Was haben Sie gemacht, als die Mauer fiel? -  - E-Book

Was haben Sie gemacht, als die Mauer fiel? E-Book

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Beschreibung

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Ein Ereignis, das sich wie kein anderes in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt hat. 25 Jahre danach erinnern sich noch Millionen an die Bilder von jubelnden »Mauerspechten« und weinenden »Grenzgängern« und wissen noch genau, was sie an diesen Tagen erlebt haben. Auch viele prominente Frauen und Männer aus Politik, Wirtschaft, Sport, Film und Fernsehen verbinden mit diesem historischen Tag prägende Momente. Mit ihnen hat sich Jan Hofer ausführlich unterhalten. Ausgehend von der Frage, »Was haben Sie gemacht, als die Mauer fiel??«, entlockt er dabei seinen Gesprächspartnern mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen, welche Hoffnungen, Erwartungen und Prägungen sie mit diesem Datum verknüpfen und wie sich ihre Träume entwickelt haben. Ein unterhaltsames Buch, das aus unterschiedlichen Perspektiven von den »Wende«-Tagen berichtet und mit viel Witz und Sympathie den wohl hoffnungsvollsten Tag unserer jüngeren Geschichte noch einmal lebendig werden lässt.

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Jan Hofer (Hrsg.)

Was haben Sie gemacht, als die Mauer fiel ?

Zum Herausgeber

Jan Hofer zählt zu den beliebtesten Fernsehmoderatoren in Deutschland. Seit 1986 moderiert er die »Tagesschau« und die »Tagesthemen«, 2004 wurde er Chefsprecher der »Tagesschau«. Vielen ist er als Gastgeber der MDR-Talkshow »Riverboat« bekannt, die er von 1992 bis 2012 mode­rierte. Er hat zahlreiche Bücher herausgegeben, zuletzt »Liebe Lottofee, anbei meine Zahlen für kommende Woche«. Die kuriosesten Zuschriften ans Fernsehen (2012).

Jan Hofer (Hrsg.)

Was haben Sie gemacht, als die Mauer fiel ?

Prominente aus dem Osten erinnern sich

In Kooperation mit der SUPERillu

Inhalt

Gunther Emmerlich

Dagmar Frederic

Gregor Gysi

Stefanie Hertel

Michael Hirte

Lutz Jahoda

Tobias Künzel

Wolfgang Lippert

Achim Mentzel

Matthias Platzeck

Manfred Stolpe

Jens Weißflog

Gunther Emmerlich

Welche Erinnerungen haben Sie an den 9. November 1989?

Tagsüber hatte ich Probe in der Semperoper. Dort sollte zwei Tage später, am 11. November, die Sendung »Show­ko­lade« aufgezeichnet werden.

Am Abend saß ich mit Reinhard Mey, der zum ersten Mal in der DDR war, in einem Dresdner Bierkeller. Ich war sehr glücklich, dass ich es endlich geschafft hatte, ihn hierher zu holen. Dass er bislang noch nicht in der DDR auftreten durfte, lag an der Freiheit, die er über den Wolken vermutete. Auch das Lied »Ich würde gern einmal in Dresden singen« war eine unbotmäßige Aufforderung aus Sicht der Parteifunktionäre. Aber aufgrund der sich anbahnenden Veränderungen und nicht zuletzt wohl auch ein wenig dank meiner permanenten Bemühungen war’s dann eben doch möglich, ihn in die Sendung zu holen.

Und wie es der Zufall wollte, gab es in diesem Bierkeller, in dem wir nun saßen, einen Fernsehapparat, der mehr so nebenbei lief. Doch als wir die scheinbar dubiosen, aber letztlich so befreienden Worte von Schabow­ski hörten, war die Kneipe außer Rand und Band. Fremde Menschen umarmten Reinhard Mey wie einen verlorenen Sohn, und mich gleich dazu. Wir waren alle aufgewühlt und voller Hoffnung.

Am nächsten Vormittag zur Probe standen der Regis­seur Ben Beissert und ich allein auf der Semperoper-­Bühne. Sämtliche Mitarbeiter der Sendung hatten kurzerhand beschlossen, nach Berlin zu fahren, um persönlich dem historisch bedeutsamen Geschehen beizuwohnen. Da Beissert als Regisseur und ich als Moderator am nächsten Tag die Hauptarbeit zu bestreiten hatten, konnten wir uns den Kollegen nicht einfach anschließen. Die Sendung musste ja stattfinden.

Am Abend kehrten die Mitarbeiter mit den herrlichsten Eindrücken zurück. Und die Sendung, wie hätte es auch anders sein können, war eine ganz besondere. Mit Reinhard Mey sang ich gemeinsam sein Lied »Gute Nacht, Freunde«. Der Text hatte plötzlich eine unglaubliche Aktu­alität:

Für den Tag, für die Nacht unter eurem Dach. Habt Dank für den Platz an eurem Tisch, für jedes Glas, das ich trank,

Für den Teller, den ihr mit zu den euren stellt, als sei selbstverständlicher nichts auf der Welt

Habt Dank für die Zeit, die ich mit euch verplaudert hab’

Und für Eure Geduld, wenn’s mehr als eine Meinung gab.

Dafür, dass ihr nie fragt, wann ich komm’ oder geh’,

Für die stets offene Tür, in der ich jetzt steh’.

Für die Freiheit, die als steter Gast bei euch wohnt.

Habt Dank, dass ihr nie fragt, was es bringt, ob es lohnt.

Vielleicht liegt es daran, dass man von draußen meint,

Dass in euren Fenstern das Licht wärmer scheint.

Das ging uns beiden sehr nah. Reinhard hat uns kurz vor Weihnachten mit seiner Familie besucht. Er wollte dem Moment des gemeinsam erlebten Mauerfalls Gestalt verleihen und schenkte mir eine Gitarre, in der bis heute ein Zettel klebt:

In Erinnerung an den

9., 10. und 11. November 1989

Reinhard

Was haben Sie in den nächsten Tagen und Wochen gemacht?

Ich habe nach der Sendung nachgeholt, was meine Kollegen mir schon voraushatten: die Fahrt nach Berlin. Meine Frau und ich haben es sehr genossen, durchs Brandenburger Tor gehen zu können. Und auch wir haben das damals oft gehörte Wort »Wahnsinn« wahnsinnig oft ausgesprochen.

Mit welchen Dingen waren Sie 1989 beschäftigt?

An der Semperoper war ich sehr beschäftigt, außerdem mit der Sendung »Showkolade«, Konzerte der unterschiedlichsten Art, die Semper-House-Band, Kammermusik, ich sang Lieder-, Arien- und Duettabende.

In der Mitte des Lebens, 1987, kam zu all meinen künstlerischen Aktivitäten noch das Fernsehen hinzu. Moderiert hatte ich zuvor schon bei vielen Veranstaltungen. Dies und meine musikalische Vielseitigkeit weckte das Interesse der Fernsehmacher.

Das zum Beruflichen, aber das Jahr 1989 war vor allem durch die politischen Ereignisse das spannendste Jahr in meinem Leben. Ende September hatten wir eine Willenserklärung bei mir zu Hause verfasst, die nach den Vorstellungen verlesen wurde, was genau den Effekt hatte, den wir uns versprochen hatten: dass wir quasi aus unseren Rollen heraustraten und einfach mal darüber sprachen, dass in diesem Land etwas geschehen musste und es so nicht weitergehen konnte. Die Leute standen auf und applaudierten begeistert. Am 5.Oktober war ich unter den Demonstranten auf der Prager Straße, als die Gruppe der 20 gebildet wurde. Im November habe ich die Künstler­demo auf dem Theaterplatz in Dresden vor hunderttausend Menschen moderiert.

Haben Sie deshalb Probleme bekommen?

Seit meinem 18.Lebensjahr wurde eine Stasiakte über mich geführt. Die letzten Einträge stammen aus dem November 1989. Ich wurde abgehört. Meine Briefe wurden geöffnet. Insgesamt waren 36IMs auf mich angesetzt. Das weiß ich alles aus der Akte.

Das Erstaunliche ist, dass sie mich dennoch Karriere machen ließen.

Dass ich erfolgreich sein durfte und später ins nicht­sozialistische Ausland reisen durfte, lag an meinen künstlerischen Leistungen und daran, dass sie mit mir Devisen ins Land bringen konnten. Es lag nicht daran, dass sie mich so unheimlich nett fanden.

Hätte sich der Staat 1989 übrigens zur Wehr gesetzt und wirklich hart durchgegriffen, dann wäre ich in ein Lager gekommen, das weiß ich durch die Stasiauflösekommission der Semperoper. Ich wäre ins Lager nach Tautenhain in der Nähe meiner Geburtstadt Eisenberg gekommen.

Hatten Sie Verdachtsmomente gegenüber Menschen, die Sie gut kannten, vielleicht sogar bei Kollegen oder Nachbarn?

Wir sind davon ausgegangen, dass es die Stasi gibt. Wir sind auch davon ausgegangen, dass sie uns im Blick hat und dass es viele Spitzel in den Gremien gibt. Aber man hat sich nicht permanent umgedreht und vergewissert, ob da nicht einer hinter einem steht. Da wäre man ja verrückt geworden. Den Versuch eines normalen Lebens gab es in der DDR allemal.

Dass ich über zehn Jahre lang zu keinem Gastspiel ins westliche Ausland, nicht mal nach Jugoslawien, mitgenommen wurde, hat natürlich begründete Verdächte aufkommen lassen, die durch die Einsicht der Akte 1993 Gewissheit wurden.

Gab es Gespräche, in denen Sie zurechtgewiesen wurden?

Ja, natürlich. Der Chef des DDR-Fernsehens hat mich öfters mal zu sich zitiert. Das Gespräch lief immer sehr ähnlich ab. Er sagte: »Du hast doch eine so angenehme Stimme. Es ist doch vollkommen egal, worüber du sprichst. Musst du denn immer in die Dreckecken reinleuchten?« Er duzte mich, ich ihn nicht. Ich erwiderte: »Wenn wir die kabarettistischen Teile herausnehmen, dann fehlt der Sendung das Salz und der Pfeffer.« Er sagte: »Ja, aber brems das doch mal ein bisschen. Ich kriege jedes Mal Anrufe vom Politbüro!« Er meinte damit nicht nur meine Äußerung, sondern auch die von Wolfgang Stumpf. Live durfte die Sendung nie ausgestrahlt werden, damit man allzu unbotmäßige Bemerkungen rausschneiden konnte.

Welche positiven Aspekte hatte das Leben in der DDR?

Mit dem Land, in dem man seine Jugend verlebt hat und berufliche Erfolge hatte, verbinden einen immer auch angenehme Erinnerungen. Überdies malt der Pinsel der Erinnerung immer gülden. Dennoch empfinde ich Ostalgie bisweilen als etwas kurios. »Kein schöner Land« hätte ich in der DDR nicht überzeugend interpretieren können.

Natürlich kann man immer etwas Positives aus dem Gesamtzusammenhang herausnehmen, aber man darf dabei nicht die Kehrseite der Medaille vergessen. Nur drei Beispiele: Die Mieten waren erfreulich niedrig. Es konnte aber kein Hausbesitzer mit diesem Geld sein Haus erhalten – nicht einmal der Staat. Es gab offiziell keine Arbeits­losigkeit, aber es gab eine systembedingte Arbeitsergebnis­losigkeit. Unsere Schwimmer gewannen bei Olympischen Spielen sehr viele Goldmedaillen, eine Schwimmhilfe für meinen Sohn gab es nicht. Darüber hinaus hat man sich in der DDR sehr geholfen, denn Druck erzeugt bekanntlich Wärme, und wenn man im Volk der Jäger und Sammler etwas zu bieten hatte, wurde einem auch geholfen.

Die erste Lücke im Eisernen Vorhang kam durch die Grenz­öffnung Ungarns zum Westen hin zustande. Wie haben Sie die Ereignisse wahrgenommen und empfunden? Hatten Sie Angst vor Eskalation?

Man hatte ja vor Augen, was schon einmal geschehen war, 1953 in der DDR, in Ungarn 1956, in der ČSSR1968. In Af­ghanistan sind die Russen einmarschiert und unmittelbar davor hatte man die furchtbaren Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking erlebt. Natürlich hatten wir große Angst.

Hatten Sie den Fall der Mauer für jemals möglich gehalten?

Das hat niemand gedacht. Als das erste Mal »Die Mauer muss weg« oder »Deutschland einig Vaterland« gerufen wurde – ich war von Anfang an mit auf der Straße –, dachte ich nur: ›Das ist zu früh.‹ Dann überschlugen sich die Ereignisse und die Straße hat das Tempo der Politik vor­gegeben. Fehlerlos ging dieser Prozess natürlich nicht, aber der Weg war ohne Alternative.

Diese Euphorie haben Sie wahrscheinlich nicht nur bei den Landsleuten, sondern vor allem bei Ihnen selbst verspürt.

Ja. Man hatte das Gefühl, dass man jetzt wirklich etwas tun muss. Bei aller Angst, die wir hatten, haben wir auch gesehen, dass es immer mehr wurden. Es waren Hunderttausende. Man war von einem Virus ergriffen, der Veränderung mit sich bringen sollte.

Im Fernsehen habe ich gesehen, wie Genscher auf den Balkon der Deutschen Botschaft in Prag trat. Das hat mich sehr aufgewühlt. Denn ich habe die Tragweite registriert. Dass er den Satz nicht mal vollenden konnte und die Leute wie von Sinnen schrien – das war der Befreiungsschrei schlechthin. Noch heute, wenn ich das höre, muss ich weinen. Immer.

Gab es später Momente der Ernüchterung?

Dadurch dass ich schon seit 1982/83 aus Gründen der Berufsausübung in den Westen fahren konnte, hatte ich einen relativ klaren Blick. Von vornherein war mir klar, dass das Schlaraffenland nicht kommen würde. Ich hatte ja schon gesehen, dass auch da nicht alles Gold ist, was glänzt. So wird es immer sein, wo Menschenwerk waltet. Da wird es immer Dinge geben, die unvollkommen sind, weil wir Menschen sehr unvollkommen sind. Der liebe Gott hatte mit uns nichts Vollkommenes im Sinn, und das ist in jeder Gesellschaftsordnung zu bemerken. Doch bei der sogenannten Diktatur des Proletariats hat das Unvollkommene noch mehr zum Schaden der Menschen beigetragen. Ich wusste, dass die Demokratie auch ein hartes Stück Arbeit ist und viel mit Verantwortung zu tun hat. Und dass die Freiheit, also die Demokratie, jeden Tag wieder aufs Neue errungen werden muss. Es gibt nie den Himmel auf Erden. Wer die Demokratie schlechtreden will, nennt sie Kapitalismus. Und schon hat man eine negative Formulierung, wohlwissend, dass es noch nie eine Demokratie ohne soziale Marktwirtschaft gegeben hat. Noch nie. Nirgendwo auf der Welt. Dass die soziale Marktwirtschaft immer wieder dem Menschen zugewandt reformiert werden muss, steht außer Frage.

Im März 1990 wurde zum ersten und letzten Mal in der DDR demokratisch gewählt. Haben Sie auch gewählt?

Na klar, ich hatte ja zum ersten Mal in meinem Leben die Wahl. Und auch wenn es hie und da persönlich nachvollziehbare Enttäuschungen gegeben hat und gibt, habe ich für Nichtwähler kein Verständis. Seit damals, bis heute. Denn eines muss man Nichtwählern klarmachen: Auch wenn man nicht wählt, wählt man, und vielleicht gerade die, die man in jedem Fall nicht gewählt hätte. Man kann ja sogar die wählen, die wir früher wählen mussten, da wir keine andere Wahl hatten.

Hat der 3.Oktober für Sie eine Bedeutung?

Ich habe am Abend zuvor ein großes Fest in meinem Garten veranstaltet, Freunde aus Westdeutschland waren auch dabei. Es wäre ja Quatsch, wenn bei der Wiedervereinigung nur Ostdeutsche beieinandersitzen, dachte ich mir. Kurz vor Mitternacht sind wir alle zum Theaterplatz gefahren. Um Mitternacht spielten die Blechbläser der Staatskapelle »Nun danket alle Gott«. Es waren viele Menschen auf dem Platz, und wir fassten uns an den Händen.

Was hat sich für Sie durch die Wende geändert?

Es gab natürlich viele Programme, die von heute auf morgen nicht mehr aktuell waren. Man musste sich umsehen. Und das war eine besondere Herausforderung, denn es ging auf zu neuen Ufern. Man wusste noch nicht, wo das neue Ufer ist, musste aber erst mal schwimmen. Es war so eine besondere Zeit, in der man auch ein bisschen orientierungslos war. Aber sich engagieren und fleißig sein, war in jedem Fall nicht falsch.

Mich haben so viele Leute auf der Straße gefragt: »Was wählen wir denn jetzt? Was wählen Sie denn, Herr Emmerlich?« Wir waren manchmal hilflos. Auf der Bühne und in den Medien konnte ich nicht so tun, als wäre ich in Osnabrück groß geworden. Ich komme nun mal aus dem Osten. Deshalb habe ich auch ein wenig ostdeutsches Selbstverständnis und eine ostdeutsche Sicht auf manche Dinge. Beispielsweise habe ich mir, als ich mit Caterina Valente sang, zu sagen erlaubt: »Einmal neben Ihnen zu stehen und mit Ihnen zu singen, das hätte ich nie gedacht!« Da stand in einer Zeitung: Der freut sich immer so. Ja, ich habe mich gefreut. Einmal mit Peter Alexander oder Udo Jürgens gemeinsam zu singen, war mir nicht an der Wiege gesungen. Genauso wenig hätte ich mir träumen lassen, einmal Joe Cocker anzusagen. Er schenkte mir ein Feuerzeug, das ich heute noch habe – da habe ich mich wieder gefreut. Und in einer Zeitung hieß es wieder: Der freut sich immer so.

Aber es ist doch schön, dass Sie Ihrer Freude Ausdruck verliehen haben.

Manchmal war ich vielleicht ein bisschen naiv. So musste ich gelegentlich auch eine gewisse Häme einstecken. Aber das stählt und macht stark.

Sie werden dieses Jahr 70. Hat sich an Ihrem Termin­kalender etwas geändert?

Dass ich 70 werde, kommt für mich nicht überraschend. Ich habe in diesem Frühjahr drei Konzerte in Spanien gehabt, und die nächste Einladung dorthin steht auch schon. Gestern hatte ich eine Lesung mit dem Dresdner Swing-Quartett, vorgestern ein Kirchenkonzert, davor war ich mit der Semper-House-Band unterwegs, morgen spiele ich im Musical am Staatstheater in Cottbus – ich bin also nicht altersgerecht unterwegs, und das mit großer Freude!

In der DDR waren die Gagen reglementiert. Ist es nach der Wende leichter geworden, Geld zu verdienen?

Die Bevölkerung hat sicherlich gedacht, dass wir mehr bekommen. Es gab eine Einstufung bei der Konzert- und Gastspieldirektion. Im Laufe der Zeit wurde man nach Leistung und Gefragtsein höher eingestuft. Das waren dann 380 Mark in der Spitze für einen Auftritt.

Im Fernsehen bekam man mehr, und mit vielen Auftritten landauf, landab konnte man gutes Geld verdienen, wenn ich die Ostmark mal so bezeichnen darf. Eins gilt bis heute: Man muss seine Arbeit machen, immer in der Hoffnung, dass es viele interessiert. Daran hat sich nichts geändert.

Wie ist es Ihrer Familie nach der Wende ergangen?

Wir haben uns ausgiebig die Welt angeschaut. Auch dabei hat mir die Ausübung meines Berufs geholfen. Das Fernweh war 1989 ja noch völlig unbefriedigt.

Mein Sohn Johannes hat Praktika in Singapur und Mailand gemacht und in Amsterdam studiert. Wir hatten früher die Wahl zwischen Neustrelitz und Glauchau.

Meine Tochter Karoline hat Sozialpädagogik studiert, erst an einer Fachschule in Frankfurt am Main und dann an einer evangelischen Hochschule in Dresden.

Sie haben sieben Enkeltöchter.

Ja, weil die jeweiligen Partner meiner Kinder nicht mit leeren Händen in ihre Beziehungen gekommen sind, habe ich sieben Enkelinnen.

Fragen Ihre Enkelinnen Sie nach der DDR, oder ist das kein Thema für die Kinder?

Ja, man spricht gelegentlich darüber. Aber sie sind eigentlich noch zu jung, bis auf eine, die ist schon 23 ... Bei meinen Kindern gab es logischerweise ein größeres Interesse. Mit denen kann ich auch noch aus eigenem Erfahren über dieses Thema reden. Mit den Enkeln würde ich sofort reden, wenn sie kämen und danach fragten, was gelegentlich auch geschieht. Aber ich möchte ihnen nicht auf den Wecker gehen mit diesem historischen Zeigefinger. Bloß wenn das Thema aufkommt, können sie einiges von mir erfahren.

Weiß die nachkommende Generation zu wenig über die DDR?

Ich stelle allenthalben bei Quizsendungen oder Umfragen fest, dass das Wissen über die DDR besonders bei jungen Leuten in nur sehr beschränktem Maße vorhanden ist. Das begreife ich nicht. Wenn jemand sagt: »Da war ich doch erst drei«, das Argument lasse ich nicht gelten. Ich weiß einiges über den Dreißigjährigen Krieg, und da war ich überhaupt nicht dabei.

Spielt die Ost- oder Westherkunft heute noch eine Rolle?

Es gibt Leute, bei denen das noch immer eine Rolle spielt. Aber das ist eine aussterbende Spezies.

Wenn man mich fragt: »Wie läuft’s denn so im ehemaligen Osten?«, dann muss ich schon darauf hinweisen, dass sich nach 1989 nicht die Himmelsrichtungen geändert haben.

Was bedeutete es, in der DDR ein Star zu sein, und was bedeutet es heute?

Dieses Bekanntsein und auf der Straße mit einem freundlichen Lächeln entdeckt zu werden – es gibt Schlimmeres auf Erden. Ich komme gut damit zurecht.

Dagmar Frederic

Welche Erinnerungen haben Sie an den 9.November 1989?

Ich war an diesem Abend zu Hause und saß allein im Winter­garten. Ich schaute Fernsehen, sah noch Schabowski mit seinem Zettel, schaltete aber um, weil ich annahm, dass keine weltbewegenden Mitteilungen zu erwarten seien. Später sah ich im Westfernsehen Szenen, wie die armen Grenzer an den Übergängen bedrängt wurden. Erst da begriff ich, was gerade geschah und bekam Gänsehaut, die bis heute bei der geschichtlichen Einmaligkeit anhält.

Mit welchen Dingen waren Sie 1989 beschäftigt?

Ich habe sehr viel gearbeitet, hatte eigene Programme mit Orchester, wechselnden Gesangspartnern und Artisten. Ich war viel unterwegs, habe im Jahr , Veranstaltungen gemacht. Diese waren immer auf die zweite Monatshälfte gelegt, weil ich dazu auch noch viel Fernsehen gemacht habe. Dann kam die Wende. Und im Dezember ’ durfte ich zusammen mit Karl Moik eine -Koproduktion mit dem österreichischen Fernsehen machen. Wir haben die Silvestersendung in Chemnitz zusammen moderiert. Zu Gast waren so tolle Künstler wie Caterina Valente.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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