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Rückkehr aus dem Ausland mit Kindern. Transition erleben und aktiv gestalten als Familie. Ein praktisch gestalteter Leitfaden für Rückkehrer aus dem Ausland mit Kindern und Jugendlichen. Von den ersten Überlegungen über den richtigen Zeitpunkt bis zur Ankunft in der neuen/alten Heimat, ein klar strukturierter Wegweiser. Weltkind als Handbuch für die Rückkehr von Familien aus dem Ausland. Mit vielen Ideen und Material für Kinder und Jugendliche. Geeignet für alle Altersstufen.
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Zurück – wo liegt das?
KOFFER, KUNST UND KOLIBRIS
„Zurück“ – wo liegt das?
Dieses oder nächstes Jahr
Phasen in der Entwicklung
Abschied gestalten
Kletterbaum und Meerschweinchen
Google und Co
Partnerschaft und Kinder
Das ganz normale Chaos
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Alles steht Kopf
EMOTIONEN IN DER TRANSITION
Alles steht Kopf
Stressfaktoren
Löwenzahn- und Orchideenkinder
Als Trauer und Wut zum Baden gingen
Rückkehr in der Krise
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Ankunft Heimat
WIE VIELE GIBT ES DAVON?
Ein kluges Chamäleon
Frenglisch, Jenglisch, und Denglisch
Unverzollt
Unsicherheit, Begeisterung und Weglaufen
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ADHS und Transition
PRAKTISCHE UNTERSTÜTZUNG
Weiterführende Links
Quellen
Literaturempfehlungen
Die Autorin
Danksagung
Seit mehr als zehn Jahren begleite ich Menschen, die aus dem Ausland zurückkehren. Dabei bin ich immer wieder fasziniert von den vielseitigen Erfahrungen, die Kinder und Jugendliche in den verschiedenen Ländern machen. Was für ein Privileg es doch ist, so jung schon andere Kulturen kennen zu lernen; eine unbezahlbare Blickfelderweiterung.
Gleichzeitig sehe ich auch eine innerliche Spannung in den Kindern und Jugendlichen, die in ihr Land oder das ihrer Eltern zurückkehren.
Es ist die Herausforderung, das Erlebte und Gewohnte aus dem anderen Land zurück in der Heimat einzuordnen und beide „Welten“ für sich zusammenzubringen. Immer wieder treffe ich Erwachsene, die selbst als Kinder eine Zeit lang im Ausland waren. Auch sie berichten von dem Spagat zwischen den Welten, den sie als Kind erlebt haben.
Die wichtige und oft unausgesprochene Frage lautet: Wie kann das, was ein Kind, ein Jugendlicher oder eine Familie im Ausland erlebt hat, zurück in der „Heimat“ weiter bewahrt und gelebt werden?
In der Rückkehr muss vieles schnell entschieden werden. Eltern sind außerdem meist enorm herausgefordert, wieder eine gute Lebensumgebung zu schaffen.
Kinder und Jugendliche stehen im „Reentry“ meist in einem anderen Spannungsfeld als Erwachsene, denn sie haben wichtige Jahre ihrer Entwicklung in einer anderen Kultur gelebt.
Sie haben Freunde gefunden und sich den lokalen Bedingungen zum Teil angepasst. Diese Umgebung ist für sie normal und vertraut geworden. Die „heimische Kultur“ kennen sie oft nur von Besuchen. Beziehungen zur Familie in der Heimat sind ihnen wichtig und doch vielleicht auch ein bisschen fremd.
„Alle wissen was zu tun ist, wenn die Stunde zu Ende ist und laufen in verschiedene Richtungen, ich stehe einfach da und weiß nicht was ich tun soll“, sagt Tobias nach der ersten Schulwoche in Deutschland. „Die reden von einer Fernsehsendung und den Schauspielern und ich habe das noch nie gesehen, ich fühle mich ausgeschlossen“, sagt die Siebtklässlerin Sophia. So geht es vielen Kindern und Jugendlichen bei der Rückkehr. Sie fühlen sich als Beobachter mit einem fremden Hintergrund.
In diesem Buch wird immer wieder von „Transition“ gesprochen. Dieses Wort bezeichnet einen Übergang von einem Land, einer gewohnten Umgebung ins nächste Land mit einer anderen Kultur und anderen Ansprüchen an den Alltag.
Transition beschreibt einen Zeitraum, in der die eine Lebenswelt in den Hintergrund tritt und die andere noch nicht klar erkennbar ist. Eine Art Leben zwischen den Welten. Ein Prozess, in dem das Kind schon losgelöst ist von seinem Freundeskreis und dem gewohnten Rhythmus im Alltag, ein neuer Rhythmus mit neuen Freunden aber noch nicht gefunden ist. Manchmal ist es auch der Fall, dass Kinder und Jugendliche eine Zeit lang im Ausland leben, zurückkommen und dann mit ihren Familien später wieder ins Ausland ziehen. Auch dann ist die Rede von Transitions-Phasen.
Viele junge Erwachsene, die als Kinder in einer anderen Kultur gelebt haben, finden es nicht leicht, sich in der Heimat der Eltern ganz heimisch zu fühlen. Sie fühlen sich oft hin und her gerissen und können nicht wirklich ankommen in einer Kultur.
Die Meinung, dass Kinder sich schnell wieder eingewöhnen, ist weit verbreitet. Das mag bei oberflächlicher Betrachtung richtig erscheinen. Viele Kinder zeigen allerdings nicht, wie schwer es ihnen fällt, in ihrer Umgebung wieder dazuzugehören. Innerlich empfinden sie Trauer oder ein Durcheinander von Gedanken und Gefühlen. Viele Kinder wissen nicht, wie sie diese Empfindungen ausdrücken können oder möchten sie auch nicht äußern, um die Harmonie in der Familie zu schützen.
Mir ist es ein Herzensanliegen geworden, dass Freiräume für Kinder und Jugendliche entstehen, in denen sie über ihre Erfahrungen und Veränderungen reflektieren können. Ich bin immer wieder erstaunt, wie auch schon ganz kleine Kinder durch diese Möglichkeit in der neuen/alten Heimat viel besser wieder Fuß fassen können.
So ist dies ein Buch für Eltern und Menschen, die Kinder und Jugendliche im Prozess der Transition begleiten und Freiräume ermöglichen möchten, in denen die Kinder gehört werden.
Es ist auch ein Buch, das sich an Kinder und Jugendliche selbst richtet. Mit den DIY-Seiten bietet das Buch praktische Möglichkeiten, die eigenen Erfahrungen individuell zu reflektieren. Ergänzend finden Sie Kopiervorlagen zum herunterladen unter www.schuppener-global-transitions.com.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nur eine Geschlechterform verwendet. Selbstverständlich sollen hiermit beide Geschlechter angesprochen werden.
Christine Schuppener
„Zurück“ – wo liegt das?
Dieses oder nächstes Jahr
Phasen in der Entwicklung
Abschied gestalten
Kletterbaum und Meerschweinchen
Google und Co
Partnerschaft und Kinder
Das ganz normale Chaos
„Wir gehen im Januar wieder zurück.“ Gespannt warten die Eltern auf die Reaktion der sieben- und zehnjährigen Töchter. Erstaunte Gesichter und Schweigen sind die Antwort. Zurück, was bedeutet das für Kinder, die eine bedeutende Phase ihrer Entwicklung in einem anderen Land verbracht haben? Eine sehr vertraute Nachbarschaft, das gewohnte Straßenbild, die Geräusche am Straßenrand, Gerüche nach frischem Regen, das Rascheln der Blätter hinter dem Haus – all das gehört für Kinder, die im Ausland aufwachsen zum „normalen“ Leben dazu. Die andere Sprache und Kultur im Land, das Klima und die Gewohnheiten, ein ganz spezielles Lebensgefühl.
Als Erwachsene nehmen wir all das auch wahr, nur sortieren wir diese Eindrücke anders ein. Unsere „innere Festplatte“ wurde zunächst von unseren eigenen Erinnerungen in der Kindheit geprägt: Die Kleinkindphase im Elternhaus, der erste Kontakt mit den Nachbarskindern, die Kindergartenzeit und die Grundschule. Wir erinnern uns an Straßenecken, in denen wir Streiche gespielt haben, an einen Schulweg, den wir verträumt nach Hause gelaufen sind, an die aufregenden Spiele im Sportverein, den Sommer im Schwimmbad und das Gedränge am Pommesstand. Wir erinnern uns an Winter mit Schnee und an unsere erste Fahrstunde im strömenden Regen. Viele Erfahrungen sind emotional mit unseren Erinnerungen verknüpft. Die Erfahrungen, die wir als Erwachsene im Ausland machen, kommen dazu und ergänzen so das Fundament unserer Kindheitserfahrungen.
Für Kinder, die sich in einer wichtigen Entwicklungsphase befinden und vieles intensiver erleben als ein Erwachsener, der hier und da neues aufnimmt, ist das anders. Die Erfahrungen, die wir bis zu unserem zehnten Lebensjahr machen, legen den Grundstein für unser Wertesystem. Es entsteht so etwas wie eine innere Festplatte auf der diese grundlegenden Lernerfahrungen geschrieben sind.1
Kinder haben im Land Freundschaften geschlossen und vertraute Menschen in ihrer Umgebung kennengelernt. Das kann der Verkäufer im Supermarkt um die Ecke sein oder die nette Dame am Eisstand, der Lehrer im Kindergarten oder in der Schule. Als Familie haben Sie in den Jahren im Ausland Freunde gewonnen, neue Lebensgewohnheiten angenommen. All das ist für Ihr Kind eine Selbstverständlichkeit geworden. Dies alles nun einfach zu verlassen und auf unabsehbare Zeit nicht mehr dort zu leben, scheint unbegreiflich für Kinder zu sein.
Die meisten Kinder waren während ihres Auslandsaufenthalts immer mal wieder zu Besuch bei den Großeltern oder sogar in einem eigenen Haus. Nun werden sie dortbleiben. Dass dieser Schritt zunächst endgültig ist, ist für sie schwer vorstellbar.
Kinder und Teenager, die einige Jahre im Ausland verbracht haben und nun zurückkehren, verlieren nicht nur ihre Freunde, sie verlieren meistens ihre gesamte gewohnte Umgebung.
Die Rückkehr selbst ist oft erst einmal ein frohes Wiedersehen mit den Großeltern und anderen Verwandten. Vielleicht schwingt ein wenig Urlaubsstimmung mit und Erinnerungen an eine gute Begegnung in der Nachbarschaft während des letzten Besuchs im Sommer. Für Kinder ist die Entscheidung, in ihr Geburtsland oder das ihrer Eltern zurückzukehren, oft sehr abstrakt. Sie leben meistens mehr in der Gegenwart als Erwachsene. Die Kontakte zu Gleichaltrigen sind wichtig, zur Gruppe gehören ist entscheidend im Alltag.
Sandra kommt aus Deutschland. Mit ihren Eltern ist sie im Alter von sieben Jahren nach Peru gezogen. Nachdem der Vater sein Projekt dort beendet hatte, kehrte die Familie zurück in die Heimat. Sandra ist inzwischen elf Jahre alt und sollte die fünfte Klasse der lokalen Gesamtschule besuchen. In Peru hat sie eine deutsch-/spanischsprachige Schule besucht. In den Ferien war sie immer wieder zu Besuch im kleinen Dorf bei den Großeltern in Deutschland gewesen. Manche der Kinder kannte sie noch vom Kindergarten und aus der Grundschule. Sie freute sich, die Kinder wiederzusehen. Doch nach ein paar Wochen wurde sie immer stiller und zurückgezogener. Sie wollte oft nicht mehr nach draußen gehen und klagte immer häufiger über Bauchschmerzen. In der Schule war sie weiter sehr bemüht, gute Leistungen zu erbringen, doch zu Hause wurde sie immer ruhiger. Nach mehrmaligem Fragen äußert Sandra, dass sie das Gefühl habe, einfach nicht dazuzugehören. Die Anderen sprächen oft über Dinge, die sie nicht kenne oder Zusammenhänge, die ihr nicht klar seien. Manchmal verstehe sie auch einzelne Worte nicht. Die Anderen beschäftigen sich dann schon lange wieder mit etwas anderem und Sandra stehe daneben.
Es kann einen Unterschied in der Vorbereitung auf die Rückkehr machen, wie intensiv sich die Familie mit wichtigen Abläufen in der Heimat auseinandersetzt. Natürlich braucht man immer eine Ein- bzw. Umgewöhnungszeit. Aber Kinder, denen die alltäglichen Gewohnheiten und Abläufe in Deutschland schon ein wenig bekannt sind, finden es leichter, hier den Anschluss an die eigene Peergroup zu finden.
Für manche steht die Entscheidung bereits zu Beginn des Auslandseinsatzes fest. Der Vertrag wurde für drei Jahre festgelegt und nun geht diese Phase zu Ende. Andere halten sich den genauen Zeitpunkt der Rückkehr offen und entscheiden dann schließlich nach ein paar Jahren im Ausland zurückzukehren. Manchmal kommt es auch zu einer ungewollten Rückkehr durch ein plötzliches Ereignis im persönlichen Umfeld oder eine Veränderung in der Firma oder Organisation. Auch eine unvorhergesehene Krise im Land kann zu einer vorzeitigen Rückkehr führen. Auf diese besonderen Situationen werde ich ab Seite 83 noch genauer eingehen.
Kinder erleben das zu Ende gehen einer besonderen Lebensphase anders als Erwachsene und sie brauchen besondere Begleitung und Ermutigung. Die Tatsache, dass Kinder sich meist schnell und flexibel einer neuen Umgebung anpassen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kinder bei einem Rückzug in das „Heimatland“ oft ihre gesamte vertraute Umgebung verlieren. Eine gut durchdachte Vorbereitung ist darum umso wichtiger.
Schon sehr früh beginnt eine Phase des Umbruchs. Ihr Kind war involviert und integriert in die Schule oder in den Kindergarten. Eine tägliche Routine hat stattgefunden. Der Schulbus kam immer um die gleiche Zeit am Morgen. Ihr Kind wusste genau, wo jedes ihm bekannte Kind seinen Sitzplatz hatte und zu wem man lieber etwas Abstand hält. Die Lehrer und die morgendliche Routine waren ihm bekannt. Es kannte sich in der Nachbarschaft und der Wohngegend aus, kannte die besten Verstecke im Garten und die steilsten Hügel zum Skateboard fahren. Das Quietschen des Fahrrads vom Postboten am Nachmittag war ihm genauso bekannt wie das ständige Rauschen der vorbeifahrenden Autos vor dem Haus. Ihr Kind oder Ihre Kinder waren involviert und auch integriert in ihre Umgebung. Nun beginnt sich der gesamte Lebensmittelpunkt zu verschieben.
Mit der Bekanntgabe des Umzugs zieht Umbruchstimmung auf. Die Umstände beginnen sich zu verändern. Die Schulklasse plant eine Klassenfahrt im nächsten Jahr und es wird klar, dass Ihr Kind nicht daran teilnehmen wird.
Immer öfter findet etwas ein „letztes Mal“ statt. Ein letztes Mal Ferien am Meer, ein letztes Mal Geburtstag feiern mit Freunden aus der Nachbarschaft. Es beginnt unbequem und manchmal auch unangenehm zu werden. Manches fühlt sich sogar ein bisschen unsicher und chaotisch an. Plötzlich ist die Welt nicht mehr klar geordnet. Dinge, die in der Welt ihres Kindes immer so waren, beginnen sich zu verändern. Das kann manchmal ganz schön merkwürdig sein. Manchmal kann es auch dazu führen, dass Ihr Kind sich als Außenseiter fühlt. Die Anderen bleiben vielleicht alle und damit bleibt erst einmal auch die Welt der Anderen scheinbar unverändert. Die Welt Ihres Kindes verändert sich plötzlich schnell.
Wann ist das passende Alter für einen Umzug?
Bevor der genaue Zeitpunkt nicht feststeht, sollten Vorschul- und Grundschulkinder noch nicht in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden. Generell ist es leichter für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr, wenn sie erst vom Umzug erfahren, wenn die Rahmenbedingungen geklärt sind. Sie würden sonst unnötig verunsichert und beunruhigt werden. Ältere Kinder und Teenager können auch schon etwas früher in den Prozess miteinbezogen werden, um ihre Meinung äußern zu können. Gelingt es Ihnen, den Kindern und Teenagern zu vermitteln, dass ihre Situation gesehen und ernst genommen wird und dass hier alle an einem Strang ziehen wollen, so wird es die Kinder auch später, in der endgültigen Entscheidung das Land zu verlassen, stärken.
Wann der genaue Zeitpunkt ist, eine Rückkehr anzukündigen, hängt von vielen Faktoren ab. Das Alter des Kindes spielt eine grundlegende Rolle. Ein dreijähriges Kind kann sich nicht vorstellen wie lange der Zeitraum eines halben Jahres ist. Grundschüler können diesen Zeitraum eher erfassen. Teenager verstehen die äußeren Gegebenheiten sehr gut, können jedoch den Umfang dieser Entscheidung noch nicht vollständig erfassen.
Eine wichtige Grundregel ist Ehrlichkeit. Kinder dürfen auf keinen Fall mit falschen Aussagen vertröstet werden. Sie haben ein sehr feines Gespür und merken meist sehr schnell, dass ihre Eltern sich in einem Veränderungsprozess befinden. Es ist für Kinder existentiell wichtig, sich auf ihre Eltern verlassen zu können. Als Eltern sollten Sie Ihren Kindern Sicherheit geben. Dieses Gefühl der Sicherheit ist gefährdet, wenn einmal gemachte Aussagen später zurückgenommen werden.