Wendebriefe - Miriam Margraf - E-Book

Wendebriefe E-Book

Miriam Margraf

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Beschreibung

Am 29. September 1989 reist Miriam Margraf als Mitglied der FDJ-Maschinenschlosser-Brigade „Werner Lamberz“ zum Erntehelfer-Einsatz nach Äthiopien. Ihre Mutter Waldtraut Lewin, Schriftstellerin und Mitglied der Akademie der Künste der DDR, erlebt die nächsten Wochen des Umbruchs in der DDR hautnah mit und korrespondiert mit ihrer Tochter in Äthiopien, ebenso der Vater von Miriams damals 11jährigem Bruder Niklas (Nickel), Roland Kästner, der, ebenfalls Schriftsteller, in Hoppegarten bei Berlin lebt.

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Miriam Margraf / Waldtraut Lewin / Roland Kästner

 

WENDEBRIEFE

Drei DDR-Schriftsteller und ein privater Briefwechsel

 

ISBN 978-3-949629-14-3

1. Auflage

© Bradamante Verlag, Berlin 2021

Umschlag: Miriam Margraf

Präambel

 

Am 29. September 1989 reist Miriam Margraf als Mitglied der FDJ-Maschinenschlosser-Brigade „Werner Lamberz“ zum Erntehelfer-Einsatz nach Äthiopien. Es war üblich, junge Schriftsteller als „Hofberichterstatter“ mit den Brigaden der Freundschaft in die „Bruderländer“ der Dritten Welt zu entsenden. 1989 war für einen Brigadeschreiber kein Geld mehr vorhanden, daher musste der Einsatz als Vollmitglied erfolgen, als Köchin.

 

Ihre Mutter Waldtraut Lewin, Schriftstellerin und Mitglied der Akademie der Künste der DDR, erlebt die nächsten Wochen des Umbruchs in der DDR hautnah mit und korrespondiert mit ihrer Tochter in Äthiopien, ebenso der Vater von Miriams damals 11jährigem Bruder Niklas (Nickel), Roland Kästner, der, ebenfalls Schriftsteller, in Hoppegarten bei Berlin lebt.

 

 

Miriam

Addis Abeba, den 29.9.1989

Allen Befürchtungen zuwider hat uns unsere nicht mehr ganz neue Boeing der Ethiopian Airlines nahezu pünktlich in Addis abgeliefert. Ich fühle mich nicht einmal allzu zerschlagen, da ich trotz der Unbequemlichkeit im Flugzeug einigermaßen schlafen konnte. Wir waren 13 Stunden unterwegs. Bei den Zwischenlandungen in Athen, Kairo und Khartum blieb man an Bord. Faszinierend war das Lichtermeer von Kairo, das sich bis zum Horizont erstrecke. Wir flogen zwanzig Minuten lang über die Stadt. Den Nil habe ich einmal bei Nacht und dann bei Sonnenaufgang gesehen.

Dies ist also Afrika. Addis ist grün, da die Regenzeit eben vorüber ist, grellbunt angekleckst, maßlos verdreckt und besteht größtenteils aus Wellblech- oder Asbesthütten, vor denen halb verhungerte Kinder und Hunde sich tummeln. Die Autos hier sehen alle so aus, als wären sie schon einmal unter der Presse gewesen. Abfallen kann von denen aber nichts mehr, weil da schon alles fehlt. Es ist mäßig warm, 24°C unter Mittag. Die Vögel machen Krawall in den Ästen wildrot blühender Bäume, deren Namen ich nicht kenne.

Übermorgen früh werden wir mit drei Autos aufs Land gefahren. Ich werde mit dem Brigadier und dem Dolmetscher im Lada Niva sitzen, der noch der beste sein soll neben einem uralten Nissan und einem klapprigen Toyota. Das ursprünglich für uns vorgesehene Camp ist übrigens vom Stausee überschwemmt worden, sodass wir nun im nächsten Dorf im Internat einer Landwirtschaftsschule untergebracht sein werden. Die DDR-Botschaft warnt vor Malaria und Bürgerkrieg und empfiehlt, die Hauptstadt so bald wie möglich zu verlassen.

 

 

Waldtraut

Berlin, den 3.10.1989

Es wird dir sicher merkwürdig vorkommen, dass es hier bei uns von Morgen zu Morgen ein paar Grade kälter wird und man schon in Stiefeln laufen kann, soll, muss. Und du, unter welchen Sonnen und Monden gehst du einher? – Da können wir wohl warten, bis wir was erfahren werden, aber wir tun’s, was bleibt uns übrig.

Gestern Abend mussten wir beide, dein Bruder [Nickel] und ich, ins Hinterzimmer retirieren – die Panzer! Ich hatte gerade mit S., die gestern die Montags-Besuchstradition wieder aufgenommen hat, davon gesprochen, dass wir ja dies Jahr nicht ausbüxen können vor dem Ereignis, und sie hatte sogar ihre Wohnung im Hohenschönhausener Hochhaus als Refugium angeboten, als es denn schon losging mit Gestank und Krawall und Nickel an meinem Bett stand zwei Stunden nach S.‘s Aufbruch und frage: Weißte, was das ist? – Und ich wusste es. Habe diesmal keinen Blick darauf geworfen auf den Horror. Klar, dass sie es gerade dies Jahr nicht weglassen können, obwohl das wirklich geschmackvoll gewesen wäre.

Die Ambassaden befreundeter Nachbarländer sind mit einem Ruck und Sonderzug (durch Dresden!) geleert worden, aber was frommt’s, es quillt schon wieder nach. Hohlräume werden nicht zugelassen.

 

 

Roland

Hoppegarten, den 4.10.1989

Um gleich zur Sache zukommen, es ist zum Kotzen! Hier reist es wie verrückt, sogar in Zügen, die, von uns gestellt, durch uns hindurch fahren. Es gibt Verspätungen, weil nicht nur die Bahnhöfe, sondern auch die Gleisanlagen blockiert werden. Man will den letzten Zug noch kriegen, so oder so. Na gut. Die Feierlichkeiten haben, wie ich den Nachrichten entnommen habe, heute begonnen.

 

 

Waldtraut

Berlin, den 7.10.1989

Während ich das schreibe, donnern die Motoren der Panzer durch die Rosa-Luxemburg-Straße. Die Parade ist vorbei, ich weiß nicht, wo sie hinwollen, und der Dreck und der Lärm füllen die Wohnung. Ich hab dazu ganz laut „Zauberflöte“ laufen, und die singen „Dann ist die Erd ein Himmelreich und Sterbliche den Göttern gleich“. Felix Africa! Rief eben Böwe1 an, der Nationalpreisträger Klasse I geworden ist, und der sagt, er hat lange geschwankt, ob er annimmt (Engel2 in Dresden hat abgelehnt). „Gorbi, hilf uns!“, haben sie gestern auf der Straße geschrien. Na, der hat sicher andere Sorgen! Immerhin ist er gekommen, bloß ich denke, die Zeiten sind vorbei, wo wir auf die Russen gehört haben.

Ich bin ja neugierig auf Berichte vom Wahren Leben, fern von Europens übertünchter Höflichkeit, die allerdings im Augenblick, das muss man mal festhalten, stark unterentwickelt ist. Hast du auch eine reale Adresse oder muss alles über die FDJ laufen? Die unterliegt, wie alle Dinge dieser Welt, den Gesetzen allen Fleisches, und man weiß ja wie brüchig desselbige ist und wie hinfällig, und wir alle haben schon vor Apotheken Pferde kotzen sehen und das nicht zu knapp.

Apropos: Der Dresdner Hauptbahnhof ist total zerdonnert aufgrund der Vorfälle bei vorbeikommenden Zügen mit Leuten aus Prag oder besser dort aus einem speziellen Gebäude. Dreitausend sollen da gewesen sein und wollten zum Teil aufspringen.

Viva la musica e l’arte – sie sind denn doch das einzige, was uns bleibt, in diesem kunterbunten und grausamen Narrenzirkus.

 

Waldtraut

Berlin, den 13.10.1989

Seit dem 7. Oktober sind wir hier nur noch in permanenter Aufregung – unsere Straße voller Panzer (nicht zur Parade) ist das eine; die Geschehnisse in Berlin, Dresden, Plauen, Potsdam, Leipzig das andere. Am Montag waren in Leipzig Siebzigtausend auf den Beinen mit Kerzen in den Händen. Alles verlief friedlich (!). Unsere Jungen [Söhne von Freunden, die zu dem Zeitpunkt bei der NVA dienten, Anm. d. Hrsg.] saßen auf dem Pulverfass. Wir alle telefonierten bis in die Nacht miteinander, bis wir erfuhren, dass die Sache sich im Guten gelöst hatte. T. war übers Wochenende zuhause erwartet worden und kam nicht – Nachrichtensperre! Er saß schon in Kampfanzug, Schwimmweste und mit Gummiknüppel auf dem LKW! Masur3 und ein paar Leipziger Kreissekretäre hatten eine Proklamation an die Demonstranten gerichtet und per Funkwagen in der Stadt verkünden lassen. Die Parolen bei der Demo waren „Wir bleiben hier!“, „Keine Gewalt!“ und „Gorbi, hilf!“ Dass dies alles in unserer Republik der Schlafmützen möglich ist, wer hätte das gedacht.

Einige Kruzianer haben auch aus Dresden berichtet, wo der Mob allerdings eifrig mitgemischt hat und einiges zu Bruch ging.

Ganz schlimm war’s in Berlin um die Gethsemane-Kirche herum. Die Details vom Einsatz der Stasi und der Kampfgruppen sind so haarsträubend, dass man sie nicht schreiben kann – so dient vielleicht ein kleines Detail am Rand: R.‘s Tochter liegt mit von Metallstöcken zerbrochenen Beinen im Krankenhaus. Es war faschistoid und ich denke, wenn man hier weiter sein will und möchte, muss man versuchen, diese Leute zur Verantwortung zu ziehen. – Inzwischen gibt es eine einlenkende Parteideklaration, immerhin, wie es heißt, dialogbereit, und eine Fülle von Willenserklärungen der Künstlerverbände, der Theater, der Akademie der Künste etc. Die Theater hängen ihre nicht veröffentlichten Offenen Briefe einfach im Foyer aus oder verlesen sie wie Wolfram4 + Schönemann5 einfach vor der Vorstellung. Falls ihr Zeitungen zu fassen kriegt, packe sie, vor allem die „Junge Welt“, die den offenen Brief von Hermann Kant6 am Montag, den 9. publizierte, und damit ging’s los. Die Kirchen haben vierzehn Tage „Bedenkzeit“ vorgeschlagen – alles kann aber auch nur eine Finte sein. Bloß ist im Moment wohl keiner mehr bereit, sich an der Nase herumführen zu lassen. Putzige Zeiten! - Mal sehen, was besteht oder bestanden hat, wenn du retour bist. Stoff für Geschichte und Geschichten noch und noch und wie immer, wenn man dicht dran ist, nicht durchschaubar. Bleibend nur der brennende Eifer, unerträgliche Zustände zu verändern, und dies nun wirklich ein staunenswertes Bild in diesem eingeschlafenen, materiell orientierten und sauertöpfisch-frustrierten Ländle. Siebzigtausend, das ist schon eine Zahl für eine Stadt! Und meine Sachsen lob ich mir wie eh und je.

 

 

Miriam

Ardaita, den 14.10.1989

Zunächst: Ich habe hier keine offizielle Adresse. Höchstens: Ende der Welt.

Es häufen sich Meldungen über Unruhen im Land. In den Provinzen herrscht Bürgerkrieg. Die Tigrayische Volksbefreiungsfront TPLF kämpft im Norden mit Rückendeckung durch Eritrea gegen Regierungstruppen. Außerdem gibt es Konflikte an der Grenze zu Somalia im Südosten, Tausende Somali sind auf äthiopisches Terrain geflüchtet. Der Krieg kommt also von allen Seiten näher, und wir wissen nicht, wann er uns erreichen wird. Auch die DDR-Botschaft in Addis Abeba sendet Warnsignale: Putschstimmung in der Hauptstadt, zunehmende Gefahr von Geiselnahmen! – Es ist unter der Bevölkerung bekannt geworden, dass die DDR Waffen an die äthiopische Regierung geliefert hat, was uns bei deren Widersachern nicht eben beliebt macht. Wir müssen strikte Sicherheitsvorschriften befolgen, dürfen uns nur in Gruppen, niemals allein bewegen und das Institutsgelände nicht verlassen. Vor meinem Küchenfenster patrouillieren äthiopische Wachmänner, ausgerüstet mit den neuesten amerikanischen Light Machine Guns. Trotzdem habe ich irgendwie keine Angst, es ist alles zu irreal. Es heißt, der Bürgerkrieg könnte schon in zwei Wochen hier sein. Bis dahin geht kein Flugzeug mehr nach Berlin. Sie haben den Flugverkehr eingestellt. Vielleicht wird Rom noch angeflogen, aber die Hoffnung ist gering.

 

Waldtraut

Leipzig, den 15.10.1989

Gestern war S. da und berichtete von der Versammlung der Theaterleute am Sonntagvormittag. Es war maßlos aufregend. Man hat eine Resolution eingebracht gegen die Misshandlungen nach den Festnahmen, Leute haben ihre Erlebnisse geschildert, man wird eine Art Braunbuch darüber herausgeben und Gregor Gysi, der Sohn vom alten Gysi7, der Anwalt ist, übernimmt die Verteidigung der Leute.

Gestern waren hier in Leipzig wieder 120 Tausend (!) zugange, und am 4. November soll in Berlin wieder demonstriert werden. Was das alles noch werden soll und wohin das führt, weiß der Himmel. Die Leute haben ja doch nur unkonkrete Programme, und solange die ökonomische Seite nicht mitzieht, hat es doch alles keinen Sinn. Nun wird die für mein Gefühl absolut irrationale Forderung laut, dass Köpfe rollen sollen, darunter der des Chefkommentators8, der ja wohl einer der bestgehassten Männer des Landes ist. Ja, begreifen die denn nicht, dass das alles nur Image ist bei diesem Knaben, ob nun der oder ein anderer das macht … Da steht nun wohl schon die zweite Reihe und wartet auf ihren Auftritt, wenn ihnen, wie bei allen Revolutionen, die politischen Dilettanten den Weg freigeschossen haben.

Du aber bist nun an die echten Brennpunkte des generis humani versetzt, wo es nicht nur um Schnickschnack geht, denke ich mir. Andere Götter, andere Richter. Die, zugegeben, liebgewordenen Prozeduren und Ernsten Spiele dieser Zivilisation, sind sie denn wirklich relevant?

 

Miriam

Ardaita, den 20.10.1989

Während bei euch nun Erich endlich die Flinte ins Korn geschmissen hat und andere auch, schläft der Löwe hier länger nicht. Wir haben offenen Krieg.

Vorgestern hat die Tigrayische Befreiungsarmee den letzten strategisch wichtigen Punkt vor der Straße nach Assab eingenommen. Dort befindet sich der einzige Hafen. Die Straße verbindet Addis Abeba mit dem Roten Meer. Wie allgemein verlautbart, haben die Regierungstruppen keine Chance. Trotzdem presst Mengistu halbe Kinder in die Armee und verkündet „bis zum letzten Blutstropfen“ kämpfen zu wollen. Sollte die Straße ganz eingenommen werden, hätten die Befreiungs-Truppen Addis im Griff und könnten sowohl die Hauptstadt als auch das gesamte Hinterland aushungern, denn andere Transportwege gibt es nicht. Es existiert kein Eisenbahnnetz. Hatte ich schon erwähnt, dass Deutsche bei der TPLF nicht sonderlich beliebt sind? Aber die DDR-Botschaft lässt nichts von sich hören. Wir sitzen, das Notgepäck unterm Bett, auf unserem Pulverfass und warten darauf, dass es uns um die Ohren fliegt. Um nach Addis zu gelangen, bräuchten wir Sprit, und den haben wir gerade nicht. Und dann wäre es außerdem unwahrscheinlich, dass wir von dort wegkommen, bevor es knallt. Es fliegt ja nichts mehr. Die Hilfsorganisationen haben sich alle schon vorsorglich abgesetzt.

Da vergammele ich nun also in einem afrikanischen Dreckloch und warte darauf, dass ich entweder mein Fell retten kann oder dass sie es mir über die Ohren ziehen. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, in Europa zu bleiben. Aber Angst habe ich keine. Man sitzt mittendrin und was kommt, das kommt.

 

 

Waldtraut

Berlin, den 21.10.1989

Da können wir nun seit Mittwoch singen: „Mir ham een neie Oberkeet an unserm Kammerherrn“ und sind alle die Fans von dem, worauf sich’s reimt …9 Wir hatten ein Auswechseln der Köpfe, aber nicht der Stückmeister. Aber: Die Jeans-Produktion wird erhöht! Hurra. Da freuen wir uns.

Das Wort, das im Moment am häufigsten in den Medien auftaucht, heißt: Dialog. Na fein, wenn wir nur wüsten, worüber. Und jeder Bürger erhält einen Reisepass (ob mit oder ohne Visum, hängt davon ab, ob die BRD ihre „Obhutspflicht“ aufgibt – da kannste wiehern vor Lachen.) Du merkst, ich stehe Perestroika made in GDR doch recht skeptisch gegenüber, vor allem, wenn die neuen Köpfe die alten sind. Es gibt Leute, die sehen’s anders. B. meint wir schaffen’s, dass aus diesem Land was Vernünftiges wird, auch H. hat Zuversicht. Aber ick weeß nich. Ich hab Dinge aus den Kasernen erfahren, und wir hatten aus gegebenem Anlass Akademie-Plenum, wo es hoch herging. Wir haben einen Brief verfasst, worin wir eine Untersuchung der faschistoiden Polizeimethoden in Rummelsburg fordern, und was Hermlin10 so in aller Ruhe erzählte, war mehr als interessant.

Entschuldige, wenn im Moment alle Briefe mit der „Aktuellen Kamera“ anfangen. Eben bringen die Abendnachrichten wieder: Zwanzigtausend Demonstranten in Dresden, Menschenkette von zweitausend vom Alex zur Keibelstraße, Gespräch mit Schabowski11 …

So, nun lauere ich auf Botschaften von jenseits der Meere und Länder. „Quid novi ex Africa?“; fragte Cicero immer während Caesars Unternehmungen daselbst.

 

Miriam

Ardaita, den 26.10.1989

Warten. Der Versuch, einen ganz „normalen“ Brief zu schreiben über das Alltägliche, über die Augenblicke des Tages, die ich am meisten liebe: Morgens um Dreiviertel Sechs in meine Küche gehen. Der Weg übers Gelände, wenn es noch eiskalt ist, fast bei Null, wenn der Himmel sich blau und rosa färbt, indes das Kreuz des Südens schon verblasst und der Waschschüsselmond verkehrtherum am Himmel hängt. Oder gegen halb Neun, wenn alle ausgeflogen sind und ich mit dem Abwasch fertig bin, mein Klappstühlchen nehme und mich im Heckengeviert mit Blick auf die Bale Mountains niederlasse, das Schreibzeug zur Hand, und Notizen oder Briefe schreibe, solange, bis der stete Morgenwind nachlässt und die Hitze unerträglich wird.

 

 

Waldtraut

Berlin, den 27.

---ENDE DER LESEPROBE---