Weltkrieg der Währungen - Eckert Daniel D. - E-Book

Weltkrieg der Währungen E-Book

Eckert Daniel D.

0,0
15,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit der 1. Auflage von Weltkrieg der Währungen Ende 2010 überschlugen sich die Ereignisse auf den Devisenmärkten und in der Welt. In dieser aktualisierten Auflage des Finanzklassikers fließen die ungeheuren Geschehnisse um die Staatsfinanzen in Griechenland ebenso ein wie die rasant steigende Verschuldung der USA. Daniel D. Eckert gibt fundierte und kenntnisreiche Antworten auf alle Fragen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 430

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Daniel D. Eckert

Weltkrieg der Währungen

 

DANIEL D. ECKERT

WELTKRIEG

DER

WÄHRUNGEN

WIE EURO, GOLD UND YUAN UM DAS ERBE DES DOLLAR KÄMPFEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

5., aktualisierte und erweiterte Auflage 2012

© 2012 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Markus Setzler, Mehrlichtimtext

Korrektorat: Bärbel Knill

Umschlaggestaltung: Judith Wittmann

Satz: Georg Stadler

Druck: CPI Ebner & Spiegel, Ulm

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-89879-684-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-321-1ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-322-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Imprints unter

www.muenchner-verlagsgruppe.de

 

Du lebst im Abgrund und du ahnst es nicht.

Teiresias zu Ödipus (Sophokles)

VORWORT

Währungshüter – unter diesem ehrenvollen Namen waren Notenbanker bis vor kurzem bekannt. Im Laufe von Jahrzehnten hatten sich die Direktoren von Bundesbank, Federal Reserve und Bank of England die Reputation erarbeitet, den Wert ihrer Währung zu verteidigen, und zwar vehement. Nicht selten legten sich die Geldpolitiker für dieses Ziel mit der Regierung an. Doch die Finanzkrise hat die Geldpolitik verändert, und das nicht zum Besseren.

In der Krise haben Fed-Chef Bernanke, die EZB-Präsidenten Trichet und Draghi, aber auch andere Notenbanker zu drastischen Mitteln gegriffen, um die großen Banken vor dem Untergang zu bewahren, die Konjunktur zu stabilisieren und den Regierungen aus der Klemme zu helfen. Was die Herren des Geldes als vorübergehende Maßnahmen gegen eine akute Notsituation ausgaben, ist zum Dauerzustand geworden. Rund um den Globus sind Notenbanker in bedenkliche Nähe zur Macht gerückt. Rund um den Globus sind sie darauf verfallen, Billionen in eine Materialschlacht gegen die Krise zu werfen. Rund um den Globus führen sie einen Krieg der Währungen, in dem unser Geld das Kanonenfutter ist.

Die Zeche für diesen Krieg zahlt jeder von uns als Bürger und Sparer. Überall in den großen westlichen Ökonomien tendieren die Zinsen gegen null – zum Nachteil von jedem, der privat vorsorgt. Aber auch bei den Sicherheitsregeln, die den Wert unseres Geldes gegen Inflation schützen sollen, herrscht anhaltender Ausnahmezustand. Althergebrachte Standards werden über Nacht über Bord geworfen, um bankrotte Geldhäuser am Leben zu erhalten. Für systemrelevant erklärt, müssen diese Zombi-Banken weiter existieren, denn den Kreditinstituten ist von den Regierungen im Weltkrieg der Währungen eine unverzichtbare Rolle zugedacht: Als Staatsfinanciers sind sie Teil des politisch-finanziellen Komplexes.

Notenbanken, konzipiert als Sachwalter des Geldwerts und Kreditgeber letzter Hand, sind zu Währungskriegsministerien mutiert. Selbst die Bundesbank, die einstige Gralsburg des harten Geldes, macht mit bei diesem riskanten Billionenspiel. Mit der Vorgabe der Alternativlosigkeit ist die deutsche Zentralbank zu einem riesigen Girokonto für die klamme Währungsunion geworden: Die Gläubiger in der Euro-Peripherie stehen bei der Bundesbank schon knietief im Dispo. Das Konto ausgleichen müssen am Ende im Zweifel die deutschen Steuerzahler.

Am unverhohlensten jedoch manipuliert die Supermacht USA das Geld. Auch sieben Jahrzehnte nach der Währungskonferenz von Bretton Woods gebieten die Amerikaner mit dem Dollar über die Leitwährung. Im Unterschied zu Europäern oder Japanern genießen sie das »unverschämte Privileg«1, ausländischen Investoren und Sparern die Kosten ihres Kriegs gegen die Krise aufbürden zu können. Solange die Ausländer den Dollar brauchen, mag Washingtons Rechnung aufgehen. Aber China wartet nur darauf, Amerika den Vorrang abzulaufen und mit dem Yuan einen Angriff auf den Dollar zu starten.

Seit der Erstauflage dieses Buches im September 2010 haben sich die von mir vorhergesagten Entwicklungen drastisch beschleunigt. Das rief nach einer grundlegend überarbeiteten Neuauflage des Buches.

In zahlreichen interessanten Gesprächen und Briefen trugen Leser Fragen an mich heran. Manche äußerten Zweifel, dass die chinesische Erfolgsgeschichte tragfähig ist und dass der Yuan den Dollar als Leitwährung ablösen wird. Andere zielten darauf ab, ob der Euro überhaupt eine Überlebenschance hat. Wieder andere fragten, inwieweit sich Gold als sichere Alternative zu den Papierwährungen eignet. Auf all die Anmerkungen und Kritik antworte ich in dieser fünften, aktualisierten und deutlich erweiterten Auflage. Darin ordne ich auch jüngere Entwicklungen wie den europäischen Fiskalpakt oder den überraschend schnellen Aufstieg des Yuan zur Handelswährung ein.

In den vergangenen zwei Jahren ist der Weltkrieg der Währungen nicht etwa verklungen. Er hat sich verlagert und, zumal in Europa, verschärft. Wie in jeder Schlacht ist die Wahrheit eines der ersten Opfer, wir sollten daher den Worten jener Funktionäre, die wir einst als Wächter des Geldwerts verehrten, besondere Skepsis entgegenbringen. Aus Währungshütern sind längst Währungskrieger geworden. Wappnen wir uns mit Wissen!

Berlin, im Juni 2012

INHALT

VORWORT

EINLEITUNG: WELTKRIEG DER WÄHRUNGEN

TEIL I: AUF- UND ABSTIEG DES DOLLAR

EIN UNVERWÜSTLICHER TRUTHAHN

1. Bescheidene Anfänge

Blick zurück in Angst

Helikopter-Ben

Im Anfang war die Inflation

Gold oder Silber?

Ein Rechenunfall macht Geschichte

Netzwerk Britannia

Greenback schlägt Greyback

Das »Verbrechen von 1873«

Wahlkampf ums weiße Metall

2. Die Geburt einer unerwarteten Weltwährung

Die Schwäche der anderen

Der größte Gläubiger der Welt

Dollarsonne über Europa

Das Ende einer Ära

Eine besondere Beziehung

Vom Goldstandard zum Währungskrieg

3. Der Dollar auf dem Zenit seiner Macht

Ein kleiner Ort in Neuengland

Auftritt Keynes

Das unerreichte Ideal

Ein tragischer Held

Bedenkenträger Triffin

Die Ruhe von Bretton Woods

Transatlantische Fragezeichen

4. Anfechtungen und Bewährungen

Vietnam: ein Dollar-Debakel

Fort Knox droht auszubluten

De Gaulles Angriff

Die wichtigste Bastion fällt

Der Tod von Bretton Woods

Papier

Stagflation

Paul Volcker rettet die Weltwährung

5. Dollar-Dämmerung

Dämonische Dollars

Die dunkle Seite

Greenback-Recycling

Ein Menetekel namens LTCM

Greenspan – das Gesicht einer Ära

Was bleibt vom Dollar?

Ungewisse Zukunft

Reservestatus in Gefahr

TEIL II: DER KAMPF UM DAS ERBE DES DOLLAR

1. Der Yuan – Chinas gefesselter Koloss

Der gefesselte Koloss

Pekings Angst vor den Spekulanten

Der Albtraum der Kader

Ökonomische Supermacht

Währung als Waffe

Spiel auf Zeit

Heimliches Vorbild Japan

Die finanzielle Atombombe

Eine neue Sues-Krise?

Planspiel Währungskrieg

Der Aufstieg des Yuan zur Weltwährung

Schattenseiten

Chinas Schulden

Stellare Ambitionen

Weltfinanzzentrum Schanghai

Das Drehbuch zur Dominanz

Was schiefgehen könnte

Ein neuer Protektionismus

Die Superblase

Heisei – der groteske Boom

123 Billionen Dollar

2. Der Euro – starker Schwächling und labiler Kraftprotz

Die vielen Anläufe zur Währungsunion

Die starke Währung Europas

Deutsche Traditionen

Das wahre Wunder

Die Bundesbank

Stabilitätskultur

Frühe Visionen

Werner-Plan

Die schwierigen Siebzigerjahre

Europäischer Dauerdualismus

Erbfreundschaft

Die Domestizierung Deutschlands

Der Wehrmachtsoffizier und der Résistance-Kämpfer

Franc fort und Frankfurt

Glücksgewinne

Gelungene Generalprobe – wirklich?

Wiedervereinigung und Währungsvereinigung

Der Mann, der ein Land einte und eine Währung zu Grabe trug

Schlag gegen die Bundesbank

Pariser Währungsneid

Nachruf auf die D-Mark

Würdiger Erbe gesucht

Die Schlacht um das Pfund

Die schöne Mär von der Konvergenz

Kriterien und Kritik

Mahner und Zweifler

Schön- und Schlechtwetterjahre

Holprige Anfänge

Griechische Paradoxien

Beben in Konvergenzistan

Das Drama nimmt seinen Lauf

Moralisches Risiko

Vergemeinschaftet

Blackbox Brüssel

Vorsicht, Ansteckung!

Die Vergangenheit holt den Euro ein

Showdown im Mai

Die Furcht vor dem Kollaps

Rendezvous mit der Geschichte

Die Konversion der »Madame Non«

Der Crash der EZB

Kampf den Spekulanten

Fiskalunion – Deutsche Diät für Europa?

Ein Schuft namens Target

Euro, Teuro, Steuro

3. Gold – das quicklebendige Währungsfossil

Die überraschende Wiederentdeckung des gelben Metalls

Der Brown-Indikator

Abschied vom Gold

Ein schwarzer Schwan

Krügerrand statt T-Aktie

Der Anti-Dollar

Die Reue der Notenbanken

Perspektiven für einen neuen Goldstandard

Metall des Vertrauens

Der Ebenezer Scrooge der Währungswelt

Glänzender Staatsfeind

The Day After

Der private Goldstandard

TEIL III: DIE NEUE WELTORDNUNG DER WÄHRUNGEN

1. Demarkationslinien des 21. Jahrhunderts

Chinas Chance

Der ruhende Pol

Die Krise des Westens

Schicksal Demografie

Ein schlechtes Geschäft

Sozialstaat und Papiergeld

Flucht aus dem Experiment

Währungskriegsreporter

2. Reflexionen über Europa und sein Geld

Transferunion oder süßes Gift

Wirtschaftsregierung, aber wer regiert?

Währungsputsch in Griechenland

Rückkehr der D-Mark

Monetärer Provinzialismus

Stirb und werde: Eurozone 2.0

DANKSAGUNG

ÜBER DEN AUTOR

LITERATUR

FUSSNOTEN

EINLEITUNG: WELTKRIEG DER WÄHRUNGEN

Währungen sterben langsam. Selten gibt es jenen dramatischen Augenblick, da sie mit einem hyperinflationären Todesschrei von uns gehen, wie es 1923 der Mark des Deutschen Reichs widerfuhr. Heute ist es der amerikanische Dollar, der um sein Leben kämpft. Fast unmerklich vollzieht sich sein Dahinscheiden. Der »Greenback«, über Generationen Inbegriff von Einfluss und Wohlstand, das ikonische Geld schlechthin, verabschiedet sich als Hartwährung durch die Hintertür der Geschichte.

Amerika wird noch auf Jahre die größte Wirtschaftsmacht der Welt sein, doch seine Währung ist schwer krank. Als Todesursache wird man dereinst eine Überdosis an Schulden vermerken: Fast 16 Billionen Dollar hat sich allein der amerikanische Staat aufgeladen, dazu kommen die Verbindlichkeiten der Sozialkassen, der Unternehmen, der Privaten, die sich konservativen Berechnungen zufolge auf weitere 40 Billionen Dollar summieren. Insgesamt türmen sich die Schulden der USA nahezu auf das Vierfache ihrer Wirtschaftskraft. Amerikas Sucht nach Kredit macht den Greenback von Jahr zu Jahr blasser, schwächer, hinfälliger.

Eine Banknote ist nichts anderes als ein Schuldschein, und immer mehr Menschen auf der Welt zweifeln daran, dass Amerika sein Versprechen wird einlösen können, all das viele geborgte Geld zurückzuzahlen. Die Devisenmärkte reden eine unverblümtere Sprache als die rätselhaften Ratingagenturen, deren Rolle der einer undurchsichtigen Nebenperson in manchem Shakespeare-Stück zur Ehre gereichen würde. Nur eine einzige – Standard & Poor’s – hat den USA die Spitzenbonität AAA (Triple-A) entzogen. Nach Meinung der anderen Agenturen kann sich Amerika als Schuldner mit der höchsten Kreditwürdigkeit brüsten. Doch der Wert des Dollar, in dem all die Verbindlichkeiten einst zu tilgen sind, wird ausgehöhlt.

Der Dollar ist nicht der einzige Kranke. Auch die übrigen Währungen leiden unter der exzessiven Kreditaufnahme ihrer Regierungen, auch die übrigen Währungen werden durch die Überdosis an Schulden zerrüttet. Das »griechische Drama« – die um sich greifende Peripheritis des Euro – gemahnt die Europäer daran, dass auch ihr Geld sterblich ist.

Keine Währung jedoch ist so angeschlagen wie der Dollar. Zum Japanischen Yen und zum Euro hat er sich seit Anfang des vergangenen Jahrzehnts um ein Viertel verbilligt, zum Schweizer Franken um beinahe 50 Prozent. Wie ernst es um den Greenback steht, offenbart der Goldpreis. In Unzen des Edelmetalls gemessen hat der Dollar in der zurückliegenden Dekade mehr als vier Fünftel seines Wertes eingebüßt. Die traditionelle Währung Gold findet den Respekt der Investoren. Sie trauen dem Edelmetall zu, Werte zu erhalten, Sicherheit zu bieten, auch in Zukunft überall akzeptiert zu sein – Eigenschaften, auf die der Greenback noch vor nicht allzu langer Zeit das Quasi-Monopol zu haben schien. Das gelbe Metall wird zum Anti-Dollar und damit zur Nemesis Amerikas.

Bis 1971 bildeten Gold und Dollar eine Einheit. Der Greenback war stark, weil er sicher auf dem Edelmetall-Sockel in Fort Knox ruhte. Dann löste Richard Nixon diese Bindung mit einem Federstrich auf. Schnell lernten die Amerikaner, die unerträgliche Leichtigkeit des Papier-Dollar zu lieben. Mehr als das: Nixon und seine Nachfolger entdeckten, wie gut sich eine Leitwährung als Machtmittel einsetzen ließ: Amerika überflutete die Welt mit Schuldscheinen – und schuf so nebenbei geopolitische Abhängigkeiten. Der Dollar wurde zur entscheidenden Division des Washingtoner Machtapparats im weltweiten Kampf um ökonomische Dominanz.

Nun kehren sich die globalen Abhängigkeitsverhältnisse um. Die Entscheidungen über das Wohlergehen des Dollar fallen längst nicht mehr allein in Washington. Eingeweihte blicken nach Peking: China hat die amerikanische Währung in den vergangenen Jahren wie kein anderes Land gestützt. Unentwegt kaufte das aufstrebende Reich der Mitte Dollars und Dollar-Papiere. Die Supermacht des Kommunismus half der Supermacht des Konsumismus. So konnte sich der Greenback über Wasser halten. Bisher. Doch China hat Hintergedanken.

Äußerlich betrachtet ist die Volksrepublik ein Schwellenland, das seine Währung eng an die globale Leitwährung Dollar gebunden hat. Äußerlich betrachtet will Peking damit Handel und Finanzmärkte stabilisieren. Äußerlich betrachtet befinden sich die amerikanische und die chinesische Ökonomie in einem Prozess der »Superfusion«2 zum Vorteil beider. Doch wer unter die Oberfläche blickt, erkennt: Die Dollarbindung des Yuan ist alles, nur kein Zeichen echter freundschaftlicher Verbundenheit.

Die Verbraucher in Los Angeles, Chicago und New York mögen sich über die billigen Produkte »made in China« freuen. Weit mehr noch aber freuen sich die Machthaber in Peking. Die Währungsehe zwischen Yuan und Dollar könnte sich für Amerika als Umarmung des Todes erweisen. Nie war eine Großmacht finanziell stärker von einer anderen Großmacht abhängig als heute Amerika von China.

Trotz der vorgeblichen »Flexibilisierung« vom Juni 2010 ist der Yuan praktisch an den Dollar gekoppelt. Das gilt jedoch auch umgekehrt: Der Dollar ist an den Yuan gefesselt. Pekings Devisenprotektionismus erlaubt es den Exporteuren des Riesenreichs, Konkurrenten sukzessive zuerst zu unterbieten, als Nächstes auszuschalten und auf diese Weise einen strategischen Markt nach dem anderen zu erobern.

Pekings Strategie erinnert an das listige Vorgehen Tokios in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg – nur dass China potenziell einen um den Faktor zehn größeren Machtblock darstellt als Japan. Wenn das Reich des Tenno mit seinen rund 130 Millionen Einwohnern binnen einer Generation zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt aufsteigen konnte, welche Strategie mag dann das Reich der Mitte mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Menschen verfolgen? Wonach trachtet Peking?

Der »Weltkrieg der Währungen« bedroht in erster Linie Amerika, aber nicht nur. Die Fesselung des Dollar an den Yuan macht es den USA unmöglich, die ökonomischen Ungleichgewichte zu beseitigen, die seine Gesellschaft langsam, aber sicher zersetzen und obendrein gefährliche Spannung in der Weltwirtschaft erzeugen. Während die Defizite Amerikas schwindelerregende Höhen erreichen, blähen sich Chinas Devisenreserven auf bedrohliche Weise auf.

Mit mehr als drei Billionen Dollar hat dieser größte Staatsschatz der Geschichte eine kritische Masse erreicht, die Peking eine beispiellose Autorität über die Kapitalmärkte der Welt verleiht. Sollte sich die Volksrepublik in einem geopolitischen Konflikt provoziert fühlen, ihre Dollar-Papiere auf den Markt zu werfen, so hätte dies die Wirkung einer finanziellen Atombombe.

Im großen Währungskrieg des 21. Jahrhunderts scheint der Euro nur ein Nebendarsteller zu sein. Theoretisch hätte die Gemeinschaftswährung das Zeug, zum ruhenden Pol der Devisenmärkte zu werden, zur Zuflucht der Enttäuschten, vor allem der vom Dollar Enttäuschten. Doch ehe das europäische Geld Schwerkraft entwickeln kann, muss es seine Existenz behaupten, und die ist mitten in der Schuldenkrise ungewisser denn je. Der Streit um die Hilfe für Hellas und andere Peripherieländer hat alte ideologische Gräben wieder aufbrechen lassen. Am tiefsten sind jene zwischen Paris und Berlin. Daran könnte die Währungsunion zerbrechen.

Frankreichs Mission und Deutschlands Konfession treffen knirschend aufeinander: Soll der Euro möglichst weich sein, damit er als Kitt der europäischen Integration fungiert? Oder muss er hart sein wie die Deutsche Mark, um das Vermögen und das Vertrauen der Bürger zu schützen? Und gesetzt den Fall, man entscheidet sich für Letzteres: Was, wenn diese Härte für die finanz- und wettbewerbsschwachen Randländer unerträglich wird? Müssen sich die Deutschen (und andere Kernländer) dann auf milliardenschwere Ausgleichszahlungen an Athen, Lissabon, Dublin, Rom, Madrid, am Ende gar an Paris einstellen, auf Stabilitätskompensationen, die Jahr für Jahr von den hiesigen Steuerzahlern zu entrichten sind?

Gut ein Jahrzehnt nach der Einführung des Euro verwandelt sich die Währungspolitik für die Europäer einmal mehr zur Kampfzone. Der Euro wird zum politisch-ideologischen Schlachtfeld. Der Ausgang des Kampfes um den Zusammenhalt der Union und die Festigkeit der gemeinsamen Währung ist unabsehbar. Für die Bürger bleibt der Euro ein Zahlungsmittel voller Risiken und möglicher Reue.

Viele Menschen projizieren ihre Hoffnungen daher auf jene Währung, die von keiner Regierung und keiner Notenbank kujoniert wird: auf Gold. Kann das gelbe Metall den Kristallisationskeim einer neuen monetären Weltordnung bilden? Kann es das Zahlungsmittel sein, dessen Wert nicht durch nationale und internationale Machtinteressen verzerrt wird? Für Politiker kommt die Vorstellung von der Wiederkehr eines Goldstandards einem Albtraum gleich. Die Regierungen werden alles tun, die Edelmetallwährung zu verhindern. Aber sind die Mächtigen wirklich stärker als das berechtigte Bedürfnis der Bürger nach Sicherheit und Geldwertstabilität?

Selbst wenn sich all das mit Ja beantworten lässt, bleibt eine zentrale Frage: Lassen sich eine wachsende Weltwirtschaft und eine begrenzte und endliche Goldproduktion vereinbaren? Oder würden die goldenen Fesseln der Geldpolitik die globale Konjunktur strangulieren – wie nach dem großen Crash 1929?

Dieses Jahrzehnt wird einen Kampf um die Vorherrschaft auf dem Devisenmarkt erleben, wie ihn die Welt seit dem überraschenden Aufstieg des Dollar vor knapp einem Jahrhundert nicht gesehen hat. Es geht um viel. Es geht darum, welche Kapitale die globalen Finanzströme lenkt, welche Notenbank den Preis des Geldes, den Zins, vorgibt und welches System die Gesetze des Welthandels bestimmt. Es geht um die Stabilität der internationalen Finanzarchitektur. Es geht um die Weltmacht Leitwährung. Und es geht ganz konkret darum, in welcher Valuta unsere Ersparnisse in Zukunft sicher sein werden.

Der Weltkrieg der Währungen hat begonnen. Niemand kann sich ihm entziehen. Er betrifft jeden Einzelnen von uns, als Arbeitnehmer, Anleger und Bürger. Dieses Buch berichtet von den Schauplätzen, auf denen die entscheidenden Schlachten geschlagen werden. Es benennt die Protagonisten des Jahrzehnte alten Kampfes: von Alan Greenspan über François Mitterand bis hin zu Angela Merkel. Und es handelt davon, was Sie tun können, um Ihr Vermögen zu schützen.

Berlin, im Juni 2012

TEIL I: AUF- UND ABSTIEG DES DOLLAR

Well, I broke down in East St. Louis

On the Kansas City line

And I drunk up all my money

That I borrowed every time

It was a train that took me away from here

But a train can’t bring me home

Tom Waits

Ein unverwüstlicher Truthahn

Der Dollar erinnert in diesem Jahrzehnt an den Film »Stirb langsam«. Er ist, ebenso wie John McClane (der von Bruce Willis verkörperte Kinoheld), ein echter Überlebenskünstler. Selbst in aussichtsloser Lage, nach lauter Tiefschlägen, rappelt er sich auf und zeigt allen, was eine Harke ist.

Voller Überraschungen und Wendungen wie ein Hollywood-Streifen stellt sich auch die Geschichte des Dollar in den vergangenen Jahren dar: 2008 schien der Greenback auf eine schiefe Ebene geraten, allenthalben ertönte bald lauter, bald leiser der Ruf, ihn als Leitwährung abzulösen. Eine Alternative zum US-basierten Währungssystem muss her, das war fast Konsens unter den Regierungen der Welt. Die Dollar-Ordnung schien vor dem sicheren Kollaps.

Niemand zerbrach sich so sehr den Kopf darüber wie China, der größte Halter von Devisenreserven. Würde es seinen Berg von Dollar-Papieren nicht rechtzeitig abbauen, könnte es sich unversehens als Besitzer einer gigantischen monetären Sondermüll-Deponie wiederfinden. Aber nicht nur Peking, auch andere Investoren waren in der Verlegenheit, einen Plan B zu finden, um das ersparte oder ihnen zur Verwaltung übertragene Vermögen zu erhalten.

Der Fall des Hauses Lehman im Herbst 2008 schien die letzte Phase der Dollar-Dämmerung einzuläuten. Zwar folgte der größten Bankpleite der Wall-Street-Historie zunächst eine Stärkung der US-Währung, ausgelöst durch die Flucht des Geldes in den sicheren Anlage-Hafen Amerika. Doch schon kurz darauf schien das Bröckeln des Dollar-Systems weiterzugehen. Das war nur konsequent, schließlich hatte die Krise von den USA ihren Ausgang genommen.

Es kam anders. Alle Schwanengesänge auf die Weltwährung erwiesen sich als verfrüht. Und das hat zum Großteil mit dem Wackeln der zweiten wichtigen Devise auf dem Planeten zu tun, mit dem Euro. Die strauchelnde Gemeinschaftswährung trieb viele Anleger wieder zurück in den Greenback. Dessen 35 Billionen Dollar schwerer Anleihen-Markt, der größte der Welt, fungierte und fungiert wie ein Schutzbunker für jede Art von Geld auf der Flucht.

Der Dollar lebt, ja er scheint unverwundbar. Heute ist das amerikanische Geld kaum weniger als vor zehn, vor 20 oder vor 50 Jahren die »indispensable currency«, die unverzichtbare Währung. Das ist der Zustand der Welt im Jahr 2012.

Doch während der Dollar kurzfristig unersetzlich zu sein scheint, hat sich an der Diagnose seines Gesundheitszustands nichts geändert: Er ist eine schwer kranke Währung, vergiftet durch Myriaden von privaten und staatlichen Schulden, die nie zurückgezahlt werden können – zumindest nie in hartem Geld. Die Prognose für den Dollar sieht düster aus, und damit auch die Prognose für das monetäre Weltsystem.

Vielleicht sieht die Zukunft der US-Devise so aus wie die jenes unglücklichen Truthahns in Nassim Talebs Buch »Der Schwarze Schwan«. Stellt man die Gewichtsentwicklung des Tiers ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens aus dem Ei fein säuberlich als Linie in einer Grafik dar, zeigt die Kurve immer nur nach oben, bis zu jenem Tag – Erntedank nämlich –, an dem sie senkrecht abfällt. Auf null.

So kann es auch dem Dollar ergehen. Seine Erfolgsgeschichte ist bis heute ungebrochen. Doch die annähernd 56 Billionen Schulden von Regierung, Unternehmen und Haushalten lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass diese Währung von innen zerfällt. Zusammen mit Amerikas negativer Handelsbilanz, seiner prekären Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern und dem seit Jahrzehnten schwindenden ökonomischen Gewicht des Landes macht das alles den Dollar zu einem brüchigen Fundament.

Als Währungsanker hat der Dollar keine Zukunft. Das 21. Jahrhundert wird anders als das 20. Jahrhundert keine Ära des Greenback. Einhundert Jahre nach seinem Aufgang als Zentralgestirn der Devisenwelt steht die Dollar-Dämmerung bevor. Sowenig sich der Zeitpunkt vorhersagen lässt, das Ende kann schnell kommen. Noch 1914 war das Pfund Sterling als Leitwährung unangefochten, danach reichten elf Jahre und es war aus dem Zentrum verstoßen. Steht dem Dollar eine ähnliche Katastrophe bevor, wird er schon Mitte des nächsten Jahrzehnts degradiert sein.

Doch unterschätzen wir nicht die Fähigkeit der USA, den Dollar mit neuem Leben zu füllen? Schließlich zieht die Supermacht einen großen Vorteil aus ihrer Superwährung, einen Wohlstandsgewinn, den der Ökonom Barry Eichengreen, ein weltweit anerkannter Experte für Devisen-Systeme, auf fast eine halbe Billion im Jahr beziffert hat. In der Geschichte hat sich Amerika als beeindruckend anpassungsfähig erwiesen. Der Niedergang des Dollar ist untrennbar verbunden mit dem Aufstieg seiner Rivalen. Zerstören jedoch können ihn nur die USA selbst. Doch eine Währung in schweren Zeiten stabil zu halten, erfordert Opfer (wovon die Europäer ein Lied singen können). Die Frage ist daher: Inwieweit sind die Amerikaner bereit, wie John McClane, für ihre Währung Härten zu ertragen? Den Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage finden wir in der Geschichte.

1. Bescheidene Anfänge

Blick zurück in Angst

Jede Nation hat ihr wirtschaftliches Trauma. Für die Deutschen ist es die doppelte Geldentwertung – einmal nach dem Ersten und dann noch mal nach dem Zweiten Weltkrieg. Das amerikanische Trauma hingegen ist nicht die Geldentwertung, obwohl die Geschichte der Vereinigten Staaten einige Beispiele hierfür kennt, sondern die Weltwirtschaftskrise. Die »Große Depression«, wie sie jenseits des Atlantiks genannt wird, war die bisher größte Erschütterung des amerikanischen Traums überhaupt. Die Industrieproduktion ging um fast 50 Prozent zurück, ein Viertel aller Männer war ohne Arbeit.3 Erst 25 Jahre später sollte der Leitindex und Wohlstandsgradmesser Dow Jones den Stand vor dem Absturz wieder erreichen. Und ohne den für Amerika äußerst konjunkturanregenden Effekt des Zweiten Weltkriegs hätte die wirtschaftliche Erholung noch viel länger auf sich warten lassen. In zahlreichen Büchern und Filmen haderte Amerika noch Jahrzehnte später mit der Großen Depression, obwohl es unterdessen längst seine Rolle als »Führungsmacht der freien Welt« gefunden hatte.

Die Traumata von Nationen bestimmen ihr Tun und Lassen. So erklärt sich auch der Krieg, den die amerikanische Regierung und Notenbank seit 2008 gegen die Krise führen. Ein rigider Sparkurs, wie ihn Deutschland und einige andere Länder der Europäischen Union nun praktizieren, ist in den USA nicht mehrheitsfähig, ja politisch nahezu undenkbar – eben wegen der Erfahrungen der Großen Depression.

Die politische Elite der USA ist davon überzeugt, dass fiskalische und monetäre Restriktionen nach dem Crash von 1929 den Abschwung verschärften. Erst die übertriebene haushälterische Disziplin der Zeitgenossen habe die Rezession in jene ökonomische Katastrophe umschlagen lassen, die die Lebenschancen einer ganzen Generation vernichtete.

In den kommenden Jahren werden die USA, ähnlich wie heute Europa und Großbritannien, vor der Wahl stehen, den Staatshaushalt zu sanieren und damit eine Deflation zu riskieren oder sich der Schuldenlast auf andere Weise zu entledigen: Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte deutet vieles darauf hin, dass Washington klar auf die Inflationskarte setzen wird. Allein das Wort Deflation weckt in den USA grausige Erinnerungen an die Große Depression und ist den Amerikanern daher ein Gräuel.

Bereits jetzt ist die Unabhängigkeit der US-Notenbank »Federal Reserve« stark eingeschränkt. Dieses Schicksal teilt die Fed mit der Europäischen Zentralbank, der Bank of England und der Bank of Japan. Auch die Währungshüter der anderen Industrieländer sehen sich seit der Finanzkrise erhöhtem Druck ausgesetzt, die »stimulierende« Regierungspolitik zu unterstützen, indem sie die Geldschleusen öffnen. Wegen der historischen Prägung ist jedoch die Neigung, den Geldwert zu vermindern und die Schulden »leichter« zu machen, für die USA besonders groß. Und niemand verkörpert die Deflationsangst der Amerikaner besser als der Chef ihrer Notenbank: Ben Bernanke.

Helikopter-Ben

Schon Jahre, bevor er 2006 Fed-Vorsitzender wurde, warnte Ben Bernanke eindringlich vor der Gefahr, dass die US-Wirtschaft in eine deflationäre Kältestarre fallen könnte. Der Ausbruch der Finanzkrise lag noch eine halbe Dekade in der Zukunft, da formulierte er in einer programmatischen Rede (mit der er sich nach Einschätzung vieler Beobachter für seinen jetzigen Job qualifizierte) eine radikale Gegenstrategie: Wenn alles andere nicht mehr helfe, müsse die Fed zur Not Dollarscheine aus Helikoptern regnen lassen oder zumindest das Äquivalent davon tun: nämlich Staatsausgaben mit frisch gedrucktem Notenbank-Geld finanzieren.4 Dieser Dollar-Regen werde einer möglichen Geldknappheit in Amerika ein Ende bereiten, werde die Deflationsgefahr bannen.

Die unter Bernankes Ägide inzwischen beschlossenen Maßnahmen – von der Senkung des Leitzinses auf nahe null über den Staatsanleihen-Kauf bis hin zur Bilanzverlängerung der Fed – kommen dem Abwerfen von Dollarnoten aus Helikoptern schon recht nah. Dennoch rutschen die USA offenbar weiter der deflationären Eiszeit entgegen. Im Sommer 2010 lag die Preissteigerung, gemessen an der Kernrate (also ohne die volatilen Preise für Lebensmittel und Energie), eine Zeit lang gefährlich nah an der Grenze zur Deflation.

Warum funktionierte die Strategie nicht? Um im Bild zu bleiben: Bernanke kann zwar säckeweise Geld drucken lassen, aber wenn die Helikopter wegen eines Pilotenstreiks oder wegen technischer Defekte nicht abheben, hilft das wenig. In einem solchen Fall ist jeder Versuch, die Preise künstlich nach oben zu bringen, zum Scheitern verurteilt. Die Hubschrauber, die »Helikopter-Ben« braucht, sind die großen Kreditinstitute, die ihren Namen nicht umsonst tragen, vielmehr wesentlichen Anteil an der Geldschöpfung haben. Bernankes Hubschrauber sind vollgepackt mit Dollar-Säcken, doch die Piloten weigern sich zu starten – oder können es nicht, weil die Rotoren defekt sind.

Da das Amerika des neuen Jahrzehnts immer mehr dem Japan der verlorenen Dekade ähnelt, ist damit zu rechnen, dass Bernanke und die Seinen bald eine neue Stufe im Kampf gegen die Deflation ausrufen werden. Dann sind von der Fed noch unkonventionellere Maßnahmen zu erwarten: Es ist dann nicht ausgeschlossen, dass die amerikanische Notenbank den Weg der deutschen Reichsbank in den frühen Zwanzigerjahren geht und die staatlichen Defizite direkt über die Notenpresse finanziert. Es ist ein Weg, der direkt in eine starke Inflation oder gar Hyperinflation führen könnte. Und es ist ein Weg, der den Dollar als Weltleitwährung von innen heraus aushöhlen würde. Es wäre nicht das erste Mal. Die Geschichte zeigt, dass die größten Bedrohungen für die amerikanische Währung aus der Mitte der amerikanischen Gesellschaft kamen. Die USA waren von Beginn an ein monetär tief gespaltenes Land.

Im Anfang war die Inflation

Die Geschichte des amerikanischen Geldes beginnt mit einer großen Inflation. Die erste originäre Währung der Vereinigten Staaten hieß nicht Dollar, sondern »Continental«. Als Keimzelle der unabhängigen amerikanischen Nation gab der neu gegründete Kontinentalkongress in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren des 18. Jahrhunderts Papiergeld auf seinen Namen heraus, um den Kampf gegen die britische Kolonialmacht zu finanzieren. Als die Kosten des Unabhängigkeitskrieges stiegen, verfiel der Kongress darauf, immer mehr Continentals in Umlauf zu bringen. Dem Mehr an Scheinen stand kein Mehr an Vermögenswerten gegenüber. Ein inflationärer Prozess kam in Gang, der durchaus mit der späteren Kriegsfinanzierung des Deutschen Reiches durch die Notenpresse nach 1914 vergleichbar ist. Am Ende war der Wert des Continental auf ein Minimum seines ursprünglichen Wertes abgesunken. Statt Geld hielten die Bürger der Vereinigten Staaten wertloses Papier in den Händen. Diese Erfahrung ging sogar in den Sprachschatz der Amerikaner ein, die man noch heute sagen hört: »It’s not worth a Continental«5, wenn sie meinen, etwas sei »keinen Pfifferling wert«. Das Fiasko des Continental pflanzte den US-Bürgern im 19. Jahrhundert ein tiefes Misstrauen gegen Papiergeld ein. Jene Immunisierung hatten die Amerikaner fortan mit den Franzosen gemein, die mit den wertlos gewordenen Assignaten der Revolutionszeit ähnlich leidvolle Erfahrungen gemacht hatten. Nach dem siegreichen Krieg um die Unabhängigkeit gegen die Briten und dem verlorenen Kampf um den Wert des Continental lag für die Amerikaner zweierlei auf der Hand: Das Geld der neuen Nation würde durch Edelmetall oder einen anderen Sachwert gedeckt sein müssen. Außerdem würde es nicht auf dem Britischen Pfund, der Währung der früheren Kolonialherren, basieren: Das wäre ohnehin schwierig geworden, da London die Prägung von Münzen in Übersee untersagt hatte. Doch die einfallsreichen Amerikaner fanden einen Weg.

Der Trick war, schlicht jene Währung zu übernehmen, die im Westatlantik zur vorherrschenden Handelswährung geworden war: den spanischen Silberdollar. Ehe sich die Amerikaner daranmachten, eigene Stücke zu prägen, verwendeten sie einfach die im Umlauf befindlichen Münzen der Spanier. Die jungen Vereinigten Staaten von Amerika nahmen ein fremdes Geld als Landeswährung, ähnlich wie in unserer Zeit zum Beispiel Ecuador den Dollar nutzt oder der Kosovo den Euro; erstaunlich reibungslos übrigens. An dieser Episode lässt sich die zentrale Funktion des Geldes schön ablesen: Geld ist das ultimative Tauschmittel. Grundsätzlich eignet sich dazu alles, was von einer genügend großen Zahl von Menschen als wertvoll anerkannt wird. In der Praxis muss es zudem haltbar, transportierbar und möglichst gut teilbar sein. Es ist kein Zufall, dass fast alle Kulturen auf Edelmetall als Basis ihres bevorzugten Tauschmittels verfielen.

Amerikas erste Münzen kamen zwar nicht aus England, vermutlich aber das Wort »Dollar«. So nannten Londoner Geldhändler im 18. Jahrhundert die spanischen Silbermünzen, deren Aussehen sie an jene Taler erinnerte, die im böhmischen Joachimsthal geprägt wurden.6 Die deutsche Bezeichnung »Joachimsthaler« wurde auf ausländischen Zungen dann zu »Dollar«. So ist die US-Währung also zumindest etymologisch deutscher Abstammung.

Nach den Erfahrungen des Unabhängigkeitskriegs stand fest, dass die neue Währung der jungen United States of America ein Edelmetall-Geld sein würde. Nicht entschieden war jedoch die Frage: Gold oder Silber? Welches der beiden zur Verfügung stehenden Metalle würde nicht nur den Wert des Geldes gewährleisten, sondern auch in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um Wirtschaftswachstum zu erlauben? Mit dem Rückgriff auf den spanischen Silberdollar war die Frage nur vorläufig beantwortet. In der wilden Zeit der Pioniere erlaubten die Vereinigten Staaten das Zahlen mit Silber oder Gold, die in einem festgelegten Wertverhältnis zueinanderstanden. Der Dollar war durch ein bestimmtes Gewichtsverhältnis zu beiden Edelmetallen definiert, die Prägung bestätigte im Grunde nur den Feingehalt der Münze. Dieses Verhältnis konnte schwanken. Jeder konnte das Metall zur Münze bringen und sich ausprägen lassen. Zusätzlich zu dem metallischen Geld kursierte eine Vielzahl von Banknoten, im ursprünglichen Wortsinn Bestätigungen von Banken über einen in Form von Edelmetall hinterlegten Wert.

Gold oder Silber?

Beide Edelmetalle waren eine Zeit lang parallel im Umlauf, wobei manchmal die Silbermünzen und manchmal die Goldmünzen den Gebrauch dominierten. Bestimmt wurde das Wechselspiel der beiden Metalle durch neue Funde, die bald das Angebot des Goldes, bald die des Silbers ausweiteten, wie auch durch die gelegentliche Neufestsetzung des Umtauschverhältnisses. Im Jahr 1837 wurde ein Golddollar als 23,22 Gran Gold definiert, ein Silberdollar als 371,25 Gran Silber, wobei ein Gran oder »grain« 0,0648 Gramm entspricht. So ergab sich zwischen beiden Metallen ein Wertverhältnis von 15,988 zu 1.7 Da die beiden Metalle aber am freien Markt in einem Verhältnis von 15,5 zu 1 gehandelt wurden, war der Rohstoff Silber wertvoller als die Silber-Währung. Das führte ab den späten Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts dazu, dass sich für Zahlungszwecke verstärkt die Goldmünzen durchsetzten.

Dennoch sollte die Streitfrage, ob Gold oder Silber oder eine Kombination der beiden, in den nächsten Dekaden die amerikanische Politik weit über die Sphäre der Geld- und Finanzpolitiker hinaus bestimmen. Die Diskussion war ein Vorgeschmack auf das große Dilemma des folgenden Jahrhunderts: dass nämlich die Landeswährung der USA ein Spielball Washingtoner Machtcliquen und innenpolitischer Interessengruppen ist, umkämpft von Deflationisten und Inflationisten. Was im 19. Jahrhundert noch ein regionales amerikanisches Problem war, sollte im 20. und 21. Jahrhundert ernst zu nehmende globale Verzerrungen nach sich ziehen. Wie in so vielem sind wir unfreiwillige Erben der Kämpfe des 19. Jahrhunderts.

Nicht nur in den jungen Vereinigten Staaten, auch international hatte das monetäre System in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch keine feste Form gefunden: Um das Jahr 1800 war Silber das am weitesten verbreitete Währungsmaterial auf dem Planeten.8 In den meisten Staaten der Erde waren Münzen aus dem weißen Metall in Gebrauch, zuweilen ergänzt durch Gold oder Kupfer. Wegen seines höheren Preises und seiner größeren physikalischen Dichte – 19,3 Gramm pro Kubikzentimeter – hatte Gold den Nachteil, dass Münzen für Alltagstransaktionen häufig zu klein ausfielen. Kupfer brachte das gegenteilige Problem mit sich: Da das rote Metall relativ günstig war und eine Dichte von lediglich 8,9 Gramm pro Kubikzentimeter aufwies, erforderten größere Geldtransaktionen immense Mengen von Kupfermünzen, die teilweise ganze Wagenkolonnen füllten. Silber war mit einer Dichte von 10,5 zwar nur unwesentlich schwerer, qualifizierte sich durch seinen höheren Handelswert aber als Währungsmetall für den seit der Entdeckung Amerikas und der europäischen Kolonisation rasant wachsenden Welthandel.

Noch heute repräsentieren in fast allen Geldsystemen der Welt farblich an Kupfer angelehnte Münzen kleinere Werte, silbern glänzende Stücke dagegen größere. Auch bei den Euro-Münzen repräsentieren die »Roten« niedrigere Werte als die »Weißen«, und bei der D-Mark war es ähnlich. Allerdings bestehen die weißlich schimmernden Stücke längst aus Stahl- oder Nickel-Legierungen. Die letzte deutsche Umlaufmünze aus Edelmetall, der »Silber-Adler« (fünf D-Mark), wurde am 1. August 1975 außer Kurs gesetzt. Für Euro-Gedenkmünzen wurde noch bis 2010 Sterlingsilber mit einem Feingehalt von 92,5 Prozent verwendet, ehe das Metall auch für dieses Schmuckgeld, das nicht für den täglichen Bedarf gedacht ist, zu teuer wurde.

Ein Rechenunfall macht Geschichte

Obwohl es dafür prädestiniert gewesen zu sein schien, das Währungsmetall der Welt zu werden, sollte Silber bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vom Gold aus dem Feld geschlagen werden – in Amerika und anderswo. Der Grund für diese überraschende Entwicklung ist in England zu suchen. Der Aufstieg des gelben Metalls begann mit einem Rechenfehler, den niemand Geringeres als der Physiker Isaac Newton beging. Als »Master of the Mint« (Münzmeister) erhielt Newton 1717 den Auftrag, das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber neu zu bestimmen. Der Physiker rechnete und legte schließlich fest, dass eine goldene Guinea-Münze exakt 21 silbernen Shilling entsprach und genau zu diesem Kurs zu wechseln sei.9 Damit hatte er den Preis des Goldes im Verhältnis zum Silber jedoch als viel zu hoch angesetzt. Als Folge von Newtons Fehlkalkulation verschwanden im England des 18. Jahrhunderts langsam alle »unterbewerteten« Silbermünzen aus dem Verkehr. Sie wurden weggelegt und gehortet, vielleicht für den Tag, da die Regierung das richtige Wertverhältnis wiederherstellen würde, oder sie wurden schlicht eingeschmolzen. Gleichzeitig versuchte jedermann, die ebenfalls umlaufenden »überteuerten« Goldmünzen so schnell wie möglich weiterzugeben. Dazu verdammt, von niemandem geschätzt zu werden, blieben sie im Umlauf und dominierten ab Mitte des 18. Jahrhunderts entgegen früherem Usus das Geldsystem auf der Insel. Dieser Prozess, dass »schlechtes« Geld »gutes Geld« verdrängt, ist unter Fachleuten als »Gresham’sches« Gesetz bekannt. Das Ergebnis war, dass das Bimetallsystem von Gold und Silber in Großbritannien über die Jahre ungeplant zu einem von Goldmünzen dominierten Zahlungsverkehr evolvierte.

Das Vermächtnis des newtonschen Fehlers wäre womöglich eine Fußnote der Geldgeschichte geblieben, hätte sich England nicht aus anderen Gründen zum Mutterland der Industrialisierung entwickelt. Durch seine industrielle Kapazität konnte jenes Land, das durch einen Rechenunfall in den Goldstandard hineingestolpert war, das größte Imperium aller Zeiten errichten. Indem sich das Britische Empire zur Herrin über die Meere und damit zur globalen Macht aufschwang, wurde London zu dem Finanz- und Handelszentrum schlechthin. Für andere Staaten, die sich ihren Anteil am internationalen Handel sichern wollten, lag es nun nahe, selbst zum Goldstandard überzugehen. Teilweise wurde Großbritanniens augenfällige Überlegenheit in einem logischen Zirkelschluss sogar auf dessen gelb glänzende Währung zurückgeführt. So verdankt das Gold seinen Nimbus teilweise dem Zufall.

Die Goldwährung hatte keinen innewohnenden Vorteil gegenüber der Silberwährung. Aber wie 100 Jahre später beim Triumph des Dollar über das Pfund spielte im 19. Jahrhundert der Netzwerk-Effekt eine wichtige Rolle: Es hat einen hohen Reiz, sich an der Währung der größten und wichtigsten und am besten »vernetzten« Nation des globalen Systems zu orientieren. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Sieg des Goldes über das Silber als Währungsmetall indessen noch nicht absehbar. Am wenigsten vielleicht in Amerika. Denn gerade hier gab es gute Gründe, am Silber festzuhalten. Und als sich Washington schließlich doch für das goldene Metall entschied, forderte das einen hohen Preis. Der Kampf um das richtige Geld sollte das Land politisch fast zerreißen.

Netzwerk Britannia

Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts beherrschte Großbritannien unangefochten die Wellen und dank seiner Seehoheit einen Großteil des internationalen Handels. Das Reich von Queen Victoria war nicht nur die bedeutendste Kolonialmacht auf dem Planeten mit Besitzungen, die von den Falklandinseln bis nach Hongkong, von Neuseeland bis nach Neufundland reichten, sondern auch die fortschrittlichste Industrienation – weit vor dem kolonialen Konkurrenten Frankreich oder dem damals noch über weite Strecken provinziellen Deutschland. Die Vettern auf der anderen Seite des Atlantiks mochten erstaunliche ökonomische Fortschritte machen, waren einstweilen aber noch mit der Eroberung des eigenen Kontinents beschäftigt. Der Lebensstandard im Land von Queen Victoria war höher als anderswo und das Bankwesen besser organisiert. Dank eines für damalige Verhältnisse riesigen Anleihenmarkts war die City of London der finanzielle Nabel der Welt, und die 1694 gegründete Bank of England – damals noch eine private Organisation – genoss größten Respekt als Hüterin einer stabilen Währung. Zum Nimbus der britischen Finanzmacht trug bei, dass das Inselreich im 19. Jahrhundert sämtliche in den Napoleonischen Kriegen aufgehäufte Schulden ordnungsgemäß zurückzahlte.

All dies waren Gründe dafür, dass andere Nationen England und den englischen Goldstandard als Blaupause für ihr eigenes Geldsystem betrachteten. Im Jahr 1868 war das gelbe Metall lediglich in Großbritannien und einigen vom Empire wirtschaftlich abhängigen Territorien – Portugal, Ägypten, Kanada, Chile und Australien – die alleinige Grundlage des Geldwesens.10 Eine Generation später dagegen sah sich nahezu die gesamte Welt als eine große monetäre Ordnung, deren Basis das gelbe Metall war. Nur noch China, Persien und eine Handvoll mittelamerikanischer Länder klammerten sich an den kleinen Bruder des Goldes, das Silber. Wenn zwischen dem Jahr 1868 und dem Ersten Weltkrieg praktisch alle großen Staaten vom Silberstandard oder Bimetallstandard zum Goldstandard wechselten, lag das aber nicht allein am leuchtenden Vorbild der Bank of England. Es gab noch einen anderen, damit verwandten Grund: die Expansion des Welthandels unter britischer Vorherrschaft.

Die Zeit vor 1914 sah ein bis dahin beispielloses Wachstum des internationalen Warenverkehrs. Damit der internationale Austausch von Gütern und Dienstleistungen effizient funktionierte, war eine internationale Währung gefordert. Es lag nahe, auf jenes Zahlungsmittel zurückzugreifen, über das ohnehin schon ein Großteil des überseeischen Handels abgewickelt wurde: das goldgedeckte Pfund Sterling. Durch die Übernahme des britischen Modells setzte sich der Goldstandard in Europa und schließlich auch in Amerika durch. Eine Einheit der Landeswährung wurde durch eine bestimmte Menge Gold definiert. Da dieses Verhältnis festgelegt war, ergaben sich daraus über die Landesgrenzen hinweg fixierte Wechselkurse.

Greenback schlägt Greyback

Die Vereinigten Staaten gingen 1879 zum Gold-Dollar über. Bis dahin hatte es den Dollar, wie wir ihn heute kennen, nicht gegeben. Zuvor waren Gold- und Silbermünzen, aber auch die unterschiedlichsten Banknoten im Umlauf gewesen, deren Wert mit Edelmetall unterlegt war. Aus heutiger Sicht hatte ein buntscheckiges Durcheinander geherrscht, das nur deshalb funktionieren konnte, weil Gold und Silber (gleich in welcher Ausprägung) seit Jahrhunderten bewährte Zahlungsmittel waren, deren Wert sich im Zweifelsfall per Waage ermitteln ließ. Die verschiedenen Formen von Papiergeld bezogen ihren Tauschwert aus dem Edelmetall, das sie verbrieften. Wie so oft in der Geschichte des Geldes brachte ein militärischer Zusammenstoß dieses relativ ruhige Nebeneinander aus dem Takt.

Mit dem Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs 1861 bestand für beide Konfliktparteien, Nord- wie Südstaaten, die Notwendigkeit, immense Ausgaben für Truppen und Material zu stemmen. Wie in vielen anderen Kriegen verlegten sich die Generäle aufs Papierdrucken: Die Notenpressen des Nordens spuckten Scheine aus, die wegen ihrer moosgrünen Rückseite bald »Greenbacks« genannt wurden. Das Geld, das die Druckmaschinen des Südens auswarfen, wies dagegen graue Rückseiten auf: Der »Greyback« der Konföderierten war geboren. Bei beiden Währungen war die Edelmetall-Deckung de facto aufgehoben. Durch einen Krieg kehrte Amerika so zu einem Papiergeldstandard zurück – oder besser: zu zwei konkurrierenden Papiergeldstandards.

Ein unbeteiligter Beobachter hätte allein anhand der Kursentwicklung von Green- und Greyback darauf schließen können, welcher Partei das Kriegsglück hold war. Die grünbedruckten Scheine des Nordens verloren gegenüber dem weiter umlaufenden Edelmetallgeld deutlich an Wert, doch dem grauen Südstaaten-Dollar erging es schlimmer: Er erlebte einen Sturz ins Bodenlose. Für ein Stück Seife zum Beispiel mussten schon bald 50 Konföderations-Dollar hingeblättert werden. Mit der Kapitulation der Südstaaten 1865 wurde der Greyback vollkommen wertlos. Dem vielen Papiergeld stand keine ökonomische Substanz gegenüber, die seinen Wert unterfüttert hätte. Für die Konföderation war der Bürgerkrieg auch an der Notenpresse verloren gegangen.

Nach dem Ende des Sezessionskriegs 1865 machten sich die Washingtoner Politiker daran, das amerikanische Geldwesen neu zu ordnen. An eine Rückkehr zum Edelmetallstandard war in der schwierigen Zeit des Wiederaufbaus lange nicht zu denken. Das Vertrauen in den Greenback sollte wiederhergestellt werden. Doch das dauerte seine Zeit. Noch lange nach dem Ende des Krieges notierte Papiergeld mit einem deutlichen Abschlag zu seinem edelmetallenen Nennwert. Unterdessen gewannen jene Kräfte die Oberhand, die das Doppelgeldsystem ablehnten und Amerika nach britischem Vorbild auf Gold als alleiniges Währungsmetall festlegen wollten.

Das »Verbrechen von 1873«

Im Jahr 1873 verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, das ganz auf der Linie der amerikanischen »Gold Bugs«, der Goldanhänger, lag. Der »Coinage Act« trat 1879 in Kraft und schrieb den Gegenwert einer Unze Gold auf 20,67 Papier-Dollar fest.11 Vom Inkrafttreten des Münzgesetzes an war das Schicksal des amerikanischen Dollar fast ein Jahrhundert lang an das des gelben Metalls geknüpft. Auch wenn diese Parität später einige Male verändert werden sollte (zunächst auf 35 Dollar je Unze, dann auf 42,22 Dollar je Unze), galt fortan, dass der Dollar »so gut wie Gold« war. Die Ehe von Gold und Dollar sollte bei allen Höhen und Tiefen bis zum 15. August 1971 währen, als ein in die Ecke gedrängter Richard Nixon die Verbindung kraft seiner präsidialen Autorität löste.

Der Übergang der USA zum Goldstandard entsprach einer allgemeinen Tendenz der Epoche, er war gewissermaßen Ausdruck des monetären Zeitgeists. Auch die europäischen Großmächte Deutschland und Frankreich wechselten in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts zu diesem System. Nirgendwo verlief die Umstellung ohne Friktionen. Auf amerikanischem Boden sollte dem Goldstandard jedoch besonders erbitterter Widerstand entgegengebracht werden. In den nächsten beiden Dekaden stand das gelbe Metall in Amerika nicht gerade für Reichtum und Wohlergehen. Aus Sicht weiter Bevölkerungsteile wurde es vielmehr zum Inbegriff für Elend und Verarmung. Für einen Großteil der Bevölkerung repräsentierte Gold ein Metall, das die reiche Ostküste, die Handels- und Finanz-Aristokratie begünstigte, das amerikanische Hinterland aber in die Misere stieß. Die Frage des Goldstandards geriet zum heiß umkämpften Politikum. Es kam zu einem heftigen inneramerikanischen Währungsstreit.

Zwischen 1875 und 1896 machten die USA eine starke Deflation durch. Die Preise für Waren des täglichen Bedarfs sanken, vor allem landwirtschaftliche Güter verbilligten sich. Die größten Leidtragenden waren daher die Farmer: Sie erzielten auf den städtischen Märkten nicht nur weniger, sie litten auch unter der Last hoher Schulden: Häufig musste das Saatgut zu hohen Zinsen auf Kredit erworben werden. Bei sinkenden Einnahmen und hohen Zinsen lasteten die Verbindlichkeiten doppelt auf ihnen.

Phasen der wirtschaftlichen Flaute hatte es schon vorher gegeben, aber diese Krise schien kein Ende mehr zu nehmen. Im Schnitt gingen die Preise während der Deflation jährlich um 1,7 Prozent zurück, und das über einen Zeitraum von mehr als zwei Dekaden. Agrarprodukte verbilligten sich sogar um drei Prozent pro Jahr. Man kann sich leicht vorstellen, wie schwer gerade landwirtschaftlichen Betrieben unter diesen Bedingungen das Überleben fiel. Schuld an der Misere hatte nach Ansicht der Farmer der neu eingeführte Goldstandard. Schwere und Dauer dieser »Großen Deflation« rührten ihrer Meinung nach von dem Mangel an billigem Geld her. Darin lag mehr als ein Körnchen Wahrheit: In dieser Zeit der rasanten industriellen Entwicklung und des starken Bevölkerungswachstums hinkte die weltweite Goldförderung hinterher. Geld war während dieser Phase in der Tat relativ knapp.

In den Vierziger- und Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts waren in Kalifornien und Australien noch große Funde gemacht worden. Der berühmte »Goldrausch« von 1849 hatte Tausende Abenteurer und Glücksritter an die Westküste gelockt. Doch seit den Glücksfunden der »Forty-Niners« ließ die Erschließung neuer großer Vorkommen auf sich warten. Das Goldangebot blieb hinter der Nachfrage zurück. Indem das Volumen des zur Verfügung stehenden Geldes von der Menge des Edelmetalls in den Tresoren der Banken abhängig war, herrschte eine allgemeine Geldknappheit in der Wirtschaft, die durch die Expansion des Finanzsektors nur partiell ausgeglichen werden konnte. Erst nach 1890 sollten ein neues Abbauverfahren, das auf Cyanid zurückgriff, und die Entdeckung neuer Lagerstätten in Südafrika die Angebotssituation auf dem Goldmarkt entspannen helfen.

Auch andere Volkswirtschaften litten unter der Großen Deflation. Deutschland machte nach einem kurzen Boom direkt im Anschluss an die Reichsgründung von 1871 eine schwere »Gründerkrise« durch. Der zeitliche Zusammenhang mit der Übernahme des Goldstandards ist mehr als ein Zufall. Dennoch wurde der Kampf um das gelbe Metall in den Vereinigten Staaten besonders erbittert ausgetragen. Viele Menschen nannten das Gesetz von 1873, das Amerikas Umschwenken auf den Goldstandard vorbereitet hatte, schlicht das »Verbrechen von 1873«. Statt des allzu knappen gelben Metalls solle das reichlicher vorhandene Silber das monetäre Rückgrat des Landes werden, forderten sie.

Wahlkampf ums weiße Metall

Die Unzufriedenheit mit den deflationären Effekten des Goldstandards gipfelte im Präsidentschaftswahlkampf von 1896, in dem die Geldpolitik zum beherrschenden Thema der politischen Auseinandersetzung wurde. Die Demokratische Partei stellte mit dem 36-jährigen William Jennings Bryan den jüngsten Kandidaten auf, den eine der großen Parteien bis heute nominiert hat. Auf dem Nominierungsparteitag in Chicago gewann er die Delegierten mit einer feurigen Rede für sich, bei der er folgende berühmt gewordenen Worte ins Publikum schleuderte: »Du sollst die Menschheit nicht an ein goldenes Kreuz schlagen.«12 Die Abschaffung des Goldstandards wurde sein wichtigstes Ziel. Allein mit der Rückkehr zu Silber könne die Deflation beendet werden, verkündete Bryan. Trotz seiner gewaltigen rhetorischen Fähigkeiten und trotz der Unterstützung zweier weiterer Parteien, der Populist Party und der »National Silver Party«, verdüsterten sich seine Aussichten, je näher der Urnengang rückte. Schuld daran waren interne Flügelkämpfe, die Bryans Kampagne schwächten: Teile des eigenen politischen Lagers, die an der Ostküste konzentrierten »Gold-Demokraten«, spalteten sich ab und stellten einen konkurrierenden Kandidaten auf. Außerdem vergraulte der missionarische Ton, der im ländlichen Mittleren Westen so gut ankam, viele städtische Wähler. Die Städter ließen Bryan durchfallen. Er verlor die Wahl von 1896 und ebenso die von 1900, zu der er noch mal als Präsidentschaftskandidat antrat. So ging der Kampf für den Silberdollar verloren, Amerika blieb beim Goldstandard. Seinen Einfluss in der Demokratischen Partei würde der charismatische Bryan, der es schließlich 1913 noch zu Woodrow Wilsons Außenminister brachte, bewahren. Mit ihm behielt auch die Weißmetall-Lobby im Kongress ihren Einfluss. Das hatte unvorhersehbare Folgen, nicht nur für die amerikanische Währungspolitik.

Bryans Wahlniederlage verhinderte nicht, dass der Kampf der Silber-Anhänger wider die Herrschaft des Goldes weiterging. Die Befürworter des weißen Metalls fanden im politischen Establishment Amerikas auch nach 1896 Gehör. Im US-Kongress verstummten die Forderungen nicht, den amerikanischen Silberproduzenten Kompensationen dafür zu gewähren, dass ihr Metall den Kampf verloren hatte. Die Silberanhänger hatten einige Argumente auf ihrer Seite. Manche Ökonomen vertreten die Auffassung, mit einem Silberstandard oder einer Kombination von Gold und Silber als Basis der Währung hätte sich die Große Deflation vermeiden lassen. Dem hätten jedoch andere Nachteile gegenübergestanden, zum Beispiel das Ausscheren aus einem internationalen Geldsystem, das sich seit Anfang der Siebzigerjahre immer mehr um Gold konfigurierte. Ein Bimetallstandard brachte seine eigenen Probleme mit sich: Immer war er dafür anfällig, dass eines der Metalle gehortet wurde, weil der Marktpreis über den Nennwert der Münzen gestiegen war. Die Macht der Silberbewegung resultierte nicht so sehr aus der Festigkeit ihrer Argumente. Der eigentliche Grund für ihre Stärke war ein institutioneller: Gemessen an ihrer Bevölkerungszahl waren Staaten mit eigener Silberförderung und agrarisch geprägte Bundesstaaten (ihre natürlichen Verbündeten) im politischen Gefüge der USA überrepräsentiert. Bei wichtigen Abstimmungen gab die Silber-Lobby häufig das Zünglein an der Waage ab. So konnten sie Gegenforderungen für ihr günstiges Votum stellen. Diese amerikanische Form des Kuhhandels trug für die Weißmetall-Anhänger Früchte.

Ihren größten Triumph erzielte die Bewegung mit dem »Sherman Silver Purchase Act« von 1890. Dieses Gesetz verpflichtete die US-Regierung, beträchtliche Mengen Silber auf dem freien Markt aufzukaufen, um den Preis zu stützen, was nebenbei inflationär wirkte. Die Praxis wurde bis ins 20. Jahrhundert fortgesetzt. Milton Friedman, der große Theoretiker des Geldes, sollte 100 Jahre später die These aufstellen, dass Amerikas staatliche Subventionierung des weißen Metalls weitreichende und unvermutete weltpolitische Folgen nach sich zog. Der verzerrte Silberpreis habe in den Dreißiger- und Vierzigerjahren zu einer Teuerungswelle in China geführt und das Regime von Chiang Kai-shek destabilisiert, das einen wichtigen Verbündeten Washingtons in Asien darstellte. Folgt man Friedmans Argumentation, hätte sich Amerika in der Tat den ultimativen Bärendienst erwiesen, den Forderungen der Silberlobby nachzugeben. Denn mit dem Sturz von Chiang gelangten die chinesischen Kommunisten unter Mao Zedong an die Macht. Mao gründete 1949 die Volksrepublik China, die zwei Dekaden lang (noch vor der Sowjetunion) der erbittertste ideologische Feind der USA war und Amerika in zwei Kriegen – in Korea und Vietnam – die Stirn bieten und schmerzhafte Verluste zufügen sollte.

Selbst wenn die Kausalkette vom Wirken der Silber-Lobby im Kongress bis hin zum Sieg von Maos Kommunisten in China etwas weit hergeholt erscheinen mag: Der Streit um den Goldstandard gibt einen Vorgeschmack auf spätere Konflikte um Amerikas Zahlungsmittel. Der Dollar sollte im US-Parlament auch im 20. Jahrhundert ein eminent wichtiges Streitthema bleiben. Doch da sollte er keine rein amerikanische Währung mehr sein, sondern die Leitwährung der Welt, von deren Gesundheit die Prosperität und auch die Sicherheit von Milliarden Menschen abhingen. Innenpolitisch motivierte Entscheidungen und die Frage, ob die Kaufkraft der US-Währung konsolidiert oder aufgeweicht werden sollte, würden sich über den Dollar-Wechselkurs auf die gesamte Weltwirtschaft übertragen. Der »Nixon-Schock« von 1971, das »Plaza-Abkommen« von 1985 und später die amerikanische Hypothekenkrise waren Ausflüsse amerikanischer Innenpolitik – ebenso wie sie Ereignisse waren, die den Lauf der Geldgeschichte änderten.

Doch ehe es zu diesem diffizilen Wechselspiel zwischen amerikanischer Innenpolitik und Außenwert des Dollar kommen konnte, musste der Dollar erst zur Leitwährung aufsteigen. Trotz der beträchtlichen ökonomischen Fortschritte der Vereinigten Staaten war der rasante Aufstieg des Dollar um das Jahr 1900 noch nicht abzusehen. Zur Jahrhundertwende galt Amerika zwar als die größte Volkswirtschaft auf dem Planeten. Manchen Schätzungen zufolge lag das amerikanische Bruttoinlandsprodukt schon 1890 über dem britischen. Wegen der Binnenorientierung der amerikanischen Wirtschaft war die US-Währung jedoch weiterhin eine lokale Größe. Wie konnte der Dollar in weniger als 50 Jahren von einem regionalen Zahlungsmittel an den Rändern der monetären Welt zur alleinigen Handels- und Reservewährung auf dem Globus avancieren?

2. Die Geburt einer unerwarteten Weltwährung

Als sich im November 1918 der Pulverdampf über den Schützengräben Europas verzog, standen die Verlierer der großen Völkerschlacht fest: das geschlagene Deutsche Reich und seine Verbündeten, die Achsenmächte. Weniger klar war hingegen, wer sich zu den Siegern zählen durfte. Manche, die sich im November 1918 am Triumphgefühl des gewonnenen Krieges berauschten, sollten sich schon wenige Jahre später um die Früchte ihres Sieges betrogen wähnen, allen voran die Italiener. Ein unzweifelhafter, wenngleich überraschender Gewinner des Ersten Weltkriegs war der US-Dollar. Er hatte gewissermaßen mit den G.I.s (im Jahr 1918 standen zwei Millionen amerikanische Soldaten auf europäischem Boden) den Atlantik überquert und den Kampf um die Vorherrschaft auf dem alten Kontinent mitentschieden. Doch während die amerikanischen Soldaten schon bald nach dem Ende der Schlacht in ihre Heimat zurückkehrten, blieb der Dollar Europa als Machtfaktor erhalten. Der alte Kontinent wurde zur monetären Dependance der ehemaligen Kolonie in Nordamerika – nicht immer mit stabilisierender Wirkung, nicht immer zum Vorteil der Nationen.

Die Schwäche der anderen