Weihnachten anders - Manuela Klumpjan - E-Book
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Weihnachten anders E-Book

Manuela Klumpjan

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Beschreibung

Die Welt hat sich verändert. Es ist Zeit für neue Traditionen, mehr Toleranz und Akzeptanz, dass Veränderungen stattfinden und durchaus gut sein können. Neue Kulturen, anders denkende Menschen, mehr Vielfalt, weniger Brauchtum. Aber dennoch soll der Weihnachtsgedanke rund um das Fest der Liebe und das Miteinander im Vordergrund stehen. Zeit für Neues, aber dennoch das Alte nicht vergessen. Der Edition Paashaas Verlag suchte dafür zeitgerechte Weihnachtsgeschichten mit positivem Ausgang. Hier dürfen Sie die lesen, die uns am besten gefallen haben. Diese Autoren haben mitgeschrieben: Kirsten Bölke, Frank Bonkowski, Luna Day, Veronika M. Dutz, Eric Eaglestone, Renate Habets, Ute Hellwig, Melanie Joußen, Martina Kast, Manuela Klumpjan, Christian Knieps, Anja Kubica, Olaf Lahayne, Monika Lorenz, Doro May mit HenniLiz Borßdorff, Gerwine Ogbuagu, Christina Reinemann, Gregor Reuter, Sonja Servos, Tamara Ströter, Björn Wulkop, Souad Zakarani

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Edition Paashaas Verlag

Herausgeber: Manuela Klumpjan

Diese Autoren haben mitgeschrieben:

Kirsten Bölke, Frank Bonkowski, Luna Day, Veronika M. Dutz, Eric Eaglestone, Renate Habets, Ute Hellwig, Melanie Joußen, Martina Kast, Manuela Klumpjan, Christian Knieps, Anja Kubica, Olaf Lahayne, Monika Lorenz, Doro May mit HenniLiz Borßdorff, Gerwine Ogbuagu, Christina Reinemann, Gregor Reuter, Sonja Servos, Tamara Ströter, Björn Wulkop, Souad Zakarani

Weihnachten anders

Neuerscheinung: November 2025

Covermotive: Pixabay

Covergestaltung: Michael Frädrich

Auswahl der Geschichten: Manuela Klumpjan

© Edition Paashaas Verlag, Hattingen

www.verlag-epv.de

Printausgabe: ISBN: 978-3-96174-273-8

Kontaktdaten gemäß der Verordnung 2023/988 zur allgemeinen Produktsicherheit (General Product Safety Regulation-GPSR):

Edition Paashaas Verlag, M. Klumpjan, Im Lichtenbruch 52, 45527 Hattingen, [email protected]

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d–nb.de abrufbar.

Weihnachten

anders

Weihnachten anders:

Sich mit Ausländern über Weihnachten zu unterhalten, kann ganz spannend sein. Denn mir erzählte ein Niederländer, dass er seit einem Besuch des Kölner Weihnachtsmarkts vor einigen Jahren einen Weihnachtswichtel in schwarz-rot-gold als Weihnachtsbaumspitze nutzt, den er dort gesehen und sofort gekauft hätte und ja so witzig findet. Dazu gibt es bei ihm am Heiligen Abend deutsche Bratwürstchen, im Garten auf dem offenen Feuer am Stock gegrillt und dazu Weihnachtsbier aus einem Maßkrug. Seit dem Weihnachtsmarktbesuch sei das für ihn der Inbegriff für Spaß, Geselligkeit und ein gelungenes Miteinander. Sie treffen sich dafür immer mit 6 – 8 Personen und läuten so das Fest der Liebe ein.

Die Welt hat sich verändert. Es ist Zeit für neue Traditionen, mehr Toleranz und Akzeptanz, dass Veränderungen stattfinden und durchaus gut sein können. Neue Kulturen, anders denkende Menschen, mehr Vielfalt, weniger Brauchtum. Aber dennoch soll der Weihnachtsgedanke rund um das Fest der Liebe und das Miteinander im Vordergrund stehen. Zeit für Neues, aber dennoch das Alte nicht vergessen.

Wir suchten zeitgerechte Weihnachtsgeschichten mit positivem Ausgang.

Hier dürfen Sie die lesen, die uns am besten gefallen haben …

Anja Kubica: Wer beschenkt den Weihnachtsmann?

„Es ist beschlossene Sache, Mama.“

Stirnrunzelnd betrachtete Erza ihren Sohn. Sie verstand nicht, was dieser meinte.

„Ab diesem Jahr machen wir es umgekehrt.“

„Was meinst du damit, Nazu? Was ist beschlossene Sache? Und was machen wir umgekehrt?“

„Das verrate ich dir erst am 24. Auf dem Altmarkt.“

Seufzend blickte Erza ihren Sohn an. Wenn dieser sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte nichts und niemand ihn davon abhalten. Es brachte auch nichts, weiter nachzufragen. Wenn er etwas nicht sagen wollte, tat er es nicht – bis für ihn der richtige Zeitpunkt gekommen war.

„Was mach ich nur mit dir, Nazu?“

„Lieb haben, Mama.“

„Das habe ich auf jeden Fall.“

Heute war erst der 10.12.2025. Ein Mittwoch. Für Erza hieß das, dass sie gleich arbeiten und Nazu zur Schule gehen musste. Das hieß aber auch, dass sie erst in vierzehn Tagen erfahren würde, was ihr Sohn dieses Jahr umgekehrt machen wollte zu sonst. Ob sie sich überhaupt würde konzentrieren können, wenn sie dauernd darüber grübelte?

Zwei Wochen später war es soweit. Nach dem Frühstück zogen sich Erza und Nazu Jacken und Schuhe an. Sie wollten zum Striezelmarkt fahren. Denn an diesem Tag gab es ein besonderes Ereignis. Der Weihnachtsmann kam dorthin. Natürlich war das nicht der echte Weihnachtsmann, sondern nur ein Schauspieler. Trotzdem durften sich Kinder bis zehn Jahre auf seinen Schoß setzen und sich etwas wünschen. Noch war Nazu zehn Jahre alt.

„Du, Mama?“

„Ja, mein Schatz.“

„Wer beschenkt eigentlich den Weihnachtsmann?“

Mit dieser Frage hatte Erza nicht gerechnet. Im Regelfall verteilte der Weihnachtsmann die Geschenke – vor allem an Kinder. Aber beschenkte auch jemand den Weihnachtsmann? Wollte er überhaupt Geschenke bekommen?

„Das ist eine gute Frage, Nazu. Ich weiß es leider nicht. Bisher habe ich auch noch nie darüber nachgedacht. Wieso fragst du?“

„Hm. Ach, nur so.“

Stirnrunzelnd betrachtete Erza ihren Sohn. Sie war sich sicher, dass er etwas im Schilde führte.

„Können wir endlich los, Mama? Ich will nicht zu spät kommen. Außerdem ist die Bahn bestimmt gaaanz voll.“

„Ja, lass uns gehen.“

Wie bereits von Nazu prophezeit, war die Straßenbahn sehr voll. Überall saßen und standen Kinder mit ihren Eltern. Plauderten. Lachten. Es gab sogar zwei Kinder, die Weihnachtsmannkostüme trugen.

„Das wäre doch die Idee gewesen, Mama.“

„Was meinst du, Nazu?“

„Na, ein Weihnachtsmannkostüm zu tragen. Das würde dem Weihnachtsmann sicher gefallen.“

„Du weißt schon, dass es keinen …“ Erza konnte sich gerade noch stoppen, die Worte – Weihnachtsmann gibt – auszusprechen. Es waren so viele kleine Kinder in der Straßenbahn, die noch an den Weihnachtsmann glaubten. Die hätten sicher alle zusammen angefangen zu weinen – lautstark – wenn sie gehört hätten, dass es keinen Weihnachtsmann gibt.

„Ich weiß, Mama. Aber es macht trotzdem Spaß, ihm zu begegnen. Auch wenn er, du weißt schon.“

Nicht echt war. Natürlich wusste Erza das. Ebenso wie alle anderen Eltern und wahrscheinlich auch ein paar der größeren Kinder in der Straßenbahn. Aber niemand wagte es, die Worte laut auszusprechen. Obwohl es vermutlich sowieso niemand gehört hätte, weil man durch die vielen Menschen kaum sein eigenes Wort verstand.

Als die Straßenbahn an der Haltestelle Altmarkt anhielt, wurde sie mit einem Male viel leerer. Alle Kinder strömten mit ihren Eltern hinaus und direkt auf den Striezelmarkt. Ungefähr in der Mitte befand sich die große Hauptbühne, auf der der Weihnachtsmann auftreten sollte. Erza und Nazu hatten bei der Menge an Menschen gar keine andere Wahl. Sie konnten nur mitlaufen. Mit allen zusammen.

Punkt zehn war es soweit. Der Weihnachtsmann betrat die Hauptbühne des Striezelmarkts. Die Kinder hatten sich schon vorher in einer Reihe am Bühnenaufgang anstellen dürfen. Nazu stand an zehnter Stelle. Es war also ziemlich sicher, dass er zum Weihnachtsmann durfte. Denn dieser hatte gar nicht so viel Zeit. Nur eine Stunde. Dann musste er los, um andere Kinder zu beschenken.

„Hohoho. Ich wünsche euch allen ein besinnliches Weihnachtsfest. Seid ihr auch alle brav gewesen?“

„Jaaa!“

Von allen Kindern – und von einigen Eltern – kam ein lautstarkes Ja. Was sollten sie auch anderes sagen? Nazu schrie zwar ebenfalls laut ja, aber er wusste, dass er nicht immer brav gewesen war. Deswegen hatte er sich einen Plan ausgedacht, wie er eine gute Tat vollbringen konnte. Seiner Mutter hatte er nichts davon erzählt. Die wird Augen machen, wenn sie sah, was er vorhatte. Aber noch war es nicht soweit. Noch musste er warten, bis er an der Reihe war, zum Weihnachtsmann zu gehen.

„Hohoho. Dann können wir ja anfangen. Möchte das erste Kind zu mir kommen?“

Das erste Kind in der Reihe war ein kleines Mädchen von sechs Jahren mit brauner Haut und schwarzen Locken. Nur zögerlich lief die Kleine auf den Mann mit langem, weißem Bart und rotem Mantel zu. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich wirklich auf seinen Schoß setzten sollte. Ein kurzer Blick ins Publikum gab ihr jedoch Gewissheit, dass sie es tun konnte.

„Wie heißt du denn, meine Kleine?“

„Athena.“

„Und was wünschst du dir zu Weihnachten?“

„Einen schwarzen Kuschelbären.“

„Hohoho. Den wirst du bestimmt bekommen.“

„Vielen Dank.“ Jetzt begann Athena zu lächeln. Flink hüpfte sie vom Schoß des Weihnachtsmannes und lief von der Bühne zu ihren Eltern.

Mit seinen Füßen wippend, wartete Nazu darauf, dass er an der Reihe war. Nach der kleinen Athena waren noch acht andere Kinder dran. Erst als das Mädchen vor ihm – ihr Name war Lilly – von der Bühne rannte, konnte er endlich zum Weihnachtsmann gehen.

„Hallo, Weihnachtsmann, wie geht es dir?“

„Hohoho. Mir geht es sehr gut. Komm, setz dich doch.“

Das ließ sich Nazu nicht zweimal sagen.

„Wie ist dein Name, mein Kleiner?“

„Nazu.“

„Und was wünschst du dir zu Weihnachten?“

„Von dir gar nichts. Im Gegenteil. Ich möchte dir etwas schenken.“

„Du möchtest mir etwas schenken?“

„Ja. Denn du hast es auch verdient, mal etwas geschenkt zu bekommen. So viel Gutes, wie du für die Menschen tust.“

Kaum hatte Nazu das gesagt, kramte er auch schon in seinem Rucksack herum. Heraus holte er einen buchgroßen Gegenstand aus Holz mit Gravur.

„Hohoho. Das ist aber ein tolles Frühstücksbrettchen. Hast du das selbst gemacht?“

„Ja, im Werkunterricht. Extra für dich.“

„Hab vielen Dank, kleiner Nazu.“

Lachend stand Nazu wieder auf und verließ die Bühne. Endlich hatte er sein Vorhaben in die Tat umsetzen können. Endlich hatte er dem Weihnachtsmann etwas geschenkt.

Autorenkurzbeschreibung:

Anja Kubica wurde im Jahr 1983 in Radebeul geboren, wo sie auch von 1990 bis 2002 zur Schule ging. Nach ihrem Abitur 2002 hat sie 2005 die Ausbildung zur Industriekauffrau erfolgreich abgeschlossen. Seit 2009 veröffentlicht sie Texte in literarischen Anthologien. Sie lebt und arbeitet in Dresden.

Björn Wulkop: Mutter macht es diesmal anders

Die Tage waren wie jedes Jahr wieder dunkler geworden, und auch die letzten Blätter waren gefallen. Draußen wurde es wie üblich ungemütlich. Bald würde es den ersten Frost geben. Michael saß in seinem Zimmer und zockte, als die Mutter zum Abendessen rief. Nicht viel später waren sie alle am Küchentisch versammelt.

„Wisst ihr was?“, sagte die Mutter fröhlich. „Dieses Mal machen wir Weihnachten einmal ganz anders!“

„Ohne Streit?“

„Sehr witzig.“

Caro verdrehte die Augen. „Was meinst du mit ‚anders‘?“

„Naja, ich dachte, da Oma nicht mehr dabei ist, könnten wir Weihnachten mal anders feiern.“

„Etwa ohne Baum?“, fragte Jonas entsetzt. „Ein Baum muss aber sein!“

„Und Geschenke!“, ergänzte Caro.

„Hört doch einfach mal zu!“, rief die Mutter ungehalten.

„Hab‘s doch gesagt“, grinste Michael. „Ohne Streit geht das nicht.“

„Also“, begann die Mutter zu erklären. „Alles verändert sich. Überall auf der Welt. Müssen wir wirklich immer nur an uns und unsere alten Traditionen denken? Es gibt doch so viel mehr.“

„Was gibt es denn noch?“

Alle sahen die Mutter mit großen Augen an. Diese begann, von Gebräuchen in anderen Ländern zu erzählen.

„Und woher weißt du das alles?“

„Aus dem Internet.“

„Und du glaubst, das stimmt so, wie es da steht?“ Caro schüttelte den Kopf.

„Müssen wir jetzt jeden Hype mitmachen? Können wir es nicht einfach so machen wie immer?“, ereiferte sich Jonas.

So sehr sich die Kinder und der Vater auch sträubten – die Mutter ließ sich nicht mehr von ihrer Idee abbringen – und das Unheil nahm seinen Lauf …

Alles begann damit, dass die Mutter am ersten Advent statt Goldpapier und Schere der versammelten Familie Küchenmesser und große Radieschen austeilte. In die verdutzten Gesichter erklärte sie, dass jeder aus den Radieschen weihnachtliche Figuren zu schnitzen hätte.

„Wer macht denn sowas?“

„Können wir nicht Sterne basteln wie sonst auch?“

Die Mutter schüttelte den Kopf. „So machen sie es in Mexiko, und dieses Jahr gestalten wir unsere eigene Nacht der Rettiche.“

„Nacht der Rettiche?“, lachte Caro. „Aber die vergammeln doch sofort.“

„Das ist ja das Besondere“, erklärte die Mutter. „Alles ist vergänglich. Daher wird das auch eine kurze Ausstellung.“

In der nächsten Woche wurden die Kinder angewiesen, alle Besen zu verstecken, damit die Hexen keine Gelegenheit bekommen sollten, sich neue Fluggeräte zu besorgen.

„Das ist doch Quatsch. Wer glaubt denn noch an Hexen?“

„Und wer glaubt noch an den Weihnachtsmann?“, konterte die Mutter. „Jedenfalls machen die das in Norwegen so.“

Die Kinder verzichten auf eine Gegenrede und fügten sich. Jedenfalls hatte das den Nebeneffekt, dass die Putzwut, die jedes Mal kurz vor Weihnachten ausbrach, dieses Jahr einmal ausblieb.

Ein paar Tage darauf wurden sie zu Nikolaus durch lautes Klopfen frühmorgens um sechs geweckt. Schlaftrunken schauten sie nach und entdeckten die Mutter, die von Tür zu Tür lief, um den Klopferstag zu feiern, vorzugsweise an einem Donnerstag, der wie sie sagte vornehmlich in Süddeutschland traditionell durchgeführt wurde.

Nur mit Mühe konnten sie die Mutter davon abhalten, klopfend durch das ganze Viertel zu ziehen. Aber dies war nicht die einzige Überraschung an diesem Tag. Denn statt Nikolaus mit Sack und Rute erschien ein katzenartiges Monster, das alles andere tat, als die bereitgestellten Schuhe zu befüllen. Vielmehr bestrafte es die verblüfften Kinder, da diese keine neuen Kleider trugen. Schließlich stellte sich heraus, dass es ihre Tante Gertrud war, die gelegentlich zu Besuch kam. Sie erklärte, dass man das in Island so machen würde.

„Gut, dass es wieder anfängt zu regnen“, meinte der Vater gelassen, „dann müssen wir wenigstens nicht draußen grillen, so wie sie es in Australien zu Weihnachten machen …“

Aber Ruhe kehrte deswegen noch lange nicht ein, denn die Kinder wurden nun in diverse Gruselkostüme gesteckt, die sie eigentlich üblicherweise an Halloween trugen. Sie wurden losgeschickt, um alle möglichen Weihnachtsdämonen aus den Straßen zu vertreiben, so wie sie es in Südtirol machen würden. Ganz allmählich bekamen die Kinder Spaß daran. Sie zogen heulend als Krampusse durch die Gassen des kleinen Städtchens und erschreckten die Leute.

Derweil begannen Vater und Mutter die Hecken des Hauses mit Spinnennetzen zu dekorieren. Das würde man in der Ukraine so machen, erklärte die Mutter. Einer Legende nach hatte einst eine arme Frau kein Geld für Weihnachtsschmuck und eine kleine Spinne erbarmte sich ihrer. Die so dekorierte Hecke glitzerte im Glanz der untergehenden Sonne. Gut, dass sie auf den Philippinen das Haus in ein einziges Lichtermeer verwandeln würden, meinte der Vater und holte die Lichterketten raus.

Die Mutter überlegte kurz, ob das nicht geschummelt wäre: Das tat er nämlich jedes Jahr. Am Ende ließ sie es dann doch zu.

Am Weihnachtstag selbst zogen sie von Haus zu Haus und ließen sich wie in Bayern den Christbaum der Nachbarn zeigen, um ihn zu loben.

Bei sich zu Hause hatten sie tatsächlich keinen Baum aufgestellt. Stattdessen war dort ein Boot, so wie einige es in Griechenland hatten. Dieses schmückten sie mit Hingabe. Und Tante Gertrud versteckte, so wie es sich in Sachsen oder auch in Amerika gehört, eine Weihnachtsgurke unter die Dekoration – ganz war sie sich aber nicht sicher. Die Mutter stellte einen schwedischen Julbock – das ist ein Geißbock aus Stroh – dazu, während der Vater sogenannte Caganer aus Katalonien besorgte. Das waren kleine Figuren, die mit herabgelassenen Hosen ihr Geschäft unweit der Krippe erledigten.

„Geht das nicht etwas zu weit?“, fragte Caro.

„Wieso?“, erwiderte die Mutter. „Diese kleinen Dinger sollen tatsächlich Glück bringen.“

Am Weihnachtsabend gingen sie wie in Finnland in die Sauna und fuhren wie in Venezuela auf Rollschuhen in die Kirche. Der Dorfteich musste wie in Irland als Meer für das Weihnachtsschwimmen herhalten.

Geschenke gab es zwar nicht, aber am Ende waren sie alle glücklich und erschöpft.

„Sag mal“, meinte Michael nachdenklich, „war das alles nötig?“

Die Mutter lächelte zufrieden. „Ich will doch nur, dass es euch gut geht …“

„Uns geht es doch gut. Haben wir das nicht gesagt?“

Die Mutter sah sie lange an.

Die letzte Überraschung gab es am Tag nach den heiligen drei Königen, dem Lichterfest Epiphanias. Die Kinder hörten etwas im Kamin poltern. Herunter fiel ein Sack mit Geschenken.

„Doch noch Geschenke?“, riefen die Kinder erfreut.

„Das war bestimmte die Hexe Befana“, sagte die Mutter unbeeindruckt.

„Wer ist denn das schon wieder?“

„Das ist ein Brauch aus Italien“, begann die Mutter zu erklären. „Da war einmal eine alte Frau, die wurde von den drei heiligen Königen gebeten, sie zum Kind zu begleiten. Da sie so viel im Haus zu tun hatte, lehnte sie ab. Später hat sie es bereut und ist ihnen auf ihrem Besen hinterhergeflogen. Sie hat sie aber nicht gefunden und fliegt deshalb jedes Jahr aufs Neue los, um Kinder zu beschenken, in der Hoffnung das ‚heilige Kind‘ könnte darunter sein.“

„Eigentlich ist es verrückt, wie viele Traditionen es gibt“, stellte Michael fest. „Können wir es nicht nächstes Mal trotzdem so wie immer machen?“

„Mit Streit?“

„Wir streiten uns doch nicht.“ Michael ging auf seine Mutter zu, zögerte kurz und umarmte sie dann ganz fest.

Autorenkurzbeschreibung:

Björn Wulkop wurde 1963 in Kopenhagen geboren und studierte Physik in Hamburg. Inzwischen lebt er mit Katze in Glückstadt und versucht dort an der Gemeinschaftsschule den Kindern Mathe, Physik und Medien beizubringen. Er schreibt nebenbei Märchen, Gedichte, Skurriles und auch Abenteuer eines kleinen lila Drachens.

Christian Knieps: Weihnachten bei Herrn Röslein

Herr Röslein war kein böser Mensch, aber das Gerücht, er sei es, hielt sich standhaft wie die Flechten an seiner bröckelnden Hausfassade. Und wenn man ehrlich war, dann hatte er selbst nicht eben viel dafür getan, es zu widerlegen – im Gegenteil: Er grüßte nicht, wenn man ihn grüßte, er lachte nie, wenn man ihn anlachte, und wenn er doch einmal den Mund aufmachte, dann kamen Dinge heraus, die nach Ablehnung und kalter Abneigung klangen, auch wenn die Worte selbst meist harmlos genug waren.

Er lebte allein, natürlich, das war in der Straße ohnehin bekannt. Das Alleinsein, das wusste jeder, war die erste Stufe auf dem Weg zur Schrulligkeit, vielleicht sogar zur vollständigen Menschenscheu, aus der nur noch Katzen oder der plötzliche Tod einen zu befreien vermochten.

Aber Herr Röslein hatte weder Katzen noch den Tod – oder besser: der Tod hatte ihn noch nicht. So saß er nun, am Nachmittag des vierundzwanzigsten Dezembers, in seinem Wohnzimmer, das nach Linoleum und vergilbtem Resopal roch, trank Schnaps aus einer Teetasse und hörte Jazzmusik aus einem knisternden Radio, dessen Frequenz immer einen Hauch neben dem Richtigen lag.

Sein “Anti-Weihnachten“, wie er es nannte, war sorgfältig vorbereitet: kein Baum, kein Licht, keine Plätzchen, kein Fernsehen mit Kitsch und Glockenspiel, sondern Sauerkraut mit Speckwürfeln, ein Buch von Schopenhauer auf dem Beistelltisch, das er seit Jahren nicht über Seite 14 hinaus gelesen hatte, und das leise Stöhnen des Windes, der an seinem maroden Dach rüttelte wie ein Geist, der den Eingang nicht fand.

Er trug einen hässlichen, braunen Strickpullunder, in dem er aussah wie ein pensionierter Verkehrspolizist, was er auch war, und Socken mit kleinen Löchern, die an der Ferse einen Grauton angenommen hatten, der selbst durch hartnäckiges Waschen nicht mehr zu entfernen war. Als er gerade mit der Teetasse ansetzte, um dem ersten „Trinkspruch gegen das Fest der Heuchelei“ (wie er es nannte) zu frönen, klopfte es. Nicht zaghaft. Nicht wie jemand, der um Butter oder Kerzenstummel bittet, sondern laut und zielsicher. Fast fröhlich.

Er erschrak.

Es gab keinen vernünftigen Grund, warum am Heiligen Abend jemand bei ihm klopfen sollte, es sei denn, es war ein Irrtum – oder ein Zeuge Jehovas, dachte er, was im Grunde dasselbe war. Zögernd, den Schnaps noch in der Hand, stand er auf, ging zur Tür und öffnete sie.

Draußen stand eine Frau, Mitte dreißig, mit einer Mütze in Regenbogenfarben, die irgendwie nicht zu ihrem blassen, erschöpften Gesicht passte. In der Hand hielt sie eine zerdrückte Plastiktüte, aus der ein Rest Geschenkpapier und eine zerbeulte Christbaumkugel ragten. Ihre Augen waren gerötet – vom Weinen oder vom Wetter oder beidem.

„Entschuldigen Sie“, sagte sie, „aber ich… ich weiß nicht, wohin.“

Herr Röslein sagte nichts. Er schielte auf die Kugel. Golden, mit roten Sternen. Billig und geschmacklos. Ein Symbol des weihnachtlichen Unsinns und: Er hasste Symbole.

„Ich bin die neue Nachbarin aus Nummer 11“, sagte sie. „Sie kennen mich sicherlich nicht. Ich bin erst letzte Woche eingezogen.“

Er nickte langsam – nicht, weil er sie erkannte, sondern weil er hoffte, dass das Nicken das begonnene Gespräch endlich beendete.

„Ich hatte Streit mit meinem Freund. Jetzt ist er weg – und das an Weihnachten. Ich bin ihm hinterher, hatte gehofft, dass wir noch mal die Chance bekommen, doch dann habe ich ihn verloren. Als ich dann … an Ihrer Türe … Ich sah das Licht unter der Türe … Ich dachte, vielleicht … haben Sie eine Steckdose? Für die Lichterkette, die ich dabei habe? Oder einfach nur … ein bisschen Gesellschaft für mich – denn ich habe schon bemerkt, dass Sie auch alleine sind.“

Was dann geschah, war nicht geplant, nicht einmal von irgendeinem unterbewussten Reflex gesteuert – es war einfach das, was geschah: Herr Röslein trat einen Schritt zur Seite und ließ sie herein. Und während sie ihre klammen Finger an seiner Heizung wärmte, stellte er eine zweite Tasse auf den Tisch, füllte Schnaps hinein und schob ihr die Teekanne zu, als wäre das alles ganz normal, als hätte er jedes Jahr zur gleichen Zeit Besuch von einer Fremden mit kaputten Kugeln, Lichterkette und Herzschmerzen.

Sie sagte nicht viel, und das war gut so. Denn in der Stille, die zwischen ihnen lag, war Platz für ein Schweigen, das nicht verletzte, sondern wärmte. Er hörte sie atmen. Leise, wie jemand, der nicht mehr mit allem rechnet, aber noch nicht aufgegeben hat.

Die Kugel stellte sie auf das Fensterbrett. Sie kippte leicht zur Seite, aber blieb stehen. Die Lichterkette schloss sie an seine uralte Mehrfachsteckdose an, die etwas versifft war und für die er sich aus irgendeinem Grund plötzlich schämte. Für einen Moment leuchteten die kleinen, bunten Lämpchen wie eine fehlerhafte Hoffnung – flackernd, aber lebendig.

Herr Röslein runzelte die Stirn. Dann nahm er das Schopenhauer-Buch vom Tisch und legte es ins Regal zurück.

„Ich habe Sauerkraut gemacht“, sagte er, „mit Speck.“

Sie nickte, und während draußen der Wind die letzten Töne von „Silent Night“ in den Äther trug, aßen sie zusammen aus einem einzigen Topf und tranken den Schnaps mit klammen Fingern.

Als die Frau später einschlief – eingerollt auf seiner Couch, unter einer Decke, die nach Campher roch –, saß Herr Röslein noch lange da und starrte auf die flackernde Kugel, die nun irgendwie schöner schien, als sie je hätte sein dürfen.

Er glaubte nicht an Wunder. Er dachte nicht an Einsamkeit. Er dachte nur, dass das Leben ihm schon seltsam mitspielt – und das ausgerechnet an Weihnachten!

Autorenkurzbeschreibung:

Christian Knieps, geb. 1980, lebt und arbeitet in Bonn, schreibt Romane, Theaterstücke, Novellen und Kurzgeschichten. Mehr Infos zu den Veröffentlichungen finden Sie auf christianknieps.net.

Christina Reinemann: Wie immer

Sarah liebte Weihnachten. Jedes Jahr fuhr sie über die Feiertage zu ihren Eltern, um mit ihnen und ihrem großen Bruder Weihnachten zu feiern. Es war ein festes Ritual geworden, seit sie vor fünf Jahren zum Arbeiten weggezogen war. Auch in diesem Jahr verbrachte Sarah die Feiertage mit ihren Eltern. Am Morgen hatte sie mit ihrer Mutter den Baum aufgestellt und geschmückt, danach war sie in ein festliches Kleid geschlüpft und hatte sich auf das gemeinsame Essen gefreut. Es gab Kartoffelsalat und Würstchen – wie jedes Jahr. Sarah liebt es. Schon als Kind hatte sie der Duft nach Kartoffelsalat immer an Weihnachten erinnert. Und auch in diesem Jahr hatte ihre Mutter wieder liebevoll alles vorbereitet. Der Kartoffelsalat stand im Kühlschrank, die Würstchen lagen daneben. Seit zwei Jahren gab es vegane Würstchen für ihren Bruder. Vegane Wurst, wer braucht so etwas, dachte Sarah sich, wollte aber an Weihnachten keinen Streit. Sie schob die veganen Würstchen ein bisschen beiseite und konnte dahinter einen Schokopudding entdecken, den ihre Mutter für sie zum Nachtisch gemacht hatte. Perfekt, dachte Sarah und schloss den Kühlschrank wieder. Und wie jeder Jahr, seit sie sich erinnern konnte, gingen ihr Vater, ihr Bruder und sie nachmittags eine Runde spazieren, fein angezogen, denn, wenn sie wieder zu Hause waren, wäre der Weihnachtsmann dagewesen und sie würden die Geschenke auspacken. Seit 20 Jahren wusste Sarah, dass es keinen Weihnachtsmann mehr gab, aber dennoch liebte sie dieses kleine Ritual mit ihren Eltern und freute sich immer sehr, wenn sie nach dem Spaziergang wieder zu Hause waren. Die Geschenke lagen verpackt unter dem Weihnachtsbaum. Alles leuchtete feierlich und hell. Sarah saß neben ihrem Bruder auf dem Boden und packte die Geschenke aus. Immer abwechselnd. Sie freute sich sehr, dass sich ihre Mutter, wie in all den anderen Jahren, wieder an ihrer Wunschliste orientiert hatte und einige schöne Dinge für sie unter dem Baum lagen. Ein dicker Pullover, den sie sich gewünscht hatte, eine Kette und ein Buch, das waren ihre Highlights. Die anderen Dinge waren auch schön, aber über die Kette hatte Sarah sich noch ein bisschen mehr gefreut als über die anderen Sachen. Sie hockte neben ihrem Bruder auf dem Boden und konnte es kaum erwarten, bis es endlich Kartoffelsalat und Würstchen geben würde. Nach dem Essen, auch das war Tradition, saßen sie oft noch lange im Wohnbereich zusammen und unterhielten sich.

Doch in diesem Jahr war Sarah nicht nach unterhalten. Sie wollte nichts über die neue Freundin ihres Bruder hören. Seine große Liebe, die vierte in diesem Jahr. Und dies hatte eine Grund, den in diesem Jahr war alles wie immer und doch war alles anders. Sarahs große Liebe, von der ihre Eltern nichts wussten, war nach Hause gefahren. Nach Syrien. Nach Damaskus. Ins Kriegsgebiet. Sieben Jahre hatte Ali seine Mutter nicht gesehen und endlich galt Syrien als stabil. Er hatte fliegen müssen, hatte er Sarah gesagt. Er wollte seine Mutter sehen. Sie in den Arm nehmen. Doch was war mit ihr? Vermisste Ali sie denn gar nicht? Wollte er nicht an Weihnachten mit ihr zusammen sein? Im sicheren Deutschland?

Sarah zuckte innerlich zusammen, während sie sich eine Gabel mit Kartoffelsalat in den Mund steckte. Heute Morgen hatte sie von Unruhen rund um Damaskus im Internet gelesen. Und von Ali – noch keine Nachricht. Die Zeitverschiebung redete Sarah sich ein – und doch war da etwas. Etwas, was anders war als sonst. Ein Gefühl. Sie vermisste ihn. Sie wollte wissen, dass es ihm gut geht. Bei Tisch galt in ihrer Familie ein strenges Handyverbot, und Sarah wurde fast wahnsinnig bei dem Gedanken, dass sie einen Anruf von Ali verpassen könnte.

Sie zwang sich zur Ruhe. Essen, Lächeln, auch wenn es ihr in diesem Jahr so schwer fiel wie schon lange nicht mehr. Ihr Handy würde nicht klingeln, nur weil sie es anstarrte. Ali würde sich schon melden. Er würde es nicht vergessen. Er hatte es ihr versprochen. Und doch war da diese Unsicherheit. Dieses Gefühl, dass sie nicht verdrängen konnte. War ihm etwas passiert? Unruhen in Damaskus und Ali… mittendrin. Wie konnte sie da das Weihnachtsfest mit ihrer Familie genießen? Lachen und sich an den bunten Lichtern erfreuen, wenn bei Ali Flammenwerfer die Nacht erhellten. Wenn statt Glocken Kugeln durch die Dunkelheit erklangen. Wie konnte sie hier nur ruhig sitzen? Und doch ertappte sich Sarah dabei, dass dies nicht einmal der schlimmste Gedanke war. Was, wenn er seine Ex-Freundin in Syrien wiedertraf? Er hätte sie beinahe geheiratet. Würde er sie vergessen? Würde er in Syrien bleiben? Sarah erschrak bei dem Gedanken daran. Würde sie ihn verlieren? Nicht durch eine Kugel, sondern an eine andere Frau. Sarah schob den Gedanken beiseite. Nein, so war Ali nicht. Sie schluckte schwer und zwang sich dazu, zu lächeln. Es war doch Weihnachten. Es war doch alles wie immer. Und doch war alles anders. Sarah war verliebt. Und in diesem Moment entschied Sarah, dass anders nicht immer schlecht ist. Nächstes Jahr würde alles anders– sie würde Ali zu ihren Eltern einladen.

Autorenkurzbeschreibung:

Christina Reinemann wurde 1982 in Kassel geboren. Sie studierte Geschichte, Psychologie und Chemie an der Universität Oldenburg. Seit Juli 2024 ist sie päd. Mitarbeiterin bei der Ev. Erwachsenenbildung Niedersachsen in der Regionalstelle in Oldenburg. Sie kann schon einige Veröffentlichungen vorweisen.

Luna Day: Karma

Allein zur Weihnachtszeit zu sein, brachte schon viele dazu, in Depressionen zu verfallen. Und ja, anfangs war es erdrückend, doch inzwischen wollte ich das nicht anders. Ich hatte nicht den Stress, für andere das beste Geschenk zu besorgen, da ich keine Familie mehr hatte. Schon mit zwanzig war ich allein, weil meine Eltern durch einen Unfall ums Leben kamen. Und eine Beziehung hatte ich zurzeit nicht, eigentlich seit ein paar Jahren nicht.

Manchmal blieb ich zu Hause und machte es mir gemütlich. Andere Weihnachtstage hingegen fuhr ich weg. Ich machte das, worauf ich Lust hatte, egal ob es am Heiligen Abend oder ein anderer Tag im Jahr war.

Letztes Weihnachten war ich auf Hawaii gewesen und genoss die Zeit unter Palmen. Und für dieses Mal hatte ich eine Berghütte mit einer Wanderung eingeplant.

Schon beim Kofferpacken war ich hibbelig und freute mich sehr darauf. Schnee, Kaminfeuer und ein Buch, dazu das Erklimmen eines Berges. Ich konnte mir nichts Besseres vorstellen. Summend füllte ich den Kofferraum und gab die Adresse mal in den Navigator ein. Noch eine Nacht in meinem Bett schlafen, dann ging es los.

Auf der Autobahn in Richtung Süden war es voller als gedacht oder mehr, als ich mich erinnern konnte. Sicherlich waren viele zu ihren Familien unterwegs, aber trotzdem kannte ich es eben nicht so. Trotz allem kam ich gut voran.

An einer Raststelle etwa bei der Hälfte der Strecke machte ich eine Pause. Auf dem Rastplatz waren Bänke mit Tischen und ein Klogebäude. Zum Glück hielten aber hier kaum Autos. In der Zeit waren nur zwei Familien dort, wo die Kinder schnell aufs Klo rannten. Kurz bevor ich weiterfahren wollte, kam ein Auto angefahren, bei dem der Motor dampfte.

Fluchend sprang ein Mann heraus, als der Wagen stand. Bellend kam ein großer Hund ebenfalls nach draußen. »Scheiße«, kam von ihm, als er in den Motorraum sah. »Benno, halt die Klappe!« Doch der Vierbeiner machte weiter. Er lehnte sich an die Motorhaube und zog sein Handy aus seiner Jeans.

»Benno, geh!« Er zeigte auf den Platz, wo die Bänke waren. »Ich muss den ADAC anrufen!«

Dieses Mal gehorchte sein Hund und ging schnüffelnd mit der Nase über den Boden. Als er bei mir ankam, beschnupperte er mich und begann mit dem Schwanz zu wedeln.

»Hey, was bist du denn für ein Schöner?«, fragte ich leise und wartete ab, wie eine fremde Fellnase reagierte. Als er nichts machte, beobachtete ich ihn genau, während ich ihm meine Hand hinhielt. Er drehte sich und ließ mich ihn streicheln.

»Verdammt, Benno«, hörte ich seinen Besitzer und bekam mit, wie er auf uns zu lief. »Es tut mir leid, er hat seine Manieren im Auto gelassen.«

»Schon okay, er braucht auch Aufmerksamkeit.«

Er fuhr sich durch die dunklen Haare. »Er ist ein Rabauke.«

»Glaube ich Ihnen sofort.« Ich sah zum Auto. »Und, jemanden erreicht?«

»Nein«, seufzte er, »sind wohl schon in Urlaubsstimmung.«

»Verständlicherweise.«

Er nickte und ging in die Knie.

»Ist es das Kühlwasser?«

»Vermutlich. Ich bin Maler und kein Automechaniker. Sie etwa?«

Ich lachte auf. »Nein, aber ich habe immer Wasser, extra Benzin und so im Wagen.«

»Auf alles vorbereitet?«

»Fast. Wissen Sie was, ein paar Kilometer weiter ist eine Tankstelle, die hat eigentlich immer auf, da gibt es bestimmt auch einen Mechaniker.«

---ENDE DER LESEPROBE---