaehner 1961 deutlich geprägter Begriff in dem man die Natur in allen Dingen erfahren kann und somit alle Dinge eins sind, inklusive man selbst).

Es kann festgestellt werden, dass der Daoismus also ein Prinzip anstelle eines Gottes als das Höchste ansieht. Streng genommen kennt der Daoismus keine Götter, wobei jedoch wichtige (teils legendäre) Persönlichkeiten gottähnlich verehrt werden. Erst im Laufe der Geschichte hat sich in einigen religiösen Gruppierungen (vor allem Mönchsorden) eine Theologie, im Sinne des Wortes, durchgesetzt, die im Daozang (道藏), der daoistischen Textsammlung oder dem „daoistischen Kanon“ nach buddhistischem Vorbild des Sanzang (Tripitaka), niedergeschrieben wurde. Diese Theologie ist jedoch auf die einzelnen Gruppierungen beschränkt. So gibt es auch heute noch viele „gottlose“ Daoisten, wenn man es so nennen möchte, oder nicht-theistische Daoisten um es neutraler zu formulieren, auch wenn letztere Formulierung irreführend sein könnte, da das Dao jede göttlich-theistische Vorstellung ersetzt, jedoch gottgleich verehrt wird und somit eventuell wieder als theistisch gelten könnte, wenn man sagt, dass das Dao das göttliche Prinzip ist (wobei die Daoisten so etwas wie einen Gott nicht kennen, sondern das Prinzip (und damit das Dao) an deren Stelle tritt).

Dass der Daoismus ganz ohne Götter auskommt, sich aber dennoch theologische Vorstellungen gebildet haben, hat der Daoismus dem Buddhismus zu verdanken. Im chinesischen Kaiserreich haben die gemeinen Daoisten, dass Dao zwar als oberstes Prinzip verehrt, jedoch wurden auch daoistische Gelehrte und Philosophen (die zur damaligen Zeit oft schon Jahrhunderte lang tot waren) gottgleich und buddhistische Gottheiten, also Buddhas und Bodhisattvas, verehrt. Die Frage nach dem Theismus ist somit, dies muss der Autor eingestehen, auch für ihn selbst komplex und führt ihn immer wieder zu der Frage, ob der Daoismus eine nicht-theistische Religion ist, da es keinen theos (Gott) oder im polytheistischen Sinne Götter gibt, sondern dieses durch ein Prinzip ersetzt wird. Da dieses Prinzip aber das göttliche Prinzip (eines Nicht-Gottes) ist, und sowohl Schöpfer, als auch allmächtig ist, hätte es ja wieder die Rolle eines Gottes und wäre damit gottgleich. Diese Frage zu beantworten ist äußerst schwierig, da das Dao ein Mysterium ist, welches nicht genauer definiert werden kann. Es manifestiert sich auf mystische Weise und ist daher dem Mystizismus zuzuordnen. Die daoistische Mystik unterscheidet sich jedoch stark von der uns im Westen bekannten Mystik und seinen mystischen (oder mystizistischen) Formen. Das Dao liegt im Dunkeln, aber es entfaltet sich enstatisch, d.h. durch einen mystischen Zustand, der jedoch der Ekstase entgegengesetzt wirkt. Als Synonym für enstatisch, kann es auch als instatisch bezeichnet werden. Dem politischen Philosoph Alexandre Saint-Yves zufolge handelt es sich hierbei um eine Reintegration in das direkte, unmittelbare Leben. Das Dao wirkt also unmittelbar in unserem Leben, aber es kann auch ekstatisch (also außerhalb unseres Selbst oder durch das Heraustreten des Selbst) erfahren werden. Das Dao selbst ist also ein gutes Beispiel für den daoistischen Dualismus. Man kann es erfahren in dem man aus seinem Selbst austritt (ekstatisch), aber gleichsam kann man es erfahren, wenn man sich in das unmittelbare Selbst reintegriert oder zurückfindet (enstatisch/ instatisch). Gleichzeitig muss man aber vorsichtig sein, wenn man dieses Konzept mit dem Schamanismus vergleichen möchte. Der Schamanismus nimmt zur Grundlage, dass sich Geister in Menschen selbst befinden können, die man dann beschwören kann. Der Geist befindet sich im Schamane selbst, der Schamane ist der Mittler zwischen dem Geist und den Menschen allgemein, während eine Religion auf transzendente Vorstellungen abzielt und davon ausgeht, dass ein Gott im Jenseits gefunden werden kann. Es ist schwierig, den Daoismus hier irgendwo einzuordnen, da er keine göttliche Vorstellung kennt und keine einheitliche Vorstellung bezüglich Götter und Geister kennt, die dem Daoismus allgemeingültig sind. Das Dao befindet sich zwar überall, aber es ist formlos. Man kann es also nicht mit zubeschwörenden Geistern gleichsetzen (siehe die o.g. Theismusfrage), weswegen man es sich zu einfach machen würde, den Daoismus als solchen dem Schamanismus einzuordnen. Es kann durchaus die Eigenschaft einer Religion sein, dass diese die transzendentalen Fragen in den Hintergrund und den Mensch in den Vordergrund der Lehre stellt. Dies findet sich nicht nur beim Daoismus, sondern u.a. beim Buddhismus und Chondoismus und ganz extrem beim Konfuzianismus wieder.

Dem Dao entgegengesetzt ist das De (德)– übrigens wieder ein schönes Beispiel für den daoistischen Dualismus – das auch in den Texten des Konfuzius mehrfach Erwähnung findet und somit auch hier eine konfuzianische Ausprägung vorliegt, die von konfuzianischen Editoren wieder in daoistische Texte Eingang findet. Das De ist die Folge des Daos. Das De ist genauer gesagt die Folge des absichtslosen Handeln des Dao. Auf Grund dieser Erkenntnis bedarf es laut daoistischer Ansicht keinen Geboten, was im besonderen Widerspruch mit dem Konfuzianismus steht. Als wäre es jedoch nicht schon schwer genug das Dao zu beschreiben, so gestaltet es sich beim De noch schwieriger. Balfour versuchte 1881 im Bezug zu Zhuangzi einen Vergleich von Dao und De zum Griechischen zu ziehen. Demnach ist De in ethischer Sicht die Tugend, die ἀρετή („die menschliche Vortrefflichkeit“), im Physischen beschreibt es die Energie δύναμις (Kraft). Das Dao ist nach Balfour die Verkörperung bzw. Manifestation der Funktion von De. Da das Daodejing, als auch Zhuangzis Nanhua Zhenjing verschiedene Ausführungen zum De bringen, ist es schon fast am Einfachsten, dass De mit dem Wort Karma gleichzusetzen, oder um es in den Worten Feng Youlans zu sagen, De ist das Ergebnis, dass jeder Einzelne vom Dao empfängt. Feng bezieht sich dabei auf das 51. Kapitel des Daodejing: „Dao kreeirt eine Sache, De bringt diese hervor“. (Feng publizierte 1933 eine Übersetzung des Zhuangzi und zwischen 1934 und 1943 mehrere Werke zur chinesischen Philosophie. Ein Gesamtwerk erschien 1948 in englischer Sprache, ediert von Dirk Bodde.)

Das Qi

Das Qi (气)ist im Daoismus die Lebensenergie. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um ein daoistisches Konzept, denn es ist auch im Konfuzianismus und im traditionellen Glauben verankert. Demnach befindet sich in allen Lebewesen diese Lebensenergie. Diese Lebensenergie soll sich sogar in unbelebten Gegenständen wieder finden lassen. So kreist auch in einem Baum oder einem Berg ein Kreislauf des Qis, wobei sich das Zentrum, also der Ort wo sich das meiste Qi ansammelt und von wo aus der Kreislauf beginnt, immer am tiefsten zentralen Punkt befindet. Diese Weltanschauung ist nicht nur die Grundlage ostasiatischer Religionen, sondern findet sich auch in der modernen westlichen Esoterik, wie dem Fengshui, wider. In diesen spiritualkapitalistischen esoterischen Formen wird zwischen gutem Qi und schlechtem Qi unterschieden. Es mag zwar daoistische Sekten geben, die dem Qi dualistische Eigenschaften geben, dennoch liegt es nicht im allgemeinen daoistischen Verständnis. Der Daoist sieht Qi als seine Lebensquelle. Je mehr Qi er anhäuft, desto besser ist dies für ihn. Zwar gibt es im Daoismus Faktoren, die das Qi verunreinigen, schädigen oder blockieren können, aber generell ist Qi immer gut, denn es ist seine Lebenskraft. Es gibt also prinzipiell kein gutes oder schlechtes Qi! Vielmehr muss man sein Qi kontrollieren und harmonisieren, um es so von Blockaden, Verunreinigungen oder Schädigungen zu reinigen.

Das Qi hat keine physikalische Realität. Ähnlich wie im Westen das Konzept der Seele handelt es sich beim Qi um eine Annahme und Erklärungsversuch, der nicht im Widerspruch zur Wissenschaft steht, da es sich hierbei um die Erklärung eines körperunabhängigen Phänomens handelt.

Im Daoismus gibt es zwei Arten von Qi: Neiqi (内气) und Waiqi (外气). Wie man direkt von den Begriffen ableiten kann, handelt es sich hierbei um inneres und äußeres Qi. Strenggenommen gibt es sogar noch das Yuanqi (元气), das Ur-Qi. Da man das Qi auch mit dem Atem assoziiert, werden Atemübungen und Atemtechniken zur Erhaltung und Reinigung des Neiqi empfohlen. Der Mensch soll laut daoistischer Auffassung möglichst viel Neiqi ansammeln (zum Beispiel durch den Austausch von Jing).

Die Unsterblichkeit

Jede Religion strebt klassischerweise ein Ziel an, was seine Anhänger dazu ermutigt oder anregt dieser Religion zu folgen. So streben zum Beispiel die Christen nach dem Leben im Himmel oder Paradies („Reich Gottes“), die Buddhisten nach der Erlösung aus der Samsara und den Eintritt ins Nirwana oder ein Leben im Reinen Land und die Sikhisten streben nach der Vereinigung mit Gott, wobei das Geschehene keine Rolle spielt, sondern das Hier und Jetzt entscheidend ist. Der Daoismus sieht traditionell das Erreichen der Unsterblichkeit als höchstes Ziel an. Der traditionelle Daoist fürchtet sich vor dem Tod. Der Tod ist demnach der Todfeind, den es zu bezwingen und zu besiegen gibt. Damit hat der Daoismus jedoch ein grundlegendes Sinnproblem, denn dieses höchste Ziel nach dem der traditionelle Daoist strebt ist mit unserem modernen durch die Wissenschaft geprägten Verständnis nicht mehr vereinbar. Das wiederum bedeutet, dass das Ziel wonach der Gläubige strebt widerlegt ist und die Religion ihren Sinn verliert. Ist der Daoismus damit überfällig? Die daoistische Soteriologie kennt kein Jenseits. Da für den Daoisten die Unsterblichkeit das höchste Ziel ist, stellt sich die Frage nach einem Jenseits erst gar nicht. So ließ sich der Daoismus mit dem Buddhismus und dem Konfuzianismus synkretisieren. Nach dem Tode eines Daoisten wurde oft ein buddhistischer Mönch hinzugezogen, der dafür beten sollte, dass der Verstorbene in einem möglichst günstigen Daseinsbereich wiedergeboren wird. So war davon auszugehen, dass er als Mensch wiedergeboren wird, wenn er ein tugendhaftes Leben (nach dem konfuzianischen Verständnis) führte.

Voraussetzung um überhaupt die Unsterblichkeit erlangen zu können ist jedoch die absolute Harmonie und Einheit mit dem Dao. Daher ist das soteriologische Ziel des modernen Daoisten, die Einswerdung mit dem Dao. Dabei kommt das Eins-werden mit dem Dao der Unsterblichkeit gleich. Auf diese Weise lässt sich auch erklären, warum die „Acht Unsterblichen“ nicht mehr in ihrem Körper leben. Es heißt, dass sie den Körper verlassen haben, nachdem sie die Unsterblichkeit erlangt haben. Nur weil sie jedoch nicht mehr in ihrem Körper existieren, heißt dies nicht, dass sie nicht mehr leben. Nach der Argumentation eines Daoisten nach, ist der Unsterbliche dennoch weiterhin anwesend, denn er ist mit dem Dao verschmolzen.

Der daoistische Dualismus

Im Gegensatz zum Buddhismus, wo es die Dualismen zu beseitigen gilt, ist der Daoismus voll von Dualismen, wenn nicht sogar ein einziges Konzept des dualistischen Ganzen. Diese konzeptionelle Vorstellung zeigt sich am deutlichsten im Yin und Yang, verbildlicht durch das Taijitu (太极图). Es wird daher gelegentlich in der Umgangssprache auch als Yin- und Yang-Symbol  ☯ bezeichnet. Dabei ist Yin (阴)die negative Energie. Neben der ihr negativ zugesprochenen Wirkung hat sie aber auch andere wichtige Deutungen. Sie verkörpert den Mond, die Schatten, die Kälte, das Weibliche. Ihr Gegenspieler Yang(阳)verkörpert die positive Energie. Yang bildet zudem alle Dualismen zu Yin, also Sonne, Licht, Wärme, das Männliche. Man kann diese Dualismen weiter führen in gut und böse, hart und weich, schwarz und weiß, etc. Dabei zeigt der Punkt im Taijitu jeweils die Korelation mit dem Anderen an. Ergo, es gibt kein gut ohne böse, es gibt keine Wärme ohne Kälte, etc. Die Bedeutung des Gegenspielers wird dadurch verdeutlicht, dass der Gegenspieler den Gegensatz erst schafft. Woher weiß der Mensch, dass es etwas Gutes gibt, wenn er nichts Böses kennt? Woher kennt der Mensch die Wärme, wenn er nicht schon mal in der Kälte gestanden hat? Dualismen sind vom Menschen erschaffen. Nur durch die Erfahrung zweier Gegensätze existieren diese erst. Genau diese Erkenntnis machen sich heute die Konstruktivisten zu Nutze. Der Mensch unterscheidet zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht. Doch es ist der Mensch der diese Geschlechter macht. Weil der Mensch sagt, etwas ist männlich ist es männlich. Weil er sagt etwas ist weiblich, ist etwas weiblich. Die Natur hat zwar die zwei Geschlechter erschaffen, es ist jedoch der Mensch, der anfängt, diese zwei Geschlechter zu unterteilen. Würde man für einen Moment die Existenz des Männlichen und des Weiblichen vergessen, so wären alle Menschen ganz einfach Menschen, ohne jeglichen Unterschied (was dann nämlich nur bleiben würde, wären die individuellen Unterschiede). Da nun aber der Mensch die Unterscheidung in männlich und weiblich durchgenommen hat, hat er gleichzeitig versucht, diese beiden Geschlechter zu charakterisieren. Mit der vom Menschen angenommenen Unterteilung beider Geschlechter hat man also gleichzeitig versucht, diese in soziologische Rollen einzuteilen. Selbst in Zeiten der Gleichberechtigung bleibt diese vom Menschen künstlich erschaffene Rolle bestehen. So gilt ein Mann vielleicht bei Frauen als Weichei, wenn er weint. Oder eine Frau muss sich stark fühlen und etablieren, um sich im Beruf gegen von Männern dominierte Berufe einzusetzen. Was würde man sagen, wenn Jungen mit Puppen spielen oder Mädchen ganz kurze Haare tragen? Es ist genau diese vom Menschen vorgenommene Einteilung, die geschlechtliche Unterteilung und die soziale Rolle, die also die beiden Geschlechter schafft. Von Natur aus gibt es diese nicht. Der Natur ist es egal, ob Männer weinen; der Natur ist es egal, ob Frauen kurze Haare tragen und in der Natur gibt es keine von der Gesellschaft vorgesehene Erwartung, die man von Kultur zu Kultur jeweils zu erfüllen hat, je nachdem welchem Geschlecht man angehört. Genau dieses Dualismusproblem kann man weiterführen. Wer sagt, dass es gut oder böse gibt? Wer hat dies definiert? Wer sagt, was gut und was böse ist? Wer sagt, was warm und was kalt ist? Für den einen sind 20 Grad warm, ein anderer empfindet dieselbe Temperatur als kalt. Wer sagt, dass Schnee schön ist und Regen hässlich? Wer sagt, dass dünn zu sein besser ist, als dick? Wer sagt, dass Kräuter wohlriechen und Erbrochenes stinkt? Es sind allein die Menschen selbst die diese Gegensätze durch wilde Einteilungen erschaffen. Es ist der Glaube an diese Realitäten, der diese Realitäten erst real macht. Verschwindet der Glaube an diese Realitäten, so existieren diese Realitäten nicht mehr, ergo sind sie nicht real und existieren überhaupt nicht.

Die Daoisten dagegen bedienen sich den Dualismen. Sie haben damit über Jahrhunderte Realitäten geschaffen, die uns heute als absurd vorkommen, zur damaligen Zeit aber niemand bezweifelte. So wurde der Unterschied zwischen Männlich und Weiblich vor allem in den Sexualpraktiken der Tang-Dynastie deutlich. In Schriften aus damaliger Zeit, haben Daoisten die Frau als „der Feind“ (des Mannes) bezeichnet. Der Mann sollte daher im Geschlechtsverkehr ihre Lebensenergien „klauen“, um selbst länger leben zu können. Was also aus heutiger Sicht zu Recht als Nonsens bezeichnet werden kann, war damals für die Menschen eine feststehende Wahrheit (zumindest für jene die daran glaubten). Ein männlicher Daoist in der Tang-Dynastie sah also seine Frau als Feind an, die kostbare Lebensenergie besäße, die er dringend braucht. Diese Wirklichkeit ist, im konstruktivistischem Sinne, wie alle anderen Wirklichkeiten auch, nur konstruiert gewesen. Dass diese Wirklichkeit jemals existiert hat, kann und muss bezweifelt werden.

Der Daoismus ist das höchste Konstrukt aller Dualismen. Im Daoismus besteht die Welt nämlich nur aus Gegensätzen, die miteinander korelieren. Fallen diese Gegensätze weg, gibt es im daoistischen Sinne keine Welt mehr. Wenn es keinen Himmel gibt, gibt es keine Erde. Wenn es keinen Weisen gibt, gibt es keinen Verblendeten. Gibt es kein Volk, dann gibt es auch keinen Staat. Gibt es keinen Herrscher, dann gibt es auch kein Untertan.

Daoistische Praktiken