WE-Q: Wir-Intelligenz - Nicole Brandes - E-Book

WE-Q: Wir-Intelligenz E-Book

Nicole Brandes

5,0

Beschreibung

WE-Q DIE FÜHRUNG DER ZUKUNFT Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt in rasantem Tempo und stellt Manager, Unternehmer und Mitarbeiter vor eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts: Komplexität. Um sie zu bewältigen, braucht es vor allem eines: neue Führungskompetenzen. Trotzdem setzen viele Organisationen nach wie vor auf ein längst überholtes Managementverständnis. Leadership-Expertin Nicole Brandes zeigt, wie Unternehmen und Führungskräfte mithilfe völlig neuer Denk- und Handlungsweisen auf der Überholspur bleiben können. Dabei macht sie deutlich: In einer sich radikal verändernden Wirtschaftswelt ist menschliche Verbundenheit die stärkste Kraft, die Menschen motiviert, an einem Strang zu ziehen. In ihrem Buch erklärt sie, wie Unternehmen und Führungskräfte die nötige "Wir-Intelligenz" entwickeln, um auch in Zukunft Spitzenresultate zu ermöglichen. "Für alle, die Zukunft schaffen wollen" Gerhard Lohmann, CFO Reinsurance Swiss Re Die digitale Revolution verändert unsere Arbeitswelt auf rasante Weise und zwingt Unternehmen, immer schneller auf neue, komplexe Rahmenbedingungen zu reagieren. Längst ist dabei klar: Nur wer umdenkt und herkömmliche Managementmethoden infrage stellt, kann auch in Zukunft Spitzenresultate erreichen. Leadership-Expertin Nicole Brandes zeigt, welche Wege Organisationen und Führungskräfte gehen können, um auf Erfolgskurs zu bleiben. Dabei macht sie deutlich: Die Fähigkeit, eine vielfältige, moderne Workforce mit Sog zu führen, ist die entscheidende Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts. Das setzt Führungspersönlichkeiten mit "Wir-Intelligenz" voraus – Persönlichkeiten, die es schaffen, über sämtliche Grenzen, Sprachen, Kulturen und Generationen hinweg einen gemeinsamen Bezug herzustellen, ohne dabei die eigenen Werte aus den Augen zu verlieren. In ihrem mitreißenden Buch zeigt Nicole Brandes: "We-Q" ist keine Kuschelkompetenz, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor für die Zukunft.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 181

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (1 Bewertung)
1
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



»Wer die Evolution der Arbeitswelt verstehen und sich wie auch die Gesellschaft darauf vorbereiten will, findet im Buch von Nicole Brandes eine überzeugende und herausfordernde Basis!«

— THOMAS SCHMIDHEINY, UNTERNEHMER

»Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, müssen wir vor allem verstehen, wie wir eine dynamische, komplexe Welt bewältigen. Es geht um die Evolution der menschlichen Kooperation. Davon handelt dieses kluge Buch.«

— MATTHIAS HORX, ZUKUNFTSFORSCHER

»Ein visionäres Buch zur richtigen Zeit! Nicole Brandes gibt jedem Berufstätigen inspirierende Denkanstöße, um sich jetzt mit den kommenden Veränderungen auseinanderzusetzen und sich selber neu zu erfinden!«

— RAINER-MARC FREY, UNTERNEHMER

»Mit Mitarbeitenden und Kunden spürbar verbunden sein, zeichnet KMU-Unternehmer oft aus. Die große Kunst ist, das in einer immer schneller, globaler und komplexer werdenden Wirtschaft beizubehalten. Nicole Brandes beschreibt Wege, wie das gelingen kann.«

— HANS-ULRICH BIGLER, DIREKTOR SCHWEIZERISCHER GEWERBEVERBAND SGV UND NATIONALRAT FDP ZÜRICH

»Starker und praxisorientierter Rat für Macher in einer sich radikal verändernden Welt.«

— PETER FRIEDLI, RISIKOKAPITALGEBER, BIO-TECH PIONIER

»Über Trends und Lösungen für die Zukunft gibt es unzählige Bücher, aber das Buch von Nicole Brandes ist wegweisend – ein Muss für Unternehmer und Entscheider, um sich fit für die Zukunft zu machen.«

— WERNER VON ALLMEN, GESCHÄFTSFÜHRER SWISS EXCELLENCE FORUM

»Für Führungspersönlichkeiten, die etwas bewegen wollen, stellt Nicole Brandes entscheidende Fragen und geht ganz neuen Antworten auf den Grund.«

— BRUNO GUISSANI, DIREKTOR DER INNOVATIONSPLATTFORM TED GLOBAL, SCHWEIZER DES JAHRES

»Nicole Brandes ist zukunftsweisend. Ein starkes Buch zur richtigen Zeit für Führungspersönlichkeiten mit Weitblick.«

— STEPHAN ISENSCHMID, GESCHÄFTSFÜHRER SWISS LEADERSHIP FORUM

»Nicole Brandes’ Buch bringt moderne Leadership auf den Praxispunkt. Und sie zeigt den Weg in die Zukunft, den innovative Köpfe schon erfolgreich gehen.«

— PROF. DR. DR. DIETMAR TREICHEL, IKF

1. eBook-Ausgabe

© 2016 Europa Verlag GmbH & Co. KG, Berlin · München · Zürich

Umschlag: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich,

nach einer Idee von artundweise GmbH, Bremen

Umschlagmotiv: Jeannette Meier Kamer, Seewen

Layout: Blatthirsch GmbH, Seewen

Satz: BuchHaus Robert Gigler, München

Grafiken: Yusuf Asikin, Jakarta

Konvertierung: Brockhaus/Commission

ePub-ISBN: 978-3-95890-062-2

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten

Alle Rechte vorbehalten.www.europa-verlag.com

FÜR MA MA.MÖGE JEDE FÜHRUNGSPERSÖNLICHKEIT DEINE UNERSCHÜTTERLICHE STÄRKE UND DEINEN UNENDLICHEN WISSENSDURST HABEN.

— INHALTSVERZEICHNIS

WAS KOMMT JETZT?

01DAS NEUE UMFELD – DIE ZUKUNFT VERSTEHEN

Die Transformation hat begonnen

»Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.«

Kernfunktionen

Was das Internet mit uns macht

Ein Blick in die Werkstatt der Zukunft

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Neue Formen der Zusammenarbeit

Wir-Intelligenz als Basis der Zukunftsfähigkeit

02DIE NEUE ORGANISATION

Der Untergang des Kapitäns

Gestern noch Raupe, heute schon Schmetterling

Warum Führung und Organisationen neu erfunden werden müssen

Nach welchem Organisationsmodell führen Sie?

Stufen der Organisationsentwicklung

Warum alte Organisationsmodelle nicht mehr zukunftsfähig sind

Verblüffende Erfolge neuer Organisationen

»Un-Boss«: die identitätsstiftende Vision

Vom Organigramm zur lebendigen Struktur

Wer ist bereit für die Veränderung?

Die Suche nach Sinnhaftigkeit

Jenseits der Leitbilder

03DIE NEUE WORKFORCE

Eine neue Generation von Arbeitskräften

Die treibende Kraft

Was bedeutet das für die Führung?

04DER NEUE KERN

Das Unbehagen im emotionalen Trockenland

Wege zum Selbst

Identität jenseits von Berufsrolle und Erfolg

Dank

Literatur

»Wenn man die Welt mit den Augen eines Kindes betrachtet, glaubt man, alle Dinge auf der Welt hätte es schon immer gegeben. Man erkennt keinen Unterschied zwischen Bäumen und Flugzeugen. Beide sind einfach da, und man denkt nicht darüber nach, wann und wie sie in die Welt gekommen sind. Dann aber wird man älter und versteht auf einmal, wie viele Dinge um uns herum von Menschen gemacht worden sind. Viele sogar vor nicht allzu langer Zeit. Man sieht dann plötzlich ein: Die Welt ist nicht statisch. Sie ist von Menschen geändert worden. Und weil man selbst ein Mensch ist, erkennt man auf einen Schlag, dass man sie auch ändern kann. Mit einem Mal wird man sehr mächtig. Ich kann mich an diesen Moment in meinem Leben sehr genau erinnern.«

— STEVE JOBS IN EINEM TV-INTERVIEW, ZITIERT NACH KEESE, SILICON VALLEY

— WAS KOMMT JETZT?

Steve Jobs wird als Gutenberg des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Jeff Bezos als Edison. Und ob Elon Musk mit Einstein verglichen wird, weiss ich nicht. Aber zusammen mit Larry Page und Sergey Brin, Zuckerberg und Co. gehören sie zu den Zukunftsbauern unserer Welt. So unterschiedlich sie alle sind, eines verbindet sie: ihr Genius und der Erfindergeist, mit dem sie den Raum des Unmöglichen mit Realität füllen. Und damit unsere Welt und uns Menschen verändern.

Als Teenager stellte ich mir immer vor, dass wir unser Leben in Schuhschachteln zwängen. Wenn ich Leute fragte, ob sie etwas außerhalb der Schuhschachteln machen wollten, sagten sie: Nein. Oder: Ich würde ja gern, aber ich kann nicht. Wenn ich sie fragte, warum, kamen dann Antworten wie: geht nicht, weiss nicht, darf nicht. Ich habe diese Begrenzungen nie verstanden. Im Geist bin ich immer an die Ränder der Schuhschachteln gegangen, habe die Wände angestoßen und … puff!, sind sie umgekippt. Es gibt keine Grenzen. Nur eigene. Innere. Und auch die lassen sich sprengen.

Man kann Steve Jobs mögen oder nicht. Aber er war mit Sicherheit einer, der alle Schuhschachteln dieser Welt aus seinem Leben weggefegt hat. Wir müssen nicht alle Genies sein, um die Zukunft mitzugestalten. Aber die Bereitschaft, über eigene Schuhschachteln hinwegzusteigen, und den Mut, sich auf neues Terrain zu begeben, braucht es schon. Und die Erkenntnis, dass wir es allein nicht schaffen.

Wir leben in atemberaubenden Zeiten, da das Unmögliche zur Regel zu werden scheint. Ob wir dies zum Guten oder Schlechten nutzen, hängt von jedem Einzelnen ab. UnternehmerInnen und ManagerInnen der Zukunft sind starke Persönlichkeiten, welche die Weisheit der Gemeinschaft nutzen und als Multiplikatoren in die richtige Richtung lenken. Das ist eine anspruchsvolle interdisziplinäre Aufgabe. Ich fasse diese Fähigkeiten, die wir brauchen, um sie zu lösen, als »Wir-Intelligenz« zusammen. Denn je mehr technologische Entwicklung, desto mehr menschliche Kompetenzen sind gefragt. »We-Q« wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Das wird meines Erachtens noch völlig unterschätzt. Ich habe deshalb dieses Buch geschrieben. Weiche Faktoren sind die harte Währung der Zukunft.

Ich möchte Sie mit diesem Buch zum Weiterdenken und zu vielen Diskussionen anregen. Darüber, wie wir zukunftsfähig bleiben. Und darüber, wie wir über uns selbst hinauswachsen können, indem wir Verantwortung übernehmen. Auch dort, wo es notwendig ist, einen Richtungswechsel einzuleiten, um das Gute zu fördern und die Schäden zu heilen, die wir uns und unserem Planeten antun.

— NICOLE BRANDES,IM FÜHLING 2016, CUPERTINO

01

DAS NEUE UMFELD – DIE ZUKUNFT VERSTEHEN

— DIE TRANSFORMATION HAT BEGONNEN

Wahrscheinlich finden Raupen den Kokon, den sie um sich herum bauen, zu Beginn ganz gemütlich. Aber je mehr sie sich der großen Transformation ihres Lebens nähern, desto mehr fühlen sie sich von der selbst gemachten Hülle eingeengt. Vielleicht fürchten sie sich vor dem, was sie draußen erwartet, weil sie sich einen Schmetterling beim besten Willen nicht vorstellen können. Aber das Unbehagen wird schließlich groß genug, dass sie den Kokon sprengen.

Wir erleben heute eine tief greifende geschichtliche Transformation. Wir – das sind alle Menschen. Die Transformation geht insofern tief, als sie fast alles verändert: unser Denken, unser Handeln, unsere Spielzeuge und schließlich auch unsere Identität. In einer Welt, die in zunehmendem Maße durch Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt ist, sieht sich das Individuum herausgefordert und infrage gestellt: Wie soll ich als einzelner Mensch Orientierung gewinnen, Urteile fällen, Handlungsziele setzen und – vor allem – etwas bewirken, das ich verantworten kann? Solche Fragen können dem Entscheidungsträger ein Gefühl der Hilflosigkeit vermitteln, sie können ihn lähmen oder sogar außer Gefecht setzen. Auch ungelöste Probleme können zur Schachtel werden, die uns gefangen hält. Das wiederum erhöht den Druck vonseiten konkurrierender Player, die nach neuen Regeln agieren.

Komplexität ist der wichtigste Auslöser für die wachsende Zahl von politischen und ökonomischen Krisen, aber auch von persönlichen Missverständnissen.

Die Welt ist heute vielleicht nicht komplexer als früher. Die Menschen haben lediglich in jüngster Zeit immer schneller immer mehr über sie herausgefunden.

Und dann haben sie ihr ganzes riesiges Wissen in einen neuen Code übersetzt, der das Wissen selbstständig vernetzt, das heißt, selbst laufend neues Wissen schafft. Diese Übersetzung heißt Digitalisierung. Unser Wissen ist von unüberschaubarer Komplexität. Und unser Wissen hat sich durch Übersetzung vom Analogen ins Digitale verwandelt. Es hat eine Eigendynamik entwickelt, die den Büchern und Fachzeitschriften fremd war. Mit diesen aber haben die Senior Executives und grauen Eminenzen in Politik und Wirtschaft ihre Qualifikationen erworben. Unsere Wirtschaft wird teils noch von Vertretern jener fremd gewordenen, überlebten und fast schon ausgestorbenen Kultur dominiert. Weil sie noch heute mit Methoden von vorgestern die Probleme von morgen lösen wollen, werden die Methoden selbst zum Teil des Problems. Da sind wir später Geborenen gefordert, Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn wir sind nicht nur die Nachfahren, wir sind auch Kinder einer anderen, sich rasend schnell verändernden Zeit. Und wir sind aufgerufen, verantwortungsvolle Eltern der Zukunft zu werden.

— »ALLES, WAS DIGITALISIERT WERDEN KANN, WIRD DIGITALISIERT.«

DINGE UNTER SICH

Die ursprüngliche Fassung des Satzes war der langjährige Slogan der Agentur für digitale Transformation Razorfish: Everything that can be digital will be.

Bei Razorfish soll der Satz inzwischen zu einer Art Gruß oder Mantra geworden sein. Sagt er die Umkehrung der Verhältnisse zwischen physischer und virtueller Welt voraus?

Everything that can be digital will be real? Werden wir bald lediglich noch die virtuelle Welt als wirklich betrachten – die physische als überlebte Illusion? Sicher ist: Das Internet der Dinge erweitert und verdichtet sich unaufhaltsam. Die Dinge vernetzen sich. Der Kühlschrank bestellt das fehlende Gemüse selbst, und die Überwachungskamera gibt dem Rasenmäher den Auftrag, aktiv zu werden, wenn das Gras zu hoch steht. Das sind harmlose Beispiele. Die Entwicklung ist nicht zu stoppen und konfrontiert uns mit Fragen, welche in dieser neuen Welt die Rolle der Menschen sein wird. Und ob wir den anstehenden Herausforderungen gewachsen sein werden.

WERDEN DIE MASCHINEN DIE MACHT ÜBERNEHMEN?

Ich war letztes Mal im Herbst 2015 im Silicon Valley. Es war der 26. September und ich saß auf der Veranda des Saratoga Inn. Ich weiß es genau, weil nebenan ein zwölfjähriger Junge seiner etwa sechsjährigen Schwester erklärte, was sich eben am Nachthimmel abspielte: The Supermoon lunar eclipse. Geschickt nutzte er die nackte Verandabeleuchtung als Sonne, um mittels einer Mandarine als Mond, eingeschoben zwischen Glühbirne und einer Melone als Erde anschaulich zu machen, wie der Schatten der Melone die unschuldige Mandarine verfinstert. Möglicherweise kam die Mandarine auch hinter der Glühbirne zu stehen, ich weiß es nicht, wie ich so vieles nicht weiß. Aber die Kleine war begeistert und fragte:

»Was ist jetzt mit dem Supermoon?«

Da wurde es mir zu kompliziert. Ich war entzückt, dass er es nicht am Bildschirm erklärte. Mein Urgroßvater sagte immer: Alles beginnt im Kopf. Auch Lokomotiven, Containerschiffe und Roboter beginnen in menschlichen Köpfen Gestalt anzunehmen. Es gibt merkwürdigerweise kaum Science-Fiction-Filme über Lokomotiven und Containerschiffe, über welche die Menschen die Kontrolle verlieren. Dabei haben die ja diese furchtbar langen Bremswege …

Dagegen lebt merkwürdigerweise eine ganze SF-Industrie vom Typus des verselbstständigten Roboters. Welche lächerliche Verzerrung: Ein beladener Containerfrachter hat zehn Kilometer Bremsweg, jeder Roboter gehorcht sofort seinem Programm. Mit dem Roboter gewinnen wir die Herrschaft über die Technik zurück.

Zurzeit wird der Roboter gehypt. Ich habe schon in den 1980er- Jahren im Aargau das erste robotisierte Hochregallager einer Logistikfirma besucht. Flache, vierrädrige Automaten mit rot blinkendem Auge mühten sich emsig zwischen den Regalen, das Material für den jeweiligen Auftrag zusammenzustellen. Sie wichen sich rücksichtsvoll aus, und wenn die rote Lampe schwächer leuchtete und langsamer blinkte, steuerten sie zuckelnd Zapfhähne an. Was mich immer wieder selbst überrascht: Es ist für mich schwierig, gegenüber Robotern keine Gefühle zu entwickeln. Auch und gerade weil sie so brav machen, was wir wollen. Vielleicht erleben Sie das ja ähnlich?

— KERNFUNKTIONEN

»Manche Leute knacken ihre Fingergelenke. Das ist irritierend genug. Bradford Cross aber knackt beim Reden seine Zehen. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen«, schreibt Christoph Keese, Executive Vice President der Axel Springer SE, nach seiner Begegnung mit dem herausragenden Experten für künstliche Intelligenz. Keese schildert Cross in seinem Buch Silicon Valley als reichlich verschrobenen Typen in Hawaiihemd und Wollsocken. Sein Unternehmen sammelt im Kundenauftrag Informationen aus dem Netz und stellt sie entsprechend dem Kundeninteresse geordnet dar. Dahinter wirken ausschließlich Algorithmen. Bradford Cross ist ein erfolgreicher Nachrichtenaggregator, weil seine Software besser ist als alle Konkurrenzprodukte.

Damit ist er einer der wahren Zündsätze zukünftiger Technologien, von denen es auch hier, im Silicon Valley, nur wenige gibt. Weiß er, warum alle Entwicklungen im Silicon Valley so ungeheuer schnell vor sich gehen?

Er ist überzeugt, dass insbesondere Minimal Viable Products (MVP) für die Schnelligkeit und das innovative Potenzial verantwortlich sind: Die Kunst besteht darin, möglichst früh alles Überflüssige zu eliminieren, um dann die ganze Energie in die Optimierung der Kernfunktionen stecken zu können. Reduce to the max – nach diesem Mantra rasen die Kalifornier durch ihre Entwicklungsphasen.

Kein anderer Bereich des Unternehmens war früher nach außen hin gründlicher abgeriegelt als die Abteilung für Forschung und Entwicklung. Leute wie Cross scheinen diese Gewohnheit auf den Kopf zu stellen. Kaum steht der erste Prototyp, will Cross ihn einem potenziellen Kunden in die Hand geben. Er will sehen, was der mit dem Ding anfängt. Zusammen mit dem Kunden entdeckt er erst, in welche Richtung die Entwicklung weiter voranzutreiben ist.

HOUSTON, WE HAVE A PROBLEM

Jim Lovell sandte aus der Raumkapsel Apollo 13 die berühmt gewordenen Worte zur Erde: »Houston, wir haben ein Problem.«

Er sprach von einer Explosion an Bord. Wahrscheinlich war Jack Swigert beim Aktivieren der Sauerstofftanks ein Fehler unterlaufen. Das Raumschiff war kaum noch steuerbar. Es lief sehr viel Sauerstoff aus, und die Energieversorgung brach infolgedessen teilweise zusammen.

Es gab nur eine Lösung: Konzentration auf die Kernfunktion. Die Astronauten nahmen die Mondlandefähre in Betrieb und benutzten sie als Rettungsboot. Darauf wurde die Kommandokapsel vollständig ausgeschaltet. So konnten ihre Energiereserven geschont werden. Sie würden lediglich noch für den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre und die Wasserung ausreichen. So gelang es, die Kernfunktion zu erfüllen: Die drei Astronauten von Apollo 13 kehrten unbeschadet zur Erde zurück.

— WAS DAS INTERNET MIT UNS MACHT

Wie immer, wenn sich Veränderungen gebieterisch aufdrängen, geht es um Hindernisse, deren Aufbau eigentlich der Sicherung von Herrschaft dient. Und ebenda spielt der Aufbau des Internets eine einzigartige Rolle. Was sich in der Online-Welt abspielt, kann längst niemand mehr überschauen, geschweige denn beherrschen. Vereinzelte Zensurversuche, die sich etwa auf soziale Plattformen beziehen, ändern nichts daran, dass das Internet noch kaum von Gesetzen reguliert wird. Eric Schmidt bezeichnet es im Buch Die Vernetzung der Welt als »das größte Anarchismusexperiment aller Zeiten«, ja es sei »der größte unregulierte Raum der Welt«.

Eric Schmidt ist einer, der es wissen muss. Als US-amerikanischer Informatiker und Manager wirkte er bis 2011 als Chief Executive Officer und später als Executive Chairman bei Google. Im Zuge der Restrukturierung des US-Internetgiganten wurde er Executive Chairman der Google-Dachgesellschaft Alphabet Inc. Seit 2009 zählt er zum Beraterteam von US-Präsident Barak Obama in Technologiefragen und lehrt an der Stanford University.

DIE VIER STUFEN DER INDUSTRIELLEN REVOLUTION:

Die Industrialisierung begann Ende des 18. Jahrhunderts in England. Sie bestand zunächst darin, dass die menschliche Arbeit mechanisiert und in Fabriken verlagert wurde. Die Maschinen wurden durch Wasser- und Dampfkraft betrieben. Das war die erste industrielle Revolution. Sie führte zum radikalen Umbau der Gesellschaft, zur Entstehung des Kapitalismus und des Proletariats.

Die zweite industrielle Revolution folgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie ermöglichte dank Elektrifizierung die billige Produktion von Massenware.

Die dritte industrielle Revolution folgte in den 1970er-Jahren. Treibende Kraft war diesmal der Einsatz elektronischer Datenverarbeitung zur Automatisierung der Produktionsprozesse.

Heute erleben wir, dass die großen Umwälzungen immer schneller aufeinanderfolgen. Diesmal geht der revolutionäre Impuls von der Schaffung künstlicher Intelligenz und davon aus, dass durch Vernetzung eine neue Wirklichkeit entsteht, die physische und virtuelle Dimensionen integriert. Die industrielle Revolution 4.0 hat eben erst begonnen.

Schmidt meint zu Recht, dass das Internet eine der größten Umwälzungen in der Menschheitsgeschichte bewirkt. Allerdings wird dieser Evolutionssprung, so Schmidt weiter, bislang nur von den wenigsten Menschen verstanden. Was in der Nachkriegszeit mit raumgreifenden Rechnern begann, hat sich zu einem physisch nicht greifbaren Beziehungsnetz ausgeweitet, das ein unerschöpfliches Potenzial für die kreative Entfaltung der Menschheit bildet. Es wandelt sich auf verschiedensten Ebenen und wird laufend komplexer. An eine Wiedergewinnung des Überblicks ist nicht zu denken.

»Die Computer sind die Zivilisation. Wenn wir die Computer abschalten, fallen wir in eine Art von Zivilisation zurück, von der wir vergessen haben, wie sie geht«, deklarierte Murray Leinster schon 1946 in seiner visionären Geschichte A Logic Named Joe.

Der Prozess, von dem wir sprechen, hat zur Vereinfachung des Lebens geführt. Er hat vor allem den Körper entlastet: Statt die Zeitung im Regen am Kiosk zu holen, informieren wir uns im Internet. Aber der Prozess der Digitalisierung konfrontiert uns zugleich im Kopf mit einer Komplexität, die nicht mehr überschaubar ist. Wie sollen wir uns ohne Horizont orientieren? Und was bedeutet das für Führungskräfte, die richtungweisende Entscheide zu fällen haben? Es kann nicht darum gehen, die Orientierung zurückzugewinnen. Denn es gibt kein Zurück. Wir werden uns auf andere, neue Weise orientieren müssen.

Digitalisierung hat keinen Bremsweg, weil nichts und niemand sie bremsen kann – bis sie an ihre systembedingte Grenze stößt. Das sind die spezifisch menschlichen Eigenschaften. Sie gewinnen gerade vor dem Hintergrund der immer schneller fortschreitenden Digitalisierung besonderen Wert. Sie sind in mancherlei Hinsicht schon heute zur bedrohten Ressource geworden: Intuition, ästhetischer Sinn, erotisches Feingefühl und Erfindergeist. Wie gehen diese Eigenschaften mit der digitalen Umwelt zusammen?

Schmidt deutet es an: Um die Antwort zu finden, müssen wir uns nicht mit der Welt, sondern mit den Menschen beschäftigen. Sie nämlich und ihre Werke sind komplexer geworden. Und das gilt nicht etwa nur von digitalen Produkten und ihren Schöpfern. Der Mensch ist auch zur Naturgewalt geworden.

Klimakonferenzen machen es deutlich: Der Umweltschutz steckt in der Sackgasse. Die unberührte Natur ist zum Traum für Postkartensammler verkommen. Es gibt sie schon lange nicht mehr. Das Anthropozän ist angebrochen, das Zeitalter der Menschen. Wir begnügen uns nicht mehr damit, unsere Namen in die Rinde der Linde am Brunnen vor dem Tore zu ritzen. Alles trägt unsere Spuren. Aber nie war der Mensch so tief mit der Natur verbunden wie jetzt, da er angefangen hat, sie zu verändern – nicht oberflächlich, sondern porentief – bis in den genetischen Bauplan des Lebens und die atomare Struktur der Welt. Wer das erkennt, spürt das Gewicht der Verantwortung. Und wer diese annimmt, gehört zur wachsenden Gemeinschaft jener, die gute Chancen haben, die Erde zu retten.

Es gab in der jüngeren Technikgeschichte schon andere Revolutionen: etwa die Erfindung der Dampfmaschine und die Entdeckung der Elektrizität. Beide dienten unter anderem dazu, dass Menschen, Güter und Informationen schneller und komfortabler transportiert werden konnten. Mit dem Internet aber verbreitet sich Information nun rasend schnell. Sie ist tendenziell allgegenwärtig. Das ist eine Revolution mit wesentlich größerer Baggerschaufel und wohl nie da gewesener Grabungstiefe.

Innerhalb weniger Jahre haben praktisch alle Menschen Zugang zu einer ungeheuren Menge an Informationen gewonnen. Diese einzigartige historische Umwälzung definiert das Wort »Interaktion« völlig neu. Potenziell sind alle Menschen mit allen Menschen vernetzt.

Als ich in Indien war, wurde ich in Dehli von einem jungen, hungrigen Bettler angesprochen. Nachdem ich ihm etwas Geld gegeben hatte und mich verabschieden wollte, sagte der Bettler: »Bitte geben Sie mir Ihre Mailadresse. So können wir in Kontakt bleiben.« »Wieso, haben Sie einen Computer?«, fragte ich. »Nein, aber ich kann im Internetcafé gegenüber kostenlos einen Computer benützen«, erklärte der Bettler.

Wie ein wilder Fluss reißt die Revolution 4.0 alle Menschen mit sich fort. Sie trifft Mächtige und Machtlose, Reiche und Arme, Alte und Junge mit derselben Kraft. Wenn sich Führungspersönlichkeiten der klassischen Schule und traditionelle Institutionen dieser Entwicklung widersetzen, riskieren sie, zu spät zu bemerken, dass sie ihr eigenes Grab geschaufelt haben.

— EIN BLICK IN DIE WERKSTATT DER ZUKUNFT

Ich fahre auf dem Freeway 101 von San Francisco Richtung Palo Alto, ins Herz des Silicon Valley, das Epizentrum des 21. Jahrhunderts. Ich rechne mit einer halbstündigen Fahrt. Kurz nach dem Flughafen gerate ich in eine Verkehrsbehinderung. Entnervt komme ich nur noch im Schritttempo voran. Ich kann es nicht ändern, ich stehe im Stau. Während mein Jeep seine tiefen, gurgelnden Motorlaute von sich gibt, kommen meine Gedanken angesichts der Unabänderlichkeit der Lage zur Ruhe. Ich denke darüber nach, dass es doch meist gerade Hindernisse und Umbrüche sind, die letztlich Großes bewirken. Zu meiner Linken erahne ich die San Francisco Bay, meine Gedanken schweifen zu Leland Stanford, einem der innovativsten Entrepreneure des 19. Jahrhunderts, und seiner Frau Jane. Der Tod ihres einzigen Sohnes mit nur 15 Jahren veranlasste das Paar, ihr ganzes Vermögen in die Gründung der Leland Stanford Junior University zu investieren. Heute ist die Stanford University die weltweit forschungsstärkste und renommierteste Universität. Ihr verdankt die Region um die Bay Area den wirtschaftlichen Aufstieg zum mächtigsten Tal der Welt: dem Silicon Valley. Auf einer Fläche von rund 4000 Quadratkilometern erzielen hier um die 500000 Beschäftigte einen Umsatz von nahezu 200 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der IT-Cluster Rhein-Main-Neckar, der mit seinem Hauptgeschäftsfeld Business Software dem Original nacheifert und als Europas bedeutendste Software-Entwicklungsregion gilt, setzt 42 Milliarden um.

DER GENIUS LOCI TRÄGT HOODY

Hier in dieser Gegend um die Bay Area sitzen all die Firmen, die mit ihren Innovationen täglich unser Leben beeinflussen: Wie würden wir kommunizieren ohne WhatsApp und Facebook?