Wenn aus Funken Flammen werden - Abby Jimenez - E-Book
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Wenn aus Funken Flammen werden E-Book

Abby Jimenez

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Beschreibung

»Von superwitzig über bissig-schlagfertig bis tiefemotional.« (Booklist) Kristen steht kurz vor einem medizinischen Eingriff, der es ihr unmöglich machen wird, Kinder zu bekommen. Deshalb geht sie mit gemischten Gefühlen an die Aufgabe, die Hochzeit ihrer besten Freundin zu organisieren. Vor allem, als sie dabei Josh, den anderen Trauzeugen, kennenlernt. Er ist witzig, sexy und weiß mit ihrer direkten Art umzugehen. Allerdings träumt Josh von einem Haus voller Kinder. Kristen ist klar, dass sie nicht die Richtige für ihn ist. Doch die Anziehung zwischen Josh und ihr wird immer größer, und es wird auch für Kristen immer schwerer, ihn auf Abstand zu halten.

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Seitenzahl: 503

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Über das Buch

Kristen sagt meistens, was sie denkt, würde alles für ihre Freunde tun und hat außerdem ein großes Geheimnis: Sie steht kurz vor einem medizinischen Eingriff, der es ihr unmöglich machen wird, Kinder zu bekommen. Deshalb geht sie mit gemischten Gefühlen an die Aufgabe, die Hochzeit ihrer besten Freundin zu organisieren. Vor allem, als sie dabei Josh kennenlernt, den anderen Trauzeugen. Er ist witzig, sexy und niemals beleidigt von ihrer offenen Art. Allerdings träumt Josh von einem Haus voller Kinder. Kristen ist klar, dass sie nicht die Richtige für ihn ist. Doch die Anziehung zwischen Josh und ihr wird immer größer …

 

 

 

 

Dieses Buch ist all jenen Menschen gewidmet, die mich beim Schreiben aufgemuntert und ermutigt haben. Und Stuntman Mike.

1JOSH

An einer roten Ampel warf ich einen Blick auf die Textnachricht.

Celeste: Von mir kriegst du keinen Cent, Josh. Verpiss dich einfach.

»Verdammt«, murmelte ich und warf das Handy auf den Beifahrersitz. Wusste ich’s doch, dass sie das durchziehen und mich eiskalt abservieren würde. Mist.

Ich hatte ihr die gesamte Einrichtung des Hauses überlassen und sie lediglich darum gebeten, die Hälfte der Lowe-Rechnung zu bezahlen. Die Hälfte von dreitausend Dollar für Geräte, die ich ihr großzügig geschenkt hatte, statt sie zu verkaufen, obwohl die Zahlungen über meine Kreditkarte liefen. Und natürlich bekam ich bei dem ganzen Schlamassel dann irgendwie die Arschkarte, weil ich drei Monate nach unserer Trennung einen neuen Job anfing und dazu in einen anderen Bundesstaat zog.

Aus sicherer Quelle wusste ich, dass sie mittlerweile mit einem Typ namens Brad zusammen war.

Hoffentlich wusste dieser Brad meinen Edelstahl-Gasherd mit Doppelbackofen wenigstens zu schätzen.

Der Geruch von heißem Asphalt wehte durch die offenen Autofenster herein, während ich im zähen morgendlichen Verkehrschaos von Burbank steckte. Selbst sonntags waren die Straßen hier überfüllt. Wenn ich in Kalifornien überleben wollte, musste ich dringend meine Klimaanlage reparieren lassen – wofür mir allerdings gerade das nötige Kleingeld fehlte. Ich hätte einfach zu Fuß zum Supermarkt gehen sollen. Das wäre vermutlich schneller gegangen, und außerdem hätte ich kein Benzin verschwendet – noch etwas, was im Vergleich zu South Dakota hier locker das Doppelte kostete.

Vielleicht war dieser Umzug doch keine so gute Idee gewesen.

Die Gegend hier würde mich noch ruinieren. In Kürze musste ich den Junggesellenabschied meines besten Freundes ausrichten, dazu kam der Umzug, die höheren Lebenshaltungskosten … und jetzt noch dieser Ärger.

Die Ampel schaltete auf Grün und ich fuhr los. Plötzlich bremste der Pick-up vor mir unerwartet scharf, sodass ich gegen seine Stoßstange prallte.

Verdammt. Das ist ja wohl nicht zu fassen.

Innerhalb einer halben Minute stürzte mich dieser Tag gleich doppelt ins Unglück. Und dabei war es noch nicht einmal acht Uhr morgens.

Der andere Fahrer machte Anstalten, auf den Parkplatz eines Supermarktes abzubiegen, und signalisierte mit der Hand aus dem Fenster, dass ich ihm folgen sollte. Es war eine Frau, denn sie trug ein Armband am Handgelenk. Ihr Winken wirkte seltsam ironisch. Aber ihr Wagen war schon cool. Ein Ford F-150. Er hatte noch Händler-Kennzeichen. Was für ein Jammer.

Sie hielt an und ich parkte direkt dahinter, schaltete den Motor aus und wühlte im Handschuhfach nach meinen Versicherungsdokumenten. Währenddessen stieg die Frau aus, ging zum Heck des Wagens und begutachtete die Stoßstange.

»Hallo«, sagte ich und stieg ebenfalls aus. »Tut mir leid.«

Sie musterte mich vorwurfsvoll. »In der Fahrschule nicht aufgepasst, oder was? Erste Grundregel: Niemandem hinten reinfahren?« Provokant hob sie das Kinn.

Sie war relativ klein. Höchstens einssechzig. Und ziemlich schmal. Vorn auf ihrem Shirt prangte ein länglicher nasser Fleck. Sie hatte schulterlange braune Haare und braune Augen und war auffallend hübsch. Und auffallend angepisst.

Ich kratzte mir die Wange. Verärgerte Frauen waren eine besondere Spezialität von mir. Mit sechs Schwestern war ich auf diesem Gebiet gut trainiert.

»Wir sehen erst mal nach«, sagte ich betont ruhig, »was eigentlich passiert ist.«

Ich hockte mich zwischen unsere Autos und begutachtete den Schaden, während sie mit verschränkten Armen danebenstand. Ich sah zu ihr hinauf. »Es hat die Anhängerkupplung erwischt. Mit dem Wagen ist alles in Ordnung.« An meinem Auto war eine kleine Delle erkennbar, die aber nicht weiter schlimm aussah. »Das muss nicht über die Versicherung laufen, denke ich.«

Einen Strafeintrag im Verkehrsregister konnte ich mir jetzt auf keinen Fall leisten. Das wäre extrem ungünstig für meinen neuen Job. Ich richtete mich ein Stück auf und sah sie an.

Sie beugte sich hinunter und ruckelte an der Kupplung. »Gut«, antwortete sie und schien mit meiner Einschätzung zufrieden zu sein. »Sind wir dann also hier fertig?«

»Sieht so aus.«

Sie machte auf dem Absatz kehrt und steuerte eilig die Beifahrerseite ihres Wagens an, während ich mich in Richtung Supermarkt wandte. Sie beugte sich in die Fahrerkabine und legte sich bäuchlings auf den Sitz, sodass ihre Beine zur Tür herausragten. Dabei fiel einer ihrer Flipflops zu Boden.

Sie hatte einen ausgesprochen hübschen Hintern.

»Hey«, sagte sie und drehte sich zu mir um, als ich vorbeiging. »Statt mir auf den Hintern zu glotzen, könntest du dich nützlich machen und mir ein paar Servietten geben.«

Erwischt.

Ich zeigte mit dem Daumen über meine Schulter. »Äh, ich hab gar keine Servietten im Auto.«

»Dann lass dir was einfallen«, entgegnete sie ungeduldig.

Da ich mich ein wenig schuldig fühlte, weil ich so unverhohlen ihre körperlichen Vorzüge bewundert hatte – oder vielmehr weil ich dabei erwischt wurde –, beschloss ich dann doch, ihr behilflich zu sein. Ich ging zurück zum Auto und holte ein T-Shirt aus meiner Sporttasche. Als ich es ihr gab, riss sie es mir aus der Hand und verschwand damit wieder im Inneren des Fahrzeugs.

Ich blieb bei ihr stehen – zum einen weil sie mein Lieblingsshirt hatte und weil zum anderen wirklich nichts gegen ihren Anblick einzuwenden war. »Alles okay?« Ich versuchte an ihr vorbei auf den Vordersitz zu schauen, doch sie versperrte mir die Sicht.

Ein hellbraunes Hündchen mit weißem Kinn knurrte mich aus dem hinteren Fenster an. Es war eine von diesen winzigen Fußhupen. Sogar Kleidung trug er, wie ich amüsiert feststellte.

»Das Auto ist nagelneu, es gehört einem Freund von mir und ich hab Kaffee drin verschüttet«, informierte sie mich. Ihr anderer Flipflop war inzwischen ebenfalls auf den glühend heißen Parkplatz gefallen, sodass sie nun barfuß mit rotlackierten Zehennägeln auf dem Trittbrett stand. »Alles ist nass. Von daher ist überhaupt nichts okay.«

»Was ist dein Freund denn für ein Idiot? Es war schließlich ein Unfall.«

Sie fuhr herum und funkelte mich wütend an, als ob ich ihren Hund getreten hätte. »Nein, er ist kein Idiot. Ganz im Gegensatz zu dir. Wahrscheinlich hast du am Steuer mit dem Handy rumgemacht.«

Sie war angriffslustig. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen und räusperte mich. »Ich habe nicht mit meinem Handy hantiert. Und fairerweise solltest du zugeben, dass du ohne erkennbaren Grund gebremst hast.«

»Weil ich anhalten musste.« Sie drehte sich um und widmete sich wieder dem befleckten Innenraum.

Ich nahm an, dass sie Kaffee verschüttet und deshalb vor Schreck eine Vollbremsung gemacht hatte. Aber ich wollte sie nicht unnötig reizen.

Ich schob die Hände in die Taschen und schaute über den Parkplatz. »Na dann. Hat mich gefreut, mit dir zu plaudern. Klemm mir das T-Shirt einfach unter den Scheibenwischer, wenn du fertig bist.«

Sie kletterte durch die Beifahrertür in den Wagen und knallte von innen die Tür zu.

Ich schüttelte den Kopf und ging lachend zum Supermarkt.

Als ich wieder herauskam, war sie samt meinem Shirt verschwunden.

2KRISTEN

Schwungvoll stellte Shawn einen Stuhl mitten in den Aufenthaltsraum der Feuerwache, setzte sich rittlings darauf und sah mich an. Viel näher konnte er gar nicht kommen und mir auf die Nerven gehen. Ich saß in einem der sechs braunen Ledersessel, die vor dem Fernseher standen. Mein Yorkshire Terrier Stuntman Mike stand knurrend auf meinem Schoß.

Shawn wackelte vielsagend mit den Augenbrauen unter seiner albernen Schmalztolle. »Na, wie sieht’s aus, Süße?«

Als ich mich nach vorn beugte und meinen Hund am Kopf kraulte, kam gerade Javier, der Leiter der Feuerwache, in die Küche. »Shawn, nur damit du Bescheid weißt: Falls ich mal auf Mund-zu-Mund-Beatmung angewiesen sein sollte und du der letzte Sanitäter auf dieser Erde wärst, dann wünsche ich mir zu meiner Beerdigung Spenden für den Tierschutz statt Blumen.«

Breit grinsend schenkte sich Javier einen Kaffee ein und Brandon, der mit seinem Buch im Sessel neben mir saß, lachte auf. »Ach, Shawn, zieh einfach Leine.«

Shawn stand auf, nahm seinen Stuhl und schob ihn zurück an den Tisch, während er irgendetwas vor sich hinmurmelte.

In diesem Moment kam Sloan aus dem Badezimmer gewirbelt. Sie trug den weißen Leinenrock, den sie sich gekauft hatte, als wir vorigen Sommer zusammen in Mexiko waren, und dazu bis zur Wade hoch geschnürte Sandalen. Damit sah sie aus wie eine griechische Göttin.

Aber meine beste Freundin war sowieso hinreißend. Blonde, lange Haare, den linken Arm voller knallbunter Tattoos und am Ringfinger einen funkelnden Klunker. Sie war mit Brandon verlobt, diesem genauso unverschämt attraktiven Feuerwehrmann.

Es war Sonntag und somit Familientag in der Feuerwache. Das hieß, dass die vier diensthabenden Jungs gemeinsam mit ihren Freunden und Angehörigen hier frühstückten. Sloan und ich waren an diesem Morgen jedoch die einzigen Gäste. Javiers Frau war mit den Töchtern in der Kirche und Shawn hatte keine Freundin.

Wie überraschend.

Rein formell war ich als Joshs Begleitung dabei. Er gehörte als viertes Mitglied zum Team, auch wenn ich ihn noch gar nicht kannte.

Josh war Brandons bester Freund. Er kam aus South Dakota und hatte gerade erst hier angefangen. Außerdem war er Brandons Trauzeuge, genau wie ich Sloans Trauzeugin war. Die Hochzeit fand am 16. April statt, in zwei Monaten schon. Da Josh die Verlobungsfeier verpasst hatte, war es ziemlich wichtig, dass wir uns umgehend kennen lernten.

Ich schaute nach der Uhrzeit. Mein Hunger wurde immer größer, und allmählich bekam ich schlechte Laune, denn bisher hatte ich lediglich einen Kaffee getrunken. Für das Frühstück heute war Josh zuständig. Allerdings war er immer noch nicht aufgetaucht.

Ich ärgerte mich also schon über ihn, noch ehe ich ihm zum ersten Mal begegnet war.

»Also«, begann Sloan und setzte sich in den Sessel neben Brandon. »Verrätst du mir, woher du das T-Shirt hast?«

Ich sah an mir herunter. Ich trug ein schwarzes Herrenshirt mit Werbung der Brauerei Wooden Legs, das ich in der Taille geknotet hatte. »Nö.«

Sie musterte mich skeptisch. »Du bist losgefahren, um Tampons zu besorgen, und kommst mit ’nem fremden Oberteil zurück. Muss ich mir Sorgen machen, weil du mir den Grund verheimlichst?«

Brandon hob den Blick von seinem Buch. Er war ein ausgeglichener Typ, den so schnell nichts aus der Ruhe brachte. Doch mit dem Bekenntnis, dass ich seinen neuen Wagen soeben mit meinem schwarzen Sumatra-Kaffee getauft hatte, würde ich mir vermutlich einen strafenden Blick von ihm einhandeln, was irgendwie noch schlimmer war als böse Worte.

Deshalb entschied ich mich dagegen.

Schließlich hatte ich sämtliche Spuren beseitigt. Und bei der Kollision, die ich durch mein Bremsmanöver nach dem kleinen Kaffeeunfall verursacht hatte, war schließlich kein Schaden an der Stoßstange entstanden. Somit musste er auch nichts davon erfahren.

Da mein Oberteil ohnehin mit Kaffee getränkt war, hatte ich es gleich benutzt, um den Rest aufzuwischen und stattdessen das Shirt des Parkplatzkaspers angezogen.

»Es ist von Tyler«, log ich. »Es riecht so gut nach ihm und ich hatte ein bisschen Sehnsucht.« Ich hielt meine Nase an den Kragen und schnüffelte demonstrativ daran.

Wow, es roch tatsächlich toll.

Dieser Typ war verdammt sexy gewesen. Erkennbar gut gebaut und durchaus attraktiv. Mit einem glattrasierten, jungenhaften Gesicht, was mich immer total anzog.

Meine Güte, ich war wirklich ausgehungert. Jetzt fing ich schon an, mir irgendwas mit fremden Männern zurechtzufantasieren. Der letzte Sex war aber auch verdammt lange her. Seit sieben Monaten war Tyler jetzt weg.

Sloans Gesichtsausdruck wurde schlagartig sanft. »Awwww. Wie süß. So schade, dass du morgen am Valentinstag nicht mit ihm zusammen sein kannst. Aber nur noch drei Wochen, dann hast du ihn für immer bei dir.«

»Jep. Dann ist sein Einsatz zu Ende und wir wohnen ganz offiziell zusammen.« Bei dieser Aussage bekam ich ein leicht flaues Gefühl im Magen, ließ mir jedoch nichts anmerken.

Lächelnd legte Sloan die Hand auf ihr Herz. Obwohl sie Tyler nicht sonderlich mochte, war sie dennoch eine große Romantikerin.

Plötzlich meldeten sich meine Krämpfe zurück und ich presste die Hand auf meinen Bauch. Wieder einmal plagte mich eine endlose Periode aus der Hölle. Zusammen mit meinem Hunger, dem Erlebnis von vorhin und nächtlichem Polizeibesuch um drei Uhr morgens bei mir zu Hause (den ich Sloan lieber verschwieg) verhagelte mir das endgültig die Stimmung. Ich war so müde, dass ich das Ladegerät statt ins Handy beinahe in meine Kaffeetasse gestöpselt hätte.

Sloan sah auf die Uhr, kramte wortlos in ihrer Handtasche und schüttelte schließlich zwei Schmerztabletten auf ihre Handfläche. Die reichte sie mir zusammen mit einem Glas Wasser – eine routinierte Übung, die wir im Laufe der fünf Jahre in unserer Zweier-WG perfektioniert hatten.

Ich schluckte die Pillen und schaute dann zu Brandon. »Gutes Buch?«

»Nicht übel«, antwortete er und betrachtete das Cover. »Soll ich es dir leihen, wenn ich fertig bin?« Dann schaute er an mir vorbei und sein Gesicht hellte sich auf. »Oh, hallo, mein Freund!« Ich folgte seinem Blick in Richtung Tür, wobei mir vor Schreck der Mund offen stehen blieb. Denn dort stand doch tatsächlich der gutaussehende Idiot von vorhin, mit lauter Einkaufstüten in beiden Händen.

Unsere Blicke trafen sich und wir starrten uns erstaunt an. Dann bemerkte er mein – also sein – T-Shirt, woraufhin sich seine Lippen zu einem Grinsen verzogen.

Ich stand auf und setzte Stuntman zurück auf den Sessel, während der Typ seine Einkäufe abstellte und auf mich zukam. Mit angehaltenem Atem wartete ich, wie er reagieren würde.

Brandon legte sein Buch ab und stand ebenfalls auf. »Josh, das ist Kristen Peterson, Sloans beste Freundin. Kristen, Josh Copeland.«

»Hallo! Nett, dich kennen zu lernen«, sagte er und drückte dabei meine Hand ein klein wenig zu fest.

Ich kniff die Augen zusammen. »Ja, freut mich auch.«

Josh dachte gar nicht daran, meine Hand loszulassen. »Sag mal Brandon, hast du dieses Wochenende nicht dein neues Auto gekriegt?«, wollte er wissen, ohne mich aus den Augen zu lassen.

Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, doch seine braunen Augen blitzten angriffslustig.

»Stimmt. Willst du es sehen?«, fragte Brandon.

»Nach dem Frühstück gerne. Ich liebe den Geruch von neuen Autos. Meins riecht irgendwie nur nach Kaffee.«

Ich sah ihn finster an, doch sein Grinsen wurde nur noch breiter. Brandon merkte von alldem offenbar nichts.

»Hast du noch mehr zu tragen? Brauchst du Hilfe?«, erkundigte er sich. Sloan machte sich schon in der Küche zu schaffen und begann die Tüten auszupacken.

»Kein Problem, bin gleich fertig«, antwortete Josh und nickte mir kurz auffordernd zu.

»Ich geh schnell mit raus«, verkündete ich. »Ich hab was im Auto vergessen.«

Er hielt mir die Tür auf, und sobald sie sich wieder geschlossen hatte, fuhr ich ihn an: »Ich rate dir dringend, deine Klappe zu halten.« Dabei bohrte ich meinen ausgestreckten Zeigefinger in seine Brust.

Mir ging es weniger um den verschütteten Kaffee, sondern vielmehr darum, von der Tatsache abzulenken, dass ich meine Straftat verschleiern wollte. Ich log grundsätzlich nie, und kaum machte ich ein einziges Mal eine Ausnahme, war ich sofort erpressbar. Verdammt.

Josh zog eine Augenbraue hoch und beugte sich näher zu mir. »Du hast mein Shirt einfach behalten, das ist Diebstahl.«

Ich verschränkte die Arme. »Wenn du es jemals zurückhaben willst, dann behältst du das, was passiert ist, für dich. Immerhin bist dumir hinten drauf gefahren. Das sieht für dich nämlich auch nicht gut aus.«

Wieder verzog er die Lippen zu einem Lächeln, das ärgerlich anziehend war. Zu allem Überfluss hatte er auch noch Grübchen. Gottverdammte Grübchen.

»Ach ja, bin ich dir wirklich hinten draufgefahren? Bist du dir da ganz sicher? Dafür gibt’s nämlich überhaupt keine Beweise. Kein Schaden an seinem Auto. Kein Polizeibericht. Also, was ich erlebt habe, war nur eine hysterische Frau auf dem Supermarktparkplatz, der ich mit meinem Shirt aus einer Notlage geholfen habe. Und damit hat sie sich dann aus dem Staub gemacht.«

»Tja, da haben wir schon deinen ersten Denkfehler«, wies ich ihn zurecht. »Denn kein Mensch würde dir glauben, dass ich hysterisch war. Hysterieist bei mir nicht vorgesehen.«

»Gut zu wissen.« Wieder beugte er sich nach vorn. »Dann passe ich meine Geschichte entsprechend an. Eine völlig ruhige, aber extrem unhöfliche Frau hat mich um Hilfe gebeten und mir dann mein Lieblingsshirt geklaut. Besser?« Sein Grinsen war jetzt so breit, dass er beinahe in Gelächter ausbrach.

So ein Arsch.

Ich presste die Lippen zusammen und trat noch einen Schritt auf ihn zu. Amüsiert nahm er zur Kenntnis, wie ich ihm eindeutig zu nahe kam. Doch er wich nicht zurück und ich stellte klar: »Du willst dein T-Shirt zurück. Und ich will, dass du den Mund hältst. Die Sache ist eigentlich ganz simpel.«

Er grinste mich an. »Vielleicht schenk ich dir das Shirt ja einfach. So schlecht steht es dir gar nicht.« Damit ging er lachend zu seinem Auto.

3JOSH

Da hier die Regel galt, dass man als Neuzugang gleich erst mal fürs Essen zuständig war, bereitete ich das Frühstück für die ganze Mannschaft der Wechselschicht zu. Mexikanische Gemüsepfanne mit Spiegelei, meine Spezialität. Als Neuling musste ich zunächst eine Probezeit absolvieren. Obwohl ich schon fünf Jahre Berufserfahrung hatte, war es erst meine fünfte Schicht in dieser Feuerwache. Das hieß, dass ich mich zuletzt an den Tisch setzen durfte und als Erster wieder aufstehen und abräumen musste. Ich war praktisch eine Art Lakai. Auch Toilettenputzen und Bettenbeziehen gehörte zu meinen Aufgaben.

Sloan und Kristen beschlossen mir zu helfen, und Brandon hatte ebenfalls Mitleid mit mir, sodass sie allesamt mit in der Küche standen, Arbeitsflächen abwischten und Essensreste von Tellern kratzten, während ich das Geschirr abwusch. Shawn und Javier dagegen blieben am Tisch sitzen und spielten Karten.

Während des Essens hatte mir Kristen die ganze Zeit vorwurfsvolle Blicke zugeworfen – allerdings nur, wenn sie sich unbeobachtet fühlte. Das war eigentlich ziemlich witzig. Und ich hörte nicht auf, sie zu necken. Soweit ich es mitbekommen hatte, gingen die anderen davon aus, dass das Shirt ihrem Freund gehörte – so hatte sie es ihnen zumindest erzählt.

Es war nicht meine Absicht, Brandon etwas von den Kaffeeflecken zu verraten, weil ich ihm die Freude an seinem neuen Auto nicht verderben wollte. Trotzdem machte es mir einen Riesenspaß, Kristen ein bisschen zu ärgern. Was sie ihrerseits keineswegs auf sich sitzen ließ, sondern sich großzügig revanchierte.

»Und du steuerst also das Löschfahrzeug, Josh?«, erkundigte sie sich beiläufig und wischte dabei den Herd ab.

»Ja, genau«, antwortete ich lächelnd.

»Kannst du das denn gut? Kriegst du es problemlos zum Halten, wenn’s sein muss?« Sie sah mich von unten her an.

»Das passt schon. Solange keiner vor mir auf die Bremsen steigt, geht das klar.«

Wütender Blick. Grinsen. So ging es immer weiter, ohne dass Sloan und Brandon etwas davon mitbekamen. Seit Wochen hatte ich mich nicht mehr so amüsiert.

Sloan reichte mir das Schneidebrett zum Abwaschen. »Bei der Hochzeit wirst du Kristen zum Altar führen.« Sie lächelte ihre Freundin an. »Sie ist nämlich meine Trauzeugin.«

»Hoffentlich bist du zu Fuß besser unterwegs als mit dem Auto«, murmelte Kristen vor sich hin.

Grinsend wechselte ich das Thema, ehe Sloan oder Brandon irgendwelche Fragen stellen konnten. »Wie heißt eigentlich dein Hund, Kristen?«

Das winzige Tier hatte das gesamte Frühstück über auf ihrem Schoß gesessen. Gelegentlich war sein Kopf über der Tischplatte aufgetaucht, wo er mit hängender Zunge ihren Teller begutachtete. Ein bisschen sah er aus wie ein fluffiger Ewok.

»Stuntman Mike.«

Erstaunt sah ich vom Spülbecken auf. »Tarantino?«

Überrascht fragte sie: »Du hast Death Proof gesehen?«

»Na klar. Gehört zu meinen Lieblingsfilmen. Mit Kurt Russel als Stuntman Mike. Und dein Hund hat irgendwie Probleme?«, erkundigte ich mich, denn der kleine Yorkie trug ein Leibchen mit dem Aufdruck I HAVE ISSUES.

»Ja, hauptsächlich mit Shawn.«

Ich musste lachen.

Sloan wischte ein paar Korianderstängel in ihre Handfläche und entsorgte sie im Müll, ehe Brandon den Sack herausnahm und zuknotete.

»Kristen betreibt einen Onlineshop namens Doglet Nation«, teilte mir Brandon mit. »Dort verkauft sie so Zubehör für Zwerghunde.«

»Ach ja? Was denn zum Beispiel?«, fragte ich und stellte einen Topf auf das Abtropfgitter.

Kristen nahm den Kaffeesatz heraus und entsorgte ihn im Biomüll. »Kleidung, Taschen. Und Gourmet-Leckerlis – von Sloan gebacken. Aber besonders gut laufen unsere Treppchen.«

»Treppchen?«

»Ja. Kleine Hunde schaffen es oft nicht, auf ein zu hohes Bett zu springen. Deshalb bieten wir maßgefertigte Treppchen an, die zur Schlafzimmereinrichtung passen. Farbe, Teppich, Stil.«

»Und das kaufen die Leute?« Ich stellte die letzte Schüssel zum Abtropfen auf das Gestell und zog die Gummihandschuhe aus.

»Ja, die werden sehr gern gekauft. Wenn jemand viel Geld für ein schickes Bett ausgibt, will er sich dann bestimmt keine hässliche Schaumstoff-Treppe aus der Zoohandlung daneben stellen.«

Ich nickte. »Hm, verstehe.«

»Ach übrigens – ich brauche dringend einen neuen Tischler«, merkte sie in Richtung Sloan an.

Sloan runzelte die Stirn. »Wieso? Seit wann denn das?«

»Seit Miguel vorige Woche gekündigt hat. Er hat eine feste Stelle gefunden und mich einfach im Regen stehen lassen. Dabei hab ich noch drei Bestellungen offen.«

Sloan schüttelte den Kopf. »Und was willst du machen?«

Kristen zuckte die Schultern. »Ein Stellenangebot im Netz posten. Ich hoffe nur, dass sich nicht irgendein Perverser meldet, der mich umbringen will, damit er meine Organe auf dem Schwarzmarkt verticken kann.«

Ich prustete los.

Brandon versah den Mülleimer mit einem neuen Beutel und nickte dabei in meine Richtung. »Josh ist übrigens Tischler. Ein ziemlich guter sogar.«

Sloan sah mich an. »Tatsache?«

Brandon kramte schon nach seinem Handy. Ich wusste genau, was jetzt kam. Die Bar, die ich in meinem Garten gebaut hatte. Und die jetzt Celeste gehörte. Und Brad.

»Hier«, sagte er und reichte sein Handy herum. »Das ist von ihm.«

Sloan nickte anerkennend. Dann wanderte das Handy zu Kristen, die erst das Bild aufmerksam betrachtete und dann zu mir herübersah.

»Nicht übel«, merkte sie missmutig an.

»Danke. Aber ich bin nicht auf der Suche nach einem Nebenjob«, wiegelte ich ab. An meinem freien Tag für einen Hungerlohn Hundetreppchen zu bauen, darauf hatte ich nun wirklich keine Lust. Und in meiner neuen Wohnung stand das Wohnzimmer immer noch voller Umzugskisten.

»Ja klar, wer braucht schon zweihundert Dollar für drei Stunden Arbeit?«, kommentierte Kristen abschätzig. »Miguel offenbar nicht.«

Ich stutzte. »Zweihundert Dollar?«

Sloan sprühte Allzweckreiniger mit Zitrusduft auf die Arbeitsfläche. »Manchmal sogar mehr – stimmt’s, Kristen? Hängt ganz vom Stil ab.«

Kristen warf ihrer besten Freundin warnende Blicke zu, um sie zum Schweigen zu bringen. Dann schaute sie wieder zu mir.

»Die Treppchen kosten vier- bis fünfhundert Dollar pro Stück, plus Versand. Die Einnahmen minus Materialkosten teile ich fifty-fifty mit meinem Tischler. Von daher ja. Manchmal ist es auch mehr.«

»Hast du Fotos von den Treppchen?«, fragte ich.

Wenig begeistert gab mir Kristen ihr Handy und ich scrollte auf ihrer Website durch die Bildergalerie mit winzig kleinen Treppchen, auf denen jeweils Stuntman Mike in unterschiedlichen Outfits posierte. Sie sahen ziemlich simpel aus. Das würde ich problemlos hinbekommen.

»Also, für so was hätte ich schon ein bisschen Zeit übrig. Wenn du keinen anderen findest, würde ich’s machen.« Ein paar Aufträge dieser Art, und ich könnte meine Schulden bei Lowe abbezahlen.

Doch Kristen schüttelte den Kopf. »Ich glaub, ich riskier’s doch lieber mit den Organhändlern.«

Sloan schnappte nach Luft, während Brandon Kristen und mich fragend ansah.

»Sicher?«, fragte ich und schaute ihr dabei in die Augen. »Vielleicht sollten wir mal beim Kaffee drüber reden?«

Kristen kniff die Augen zusammen. »Okay«, antwortete sie, als ob es ihr körperliche Schmerzen bereiten würde. »Dann baust du die Treppchen halt. Aber nur so lange, bis ich einen anderen Tischler finde. Und das werde ich ganz bestimmt.«

Sloan ließ ihren Blick zwischen uns hin und her wandern. »Gibt’s irgendwas, was ihr uns sagen wollt?«

»Ich hab ihn dabei erwischt, wie er mir auf den Hintern geglotzt hat«, antwortete Kristen wie aus der Pistole geschossen.

Ich zuckte die Schultern. »Stimmt. Ihr Hintern ist aber auch sehr formschön.«

Brandon lachte und Sloan musterte ihre beste Freundin. Kristen versuchte ein wütendes Gesicht zu machen, konnte aber nicht verbergen, dass das Kompliment sehr wohl bei ihr ankam.

Resigniert sagte sie schließlich: »Gib mir am besten deine Mailadresse. Dann kriegst du die Bestellungen. Wenn du fertig bist, sagst du Bescheid, damit ich die Versandetiketten vorbereiten und dir rüberschicken kann. Aber ich kontrolliere alles genau, bevor du es an FedEx übergibst. Also versuch gar nicht erst, schlampig zu arbeiten.«

»Moment mal, hast du denn keine Werkstatt?«, erkundigte ich mich. »Wo soll ich sie denn sonst bauen?«

»Wie wär’s mit einer Garage oder so was?«

»Ich hab nur eine Wohnung.«

»Mist. Tja, dann wird wohl nichts draus.« Sie grinste triumphierend.

»Du hast doch eine Dreiergarage, in der meistens kein einziges Auto steht. Kann er die denn nicht benutzen?«, merkte Sloan an, was ihr einen vorwurfsvollen Blick von Kristen einbrachte.

»Kann er«, kommentierte ich lächelnd.

Aus den Lautsprechern kreischte plötzlich ein lauter Signalton, gefolgt von roten Warnleuchten. Wir mussten zum Einsatz. Kristen hielt meinem Blick stand, während der Dispatcher die Einzelheiten durchgab. Schade eigentlich. Mit meiner launischen Trauzeugen-Kollegin hätte ich gern noch ein bisschen Zeit verbracht.

Brandon gab Sloan einen Abschiedskuss. »Wir räumen hier noch fertig auf«, sagte sie.

»Lass dir von Brandon meine Nummer geben«, wies mich Kristen mit verschränkten Armen an. Kein Händedruck für mich.

Da es ein medizinischer Notruf war, brauchten wir keine Brandschutzausrüstung und rannten direkt in die Fahrzeughalle. Ich spürte Kristens Blick im Rücken und musste grinsen. Sie hasste mich. Das schien bei allen Frauen in meinem Leben gerade an der Tagesordnung zu sein.

Abgesehen von Celeste waren meine sechs Schwestern und meine Mutter allesamt stinksauer über meinen Umzug. Selbst meine kleinen Nichten gaben sich am Telefon reichlich unterkühlt, wenn ich anrief. Obwohl sie erst sieben und acht waren, beherrschten sie es schon meisterlich, mir unterschwellig ihren Unmut zu zeigen.

»Und, wie findest du Kristen?«, wollte Brandon grinsend von mir wissen, als wir in den Einsatzwagen stiegen.

»Scheint ganz cool zu sein«, antwortete ich schulterzuckend und legte mein Headset an.

Brandon und ich hatten gemeinsam ein Jahr im Irak verbracht. Er kannte mich daher wie kein Zweiter. Normalerweise wäre Kristen genau mein Typ gewesen. Ich mochte zierliche, brünette Frauen – und eindeutig solche, die Klartext mit mir redeten.

»Einfach nur cool?«, fragte er, während er mit seinem Headset hantierte. »Hast du ihr deshalb auf den Hintern geglotzt?«

Javier setzte sich auf seinen Platz und lachte über Brandons Kommentar. Als Letzter stieg Shawn ein und kletterte ganz nach hinten. »Kristen ist rattenscharf. Wenn sie hier ist, gönn ich mir jedes Mal ’nen Blick auf ihren Arsch.« Er setzte sein Headset auf. »Allerdings hat mich ihr Köter schon mal gebissen.«

Wir lachten und ich ließ den Motor an.

»Sie interessiert sich nicht die Bohne für mich und hat sowieso einen Freund. Und im Moment bin ich auch gar nicht auf der Suche.« Ich betätigte den Toröffner. »Außerdem bin ich noch dabei, den Preis für meine letzte Beziehung zu zahlen.«

Im wahrsten Sinne des Wortes.

4KRISTEN

Auf dem Heimweg wurde ich regelrecht verhört.

»Was zur Hölle läuft denn da zwischen dir und Josh?«, wollte Sloan wissen, sobald wir in ihrem uralten Corolla vom Parkplatz der Feuerwache fuhren. »Seit wann hast du ein Problem damit, wenn dir ein Typ auf den Hintern gafft?«

Hatte ich ja gar nicht. Ein echtes Problem waren für mich eigentlich nur Blumenkohl und Dummheit. Aber diesen speziellen Hinternglotzer wollte ich auf keinen Fall in meiner Nähe haben, denn wenn er mich weiter so ansah, würde es mir extrem schwerfallen, seine Blicke nicht zu erwidern.

Josh war so eine Art menschliches Äquivalent für eine Packung Eiscreme im Tiefkühlfach, wenn man gerade streng Diät hielt. Ich stand auf ihn, litt unter Sexentzug und hatte kein Bedürfnis, mich durch seinen Anblick weiteren masochistischen Qualen auszusetzen. Nur sehr wenige Männer kamen mit mir klar, wenn ich richtig angepisst war, und solche kleinen Scharmützel wirkten wie eine Art Vorspiel auf mich. Ich hatte wirklich keine Lust, mir damit täglich das Leben schwer zu machen.

»Wenn ich dir die Wahrheit sage, erfährt es dann sofort Brandon? Wie sieht’s inzwischen eigentlich aus mit deiner Loyalität, seit du verlobt bist?«

Sie lachte. »Nun erzähl schon.«

Ich vertraute ihr den Vorfall mit dem verschütteten Kaffee und dem T-Shirt an.

»Oh mein Gott«, stöhnte sie und bog auf den Topanga Canyon Boulevard ein. »Das darf Brandon auf keinen Fall erfahren. Niemals.«

Ich nickte zustimmend. »Definitiv nicht. Er hat mir sein Auto für eine dringende Tamponbesorgung geborgt, und ich krieg’s hin, darin Kaffee zu verschütten und auch noch in ’nen Unfall mit seinem besten Freund verwickelt zu werden.«

Normalerweise hätte ich Sloans Wagen genommen, aber der sprang gerade nicht an. Um damit zu fahren, musste man zahllose Extras beachten. Beim Gasgeben mit dem Zündschlüssel wackeln, die Tür mit der Schulter aufdrücken, nicht vor dem quietschenden Sicherheitsgurt erschrecken. Und ich wollte wirklich nicht auf dem Parkplatz des Supermarktes verbluten, nur weil ich den Motor nicht zum Laufen bekam. In ihrem Auto hätte ich beliebig viel Kaffee verschütten und Unfälle verursachen können, ohne dass es jemanden störte. Selbst ein Totalschaden wäre wahrscheinlich noch eine Wertsteigerung gewesen.

»Wieso kauft sich Brandon eigentlich ein neues Auto plus ein Motorrad, und du musst mit diesem Schrotthaufen rumfahren?«

»Ich mag mein Auto«, versicherte mir Sloan mit einem schiefen Grinsen. »Josh ist schon süß, oder?«

»Wenn ich keinen Freund hätte, würde ich sofort mit ihm in die Kiste springen.«

Sie holte erschrocken Luft und sah mich mit großen Augen an. Sloan war in Sachen Sex erheblich konservativer als ich. Deshalb gehörte es zu meinen Hobbys, sie damit zu schocken, und ich ließ keine Gelegenheit dazu aus.

Ich zuckte die Schultern. »Was denn? Ich wurde seit vorigem Jahr nicht mehr flachgelegt. Und sein Shirt riecht einfach fantastisch.« Wieder steckte ich die Nase in den Kragen. »Nach Testosteron und Zedernholz. Und hast du ihn beim Abwasch gesehen? Wie Mister Februar im sexy Feuerwehr-Kalender. Genau wegen solchen Typen hat meine Oma mich immer ermahnt, jeden Tag frische Unterwäsche anzuziehen, falls man mal unerwartet in einen Unfall verwickelt wird.«

Sie schüttelte den Kopf. »Du redest echt wie ein Mann.«

»Das wär ich auch gern. Dann hätte ich keinen Stress mit meinem kaputten Unterleib.« Ein neuer Krampf überkam mich, ich verzog das Gesicht und strich mir über den Bauch.

Sie hielt an einer roten Ampel und sah zu mir herüber. »Schlimmer als sonst?«

Das war es tatsächlich.

»Nee, das übliche Elend.«

Sloan musste nicht unbedingt die ganze Wahrheit erfahren. Sie gehörte zu den Menschen, denen die Sorgen anderer sehr nahegingen – vor allem bei Leuten, die ihr nahestanden. Ich hatte vor, ihr erst zu erzählen, was die Ärzte gesagt hatten, wenn sie aus den Flitterwochen zurückkam.

Es war unnötig, damit anderen das Herz schwer zu machen.

Eine Stunde, nachdem Sloan mich zu Hause abgesetzt hatte, rief Tyler an. Ich war gerade dabei, Mails zu beantworten. Meine Krämpfe waren nicht abgeklungen und ich fühlte mich sterbenselend. Ich brauchte vier Klingeltöne, um mich aufzuraffen, das Gespräch anzunehmen.

»Hallo Schatz«, meldete ich mich, euphorischer, als ich mich fühlte. Das war eins der Probleme an Fernbeziehungen mit Militärangehörigen – man konnte nicht allzu oft telefonieren. Deshalb musste man jede Gelegenheit nutzen, egal ob es gerade passte.

Und heute passte es eher nicht.

»Hey, Kris«, sagte er mit seinem ausgesprochen sexy klingenden Akzent, der sich immer ein bisschen französisch anhörte. Oder spanisch? Jedenfalls war es sein ganz eigener. »Das Carepaket ist angekommen. Damit hast du mir das Leben gerettet.«

Ich stellte meinen Laptop auf den Couchtisch und ging in die Küche. Stuntman Mike trottete mir hinterher. »Gut, ich hatte schon Angst, dass es nicht rechtzeitig da ist.«

»Am Freitag hab ich es bekommen. Ich kann’s kaum erwarten, bis ich diese Schoko-Espressobohnen jederzeit kriegen kann, wenn ich Lust drauf habe.«

»Ja.« Ich nahm einen Lappen samt Desinfektionsreiniger und öffnete den Kühlschrank. Normalerweise lief ich beim Telefonieren immer rastlos umher. Aber wenn ich gestresst war, fing ich an zu putzen.

Ich begann, Plastikdosen und Saftpackungen herauszunehmen und auf dem Boden abzustellen, während ich das Telefon zwischen Kopf und Schulter klemmte. »Ich besorge welche, dann findest du sie gleich in der Vorratskammer, wenn du wiederkommst.«

In Kürze würde es unsere Vorratskammer sein. Ich wusste nicht genau, warum mich das derart nervös machte. Ich schob den Mülleimer zum Kühlschrank und machte mich daran, Essensreste von Lieferdiensten zu entsorgen.

»Morgen ist Valentinstag«, säuselte er, um mich zu provozieren.

Verächtlich schnaubte ich in den Kühlschrank. Den Valentinstag hasste ich aus tiefstem Herzen, das wusste er genau. Reine Geldverschwendung. »Hoffentlich hast du nicht vor, mir Blumen zu schicken«, merkte ich trocken an.

Mit einem Lächeln in der Stimme fragte er: »Was soll ich dir denn stattdessen schicken?«

»Lieber was Praktisches, womit ich auch was anfangen kann, zum Beispiel ein Schwanzfoto.«

Er lachte. »Und, was läuft so zu Hause?«, erkundigte er sich.

Ich griff ganz nach hinten und bugsierte eine abgestandene Zweiliterflasche Sprite heraus. »Nicht allzu viel. Ach sag mal, hast du irgendwie Ahnung von Holzarbeiten?« Ich öffnete die Flasche mit einem Zischen, stellte sie kopfüber ins Spülbecken und wartete, dass sie sich leerte.

»Nein, wieso?«

»Ach, nur weil Miguel gekündigt hat«, murmelte ich.

»Was? Wieso denn?«

»Er hat ’nen anderen Job gefunden. Deshalb brauche ich jetzt einen neuen Tischler. Ich hab zwar jemanden in Aussicht, aber der ist nicht ganz ideal.« Ich hob das Fach mit den Grillsoßen aus der Tür. »Er hat keine eigene Werkstatt wie Miguel und müsste deshalb in meiner Garage arbeiten.«

»Ich hab nicht die leiseste Ahnung von Tischlerei, Kris. Aber stell doch eine Anzeige ins Netz und lade die Kandidaten erst zum Vorstellungsgespräch ein, wenn ich wieder da bin. Es gibt eine Menge Perverse da draußen, und du bist ganz allein im Haus.«

Ich musste wieder an meinen Notruf in der vergangenen Nacht denken, von dem ich Tyler allerdings nichts erzählen würde. Denn dann wäre er nur beunruhigt und konnte rein gar nichts tun.

Vorsichtig räumte ich die Senf- und Ketchupflaschen aus und begann das leere Fach im Spülbecken zu reinigen. »Wie sieht denn dein Schlachtplan eigentlich aus? Was denkst du, wie lange es dauert, bis du hier eine Stelle findest?«

Nicht dass er sich finanzielle Sorgen machen müsste – Tylers Familie war gut gepolstert. Aber wenn er nicht jeden Tag zur Arbeit ging, wusste ich nicht, wie ich mit so viel ungewohnter Nähe klarkommen würde.

Wir waren seit zwei Jahren zusammen, in denen er jedoch permanent irgendwo weit weg im Einsatz war. Kennen gelernt hatten wir uns in einer Kneipe, als er gerade Urlaub hatte. Also kannten wir gar nichts anderes als unsere Fernbeziehung. Einmal pro Jahr zwei Wochen Urlaub mit reichlich Sex und Ausgehen war das eine. Aber auf lange Sicht mit einem ständig anwesenden Partner zusammenzuleben, das war schon eine ganz andere Hausnummer.

Mich machte das alles verdammt unruhig. In Kürze würde ich keinen mehr oder weniger unsichtbaren Mann mehr haben, sondern einen, der schlagartig rund um die Uhr da war.

Und obendrein war es auch noch meine Idee gewesen.

Eigentlich hatte er vorgehabt, sich erneut beim Militär zu verpflichten, woraufhin ich jedoch klipp und klar gesagt hatte, dass ich in diesem Fall einen Schlussstrich ziehen würde. Ein weiterer Einsatz kam für mich nicht infrage. Aber in letzter Zeit befürchtete ich, dass ich das Kontrastprogramm ebenso wenig verkraften konnte. Natürlich liebte ich ihn. Es war nur eine so gravierende Veränderung.

»Wenn ich zurück bin, habe ich ein Gespräch im Außenministerium«, erklärte er. »Wird vielleicht eine Weile dauern, bevor sie mich übernehmen. Und bis meine Zuverlässigkeitsprüfung abgeschlossen ist, können wir ganz viel Zeit miteinander verbringen.«

Ich presste die Lippen zusammen und platzierte das Kühlschrankfach auf dem Trockengitter. »Ja. Vielleicht können wir in der Wartezeit ja eine Hütte im Big Bear Mountain Resort mieten. Oder auf Catalina Island. Es uns ein bisschen gut gehen lassen.«

»Nur nicht so bescheiden. Wozu in Kalifornien bleiben? Wir könnten auch ein bisschen Neuland erkunden.«

Er liebte das Reisen.

Ich lächelte matt und wandte mich dem nächsten Fach zu. Stuntman bellte. Wenn der Kühlschrank offenstand, war er immer ganz aufgeregt. Von mir bekam er zwar nie etwas daraus, aber vermutlich gönnte Sloan ihm ab und zu ein Stück Putenaufschnitt, wenn sie hier war.

»Na, ist das mein kleiner Erzfeind?«, fragte er. »Dieser Hund sollte sich dringend abgewöhnen, mich zu beißen.«

Ich ruckelte an dem Fach. Es bewegte sich nicht. »Ansonsten passiert was?«

»Ansonsten ab mit ihm ins Tierheim.« Er lachte, weil das natürlich ein Scherz war. Trotzdem ärgerte ich mich.

»Wie wirst du bloß mit bewaffneten Rebellen fertig, wenn du nicht mal ’nem zwei Kilo leichten Yorkie gewachsen bist?« Ich zog noch einmal an der Ablage, woraufhin sie sich mit klapperndem Inhalt aus der Tür löste.

»Wenn dieser pummelige Mops nur zwei Kilo wiegt, fress ich meinen Helm«, konterte er gut gelaunt.

Ich musste ebenfalls lachen und merkte, wie meine Anspannung allmählich nachließ. »Er hat einfach nur fluffiges Fell.«

»War nur ein Spaß. Du weißt doch, dass ich deinen Hund gerne mag.« Nach einer kurzen Pause sagte er: »Mi amor?«

Das war unser Spiel. Um meine Lippen zuckte ein Lächeln und ich schwieg. Ich stellte die Ablage auf dem Küchentisch ab und klappte die Kühlschranktür zu.

»Amore mio?«, fügte er auf Italienisch hinzu.

Ich schwieg immer noch, weil ich noch mehr hören wollte.

»Mon amour?«

Damit hatte er mich. Bei Französisch konnte ich nicht widerstehen.

Tyler war ein Militärskind. Seine Eltern waren als Diplomaten weltweit unterwegs gewesen. Schon als er sprechen lernte, jonglierte er mit vier Sprachen. Mittlerweile waren es neun. Von Beruf war er Linguist und zudem einer der intelligentesten Menschen, die ich kannte.

Er arbeitete als Simultandolmetscher, was ich sehr bewunderte. Er sprach auch Arabisch und Farsi, weshalb er im Nahen Osten enorm gefragt war. Man hatte sich sehr darum bemüht, ihn im Militärdienst zu halten, und es war schon bemerkenswert, dass er bereit war, das alles für mich aufzugeben.

Lächelnd lehnte ich mich mit dem Rücken gegen den Kühlschrank und ließ mich daran hinuntergleiten. »Ja?«

»Du bist nervös wegen meiner Heimkehr, stimmt’s? Ich hör dich doch putzen.«

Er kannte mich einfach zu gut. »Du etwa nicht? Ich meine, wenn wir ehrlich sind, ist das schon ein bisschen verrückt, oder? Wir haben noch nie mehr als zwei Wochen am Stück zusammen verbracht, und jetzt wollen wir gleich unter einem Dach wohnen. Was machen wir denn, wenn ich dir schrecklich auf die Nerven gehe? Und wenn du mich nach den ersten zwei Wochen am liebsten umbringen würdest?«

Oder wenn ich dich ermorden will?

Rein rational betrachtet war unser Vorhaben total sinnvoll. Er hatte keine eigene Wohnung. Wozu auch? Er würde ohnehin ständig hier sein. Und wenn er hier bei mir wohnte, konnte er auch Miete dafür zahlen.

Das mit dem Zusammenziehen war seit einem halben Jahr so geplant. Tyler und ich hatten uns dazu entschlossen, als Sloan und ich unsere gemeinsame Wohnung aufgaben und ich mir eine eigene Bleibe suchte. Insofern war der Plan also alles andere als neu. Doch trotzdem überwältigte er mich gerade.

»Verrückt wäre es, wenn ich noch mal zwei Jahre ohne dich am anderen Ende der Welt zubringen würde, Kris. Es ging doch nicht nur dir so, dass du die Nase voll davon hattest. Das wird super mit uns beiden. Und wenn nicht, dann sagst du Bescheid und ich verpiss mich wieder.«

Lachend rieb ich mir die Stirn. Meine Güte, was war denn nur los mit mir? »Tyler, geht’s dir auch manchmal so, dass du irgendwas total Durchgeknalltes machst und nicht damit aufhören kannst, damit du dich nicht als Versager fühlst?«

»Du bist die am wenigsten durchgeknallte Frau, die ich kenne. Das mag ich an dir am meisten. Vor so was nervös zu sein ist doch ganz normal. Immerhin ist es ein ziemlicher Schritt.« Dann wechselte er abrupt das Thema. »Und was macht deine Gesundheit? Hast du schon einen OP-Termin?«

»Ja, in zweieinhalb Monaten. In der Woche nach Sloans Hochzeit. Dann ist es vorbei mit der ständigen Anämie«, fügte ich hinzu.

»Sehr gut. Ich wär gerne schon zu Hause, um für dich da zu sein.«

»Ach ja? Gehst du dann Binden einkaufen, wenn ich welche brauche?«, fragte ich sarkastisch, weil ich genau wusste, dass solche Besorgungen an seiner Männlichkeit kratzten. Für Männer schien der Kauf von einschlägigen Hygieneprodukten eine echte Hürde zu sein. Was daran so schrecklich war, konnte ich allerdings nicht nachvollziehen.

»Jetzt lass uns mal nichts überstürzen.«

Lächelnd verdrehte ich die Augen. »Tja, du hast Glück, dass ich eigentlich nur eins im Sinn habe, wenn ich an dich denke. Ich spring hier vor lauter Sehnsucht schon im Dreieck.«

Er lachte. »Na, solange du keine anderen Leute bespringst.«

Unweigerlich schweiften meine Gedanken zu Josh ab.

Aber Tyler musste sich keine Sorgen machen. Ich dachte gar nicht daran, ihn zu betrügen. Das hatte ich noch nie getan und daran würde sich auch nichts ändern.

Seitensprünge waren absolut vermeidbar, wenn man nur ein klein wenig gesunden Menschenverstand besaß.

Indem man sich nicht in verfängliche Situationen begab, zum Beispiel durch Beauftragung eines attraktiven Feuerwehrmann-Tischlers, der in Kürze stundenlang direkt nebenan in der Garage arbeitete.

Josh würde sich als echter Stresstest für meine Willensstärke erweisen.

»Hör mal, Kris, ich muss jetzt Schluss machen. Ich versuch dich in ein paar Tagen wieder anzurufen. Mach dich nicht verrückt. Ich kann’s kaum erwarten, dich zu sehen. Und wenn ich da bin, dann leg ich dich flach«, fügte er noch hinzu.

Was meine Laune beträchtlich hob. Wie ausführlich er mich flachlegen konnte, hing allerdings entscheidend davon ab, wie sich mein beknackter Zyklus zu diesem Zeitpunkt verhielt. Aber schon allein die Aussicht war äußerst verlockend. »Ich bin schon ganz atemlos«, sagte ich grinsend.

»Ich liebe dich.«

»Ich dich auch.«

Wir legten auf und ich begutachtete das Chaos, das ich rund um den Kühlschrank angerichtet hatte. Stuntman saß mitten darin und musterte mich neugierig. Sein kleines weißes Kinn sah aus wie der Bart eines Nussknackers.

Alles ist gut. Es wird schon klargehen.

Trotzdem brachte ich anschließend drei Stunden damit zu, ausgiebig die Küche zu schrubben.

5JOSH

Zwei Tage nach unserer Autokollision stand ich vor Kristens Haustür. Nachdem ich geklingelt hatte, begann es drinnen zu kläffen. Ich kam gerade vom Dienst und hatte das Auto voll mit Baumaterial. Zum Glück durfte ich zuvor Brandons Garage plündern und mir Elektrogeräte von ihm leihen. Da der Job nur zeitlich befristet sein würde, war ich froh, wenn ich dafür nichts investieren musste.

Kristen öffnete die Tür. Sie trug einen pinkfarbenen Bademantel und eine grüne Gesichtsmaske. »Hallo. Komm rein.«

Stuntman Mike sprang mir an den Beinen hoch. Als ich mich bückte und ihn streicheln wollte, warnte sie mich: »Lass das lieber. Er beißt.«

»Wir kennen uns doch schon. In der Feuerwache durfte ich ihn sogar auf den Arm nehmen«, entgegnete ich.

»Er hält mich für sein Eigentum und hat ein eher begrenztes Gedächtnis, da sein Gehirn nur so groß ist wie eine Erdnuss«, murmelte sie. »Warte lieber ein paar Minuten, bis er sich beruhigt hat. Dann kannst du’s riskieren.«

Ich sah hinunter auf das kleine Fellknäuel. Es knurrte und wedelte gleichzeitig mit seinem Stummelschwanz. Ich folgte ihr ins Haus und tätschelte Stuntman Mike kurz, als sie gerade nicht hinsah.

Neben der Eingangstür stand ein bedenklich hoher Stapel von FedEx-Paketen und der Couchtisch war mit wohlsortierten Papierstapeln bedeckt. In der Mitte standen ein Laptop und daneben ein Bier. Es war immer noch kalt, denn die Flasche perlte außen. »So früh am Morgen schon Alkohol?«

»Ich hab ein Pop-Tart dazu gegessen«, nuschelte sie.

Ich musste grinsen.

Ihr Haus war auffallend sauber. Etwas spartanisch, aber sauber. Es roch dezent nach Reinigungsmittel. Auf der Anrichte stand eine Vase mit einem riesigen Blumenstrauß – vermutlich von ihrem Freund zum Valentinstag. Ein Anlass, den ich verabscheute. Nichts weiter als ein Vorwand, um Geld für völlig überteuerten Kram auszugeben. Zum Glück war ich dieses Jahr Single.

»Hier ist die Garage.« Sie öffnete eine Tür, die von der Wäschekammer abging. Auf einer Leine über dem Trockner hing direkt in Blickhöhe ein winziger Stringtanga aus schwarzer Spitze. Ich betrachtete ihn unangemessen ausführlich.

Seit Celeste hatte ich nichts mehr mit einer Frau gehabt. Dazu war ich viel zu erschöpft von meinem neuen Job und dem Umzug. Und ehrlich gesagt fand ich es auch nicht unangenehm, so ganz ohne Beziehungsstress. Es verschaffte mir eine kleine Atempause.

Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass es mit Frauen – selbst bei rein sexuellen Kontakten – immer irgendwann anstrengend wurde. Das brauchte ich nicht so schnell wieder.

Ich folgte Kristen und schaute über ihre Schulter in die Garage. Sie war sehr geräumig und beinahe leer, bis auf ein paar Kisten am äußersten Ende und einem relativ neuen schwarzen Honda in der hintersten Bucht. Sie betätigte einen Schalter an der Wand, woraufhin sich das Garagentor öffnete und Sonnenlicht hereinflutete.

Sie drehte sich zu mir um und ich sah, dass ihre grüne Gesichtsmaske am Rand zu bröckeln anfing. »Das Bad ist am Ende des Korridors. Im Kühlschrank stehen Getränke. Ruf einfach, wenn du was brauchst. Ich hol dir noch ’nen Ventilator. Draußen sind ja fast vierzig Scheißgrad.« Sie ließ mich erst einmal stehen.

Das war zwar ein reichlich unterkühlter Empfang, aber zumindest hatte sie mich hereingelassen.

Ich wendete meinen Lieferwagen, fuhr rückwärts heran und begann ihn auszuladen. Sie kam von oben wieder herunter und stellte einen Ventilator mitten in den Raum. Dann erschien sie – immer noch samt grüner Maske und Co. – in der Einfahrt und drückte mir mein T-Shirt ordentlich zusammengelegt in die Hand. »Hier. Frisch gewaschen.«

»Danke.« Ein Auto fuhr vorbei und der Fahrer starrte sie fasziniert an. Mit hochgezogener Augenbraue erkundigte ich mich: »Interessiert es dich gar nicht, was andere Leute von dir denken?«

»Seh ich so aus, als ob mich das interessiert?«

»Nee.«

»Na also.« Sie machte kehrt und ging zurück ins Haus. Lächelnd sah ich ihr nach.

In den letzten beiden Tagen hatte ich immer wieder an Kristen denken müssen. Irgendwann ertappte ich mich sogar dabei, dass ich mich darauf freute, herzukommen und mich weiter von ihr schikanieren zu lassen.

Ich hatte mich bei Brandon auch nach ihrem Freund erkundigt. Allerdings nicht direkt. Stattdessen hatte ich ihn gefragt, warum sie sich die Treppchen nicht von ihm bauen ließ. Als Vorwand, um mehr über sie zu erfahren.

Brandon war ihm jedoch erst einmal begegnet, vor knapp einem Jahr. Deshalb konnte er auch nur wenig über ihn sagen, fand ihn aber soweit okay. Dann hatte er noch angemerkt, dass Sloan ihn nicht sonderlich mochte. Als ich mehr darüber wissen wollte, meinte er nur, dass sie ihn einfach nicht so recht leiden könne.

Zwei Stunden später steckte ich meinen Kopf durch ihre Wohnzimmertür. »Wo war noch mal das Bad?«

Sie hatte sich umgezogen, trug nun Jogginghose und T-Shirt und lag mit einem Heizkissen über dem Bauch auf dem Sofa. Ihre Schlammmaske war verschwunden.

Mit geschlossenen Augen antwortete sie: »Im Flur die zweite Tür. Klobrille hinterher wieder runterklappen.« Sie verzog das Gesicht.

»Alles okay?«

»Jep. Bestens.«

Bestens sah sie aber definitiv nicht aus, sondern eher danach, als ob sie Regelschmerzen schlimmster Sorte hätte.

»Hast du schon Schmerzmittel genommen?«, fragte ich daher.

»Heute früh um vier zwei Aspirin.« Man hörte ihr förmlich an, wie sie litt.

Ich sah auf die Uhr. »Du könntest zwischendurch Ibuprofen nehmen. Ich hab noch welche in der Sporttasche.«

Ich ging hinaus zu meinem Wagen, holte zwei Tabletten und brachte sie ihr, zusammen mit einer Wasserflasche aus dem Kühlschrank. Dankbar nahm sie alles entgegen.

»Kriegst du oft Notrufe wegen Unterleibskrämpfen?«, fragte sie und schloss die Augen.

»Nee. Aber ich bin mit so vielen Frauen aufgewachsen, dass ich alle Tricks kenne. Außerdem bin ich Rettungssanitäter. Bei Krämpfen ist Aspirin nicht ideal. Nimm lieber Ibuprofen oder Naproxen.«

»Ja, weiß ich. Hab aber keine mehr da«, seufzte sie.

»Ich fahr mal los und hole mir was zum Mittag. Willst du auch was?« Wenn ich für mich etwas zu essen besorgte, konnte ich ihr auch gleich was mitbringen, dachte ich mir.

Sie öffnete ein Auge und sah mich an. »Nein.« Dann setzte sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. »Ich muss ein paar Sachen einkaufen.«

»Was brauchst du denn? Ich bring’s dir mit. Bin ja eh unterwegs.«

Sie presste das Heizkissen auf ihren Bauch und beäugte mich skeptisch. »Was ich brauche, willst du nicht kaufen, glaub mir das.«

Spöttisch antwortete ich: »Was denn? Binden? Tampons? Ich hab sechs Schwestern. Mit so was kenn ich mich aus. Schreib mir einfach, was es sein soll.« Ehe sie das Thema wechseln konnte, verzog ich mich in Richtung Garage. Solche Besorgungen waren für mich überhaupt kein Problem, und sie machte auch nicht den Eindruck, als ob ihr das Thema Damenhygiene oder sonst irgendetwas peinlich wäre.

War es auch nicht, denn sie schickte mir eine lange Liste. Alles im Maxiformat. Ultra-, Super- und Nachtversion. Außerdem kaufte ich noch eine Packung Ibuprofen.

Dann fuhr ich bei McDonald’s vorbei und holte etwas zu essen, da sie vermutlich nicht imstande war, selbst zu kochen.

Als ich zurückkam, stellte ich die Tamponlieferung am Fußende der Couch ab.

»Danke«, sagte sie, setzte sich auf und warf einen Blick in den Beutel. »Ich stell dir ’nen Scheck aus. Du bist der erste Mann, den ich kenne, der so was freiwillig besorgt.«

»Wie jetzt, hat dein Freund Angst, dass sie an der Kasse denken, er hätte seine Tage?«, fragte ich, setzte mich neben sie auf die Couch und nahm die Verpflegungstüte auf den Schoß.

Sie lächelte mich verhalten an. Offenbar ging es ihr etwas besser. Wahrscheinlich wirkten die Ibuprofen inzwischen.

Ich begann das Essen auszupacken. »Pommes«, kommentierte ich und drückte ihr eine rote Schachtel in die Hand. »Und Eis mit warmer Karamellsoße.« Ich gab ihr den Becher in die andere Hand.

Verwundert betrachtete sie ihre Hände und schaute dann zu mir.

»Meine Schwestern wollten immer was Salziges und was Süßes, wenn sie ihre Tage hatten«, erklärte ich und packte die restlichen Sachen aus. »Fritten und Karamelleis. Mit der Bestellung haben sie mich immer zu McDonald’s geschickt. Hab ich eben aus lauter Gewohnheit gekauft. Außerdem noch einen Big Mac und zwei Cheeseburger. Ich wusste nicht genau, was du willst.«

Ihre Miene hellte sich auf und sie wirkte zum ersten Mal nicht mehr so verschlossen wie sonst. Als ob sie soeben beschlossen hätte, mich zu mögen. Offenbar war ich durch die Tampons in ihrer Gunst gestiegen.

»Sechs Schwestern also? Jünger oder älter?«, wollte sie wissen.

»Alle älter. Als meine Eltern endlich ihren ersehnten Sohn hatten, haben sie aufgehört.«

Dad meinte, er hätte vor Freude geweint.

»Wow. Kein Wunder, dass du menstruierenden Frauen Eiscreme aufdrängst. Ich wette, sie haben synchron menstruiert und dabei gemeinschaftlich die Messer gewetzt und dir aufgelauert.«

Ich musste lachen. »Big Mac oder Cheeseburger?«

»Cheeseburger. Sag mal, woher kennst du Brandon eigentlich?«, fragte sie, stellte den Eisbecher auf dem Couchtisch ab und griff in die Pommes-Schachtel.

Ich reichte ihr einen Cheeseburger. »Von den Marines.«

Verblüfft sah sie mich an. »Du warst bei den Marines?«

»Einmal Marine, immer Marine«, antwortete ich, nahm mir den Big Mac und öffnete die Schachtel.

Sie musterte mich von oben bis unten. »Wie alt bist du eigentlich?«

»Neunundzwanzig. Genau wie Brandon.«

Unvermittelt sprang Stuntman Mike vom Sofa auf und fing ohne erkennbaren Grund an zu kläffen. Ich bekam einen Riesenschreck, während sie nicht mal mit der Wimper zuckte. Der Hund starrte ins Leere, befand dann offenbar, dass die unsichtbare Gefahr gebannt war, drehte sich ein paarmal im Kreis und legte sich wieder hin. Heute trug er ein Leibchen mit der Aufschrift ICH VERMISSE MEINE EIER.

»Und wie alt bist du?«, wollte ich wissen.

»Vierundzwanzig. Wie Sloan.«

Sie wirkte sehr reif für ihr Alter. Das war mir allerdings auch schon immer bei Sloan aufgefallen.

»Hmm.« Ich biss in meinen Burger und kaute nachdenklich. »Du wirkst älter.«

Offenbar gefiel ihr diese Bemerkung, denn sie lächelte.

»Wie gefällt’s dir eigentlich in der neuen Feuerwache?«, erkundigte sie sich.

Mein Gesicht sprach wohl Bände.

»Echt? So schlimm?« Sie wirkte erstaunt.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß auch nicht. Ist schon okay.«

»Was ist denn? Los, erzähl.«

Ich verzog den Mund. »Ach, in meiner alten Wache gab’s nicht so nervige medizinische Notrufe. Davon hatten wir vielleicht drei am Tag …«

»Und wie viele kommen hier rein?«

»Zwölf? Fünfzehn? Hier ist echt viel los. Aber ein Großteil der Einsätze ist total sinnlos. Betrunkene Obdachlose. Kleinkram, den jeder ambulant behandeln könnte. Gestern bin ich zum Beispiel wegen einer verstauchten Zehe ausgerückt.«

»Tja, die meisten Leute sind leider ziemlich dämlich.« Sie schob sich eine weitere Fritte in den Mund.

»Mein Opa hat immer gesagt: ›Dummheit kann man nicht mal mit Panzerband reparieren‹.« Ich sog an meinem Strohhalm.

»Hmm. Nee. Aber man kann damit die Geräusche dämpfen.«

Ich musste so sehr lachen, dass ich mich beinahe an meinem Getränk verschluckte. Ihr Humor gefiel mir noch viel besser, wenn ich nicht die Zielscheibe war.

»So hab ich mir die Arbeit bei der Feuerwehr nicht vorgestellt«, sagte sie, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte. »Das wird immer so romantisch verklärt – der Traum aller kleinen Jungs«, fügte sie sarkastisch hinzu.

Ich äugte in meine Pommes-Schachtel. »Läuft auf jeden Fall anders, als alle denken – so viel ist sicher.«

Vorige Woche noch hatte ich meine aktuellen Lebensentscheidungen arg infrage gestellt. Denn bisher gefiel mir hier so gut wie gar nichts. Ich galt als Anfänger, alles kostete ein kleines Vermögen und im Dienst musste ich nur dauernd irgendwelchen Idioten Pflaster aufkleben. Aber das hier könnte schon interessant werden …

»Warum bist du eigentlich umgezogen?«, fragte sie.

»Trennung. Nach drei Jahren, von meiner Freundin Celeste. Ich dachte, eine Luftveränderung könnte nicht schaden. Und eine Feuerwache, wo mehr los ist. Außerdem brauchte ich ein bisschen Abstand zu meinen Schwestern. Als ich noch beim Militär war, haben wir uns besser verstanden«, antwortete ich sachlich.

»Und wer wollte die Trennung – sie oder du?« Sie wickelte ihren Cheeseburger aus, fischte die saure Gurke heraus und aß sie zuerst. Dann klappte sie das Brötchen auf und kratzte die Zwiebeln herunter.

»Ich«, erwiderte ich.

»Und wieso?« Sie biss in den Burger.

»Aus verschiedenen Gründen. Der wichtigste war, dass sie keine Kinder wollte. Ich aber schon. Das stand für mich außer Frage.«

Wieder nickte sie. »Das ist wirklich ein großes Thema«, murmelte sie.

Am Ende gab es lauter große Themen. Zum Beispiel sah ich ihre Einkaufsgewohnheiten genauso kritisch wie ihre Scheu, sich für einen Berufsweg zu entscheiden. Sie war permanent in Ausbildung und fing immer wieder was Neues an, ohne es je abzuschließen. Anwaltsgehilfin, Veterinärtechnikerin, Zahnarzthelferin, Pflegeassistentin, Rettungssanitäterin – vermutlich war sie die Kellnerin mit der besten Halbbildung in ganz South Dakota.

»Und wie sieht’s bei dir aus? Du hast einen Freund, oder?«, fragte ich und sah mich nach einem Foto von ihm um. Als ich bei Sloan und Brandon zu Hause war, um mir Werkzeug auszuleihen, gab es überall Fotos, Kunst und gerahmte Erinnerungsstücke. Bei Kristen hing dagegen kaum etwas an der Wand. Vielleicht hatte Sloan bei ihrem Auszug ja alles mitgenommen.

»Ja, Tyler. Er kommt in drei Wochen nach Hause und zieht hier ein. Er ist auch bei den Marines.«

Ich trank einen Schluck Cola. »Wohnst du dann zum ersten Mal mit jemandem zusammen?«

»Abgesehen von Sloan. Aber zum ersten Mal mit einem Partner. Irgendwelche Tipps?«

Ich tat so, als müsste ich nachdenken. »Ausreichend Essen und Sex sind wichtig.«

»Guter Hinweis. Allerdings hoffe ich eigentlich, dass ich damit von ihm versorgt werde«, antwortete sie lachend.

Dieses Lachen verwandelte ihr Gesicht schlagartig, sodass mir erst jetzt richtig auffiel, wie schön sie eigentlich war. Ganz natürlich. Mit langen, kräftigen Wimpern, glatter, makelloser Haut und warmherzigen Augen.

Ich räusperte mich und zwang mich, den Blick von ihr abzuwenden. »Du magst also Zwerghunde?« Ich nickte in Richtung Stuntman Mike. Sein Kopf lag auf ihrem Schoß und seine Zungenspitze hing leicht heraus. Er sah gar nicht richtig lebendig aus, sondern eher wie ein Plüschtier. »Ehrlich gesagt passt so ein Schoßhündchen gar nicht zu dir.«

Sie sah mich neugierig an. »Was für ein Hund würde denn eher zu mir passen?«

»Ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich hab ich so ein Klischee im Kopf, wer solche Hunde normalerweise besitzt – nämlich Frauen vom Typ Paris Hilton und zierliche alte Damen. Bist du durch ihn auf die Idee gekommen, deine Firma zu gründen?« Ich biss wieder in meinen Big Mac.

»Ja. Manche Sachen, die ich für ihn anschaffen wollte, konnte ich online nirgends finden. Deshalb habe ich angefangen, sie selber zu machen. Die Leute tun alles für ihre Hündchen. Das Geschäft läuft ziemlich gut.«

Ganz offensichtlich. Allein aus den Aufträgen, die sie mir bisher gegeben hatte, schloss ich, dass sie sehr gut davon leben konnte. Durchaus beeindruckend.

Ich legte den Kopf schief. »Aber sie sind auch irgendwie nutzlos, oder? So winzige Hunde können doch überhaupt nix.«

Empört konterte sie: »Okay, erstens kann er dich hören. Und zweitens ist er ein Diensthund.«

»Ein Hund zur emotionalen Unterstützung, oder was?« Die waren gerade ganz groß in Mode. »Das zählt nicht. Ein Hund, der dir nur Gesellschaft leistet, ist kein Diensthund. Das hat doch mit Arbeit nichts zu tun.«

»Und was zählt dann deiner Meinung nach?«, fragte sie.

»Polizeihunde. Such- und Rettungstiere. Wachhunde. Jagdhunde.«

Sie sah mich mit todernstem Gesicht an und legte Stuntman Mike ihre Hand auf den Kopf. »Er ist ein Jagdhund.«

»Was für ’ne krasse Beleidigung für sämtliche Jagdhunde dieser Welt.« Ich holte mein Handy hervor und suchte ein Foto vom Labrador eines Freundes heraus, der eine Ente im Maul hatte. »Das ist mal ein echter Jagdhund.«

Sie machte ein völlig unbeeindrucktes Gesicht. »Ja, das ist ein Hund, der auf Enten abgerichtet ist. Stuntman jagt Frauen.«

Ich prustete los.

»Was denn? Das meine ich ernst. Er ist ein echter Frauenköder.«

Ich betrachtete ihn. Niedlich war er schon.

Sie legte ihren Cheeseburger auf dem Tisch ab, nahm den Hund auf den Arm und wiegte ihn wie ein Baby. Er ließ seine Zunge seitlich aus dem Maul hängen. Ansonsten sah er aus wie ein Stofftier. »Na, was meinst du? Wenn du das nächste Mal einkaufen gehst, nimmst du ihn einfach mal mit.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht mit ihm einkaufen gehen.«

»Wieso denn nicht?«

»Äh, weil er kein Assistenztier ist?«

Sie lachte. »Stuntman darf überall mit rein. Immerhin trägt er Kleidung. Er ist eigentlich gar kein Hund, sondern ein Accessoire.«

Ich nahm mir noch eine Fritte und kaute nachdenklich. »Dann nehm ich ihn einfach an die Leine und gehe rein?«

»Nö, du trägst ihn in einer Tasche.«

Entsetzt lachte ich auf. »Also, Tampons zu besorgen ist ja für mich echt kein Ding, aber ich geh bestimmt nicht mit einem Minihund in der Handtasche einkaufen.«

»Das ist keine Handtasche, sondern eher ein Köfferchen. Und wenn es keine Hürde wäre, würden es ja wohl alle Männer machen, oder? Genau das ist der Kern der Strategie. Männer sind normalerweise nicht mit solchen Hunden unterwegs. Sondern eher mit solchen.« Sie zeigte auf mein Handy. »Deshalb ist es ja so hinreißend. Glaub mir, alle Frauen werden voll auf dich abfahren.«

Das war das Letzte, was mich interessierte, doch aus unerfindlichen Gründen gefiel mir die Vorstellung, einen Insiderwitz mit ihr zu teilen. »Okay. Jetzt bin ich doch neugierig. Ich werde deine Theorie testen.«

»Und wenn ich recht habe?«

»Dann gebe ich zu, dass du recht hattest.«

Sie zog einen Mundwinkel hoch. »Oh nein. Das reicht nicht. Wenn ich recht habe, schießen wir für meine Website ein paar Bilder von dir mit verschiedenen Hundeköfferchen. Ich brauche dringend ein männliches Fotomodell.«

Oh Mann, worauf hatte ich mich da nur eingelassen? »Der ganze Deal kommt mir so vor, als ob ich dabei nur verlieren kann.« Ich lachte. Egal, ich war bestimmt kein Spielverderber.

»Wie kommst du drauf, dass du verlieren könntest? Ich gebe dir die Chance, meinen hervorragend trainierten Jagdhund zu nutzen, um Dutzende von Frauen in dein Bett zu locken.«

Ich grinste. »Also, das soll jetzt nicht arrogant klingen, aber Frauen anzusprechen fällt mir eigentlich nicht allzu schwer.«

Sie neigte den Kopf. »Ja, schon klar. Als sexy Feuerwehrmann läuft das bei dir natürlich.« Sie deutete anerkennend auf meinen Körper.

Ich trank einen Schluck und fragte dann amüsiert: »Dann findest du mich also sexy, ja?«

Sie fuhr herum und sah mich an. »Eins solltest du über mich wissen, Josh. Ich sag immer, was ich denke. Keine falsche Scham. Ja, du bist sexy. Freu dich über das Kompliment, denn dir wird nicht immer gefallen, was ich dir sage. Und es ist mir ziemlich egal, wie du damit klarkommst.«