Wege zum Musizieren - Ulrich Mahlert - E-Book

Wege zum Musizieren E-Book

Ulrich Mahlert

4,8

Beschreibung

Im Musizieren erweitern Menschen ihr Ausdrucksvermögen, es bildet vielfältig und ermöglicht tiefe Glückserfahrungen. Musizierenlernen geschieht auf individuellen Wegen und muss ebenso individuell gelehrt werden. Dieses Buch bietet Instrumental- und Gesangslehrern eine übergreifende Methodenlehre, die ihnen ein breites Repertoire an methodischen Möglichkeiten an die Hand gibt, ihre Beobachtungs- und Reflexionsfähigkeit schult und ihre Fantasie anregt. So können Lehrende und Lernende ihre eigenen Wege zu einem erfüllenden und niveauvollen Musizieren finden. Ulrich Mahlert lehrt als Professor für Musikpädagogik an der Universität der Künste Berlin. Er ist Mitbegründer und Mitherausgeber der Zeitschrift "Üben & Musizieren" (Schott Music). Vielfältige musikpädagogische und -wissenschaftliche Publikationen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 523

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Im Musizieren erweitern Menschen ihr Ausdrucksvermögen, es bildet vielfältig und ermöglicht tiefe Glückserfahrungen. Musizierenlernen geschieht auf individuellen Wegen und muss ebenso individuell gelehrt werden. Das vorliegende Buch bietet Instrumental- und Gesangslehrern eine übergreifende Methodenlehre, die ihnen ein breites Repertoire an methodischen Möglichkeiten an die Hand gibt, ihre Beobachtungs- und Reflexionsfähigkeit schult und ihre Fantasie anregt. So können Lehrende und Lernende ihre eigenen Wege zu einem erfüllenden und niveauvollen Musizieren finden.

Ulrich Mahlert lehrt als Professor für Musikpädagogik an der Universität der Künste Berlin. Er ist Mitbegründer und Mitherausgeber der Zeitschrift Üben & Musizieren. Vielfältige musikpädagogische und -wissenschaftliche Publikationen.

Ulrich Mahlert

Wege zum Musizieren

Methoden im Instrumental- und Vokalunterricht

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Bestellnummer SDP 56

ISBN 978-3-7957-8604-5

© 2014 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

Alle Rechte vorbehalten

Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer ED 8750

© 2011 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

www.schott-music.com

www.schott-buch.de

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung kopiert und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I.  Probleme, Möglichkeiten und Grundzüge einer Methodenlehre für den Instrumental- und Vokalunterricht

1.  Zur Bildungsqualität des Musizierens und des Unterrichts

2.  Methodisches Handeln im didaktischen Fadenkreuz

Wer lernt?

Was wird gelernt

Wann wird gelernt?

Mit wem wird gelernt?

Wo wird gelernt?

Wie wird gelernt?

Womit wird gelernt?

Warum wird gelernt?

Wozu wird gelernt?

3.  Zum Verständnis des Begriffs »Methode«

Instruktivistisches und konstruktivistisches Methodenverständnis

Methoden des Forschens, Methoden der pädagogischen Vermittlung

Interdependenzen pädagogischer Faktoren

4.  Erscheinungsformen des Begriffs »Methode« in der Instrumental- und Vokaldidaktik

Instrumentenübergreifende Gesamtkonzepte von Methoden

Instrumenten- bzw. gesangsspezifische Lehrwerke

Instrumenten- bzw. gesangsspezifische Lehrstrategien

Lernbereichsspezifische Methoden

Schülerspezifische Lehrmethoden

Kulturspezifisch bedingte Lehrmethoden

Aktionsformen

Lehrmethoden in Abhängigkeit von Unterrichtsformen

5.  Drei Modellvorstellungen von Methoden

»Der Schüler ist die Methode«

»Die Musik ist die Methode«

»Der Lehrer ist die Methode«

6.  Prinzipien des musikalischen Lernens als Orientierungen für methodisches Handeln im Unterricht

Die partielle Analogie des Lernens von Musik zum Sprechenlernen

Hörvorstellung vor Notenlesen

Die Entwicklung musikalischer Fähigkeiten im Zusammenhang mit Bewegungs-, Raum-, Gewicht- und Energieempfindungen

Die Bildung der Feinmotorik aus der Grobmotorik

Lernen im Spiel

7.  Methodische Kompetenzen lernen und lehren

Leitziel methodische Kompetenz

Wie wird methodische Kompetenz in der Ausbildung gelernt?

Berufspraxis

8.  Worin besteht methodische Kompetenz? Ein Katalog prinzipieller Fähigkeiten

II.  Methodische Kompetenzen in ausgewählten Handlungsfeldern:Überlegungen, Prinzipien, Möglichkeiten

 1.  Einführung

 2.  Unterrichtsplanung und -vorbereitung

 3.  Unterrichtsaufbau und -dramaturgie

 4.  Üben

 5.  Motivieren

 6.  Elternarbeit

 7.  Interpretieren I: Verklanglichen

 8.  Interpretieren II: Transformieren

 9.  Rhythmus

 10.  Spielen

 11.  Notenschrift

 12.  Kommunikation

 13.  Improvisation

 14.  Technik

 15.  Unterrichtsformen

 III.  Glücksfähigkeit als Zielperspektive

  1.  Glück und Bildung

  2.  Glücksverheißung des Musizierens

  3.  Glückserfahrungen durch Musik und Musizieren

  4.  Was ist Glück?

 5.  Methodische Impulse zur Ermöglichung von Glück?

 Literaturverzeichnis

Einleitung

»Ich will, daß die Menschen, alle Menschen, ihren eigenen Weg finden.« (Feyerabend 1995, S. 62) Dieses Bekenntnis des Philosophen Paul Feyerabend kann als Devise des vorliegenden Buchs gelten. Jeder gute Unterricht ist darauf angelegt, die individuellen Potenziale von Lernenden zu fördern. Lehrende im Instrumental- und Vokalunterricht streben danach, ihren Schülern die Musik als eine Quelle persönlichen Glücks und das Musizieren als ein persönliches Erfahrungs- und Ausdrucksmedium zu erschließen.

Kinder und Erwachsene sind Individuen. Kein Mensch ist wie der andere. Typologische oder alterspezifische Normierungen müssen als fragwürdig gelten. So stehen in guter pädagogischer Absicht formulierte Rezepte für einen »kindgemäßen« Unterricht, womöglich differenziert nach einzelnen Lebensjahren, stets in Gefahr, die individuellen Eigenheiten verschiedener Kinder zu verfehlen. Gleiches gilt für den Versuch, methodische Regeln für den Unterricht mit »Erwachsenen« zu formulieren. Das biologische Alter reicht nicht aus zur Fundierung generell adäquater Vorgehensweisen im Unterricht mit verschiedenen Menschen. Die Vorstellung, es könne Rezepte geben, die unabhängig von den jeweiligen Schülern und Lehrern sowie der betreffenden Unterrichtssituation mit Sicherheit »funktionieren«, ist lern- wie lehrpsychologisch irrig. Jedes menschliche Lernen verläuft auf eigenen Wegen. Weder verhalten sich Schüler wie Lehrer »automatisch«, noch sind Unterrichtsinhalte tote »Stoffe«. Wo gilt Letzteres mehr als in der Musik? Sobald Musik imaginiert und ausgeführt wird, ist sie lebendig als Teil der Person, die mit ihr umgeht.

Wenn Lernwege individuell sind, dann müssen es auch die Wege des Lehrens sein. Instrumental- und Vokalpädagogen benötigen dann eine Methodenlehre, die ihnen keine starren Anweisungen vorgibt, sondern ihnen ein breites Repertoire methodischer Möglichkeiten vermittelt, ihre methodische Beobachtungs- und Reflexionsfähigkeit entwickelt und vor allem ihre methodische Fantasie weckt. Und was für das Unterrichten gilt, trifft auch für die Vermittlung solcher Fähigkeiten zu. Eine gute Methodenlehre ist bestrebt, dass Lehrende ihre eigenen methodischen Wege finden. Auch darauf zielt mein Bemühen.

Methoden bilden einen Hauptbereich der Didaktik. Daher enthalten Bücher über Didaktik des Instrumental- und Vokalunterrichts selbstverständlich auch Ausführungen über methodisches Handeln. Ein speziell als Methodenlehre konzipiertes Buch jedoch fehlt bislang. Gründe dafür liegen vermutlich in mancherlei Schwierigkeiten, mit denen ein solches Projekt zu tun hat. Wie soll es möglich sein – instrumentenübergreifend und auch das Singen einbeziehend –, für alle Spielarten des Musizierens also, methodische Fragen zu klären? Ein Klavierspieler hat es mit anderen Anforderungen zu tun als eine Gitarristin; eine Gesangslehrerin arbeitet anders als ein Schlagzeuglehrer; eine Stunde im klassischen Einzelunterricht verläuft anders als eine von einem Lehrer betreute Probe einer Jazzformation; Gruppenunterricht verlangt andere Vorgehensweisen als Klassenunterricht.

Nach einer enormen Vermehrung von Konzepten und Materialien in den letzten Jahrzehnten ist das Feld des Instrumental- und Vokalunterrichts mittlerweile kaum mehr überschaubar. Verschiedene Musikkulturen, Stilistiken, Unterrichtsformen, Gruppengrößen, Könnensstufen und Anspruchsniveaus, Lebensalter der Lernenden (vom Vorschulkind bis zum hochbetagten »Senior«) – diese und weitere Faktoren bedingen eine enorme Fülle von Erscheinungsformen musizierpraktischen Lernens und Lehrens. Sie macht es problematisch, überhaupt noch generalisierend von dem Vokal- und Instrumentalunterricht zu sprechen.

Jede Musikkultur und jede musikalische Teilkultur, jedes Instrument, jedes Lernfeld im Unterricht, jede Unterrichtsform – all diese verschiedenen Faktoren stellen eigene methodische Anforderungen. Das kann nicht anders sein: Methoden sind nicht loslösbar von Zielen, Inhalten und Unterrichtsformen, sondern bilden einen funktionellen Zusammenhang mit ihnen. Dementsprechend finden sich in Lehrwerken für diverse Instrumente, Zielgruppen, Stilistiken etc. wie auch in der ihnen gewidmeten Fachliteratur eine Fülle von methodischen Hinweisen zum jeweiligen Lernen und Lehren. Daraus eine Summe zu ziehen, fällt nicht leicht. Die Vielfalt des vorhandenen Materials sperrt sich gegen einen solchen Zugriff. Auch droht die Gefahr der Verwässerung, wenn Heterogenes in den Zusammenhang eines didaktischen Konzepts gebracht wird. Überdies erscheint der Wunsch, für all die vielen Möglichkeiten des Unterrichts im Musizieren eine Sammlung von allseits praktikablen Methoden zu erhalten, kaum erfüllbar.

Andererseits hat eine Allgemeine Instrumental- und Vokaldidaktik nicht zuletzt auch eine synthetische Aufgabe: Sie soll die in einzelnen Fachdidaktiken entwickelten Ideen mit instrumentenübergreifendem Modellcharakter zusammenbringen. Dieser Aufgabe stellt sich das vorliegende Buch. Dabei erhalten Leserinnen und Leser viele Verweisungen und weiterführende Literaturhinweise. Sie orientieren über das große Gebiet der Methoden im Instrumental- und Vokalunterricht und geben Hinweise für eine weitergehende Beschäftigung mit Fragen, deren vertiefende Behandlung im vorliegenden Rahmen nicht möglich ist.

Damit Lehrende ihre methodischen Kompetenzen entwickeln können, will das Buch hauptsächlich

•den Begriff »Methode« in einer für Instrumental- und Vokalunterricht förderlichen Weise reflektieren;

•das Bewusstsein für die Vielfalt methodischen Handelns in diesem Unterricht fördern;

•anregen, über die Faktoren nachzudenken, die methodisches Handeln beeinflussen bzw. aus denen methodisches Handeln erwachsen kann;

•Methoden nicht nur als Handeln des Lehrers, sondern vor allem auch als Handeln des Schülers begreifen lehren, d. h. nicht nur nach der Methodik des Lehrens, sondern nicht minder auch nach der des Lernens fragen;

•das methodische Repertoire erweitern;

•und vor allem die methodische Fantasie anregen (gemäß Albert Einsteins Diktum: »Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt«).

Aus gutem Grund erscheint die Plural-Formulierung »Methodische Kompetenzen« angemessen. Dies entspricht der Auffassung, dass eine generelle, alle möglichen Lernfelder abdeckende und allen möglichen Unterrichtssituationen gerecht werdende »methodische Kompetenz« eine Schimäre ist. Das Streben nach Verbesserung methodischer Fähigkeiten bleibt eine Baustelle. Unterricht wiederholt sich nicht, sondern stellt immer wieder neue Anforderungen.

Ein breites Methodenrepertoire nützt nur dann, wenn es nicht mechanistisch gehandhabt wird (»dies lehrt man so«), sondern wenn Lehrende verstehen, flexibel und variabel mit ihm umzugehen, noch besser: wenn sie Methoden nicht als starre Fertigteile benutzen, sondern sie im Unterricht individuell anzupassen, zu modifizieren und sie mit dem Gefühl für Stimmigkeit einzusetzen wissen. Unterricht wird dann zum Ereignis, wenn kompetentes methodisches Handeln aus der jeweiligen Situation erwächst. Jede methodische Möglichkeit hat ihren »Kairos« – nur zum richtigen Zeitpunkt »zündet« sie.

Methoden als Fähigkeiten praktischen Handelns sollten nicht gegen theoretische Reflexion ausgespielt werden. Es bedarf vieler – möglichst praktischer – Erfahrungen, bis die Einsicht reift, dass praktische Handreichungen ohne theoretische Fundierung im Unterricht leicht zu einem blinden, unaufgeklärten, unsensiblen und unmündigen Werkeln führen. Theorie und Praxis gehören in der Ausbildung und ebenso in der Fortbildung von Pädagogen zusammen, und zwar auf den Gebieten der Pädagogik wie der Fachmethodik. Für das Fach Musikpädagogik wäre es unredlich und unfruchtbar, praktische Fragen zum methodischen Handeln im Instrumental- und Vokalunterricht nach dem Prinzip der Arbeitsteiligkeit an die einzelnen Fachmethodiken zu delegieren. Pädagogik ist Wissenschaft und Praxis (verstanden als Erfahrungswissen und als Lehrkunst) in einem, und diese Erscheinungsformen des Fachs Pädagogik bedürfen in der Lehre einer ständigen Vermittlung.

Das Buch besteht aus drei Teilen: Der theoretische I. Teil fragt nach Verständnismöglichkeiten des Begriffs »Methode«, klärt seine Verwendungsweisen im Bereich der Instrumental- und Vokalpädagogik und sucht zu umkreisen, was »methodische Kompetenz« in diesem Bereich bedeuten kann. Der praxisbezogene II. Teil geht einer Reihe von konkreten Fragen zu sinnvollem methodischem Handeln im Instrumental- und Vokalunterricht nach. Dabei bieten die im I. Teil entwickelten Gedanken Orientierung. Der III. Teil beschäftigt sich mit dem Phänomen »Glück«. Er fragt nach den Möglichkeiten von Glück als Zielperspektive methodischen Handelns im Instrumental- und Vokalunterricht. Diese Fragestellung mag zunächst befremden; tatsächlich jedoch richtete sich das Wort »Methode« in der antiken griechischen Philosophie auf ein glückliches Leben als Ziel menschlichen Handelns.

Dem Gedanken folgend, dass auch die menschliche Stimme ein »Instrument«, d. h. ein Mittel der Darstellung von Musik ist, schließt in diesem Buch der an vielen Stellen allein verwendete Begriff »Instrumentalunterricht« durchweg den Vokalunterricht mit ein.

Zu hoffen und zu wünschen bleibt, dass das angestrebte Ineinandergreifen von theoretischer Klärung und dem Entwerfen praktischer Möglichkeiten methodischen Handelns vielen Leserinnen und Lesern Nutzen für ihre pädagogische Tätigkeit bringt.

Zahlreichen Menschen danke ich für Anregungen zu diesem Buch. Viele Studentinnen und Studenten, Kolleginnen und Kollegen, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Fortbildungen haben mir durch ihre Fragen, Gedanken und Erfahrungen immer wieder Impulse gegeben, methodischen Problemen nachzugehen. Sehr dankbar bin ich dafür, dass ich nunmehr 27 Jahre als Schriftleiter bzw. Herausgeber der Zeitschrift Üben & Musizieren an der Weiterentwicklung der Instrumental- und Vokalpädagogik im deutschsprachigen Raum mitwirken durfte. Viele in Üben & Musizieren erschienene Texte haben dieses Buch bereichert. Für umsichtige Lektorierung, hilfreiche Hinweise und wohltuenden Zuspruch danke ich Nathalie Contrael. Vor allem danke ich meiner Frau Friederike Mahlert für vielfache Ermutigung und anhaltende Unterstützung beim Schreiben.

Berlin, im Juni 2011

Ulrich Mahlert

I. Probleme, Möglichkeiten und Grundzüge einer Methodenlehre für den Instrumental- und Vokalunterricht

Eine Erörterung von pädagogischen Methoden setzt ein Nachdenken über Ziele, Inhalte und Funktionen des zugrunde liegenden Unterrichts voraus. Was Instrumental- und Vokalunterricht beabsichtigt, ist vordergründig klar: Menschen zum Musizieren zu befähigen. Die Teilfähigkeiten und -kenntnisse, die dazu gehören, sind vielfältig – und so auch die Unterrichtsinhalte. Nur einige wenige seien genannt: Musik innerlich vorstellen, Vorgestelltes auf dem Instrument oder mit der Stimme realisieren, Realisiertes differenziert wahrnehmen und mit dem Vorgestellten vergleichen können, effizient üben, Notentexte lesen und klanglich verwirklichen, instrumentenspezifische Techniken beherrschen, Musik strukturell verstehen, ihre Stilistik erfassen und realisieren usw. All diese und viele weitere Teilfähigkeiten und -kenntnisse lassen sich ihrerseits weiter ausdifferenzieren; sie beinhalten eine Fülle von zu erwerbenden Feinkompetenzen, die bei jedem Musizieren individuell gefordert sind. So wird jeder Bereich des Instrumental- und Vokalunterrichts zu einem schier unüberschaubar reichen Handlungsfeld. Das hat Konsequenzen für die im Unterricht verwendeten Methoden. Auch sie müssen von großer Vielfalt sein, wenn sie sich auf die hohe Differenziertheit der Lehrinhalte einlassen und wenn sie den Individualitäten der Lernenden – ihren Bedürfnissen, Interessen, Lernweisen und -potenzialen – gerecht werden sollen. Welche Funktionen und Bedeutungen die im Unterricht vermittelten Umgangsweisen mit Musik im Leben von Menschen gewinnen, lässt sich nicht voraussehen. Dass aber methodischer Reichtum des Lehrens und Lernens ein vielseitiges musikalisches Handeln fördert, ist anzunehmen. Methodische Vielfalt dürfte die Chance erhöhen, dass Menschen Wege zu einer ihnen gemäßen, ihr Leben bereichernden Musikausübung finden.

Denkbar wäre, ohne weitere Umstände mit der Aufarbeitung der zahlreichen methodischen Anforderungen und Möglichkeiten im Instrumental- und Vokalunterricht zu beginnen. Bei diesem Vorgehen blieben allerdings die Grundlagen von Methoden im Dunklen. Gewiss: Methodisches Handeln von Lehrenden erwächst aus der Kenntnis der zu vermittelnden Sachen sowie dem Gespür für die individuellen Lernwünsche und -möglichkeiten der Lernenden. Darüber hinaus aber gibt es noch andere Wirkungskräfte, die das Handeln von Lehrern stark beeinflussen, ja steuern: ihre mehr oder minder bewussten Grundeinstellungen zu den Bildungsfunktionen des Musizierens und des Musikunterrichts.

In der alltäglichen Unterrichtspraxis stehen Fragen des methodischen Handelns im Vordergrund. Dort ist es nicht möglich, fortwährend auf einer Metaebene die bildungsspezifische Dimension des konkreten Unterrichts mitzudenken. Ohne Klärung von Bildungsintentionen allerdings wird das Unterrichten leicht beliebig und zufällig. Ein reiches methodisches Handlungsrepertoire mag vor Monotonie bewahren; gleichzeitig aber vergrößert es die Gefahr von Richtungslosigkeit. Vielfalt des methodischen Handelns ist letztlich kein Selbstzweck, sondern eine funktionale Größe, um Menschen und Sachen gerecht zu werden.

»Musikalische Bildung findet statt, wenn Menschen in musikalischer Praxis ästhetische Erfahrungen machen. Pädagogisches Handeln, dem an musikalisch-ästhetischer Bildung gelegen ist, muß vielfältige Räume für musikalisches Handeln eröffnen, in denen ästhetische Erfahrungen möglich sind, angeregt und unterstützt werden.« (Rolle 1999, S. 5, zit. nach Kraemer 2004, S. 87) Diese programmatischen Sätze von Christian Rolle weisen besonders dem Instrumental- und Vokalunterricht eine hohe Bildungsqualität zu. Es ist ja geradezu die Bestimmung dieses Unterrichts, dass »Menschen in musikalischer Praxis ästhetische Erfahrungen machen«. Gleichzeitig spricht Rolle die methodische Ebene an. Seine Formulierung drückt aus, was Absicht des vorliegenden Buchs ist: Es möchte »vielfältige Räume für musikalisches Handeln eröffnen, in denen ästhetische Erfahrungen möglich sind«. Methodisches Handeln soll danach streben, »im Unterricht eine Kultur der Bildung zu entwickeln und Unterricht als eine Kultur der Bildung zu realisieren« (Schatt 2007, S. 65). Als Ziel und Maßstab für methodisches Handeln kann daher gelten, musikalische Bildung als Vielfalt ästhetischer Erfahrungen im Unterricht und außerhalb des Unterrichts zu ermöglichen. »Ermöglichen« bedeutet nicht »herbeiführen«: Bei jeder Konzeption methodischen Handelns im Unterricht ist zu bedenken, dass ästhetische Erfahrungen vom Lernenden selbst vollzogen werden. Erfahrungen im Umgang mit Kunst stellen keine pädagogische Verfügungsmasse dar und lassen sich nicht einfach methodisch »machen.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!