Was Tote über das Leben wissen - Thomas John - E-Book

Was Tote über das Leben wissen E-Book

Thomas John

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

»Die Toten wissen mehr über das Leben als wir selbst«, ist sich Thomas John sicher. Als Brückenbauer zwischen Diesseits und Jenseits übermittelt er die Botschaften Verstorbener an die Hinterbliebenen. Seine faszinierenden Begegnungen mit den Toten sind nicht nur spannend und durchaus unterhaltsam: Sie erinnern uns vor allem daran, dass der Tod nicht das Ende ist. Dass die Seelen geliebter Menschen immer um uns sind. Und in besonderen Zeiten, wenn wir sie dringend brauchen, bieten sie uns ihre Hilfe an.

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Seitenzahl: 263

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Das Buch

Seit Thomas John vier Jahre alt ist, hat er Kontakt zur »anderen Seite«: Er kann die Geister der Toten sehen und mit ihnen kommunizieren. Die Seelen Verstorbener melden sich bei ihm, um Botschaften für ihre Hinterbliebenen ins Diesseits zu übermitteln, und die Lebenden suchen den Kontakt zu ihren Lieben im Jenseits.

In diesem Buch berichtet das außergewöhnliche Medium von seinen zahlreichen Jenseitskontakten. Seine Geschichten sind berührend, spannend und eröffnen faszinierende Einblicke in die geistige Welt. Vor allem aber sind sie voller Trost, Liebe, Vergebung und Hoffnung, denn unsere Freunde und Verwandten sind immer noch bei uns. Sie kümmern sich um uns. Sie wachen über uns.

Der Autor

Thomas John ist eines der populärsten Medien in den USA, zu seinen Klienten zählen Prominente wie Jennifer Lopez und Courteney Cox. Auf seinen weltweiten Veranstaltungen begeistert er ein großes Publikum mit eindrucksvoll präzisen Botschaften, die er aus dem Jenseits übermittelt.

www.mediumthomas.com

Thomas John

WAS

TOTE

ÜBER DAS LEBEN

WISSEN

Wahrhaftige und unglaubliche

Botschaften aus dem Jenseits

Aus dem Amerikanischen

übertragen von Jochen Lehner

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel Never Argue with a Dead Person bei Hampton Roads Publishing, Inc., Charlottesville, USA.
Copyright © 2015 by Thomas JohnCopyright © 2016 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbHNeumarkter Straße 28, 81673 MünchenAlle Rechte sind vorbehalten. Redaktion: Katrin IngrischUmschlaggestaltung: Guter Punkt, MünchenUmschlagmotiv: © sutham / shutterstockSatz: Leingärtner, NabburgISBN 978-3-641-17895-6V003
www.heyne.dewww.penguinrandomhouse.de

Für meine Großmutter Rita –

Vorbild, Fan und beste Freundin.

Danke für deine ewige Liebe.

Hinter dem Regenbogen finden wir uns wieder.

Die folgenden Berichte beruhen auf persönlichen medialen Sitzungen oder »Readings« mit meinen Klienten. Ich gebe sie so aus dem Gedächtnis wieder, wie sie sich ereignet haben. Sie sind, was meinen Teil als Hellseher und Medium angeht, also völlig authentisch, aber zum Schutz der Privatsphäre anderer habe ich zum Teil Mischcharaktere gebildet, alle Namen von Lebenden und Toten geändert und Örtlichkeiten und Lebensumstände abgewandelt, die eine Identifizierung erlauben könnten.

Inhalt

Mit den Verstorbenen leben

Die Sache mit der verschwundenen Armbanduhr

Eine ungeplante Rettung

Mami soll Bescheid wissen

Doubletten

Das Siegtor

Tony

Die beiden Väter

Mutterliebe

Im Himmel gibt’s Schokolade und Schampus

O Fortuna

Das blaue Tagebuch

Haus zu verkaufen

»Das war’s, Leute«

Ein rätselhafter Tod

Gesucht, tot oder lebendig

Dank

Über den Autor

Mit den Verstorbenen leben

Nicht dass ich Angst vor dem Sterben hätte, ich möchte nur nicht dabei sein.

WOODY ALLEN

Wumm! – Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit vier, ganz allein in meinem Zimmer, von einem unbekannten, ohrenbetäubenden Geräusch aus dem Schlaf gerissen wurde. Da lag ich nun in meinem Bett und sah an die mit Leuchtstickern übersäte Decke, die das gespeicherte Tageslicht jetzt als fahles grünes Leuchten wiedergaben. Ich hatte einen roten Schlafanzug an, mit weißen Füßen. In einem war ein kleines Loch, durch den ein Zeh herauslugte.

Ich holte meine Taschenlampe unter dem Bett hervor und schwenkte den Lichtkegel hin und her. Mein Papa hatte sie mir gegeben, damit ich Schattenspiele machen konnte, wenn ich Angst hatte oder einfach nicht gern allein sein mochte. »Dann musst du mich nicht unbedingt wecken«, hatte er gesagt.

In dem Ritterburg-Hochbett, das mein Onkel mir gebaut hatte, fühlte ich mich sicher, und so schaute ich um den Kopfteilpfosten herum. Ich richtete die Lampe auf den Kleiderschrank und sah etwas, das ich nie vergessen werde. Da war etwas Dunkles und Nebelhaftes, so als hätte sich schwaches Licht zu etwas verdichtet. Das Bild eines Mannes zeichnete sich ab. Er war gekleidet, wie ich ihn vielfach auf alten Fotos gesehen hatte. Ich erkannte ihn sofort, ich musste nicht erst überlegen. Es war beinahe so, als hätte ich sein Erscheinen erwartet, als hätte ich mich jede Minute dieser vier kurzen Jahre meines Hierseins darauf vorbereitet.

»Puppa!«, rief ich. Ich hatte keine Angst, eigentlich war ich nicht einmal überrascht, ich saß da und staunte.

Eine tiefe Stimme sagte: »Jack hat meine Armbanduhr, Junge. Sag das Mama und Papa. Ich hab dich lieb.« Dann verschwand die Erscheinung. Was die Worte bedeuteten, wusste ich nicht.

Aber gleich darauf hörte ich die Tür zum Schlafzimmer meiner Eltern aufgehen, und zwei Sekunden später, ich stand inzwischen mitten im Zimmer, flog die Tür auf, und mein Vater stand in Boxershorts und Baumwollsocken da. »Was ist hier los?«, wollte er wissen.

»Puppa war da!«, rief ich. »Puppa ist gekommen.«

»Du hast Puppa gesehen?«, fragte er barsch. »Meine Güte, Junge, was redest du da?«

Ich fing an zu weinen. Gleich war mein Vater da und nahm mich auf den Arm. Er küsste mich auf die Wange. So kannte ich ihn – er polterte los, und dann tat es ihm leid. »Ist schon gut, mein Kleiner. Nachts passieren manchmal komische Sachen.«

So begann mein Leben als Medium, als Seher, Wahrsager und Mystiker. Sehr bald ging mir auf, dass »komische Sachen« nicht nur nachts passieren, sondern den ganzen Tag – und mir eigentlich ständig. Noch im gleichen Jahr lernte ich, dass die Toten zwar tot sein mögen, aber doch noch eine Menge zu sagen haben und es meine Aufgabe ist, ihnen zuzuhören. Als Kinder lernen wir, beim Überqueren der Straße in beide Richtungen zu schauen und von Fremden keine Süßigkeiten anzunehmen. Ich musste zusätzlich lernen, dass man den Toten besser nicht widerspricht. Sie wissen oft mehr als die Lebenden.

Als Hellseher und Medium verfüge ich über zwei besondere Fähigkeiten: Ich habe Zukunftsvisionen und sehe, woher die Leute kommen und wohin sie gehen. Und als Medium kann ich Kontakt mit den Geistern Verstorbener aufnehmen. Zusammen laufen diese beiden Gaben darauf hinaus, dass ich eine Menge Stimmen höre und viel zu sehen bekomme. Es erstaunt die Leute, es beschäftigt sie, bringt sie durcheinander und fasziniert sie. Bei einer Cocktailparty ist es der beste und zugleich der schlechteste Beruf, den man haben kann – die Leute wollen entweder den ganzen Abend mit einem reden oder sie meiden einen wie die Pest.

Es geht mir aber gar nicht darum, Sie zum Glauben an hellsichtige Medien zu überreden. Ich möchte Sie nicht vom Leben nach dem Tod überzeugen. Ich habe nicht einmal vor, Ihnen von mir zu erzählen (auch wenn ich dieses Buch schreibe). Es ist ein Buch über Menschen, die von uns gegangen sind und uns doch weiterhin lieben und leiten. Es sind Geschichten von Klienten, die im Laufe der Jahre bei mir waren, von Herzen bereit, etwas von drüben zu hören, und voller Vertrauen, dass ich sie auf den richtigen Weg führen würde. Es soll in diesem Buch anhand von Einzelberichten erkennbar werden, wie ungemein heilsam die Kontaktaufnahme mit der anderen Seite sein kann, mit unserem »Geist-Team« von Engeln, geliebten Menschen und Führern.

Bei dieser Arbeit wird man immer wieder mit unglaublichen Geschichten und lebensverändernden Erlebnissen konfrontiert. Und mir geht es beim Schreiben dieses Buchs vor allem darum, die Erlebnisse zu schildern und die damit verbundenen Fragen nach bestem Vermögen zu beantworten. Sie werden viel über mein Leben und meine Arbeit erfahren, aber eigentlich möchte ich, dass Sie das von den Verstorbenen Mitgeteilte als Inspiration für Ihren eigenen Lebensweg nutzen. Denken Sie jedenfalls nicht, Sie sollten jetzt ein ganzes Buch über die Toten anderer Leute lesen. Nein, es ist kein Buch über Tote. Es handelt von universal gültigen Mitteilungen und dem, was aus ihnen zu lernen ist; es handelt von Heilimpulsen, wie wir sie uns alle wünschen.

Wer sich von drüben meldet, kann dafür die unterschiedlichsten Gründe haben. Es kann sich um eine Beschreibung oder Mitteilung handeln, mit der bekräftigt wird, dass der- oder diejenige sich tatsächlich in der Welt der Geister aufhält. Das kann durch die Übermittlung von Namen und Daten geschehen, durch bestimmte Informationen über ihr Leben, mit denen die Person etwas anfangen kann, die mir gerade gegenübersitzt. Das ist zwar in mancher Hinsicht der spannendste Teil eines medialen Readings, einfach weil es unseren Alltagsverstand herausfordert, aber für die Lösung der Probleme und Fragen, mit denen man zu einem Medium geht, gibt es nicht unbedingt viel her. Was man hier an »Bestätigung« bekommt, bestätigt vielfach nur das, was man ohnehin schon weiß, etwa bestimmte Erinnerungen oder wichtige Namen und Details.

Solche Mitteilungen können zwar die Verbundenheit bekräftigen und verstärken, aber sie dienen nicht der spirituellen Entwicklung meiner Klienten oder bewegen sie zu einschneidenden Änderungen in ihrem Leben. Dazu kommt es erst durch Mitteilungen einer anderen und weitaus bedeutsameren Art, nämlich wenn ein Geist sich meldet und den Kontakt zu den Lebenden sucht, weil er etwas Wichtiges und Lehrreiches für ihr Leben zu vermitteln hat. Dabei kann es um Liebe und Dankbarkeit, um glückliche Fügung oder auch um Vergebung gehen. Die Toten können uns vieles über das Leben auf der Erde sagen, und sie können uns auf mancherlei Weise leiten. Viele Menschen sind innerlich allzu sehr mit der Vergangenheit beschäftigt – was wir hätten tun sollen oder können oder was wir gern getan hätten. Wir sind mit dem falschen Menschen ausgegangen, haben den falschen Menschen geheiratet, haben zu viel Geld ausgegeben oder die falsche Stelle angenommen. Passiert irgendetwas Schlimmes, plagen wir uns mit Schuldgefühlen, statt zu sehen, dass dadurch womöglich positive Entwicklungen angebahnt werden, wenn wir es nur zulassen. Die Toten betrachten diese Erde ganz anders, nämlich als Klassenzimmer und Spielplatz, wo immer etwas zu lernen ist und wir aus allem Guten oder Schlechten wichtige Lehren ziehen können.

Wenn wir den Körper verlassen, sieht unser Geist das Leben und seine Probleme von einer ganz anderen Warte aus. In dieser neuen Klarheit ist der Geist eines verstorbenen geliebten Menschen geradezu darauf versessen, uns aus seiner neuen Sicht der Dinge heraus zu helfen. Geister lassen die gewöhnlichen Dinge des Lebens, von denen wir mehr oder weniger stark besetzt sind, hinter sich.

Ich werde oft gefragt, ob die Geister wirklich um uns sind, und die Antwort lautet Ja und Nein, was nicht unbedingt leicht nachzuvollziehen ist. Manchmal sage ich scherzhaft, dass die Toten ihr eigenes Leben haben und nicht überall gleichzeitig sein können. Tatsächlich sind sie sehr oft um uns, aber sie gehen immer wieder auch ihren eigenen Dingen nach. Sie haben drüben, auf der anderen Seite, Aufgaben und Pflichten; viele Geister haben sich bei Readings zu Wort gemeldet und mir von Ihren Aufgaben in der Welt erzählt, doch das ist eine andere Geschichte. Mit Sicherheit kann ich aber nach Tausenden Readings mit Gruppen, bei Einzelsitzungen in meiner Praxis in Chelsea oder am Telefon sagen, dass sie wirklich mit uns kommunizieren möchten. Sie freuen sich über die Verbindung, und das ist so, weil sie uns lieben. Die Verbindung hilft uns, aber sie ist auch für die Geister gut. Sie gehört zu ihrem »Job« auf der anderen Seite. Indem sie die Lebenden unterweisen, können die Geister in höhere Dimensionen aufsteigen. Um solche universalen Botschaften und Unterweisungen soll es in diesem Buch gehen.

Eine andere häufig gestellte Frage, vielleicht die häufigste überhaupt, lautet: »Sehen Sie die Toten?« Diese Frage ist grundsätzlich erst mal mit Ja zu beantworten, aber es kommt auch vor, dass ich sie nicht sehe. Es hängt davon ab, wie der betreffende Geist sich mitteilen möchte. Das kann durch Zeichen und Symbole sein, durch bildhafte Eindrücke aus seinem Leben, durch persönliche Erfahrungen. Häufig zeigen sie sich auch in körperlicher Gestalt, weshalb ich dann sagen kann, dass ich die Toten sehe. Aber ich sehe auch Bilder, ich habe Empfindungen und höre Laute, und aus all dem entsteht ein Gesamteindruck, dem ich entnehme, mit wem ich es zu tun habe und was dieser Geist mitteilen möchte.

In diesem Buch werden Sie nicht viel von »Superbewusstsein«, »Chakren«, »Channeling« und esoterischen Dingen dieser Art hören. Ich möchte alles sehr einfach und direkt halten. Ich erzähle Ihnen ganz freimütig fünfzehn Geschichten aus meiner Praxis als eines der gefragtesten Medien New Yorks, und jede dieser Geschichten gibt die Botschaft eines Verstorbenen wieder. Manche sind anrührend (wie die von der Mutter, die kam, um ihrer Tochter zu verzeihen, von der sie versehentlich getötet worden war), andere etwas gruselig (wie die von der Frau, die eine Nachricht von ihrem toten Mann bekam, den sie am Leben glaubte und mit dem sie nach dem Reading zum Essen verabredet war), und wieder andere sind wirklich unglaublich (wie die von den beiden Verliebten, die durch den Tod ihrer beiden Väter zusammenfanden). Bei allen aber handelt es sich um wahrheitsgetreue Wiedergaben meiner Begegnungen mit Verstorbenen. Manche trugen sich in meiner Praxis zu, andere in einem Drogeriemarkt Ecke 19th und 8th Avenue, in dem ich mich recht häufig aufhalte, wieder andere auf der Linie A der New Yorker U-Bahn nach einer langen Nacht im »Meatpacking District« genannten Szeneviertel. Manche entwickeln sich absehbar, aber einige werden Sie überraschen. Ich hoffe, Sie können lachen oder auch weinen und vielleicht hier und da ratlos dreinschauen. Jedenfalls gebe ich mir Mühe, es Ihnen so leicht wie möglich zu machen.

Natürlich wünsche ich mir, dass Ihnen dieses Buch gefällt. Aber ob Sie nun zustimmend oder skeptisch reagieren, es würde mich schon freuen, wenn ich Sie davon überzeugen könnte, dass uns die Toten viel zu sagen haben. Es ist ein Buch voller Augenblicke, die sich wirklich so zugetragen haben, aber teils so unglaublich sind, dass sogar ich mich manchmal frage: »Kann das wahr sein?« Auch wenn die Geschichten einerseits ganz konkret sind und von einer verstorbenen Tante oder Großmutter erzählen – die Botschaften, die da an die Lebenden übermittelt werden, sagen uns etwas, wir verstehen sie, und wir können Heilung in ihnen finden. Es geht hier letztlich nicht um bestimmte Gestalten oder um Botschaften und Geschichten für bestimmte noch lebende Menschen, sondern um die Bedeutung, die für uns alle in der Verbindung mit der anderen Welt liegen kann.

Manche sagen, sie könnten etwas erst glauben, wenn sie es sehen, aber für mich ist es genau andersherum: Erst wenn wir es glauben, können wir es auch sehen. Es bleibt also zu hoffen, dass Sie durch die Lektüre dazu kommen, an die andere Seite zu glauben und sie besser zu verstehen. Ich jedenfalls habe, was die Toten angeht, eines wirklich verstanden, nämlich dass sie eine Menge zu sagen haben und dass sie in der Regel recht behalten. Widersprechen Sie Ihnen also besser nicht.

Die Sache mit der verschwundenen Armbanduhr

Vor allem aber betrachte die Welt ringsum mit offenen, funkelnden Augen, die größten Geheimnisse verbergen sich nämlich immer da, wo man sie nicht vermutet. Wer nicht an Magie glaubt, der findet sie auch nicht.

ROALD DAHL

Meinen Großvater habe ich aus meiner Kindheit als einen auf sehr markante Art gut aussehenden Mann in Erinnerung. Er war groß, hager und trug immer Flanellhemden. Seine Kleidung war einfach – kariertes Hemd, abgewetzte Jeans und immer diese ausgetretenen ledernen Arbeitsstiefel mit ihren dicken Sohlen. Seine Gesichtshaut hatte etwas Ermattetes und zugleich Gespanntes, die Augen waren blutunterlaufen, vielleicht ein Überbleibsel seiner schweren Jahre in der Armee oder auch ein Ausdruck seiner unglücklichen Ehe mit meiner alkoholabhängen Großmutter. Er hatte dichtes Haar, das nur an den Schläfen ein wenig zu ergrauen begann. Manches bedauerte er in seinem Leben, zum Beispiel dass er während der gesamten Kindheit meines Vaters eine Geliebte gehabt hatte oder dass es ihm nicht möglich war, irgendeinem Menschen zu vertrauen. Er war von sehr stillem Auftreten. Wenn er ein Zimmer betrat, hoben sich die Blicke, aber er verschwand dann immer gleich wieder. Ich war vier, als wir einander das erste Mal begegneten. Wir trafen uns immer nur in der Nacht. Er kam in mein Zimmer, sprach eine Weile leise mit mir und ging dann wieder. Ich bin der einzige Mensch, zu dem er je sagte: »Ich hab dich lieb.« Es wäre stark untertrieben, meine Beziehung zu meinem Großvater als ungewöhnlich zu bezeichnen. Das Sonderbarste an dieser Beziehung liegt in dem Umstand, dass mein Großvater fünf Jahre vor meiner Geburt gestorben ist.

Er war gelernter Elektriker und hatte während seiner fünfunddreißigjährigen Laufbahn im Staatsdienst kaum je einen Tag gefehlt. Er führte ein ziemlich uninteressantes Leben. In seiner Ehe war er unglücklich, hatte immer Liebschaften nebenher und ertränkte seine Angst und Unsicherheit in der Kneipe. Darunter litt die Beziehung zu meinem Vater sehr. Innerhalb der Familie wurde darüber jedoch nie gesprochen. Mein Großvater starb zwei Jahre vor der Eheschließung meiner Eltern an Krebs, und es blieb von ihm nicht viel mehr als ein Erinnerungsfoto. Er ließ sich nicht gern fotografieren, sodass nur ganz wenige Schwarz-Weiß-Aufnahmen von ihm existieren. Bei Familientreffen war nicht viel von ihm die Rede. In allem, was ich von meinen Verwandten hörte, war er als unermüdlicher Arbeiter dargestellt, der jeden Morgen früh aufstand. Er gehörte offenbar zu den Menschen, die glauben, Ruhe und Schlaf stünden einem erst nach vollen zwölf Stunden Arbeit zu. Er diente vier Jahre in der Armee, und dieses Erlebnis bewog ihn wohl zu der besonderen Strenge, mit der er meinen Vater erzog. Er sei ein Mann weniger Worte gewesen, hieß es immer, einer, der lieber schwieg. Er sprach dem Alkohol gehörig zu, war aber im betrunkenen Zustand nie streitsüchtig oder unangenehm. »Er war ein stiller Säufer, aber doch ein Säufer«, merkte meine Cousine Mary, seine Nichte, trocken an, wenn beim jährlichen Besuch in ihrem kleinen Haus im Hinterland von New York die Sprache auf ihn kam.

Als kleiner Junge hatte ich sehr lebhafte Träume, in denen ich die geradezu körperlich präsenten Farben, Empfindungen und Gefühle als ganz real erlebte. Ich hatte auch normale Träume wie jeder andere, von denen mir nach dem Aufwachen surreale Bilder und Szenen stundenlang in Erinnerung blieben. Es kam aber auch vor, einmal die Woche vielleicht, dass ich einen wild bewegten Traum mit geradezu glühenden Farben, riesigen Formen, überaus klaren Empfindungen und Gefühlen einer sehr ursprünglichen Art hatte – Träume, die aus einer anderen Dimension zu kommen schienen.

Meine Eltern erzählen, dass ich sie dann, mit drei oder vier Jahren, mitten in der Nacht aus dem Schlaf riss, um ihnen sofort alles brühwarm zu erzählen. Meine Träume erschienen ihnen, wie meine Mutter mir später einmal erzählte, beinahe übernatürlich und sehr sonderbar, so detailreich und real erschien alles. Ich schilderte dann alle Einzelheiten, alle Farben – und das in einer Sprache, über die ein Vierjähriger eigentlich noch nicht verfügt. Es kam auch vor, dass ich von Menschen zu berichten hatte, und da handelte es sich meist um kürzlich verstorbene oder im Sterben liegende Verwandte. Meinen Eltern kam das alles derart abstrus vor, dass sie außerhalb der Familie Rat suchten, und so kam es, dass ich die nächsten Jahre an Therapeuten, Priester, Rabbiner und alle möglichen anderen Leute herumgereicht wurde, von denen sich meine Eltern Hilfe versprachen. Etliche dieser Leute ermunterten mich allerdings, auch weiterhin mit den Toten zu sprechen. Ein katholischer Priester, den meine Eltern mit mir aufsuchten, als ich zehn war, sagte sogar, die Bibel sei von »besonderen Menschen« verfasst worden, die man als »Mystiker« und »Seher« bezeichnete – und es gebe tatsächlich Menschen mit besonderen Gaben, die mit den Toten kommunizieren könnten. »Das sind Engel, die mit dir sprechen«, sagte Father Michael zu mir.

Mein Großvater war der Erste, der mich besuchte, und er erscheint mir bis heute immer wieder spätabends in meinem Schlafzimmer. Unsere Beziehung hat sich aber inzwischen verändert. Wenn mein Großvater heute auftaucht, geht es eher darum, dass er nach mir sieht und Hallo sagt. Beim ersten Mal verstand ich nicht, was er wollte. Ich nahm den Besuch als einen Traum, ich wusste noch nicht, dass es sich um etwas anderes handelte – vielmehr, dass ich anders war. Bei seinen ersten Besuchen sprach mein Großvater nicht viel. Ich erinnere mich, dass ich seinen Anblick als tröstlich empfand, als würde sich etwas Warmes in der Brust ausbreiten. Mit der Zeit hatte er dann aber doch bestimmte Mitteilungen zu machen. So erzählte er mir von seinem Erbe und wie unerfreulich er den Umgang meiner Großmutter mit seiner Hinterlassenschaft fand. Einmal teilte er mir etwas über ihre Gesundheit mit, was sich am nächsten Tag als zutreffend erwies. Mein Großvater hatte viele Geheimnisse, und jetzt in der Rückschau denke ich, dass er mich deshalb schon in so jungen Jahren besuchte, weil er eine Gelegenheit brauchte, sich diese Geheimnisse von der Seele zu reden. Irgendjemand sollte wissen, wer er war, denn in seinen fünfundsiebzig Jahren auf der Erde hatte es niemand wirklich gewusst.

Einmal weckte ich meine Eltern in der Nacht, um Ihnen zu sagen, dass Opa Leo in meinem Schlafzimmer war. Das ging schon ein paar Jahre so: Mein Großvater besuchte mich mitten in der Nacht, ich weckte meine Eltern, sie kamen in mein Zimmer und mussten feststellen, dass meine Behauptung nicht zutraf. Meine Mutter fand, das gehe jetzt einfach zu weit. Ich gab an meine Eltern weiter, Puppa könne sich nicht erklären, weshalb Jack jetzt im Besitz seiner kostbaren Armbanduhr war, obwohl es sein Wunsch gewesen war, dass seine Frau sie haben sollte. Die Uhr lag meinem Vater sehr am Herzen. Er hatte für Leo eine Rolex gekauft und auf den Rücken »Für Papa, in Liebe, Tom« gravieren lassen (ja, ich trage den Vornamen meines Vaters). Ich murmelte noch schläfrig etwas von einem »Sparesel«, bat um einen Schluck Wasser und wollte dann wieder ins Bett gebracht werden.

Meine Eltern waren sprachlos. Jack war der beste Freund meines Großvaters gewesen. Ich hatte schon früher von der Uhr gesprochen, aber jetzt war es das erste Mal, dass ich Jack erwähnte. Er und mein Großvater hatten sechzehn Jahre lang gemeinsam in dieser Elektrofirma gearbeitet. Mit dem Sparesel konnte zunächst niemand etwas anfangen, bis nach einigen Monaten meine Großtante Rose einmal zu Besuch war und ohne den Zusammenhang zu kennen von etwas erzählte, das meinem Großvater besonders viel bedeutet hatte: von einer Spardose in der Gestalt eines Esels, die sie in der Vorwoche in ihrer Dachkammer gefunden hatte. Meine Eltern hatten jahrelang überall nach der Armbanduhr gesucht. Sie war der einzige persönliche Besitz meines Großvaters, den mein Vater wirklich gern gehabt hätte. Drei Tage nach dessen Tod war sie auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Jetzt kam mein Großvater als Geist zu uns, um uns zu sagen, wo die Uhr war, aber meine Eltern glaubten ihm immer noch nicht, und es sollten bis zum Umdenken noch Jahre vergehen.

Zur Feier des siebten Geburtstags meiner Schwester kam Jack zu Besuch. Er wohnte eine Stunde weit weg, kam aber trotzdem sehr gern zu Familienereignissen und schickte auch immer wieder mal Karten aus dem Urlaub oder zu Geburtstagen.

Meine Eltern bezeichneten ihn und meinen Großvater scherzhaft als »seltsames Paar«, denn Jack war wirklich in so mancher Hinsicht das genaue Gegenteil meines Großvaters. Jack war klein, Leo war von stattlichem Wuchs gewesen; Jack wirkte immer gepflegt, Leo dagegen eher schlampig und nicht sehr auf sein Äußeres bedacht; Jack besaß eindrucksvolle dunkle Augen, die einen geradezu ansprangen, während mein Großvater tief liegende blaugraue Augen gehabt hatte; und schließlich dachte Jack liberal, während mein Großvater sein Leben lang konservativ eingestellt gewesen war. Aber so unähnlich sie einander auch gewesen waren, Jack hatte Leo auf seine intuitive Art und Weise verstanden. Er war sogar, wie Leo ihn kurz vor seinem Tod wissen ließ, der Einzige, der ihn wirklich kannte und schätzte.

Zum Geburtstag brachte Jack meiner Schwester eine Barbie-Puppe und Haarklemmen mit Motiven aus Der Zauberer von Oz mit, alles sorgsam, wenn auch kunstlos in weiße Servietten verpackt. Was als Geburtstagsfeier für ein kleines Mädchen begann, verwandelte sich bald in etwas anderes. Die Männer saßen mit Zigarren und Bier am Kartentisch, während die Frauen in der Küche über die letzte Elternbeiratssitzung sprachen und sich an süßem Gebäck gütlich taten. Ich verfolgte die dunstgeschwängerte Szene von meinem Platz am Wohnzimmerboden aus.

Irgendwann fiel auch der Name meines Großvaters, und das war eigentlich immer so, wenn Jack der Runde angehörte. Die Männer riefen sich gegenseitig in Erinnerung, dass er nur drei Flanellhemden besessen hatte, die er abwechselnd getragen und selten gewaschen hatte. Jemandem fiel ein, dass er Tiere eigentlich gehasst hatte, aber einmal eine streunende Katze aufgenommen und wie eine kleine Königin behandelt hatte. Dann gedachten sie schmunzelnd seiner Verachtung für die Demokratische Partei und dass Politik eigentlich das Einzige war, womit man ihn zum Reden hatte bringen können. »Diesen Liberalen hat er es immer ordentlich gegeben«, warf Jacks Sohn Rick von der gegenüberliegenden Seite des Tisches ein, und die ganze Zeit klatschten die Karten auf den Tisch. Jemand hatte kein Bier mehr, und es wurde überlegt, ob man Nachschub besorgen und zu einer anderen Spielvariante übergehen solle.

Dann, urplötzlich und für mich deutlich spürbar, änderte sich die Atmosphäre. Sogar der Rauch verschwand für mich, und es wurde ganz still. Mir erschien, sehr blass, die Gestalt meines neben mir am Boden kauernden Großvaters. »Jetzt pass auf«, flüsterte er, sein Gesicht wie schwebend direkt neben meinem, ätherisch, als würde ein altes Dia auf den Tabakrauch projiziert. Ich blickte gespannt und mit angehaltenem Atem zwischen der gespenstischen Erscheinung neben mir und den diskutierenden Männern am Tisch hin und her, die offenbar nichts von dem mitbekamen, was ich sah.

Sekunden Später dröhnte eine laute Stimme vom Pokertisch her. »Unglaublich, dass ich immer noch diese Rolex habe«, lachte Jack. »Die war das Einzige, wofür er wirklich Sinn hatte, stimmt’s, Tommy?«

Alle Farbe wich aus dem Gesicht meines Vaters. »Ja«, bestätigte er. »Wer möchte noch Bier? Mickey? Soll ich dir eins holen?« Er war sichtlich erschüttert und stand mit einem Ruck auf, wobei er ein Glas Wasser umwarf.

Er ging schnurstracks in die Küche, aber dort nicht wie sonst direkt zum Kühlschrank, um nach dem üblichen Ritual ein Bier herauszuholen und mit der anderen Hand gleich zum Öffner zu greifen. Nein, er wirkte verstört und strich sich wie ratlos mit der Hand über den Kopf. Er öffnete nicht einmal den Kühlschrank, er tat gar nichts. Er stand nur da und kratzte sich den Kopf. Danach ging er direkt an mir vorbei, ich sah kleine Schweißperlen auf seiner gerunzelten Stirn. Er war tiefrot angelaufen, als hätte er ein paar Gläschen gekippt, nur dass sich die Röte noch tiefer und dunkler über sein ganzes Gesicht zog. Ich hatte meinen Blick von dem Spiel vor mir am Boden gehoben und beobachtete meinen Vater in der Küche. Ich krabbelte sogar zur Küchentür und steckte den Kopf durch den Perlenschnurvorhang, um besser sehen zu können. Mein Vater sprach in gepresstem Flüsterton und wild gestikulierend mit meiner Mutter, wobei er auf dem Vinylboden auf und ab stampfte.

Danach kehrte er an den Kartentisch im Wohnzimmer zurück, aber die Männer waren inzwischen zu ganz anderen Themen übergegangen. Carl erzählte stolz vom neuen Job seiner Frau im Justizministerium. Jack nippte an seiner Bierflasche und beschwerte sich über die Mucken seines 84er Mazda 323. Meine Mutter kam einmal kurz herein, stellte als eine Art Verlegenheitsgeste wortlos eine Schale mit Cashewkernen auf den Tisch und verschwand sofort wieder.

Nun war also der ganze Zusammenhang offenbar, die verschwundene Armbanduhr nach all den Jahren wiedergefunden, aber meine Eltern wirkten kein bisschen glücklicher. Die Mitteilungen, die mein Großvater als Geist gemacht hatte, waren zwar jetzt bestätigt, doch das brachte ihnen keine Erleichterung. Sie wirkten eher bestürzt, wenn nicht erbost.

Jack starb einige Jahre später, wir haben die Uhr nie von ihm zurückbekommen. Sie war einfach nirgendwo zu finden. Ich denke gern, mein Großvater habe diese eine Habseligkeit, die ihm etwas bedeutete, die er wie sonst nichts lieb und teuer hielt, mit in den Himmel genommen. Alles, worauf er stolz war, lag in dieser Armbanduhr: seine Pünktlichkeit, seine Zuverlässigkeit und sein Sohn.

Wir sprachen nie wieder über diesen schicksalsschwangeren Abend, an dem wir von Jack erfuhren, dass die Uhr die ganze Zeit über bei ihm gewesen war. Meine Eltern scheuten es, sich den ganzen Zusammenhang zu vergegenwärtigen, wenngleich darin, wie ich damals schon spürte, auch etwas Tröstliches für sie lag. Das Ganze ging über ihren Horizont, sie verfügten auch nicht über die Sprache, mit der sie die Dinge hätten einordnen oder über sie sprechen können. Es ging danach auch immer weniger um die Armbanduhr als Erinnerungsstück, sondern sie wurde zum Symbol der Liebe meines Großvaters zu seinem Sohn, meinem Vater, zum Inbegriff alles Wertvollen an diesem stolzen, fleißigen Menschen.

In der Zeit um meinen dreiundzwanzigsten Geburtstag fragte ich ihn bei einem seiner häufigen Besuche ganz direkt: »Weshalb war es für dich so wichtig, Papa vom Verbleib deiner Rolex zu unterrichten? Weshalb wolltest du, dass sie gefunden wird – du wusstest doch, wie viel Unruhe dadurch entstehen würde?«

Sein Geist stand bei diesem Besuch als junger Mann im Vollbesitz seiner Kraft vor mir. Er lächelte spitzbübisch und sagte: »Weil es hier drüben all die Vorstellungen von Geheimnissen und Rätseln nicht mehr gibt, an die wir im Leben geglaubt haben. In dieser Welt herrschen Licht und Klarheit, ein klares Wissen um die Wahrheit, zu dem es auf der Erde kaum jemals kommt. Es gehört zu unseren Aufgaben, Licht in die dunklen Ecken unseres früheren Lebens zu bringen. Wir müssen zumindest versuchen, die Menschen, die vielleicht gar nicht so genau Bescheid wissen wollen, über die wahren Zusammenhänge aufzuklären.«

Ich vergegenwärtigte mir das alles, so gut ich konnte, und nickte.

Ungefähr ein Jahr später saß ich einmal mit meinem Vater vor dem Ferienhaus der Familie in New Hampshire. Wir setzten ein Puzzle zusammen, wie wir es manchmal gern taten, und tranken dazu ein Bier. Ich bastelte an einer Ecke, er in der Mitte. Wir plauderten über die jüngste Niederlage unserer Baseballmannschaft und dergleichen nette Nebensächlichkeiten. Es war ein dunkelblauer, klarer Abend mit funkelndem Sternenhimmel. Ich sah, wie mein Vater den Blick mit einem langen, tiefen Atemzug vom Himmel löste und zu Boden sinken ließ. Ganz unvermittelt fragte er: »Du meinst also, dass es Opa gut geht da oben?«

»Ja, Papa, das glaube ich«, erwiderte ich ein wenig befangen.

»Aber wie kannst du das wissen?« Zum ersten Mal an diesem Abend sah er mich direkt an.

»Ich weiß es einfach. Wissen ist manchmal nicht ganz richtig. Du spürst es eher. Es ist ein Gefühl …« Ich brach ab. Mir fielen all die merkwürdigen nächtlichen Besuche meines Großvaters ein, seine Mitteilungen an mich und die Dinge, die er mich im Laufe der Jahre ausrichten ließ. Ich dachte über dieses Leben nach, das mein Großvater von meiner Kindheit an so entscheidend mitgeprägt hatte. Er hatte so viele Geheimnisse und so viel Rätselhaftes aufgeklärt, und das alles zog jetzt vor meinem inneren Auge vorbei. Das Leben ist ein Mysterium, unsere Zeit auf dieser stofflichen Ebene zieht im Nu vorbei. Das einzig Bleibende ist der Wandel, und nur durch ihn entdecken wir all die Wunder, die für uns bestimmt sind. Ich genoss die tiefe Verbindung, die ich zwischen mir, meinem Vater und meinem Großvater jenseits von Raum und Zeit spürte; sie war nicht an dieses Leben gebunden – und ich wünschte mir, sie würde ewig währen.

»Ist schon gut«, sagte mein Vater und schwieg eine ganze Weile. Dann zündete er sich eine Zigarette an, atmete den Rauch tief ein. »Ich verstehe, was du meinst«, ergänzte er und atmete ebenso tief wieder aus.

Die Sterne leuchteten vom Himmel auf uns herab und wärmten unsere Seele, und in diesem Augenblick wusste ich ohne jeden Zweifel, dass mein Großvater über uns wachte.

Eine ungeplante Rettung

Vielen von euch habe ich etwas bedeutet, nur eben nicht genug!

JAY ASHER: Thirteen Reasons Why

(Tote Mädchen lügen nicht)