Wenn die Mutterliebe fehlte - Jasmin Lee Cori - E-Book

Wenn die Mutterliebe fehlte E-Book

Jasmin Lee Cori

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Beschreibung

Das innere Kind heilen

Kennen Sie das: Ihre Mutter war distanziert, kühl und meist mit den Gedanken woanders? Erwachsene, deren Mütter in der Kindheit emotional abwesend waren, können oft nicht genau beschreiben, was in ihrem Leben fehlt. Sehr oft jedoch kämpfen sie mit Beziehungs- oder Selbstwertproblemen.

Dieses Buch hilft dabei, die verborgenen Verletzungen auszugraben, die durch fehlende mütterliche Wärme und Liebe entstanden sind. Sie erfahren mögliche Gründe, warum eine Mutter keine Bindung zu ihrem Kind aufbauen kann. Einfühlsam zeigt die Autorin, wie Sie Ihr inneres ungeliebtes Kind lieben lernen und sich selbst die Mutter sein können, die Sie sich damals gewünscht hätten.

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Seitenzahl: 493

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DIE AUTORIN

Jasmin Lee Cori ist ausgebildete Psychotherapeutin mit Privatpraxis in Boulder, Colorado. Sie hat sich auf die Arbeit mit Erwachsenen spezialisiert, die in ihrer Kindheit emotionale Vernachlässigung und Gewalt erfahren haben. Als erfahrene Dozentin führt sie Psychologieseminare an Colleges und Fachschulen sowie Weiterbildungskurse für Therapeuten durch, die eine Beratungstätigkeit anstreben. Sie war außerdem in verschiedenen Sozialdiensten tätig.

Jasmin Lee Cori hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem Das große Trauma-Selbsthilfebuch. Symptome verstehen und zurück ins Leben finden. Darüber hinaus sind zahlreiche Artikel in gedruckter Form, online und in Blogs auf ihrer Website www.jasmincori.com erschienen.

DAS BUCH

Viele Erwachsene plagt ein geringes Selbstvertrauen. Es fällt ihnen schwer, eigene Bedürfnisse anzuerkennen und für sie einzustehen. Sie empfinden Einsamkeit, leiden an Depressionen oder zeigen Suchtverhalten. Der Grund für solche Symptome kann darin liegen, dass sie in der Kindheit zu wenig Zuwendung und Unterstützung durch die Mutter erfahren haben.

Die erfahrene Psychotherapeutin Jasmin Lee Cori beschreibt, warum manche Mütter ihren Kindern nicht oder unzureichend emotional zur Verfügung stehen und was ihr verletzendes Verhalten begründet. Sie erklärt die vielen möglichen Folgen, unter denen Betroffene in der Kindheit und später als Erwachsene leiden können. Und sie zeigt einfühlsam, wie man auch noch viele Jahre später das innere ungeliebte Kind lieben lernt und sich selbst die Mutter sein kann, die man sich damals gewünscht hätte.

Jasmin Lee Cori

Wenn die

Mutterliebe

fehlte

Wie wir das ungeliebte

Kind in uns entdecken

und heilen

Aus dem Amerikanischen

von Ursula Bischoff

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Emotionally Absent Mother: How to Recognize and Heal the Invisible Effects of Childhood Emotional Neglect – Updated and Expanded Second Edition« bei The Experiment, New York.

Copyright © Jasmin Lee Cori, 2010, 2017. This edition is published by arrangement with The Experiment, LLC.

Copyright © 2018 Kösel-Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Weiss Werkstatt, München

Covermotiv: © Roman Thomas/ plainpicture.com

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-22899-6V003

www.koesel.de

Dem mutterlosen Kind,

das irgendwie überlebte, trotz allem,

was es entbehren musste,

auch wenn die Mutter da war.

Dieses Buch ist dir gewidmet.

Mama, wo warst du?

Meine ersten Schritte …

Ich stand schwankend da, voller Stolz,

beglückt wie ein Vogeljunges, das feststellt,

dass es zu fliegen vermag.

Als ich den Blick zurückwandte, mit einem Lächeln,

das im Begriff war, sich seine Bahn zu brechen,

konnte ich dich nirgendwo entdecken.

Mama, wo warst du?

Mein erster Schultag …

Eingepfercht in einem lauten, klapprigen Bus,

auf dem Weg zu einem seltsamen Ort,

Kinder, zusammengedrängt,

Erwachsene, hinüberschielend,

eine ganz neue Welt für mich.

Mama, wo warst du?

Das erste Mal, als ich weinend nach Hause kam,

eine Zielscheibe kindlichen Gelächters,

ihre verletzenden Worte noch

in meinem Kopf nachhallend.

Ich hätte so gerne ein wenig Zuspruch erfahren,

doch du warst stumm.

Du bist anwesend, auf alten Fotos,

doch in meinen Erinnerungen fehlst du.

Ich kann mich nicht entsinnen,

liebkost oder getröstet worden zu sein.

Es gab keine kostbaren Augenblicke,

die wir teilten, nur wir beide.

An deinen Geruch oder das Gefühl

deiner Berührung erinnere ich mich nicht.

Ich erinnere mich an die Farbe deiner Augen

und den Schmerz tief in ihrem Innern –

ein Schmerz, den du, wie so vieles, zu verbergen pflegtest

hinter der Maske, die ich nicht durchdringen konnte.

Du hast gesehen, aber mich nicht wahrgenommen.

Deine Wärme erreichte nie das Herz

des kleinen Mädchens, das ich war.

Warum haben wir einander verfehlt, Mama?

Wo warst du?

Lag es an mir?

JC

Inhalt

Einführung

Teil 1   Was wir von der Mutter brauchen

1  Mütterliche Liebe und Zuwendung

Die Mutter als Lebensbaum

Mütter und die Grundbausteine unseres Lebens

Wer kann die Mutterrolle übernehmen?

Die ausreichend gute Mutter

Die Botschaften der Guten Mutter

Was passiert, wenn die Botschaften der Guten Mutter fehlen?

Was bedeutet emotionale Vernachlässigung?

2  Die vielen Gesichter der Guten Mutter

Die Mutter als Quelle des Lebens

Die Mutter als Bindungsperson

Die Mutter als Ersthelferin

Die Mutter als Regulationsinstanz

Die Mutter als Kraftspenderin

Die Mutter als Spiegel

Die Mutter als Mutmacherin

Die Mutter als Mentorin

Die Mutter als Beschützerin

Die Mutter als Zufluchtsort

3  Bindung: Unser erstes Fundament

Wie entsteht Bindungund was kennzeichnet eine sichere Bindung?

Warum ist Bindungso wichtig?

Woher weiß ich, ob eine sichere Mutterbindung bestand?

Was ist, wenn keine sichere Bindungvorhanden war? Woran lässt sich das erkennen?

Was ist ein bindungsbezogenes Trauma?

Ist es fair, die Mutter für eine unsichere Bindungverantwortlich zu machen?

Können wir nachträglich sichere Bindungen entwickeln, und wäre das hilfreich?

Bindungspersonenidentifizieren

Welcher Bindungsstil ist typisch für Sie?

Kann man mehr als ein Bindungsmuster entwickeln?

Wirkt sich die Beziehung zur Mutter auf spätere Beziehungen aus?

Wie schwer ist es, Bindungsmuster zu verändern?

4  Weitere wesentliche Bausteine

Das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit

Ein harmonisches Zuhause

Was falsch läuft, lässt sich korrigieren

Zugehörigkeitsgefühl

Selbstentfaltung

Ein Wachstumsbiotop

Unterstützung der kindlichen Eigenschaften

Berührung

Liebe ist das Medium, Liebe ist die Botschaft

Teil 2   Wenn die Mutterschaft misslingt

5  Mama, wo warst du?

Die Leere, die eine Mutter ausfüllen sollte

Das Bedürfnis nach der physischen Präsenz der Mutter

Was passiert, wenn die Mutter emotional abwesend ist?

Warum war die Mutter emotional abwesend?

Wie ein Kind die emotionale Abwesenheit der Mutter deutet

Wenn die Mutter die einzige Bezugsperson ist

Warum manche Kinder mehr leiden als andere

Beidseitige Distanz

6  Das Leben mit einer emotional abwesenden Mutter

Wer war die Frau mit der Maske?

Magere Kost

Mangelnde Anleitung

Fehlende emotionale Verbindung

Die mechanische Mutter

Schaut jemand hin? Interessiert es jemanden?

Unwissenheit

Keine Zuflucht, keine Hilfe

Das Gefühl, ein mutterloses Kind zu sein

Kein fester Halt

Keine Mutter, kein Selbst

7  Emotionale Vernachlässigung und Gewalt in der Kindheit

Was bedeutet emotionale Vernachlässigung?

Wie unterscheidet sich emotionale Gewalt von emotionaler Vernachlässigung? Kann beides vorliegen?

Wie schlimm ist die Erfahrung?

Folgen der emotionalen Vernachlässigung während der Kindheit

Zusätzliche Auswirkungen der emotionalen Gewalt

8  Was stimmt nicht mit meiner Mutter?

Sie weiß es nicht besser

Sie ist emotional verschlossen

Sie ist nie richtig erwachsen geworden

Wenn eine Mutter keine Liebe und Zuwendung geben kann

Leidet sie an einer psychischen Erkrankung?

Achtung: Wut im Verzug!

Die boshafte Mutter

Mütter, die »verrückt« sind

Das wechselnde Gesicht der Mutter

Mütter, die beziehungsblind sind

Was sich die Mutter nicht eingestehen kann

Teil 3   Die Heilung der seelischen Wunden

9  Der Heilungsprozess

Vertuschungsaktionen

Die Wunden aufdecken

»Defekte« als Defizite umdeuten

Gefühle aufarbeiten

Tagebuch führen

Die heilsame Wirkung der Wut

Trauerarbeit

Die Vergangenheit hinter sich lassen

10  Verbindung mit der Energie der Guten Mutter aufnehmen

Sich der Guten Mutter öffnen

Archetypen

Die Arbeit mit Imagination und Symbolen

Hilfe von der Göttlichen Mutter

Das »Gute« der Guten Mutter verinnerlichen

Eine zweite Chance, eine Gute Mutter zu finden

Das Bedürfnis nach mütterlicher Liebe und Zuwendung in der Partnerschaft befriedigen

Wiederholung früherer Muster

Die heilende Kraft der sicheren liebevollen Bindung

Die Gute Mutter als ständige Begleiterin

11  Die Arbeit mit dem inneren Kind

Einführung in die Arbeit mit dem inneren Kind

Das Kind als Mutter für das Selbst

Die Arbeit mit den Persönlichkeitsanteilen

Geschenke und Lasten

Einschränkungen bei der Arbeit mit dem inneren Kind

Die heutigen Probleme als Folge früherer Probleme

Ablösung von der Mutter

Die eigene bestmögliche Mutter werden

Sicherheit und Geborgenheit für das innere Kind schaffen

Zeit miteinander verbringen

Die Arbeit mit den Botschaften der Guten Mutter

Die Heilung des ungeliebten Kindes

Neuausrichtung

12  Psychotherapie

Parallelen zur Guten Mutter

Besondere Anforderungen in der bindungsorientierten Arbeit

Berührung in der Therapie

Remothering: Das Nacherleben der mütterlichen Liebe und Zuwendung

Von der Abschottung zur sicheren Bindung

Von der Frustration zur inneren Zufriedenheit

Therapeuten als »wegweisende Mutter«

Empfehlungen für Therapeuten

13  Weitere heilsame Schritte und anwendungsorientierte Strategien

Spezifische »Lücken« aufspüren

Eine proaktive Herangehensweise

Die Lücke, die mangelnde Unterstützung hinterlassen hat

Sich Beistand im Hier und Jetzt suchen

Selbstvertrauen aufbauen

Die eigene Stärke entdecken

Schützen, was Ihnen lieb und teuer ist

Sich zeigen und wahrgenommen werden

Einen Platz im Netzwerk des Lebens finden

Sich den Weg durch die Welt der Gefühle bahnen

Die eigenen Bedürfnisse begrüßen

Nähe zulassen

Wohltuende Berührungen annehmen

Den Schritt aus dem Deprivationsbewusstsein wagen

Das Gute verinnerlichen

Auf eine gute Selbstfürsorge achten

Allheilmittel

14  Die Geschichte umschreiben

Die Geschichte Ihrer Mutter

Ihre eigene Geschichte

Das Miteinander zwischen Ihnen und Ihrer Mutter

Die Möglichkeiten ausloten

Eine vernünftige, distanzierte Beziehung beibehalten

Grenzen setzen

Die eigene Wahrheit darlegen

Die Mutter verlassen

Sich innerlich getrennt fühlen

Der Weg zu einer heilsameren Beziehung

Sollte ich ihr verzeihen?

Kann ich auch ohne Gute Mutter eine gute Mutter oder ein guter Vater sein?

Dem Wachstums- und Selbstentfaltungsprozess Zeit lassen

Wird der Heilungsprozess jemals enden?

Anhang

Drei Mütter, drei Botschaften: Eine geführte Visualisierung

Anmerkungen

Literatur

Dank

Die Autorin

Einführung

Nur wenige Erfahrungen im Leben sind so tief greifend wie die Gefühle gegenüber unseren Müttern, die wir zeitlebens mit uns herumtragen. Die Wurzeln einiger dieser Gefühle bleiben im dunklen Labyrinth des vorsprachlichen Erlebens verborgen. Die Zweige erstrecken sich gleichwohl in alle Richtungen: Manche bringen die Erinnerung an wunderbare, sonnige Augenblicke mit sich, während andere abgebrochen sind und gezackte Kanten hinterlassen haben, an denen wir hängen bleiben. Das Thema Mutter ist kein leichtes.

Die Gefühle gegenüber Müttern sind sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der psychologischen Ebene oftmals unbeständig und verworren. Mama und Apfelkuchen sind starke Symbole, die im amerikanischen Bewusstsein mit Lob und Ehre bedacht, in der politischen Arena jedoch vielfach vernachlässigt werden, was sich beispielsweise in der dürftigen Elternzeit-Regelung im Vergleich zu anderen wirtschaftlich hoch entwickelten Nationen widerspiegelt. Wenn uns die Beziehungs- und Erziehungskompetenz ein wirklich ernsthaftes Anliegen wäre, würden wir mehr finanzielle und häusliche Unterstützung sowie Bildungsangebote für Mütter bereitstellen.

Als Erwachsene sind wir uns dessen bewusst. Die meisten würden sicher zustimmen, dass Müttern Ehre gebührt, dass ihre Existenz zu oft als selbstverständlich hingenommen wird und ihr Tun zu wenig Anerkennung findet. Und doch sind viele von uns insgeheim (oder auch weniger heimlich) unzufrieden mit dem, was wir von unseren Müttern erhalten haben, und tragen ihnen nach, dass wichtige Grundbedürfnisse unerfüllt geblieben sind. Gleich, ob es sich um ein schuldhaftes Versäumnis handelte oder nicht: Wir zahlen den Preis.

Das sind heikle Themen – heikel für die Mütter und für uns alle. Im Bestreben, jede Kritik an Müttern im Keim zu ersticken, nehmen einige die Unzufriedenen unter Beschuss. Sie werfen ihnen vor, ihre Mütter als Sündenböcke abzustempeln, sie ungerechterweise für ihr Leid verantwortlich zu machen. Ich bestreite nicht, dass derartige Schuldzuweisungen bisweilen als Ablenkungsmanöver benutzt werden, um sich der Eigenverantwortung für die nicht immer einfache Aufgabe der eigenen Heilung zu entziehen. Doch als Therapeutin werde ich häufiger mit dem Widerstreben der erwachsenen Kinder, an alte Wunden zu rühren, und den riesigen Schuldgefühlen konfrontiert, die es aufzuarbeiten gilt, damit sie ihre Mütter nicht weiter in Schutz nehmen müssen. Es ist, als hätten wir sogar innerhalb unseres eigenen Bewusstseins Angst, sie zu kritisieren. Wir bemühen uns krampfhaft, das Bild der Mutter in unserem tiefsten Innern zu schützen, unsere zerbrechliche Beziehung zu bewahren, indem wir alles leugnen, was sie erschüttern könnte. Damit schützen wir uns vor Enttäuschung, Wut und Schmerz, die wir aus unserem Bewusstsein verdrängt haben. Wie in den folgenden Kapiteln beschrieben, wagen es viele nicht, die schmerzliche Wahrheit aufzudecken und offen auszusprechen, was sie bei ihren Müttern vermisst haben, weil sie mit den Folgen des emotionalen Mangels nicht umgehen können.

Jede Beziehung, die so komplex ist wie die zwischen Mutter und Kind, schließt sowohl Liebe als auch Hass ein. Die meisten Kinder empfinden Hass, wenn ihre Bedürfnisse oder Wünsche unbefriedigt bleiben, obwohl viele es nicht wagen würden, dieses starke Gefühl zu zeigen, denn die Verbindung zur Mutter ist viel zu zerbrechlich. Tatsächlich lieben alle Kinder ihre Mutter, auch wenn diese Liebe verschüttet ist. Der Psychologe Robert Karen erklärte in einer Zusammenfassung seiner Forschungsarbeiten zum Thema Bindung:

»Buchstäblich alle Kinder, selbst die, die Gewalt erfahren haben, lieben ihre Eltern. Das ist im Wesenskern des Kindseins einprogrammiert. Gleich, ob sie verletzt, enttäuscht oder in zerstörerischen Strukturen gefangen sind, die ihnen jede Möglichkeit verwehren, die Liebe zu erhalten, nach der sie sich sehnen: Gebunden zu sein, selbst in Angst gebunden zu sein, bedeutet zu lieben. Mit jedem Jahr, das vergeht, kann diese Liebe etwas schwerer zugänglich sein. Mit jedem Jahr kann das Kind seinen Wunsch nach Verbundenheit stärker leugnen. Es kann sich sogar von seinen Eltern lossagen und leugnen, dass es überhaupt Liebe für sie empfindet. Doch die Liebe ist da, genau wie die Sehnsucht, sie aktiv zum Ausdruck zu bringen und sie erwidert zu bekommen.«1

Karens Worte verdeutlichen, wie vielschichtig diese Beziehung ist. Niemand kann sich vom Wunsch nach Mutterliebe befreien.

Mütterliche Liebe und Zuwendung ist auch für diejenigen ein schwieriges Thema, die selber Kinder haben. Als ich mit der Arbeit an diesem Buch begann, fielen mir die Schuldgefühle und die Abwehrhaltung bei einigen Frauen auf, als sie erfuhren, worum es ging. Dahinter stand der Gedanke: »Man sollte der Mutter nicht so viel Macht zuschreiben. Es gibt noch viele andere Einflussfaktoren im Leben eines Kindes. Es liegt nicht ausschließlich an mir, wie sie sich entwickelt haben.« Das ist richtig, zweifellos. Wir kommen bereits mit verblüffend individuellen Unterschieden zur Welt. Und es gibt noch andere Faktoren während der Kindheit, beispielsweise die Reihenfolge der Geburt, die Bindung zum Vater, seine elterliche Kompetenz, anlage- und umweltbedingte Einflüsse auf die grundlegende Physiologie eines Kindes, Familiendynamik und Stressauslöser in der Gesellschaft an sich.

Trotz der zahlreichen Punkte, die hier von Bedeutung sind, ist der Einfluss der Mutter beispiellos. Eine aufmerksame, kompetente und fürsorgliche Mutter kann viele andere Beeinträchtigungen im Leben ausgleichen. Fehlt diese mütterliche Liebe und Zuwendung, kann sich das als größte Beeinträchtigung überhaupt erweisen, denn wenn die Mutter ihrer Aufgabe nicht gerecht wird, haben die Kinder erhebliche Defizite in ihrer Entwicklung.

Ich habe mich in diesem Buch nicht deshalb auf die Mütter konzentriert, weil ich ihnen mehr Schuldgefühle oder Verantwortung aufbürden möchte, sondern weil das mütterliche Fürsorgeverhalten unsere Entwicklung so nachhaltig prägt. Ich hoffe, dass wir durch ein besseres Verständnis dieser Einflussfaktoren zu einem besseren Selbstverständnis gelangen und – noch wichtiger – die Entwicklungsaufgaben zu Ende führen und die Verletzungen heilen können, die durch unzureichende mütterliche Liebe und Zuwendung entstanden sind.

Wenn Sie selber Kinder haben oder vielleicht noch welche bekommen, hoffe ich, Ihren Blick durch das Aufschlüsseln der mütterlichen Rollen und die Betonung der zentralen Bedeutung der Fürsorgeaspekte zu schärfen. Obwohl einige der damit verbundenen Verhaltensweisen von einem angeborenen Mechanismus gesteuert und weitergegeben werden, müssen viele Frauen diese mütterlichen Kompetenzen bewusst erlernen. Wenn Sie selbst mütterliche Liebe und Zuwendung entbehren mussten, haben Sie es mit einer doppelten Aufgabe zu tun: die eigenen Verletzungen zu heilen und sich für ein anderes Miteinander mit Ihren Kindern zu öffnen, als Sie es bei Ihrer eigenen Mutter erlebt haben.

Zu Beginn meiner Arbeit hatte ich mir zum Ziel gesetzt, mein Verständnis der emotional vernachlässigten Erwachsenen in meinem Bekanntenkreis und in meiner psychotherapeutischen Praxis zu vertiefen. Deshalb suchte ich aktiv nach Betroffenen, die bereit waren, sich für meine Studie zur Verfügung zu stellen. Die Resonanz war groß, ich wurde umgehend mit Zusagen überschüttet. Wie zu erwarten, waren mehr Frauen als Männer bereit, mit einer Fremden über ihre Erfahrungen zu sprechen. Außerdem hatte ich mehr Verbindungen zu Frauen. Ich wählte meine Gesprächspartnerinnen nicht nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten aus, die demografische oder soziologische Perspektive spielte dabei keine Rolle. Doch ich bin davon überzeugt, dass die mutigen und aufschlussreichen Enthüllungen für uns alle von Nutzen sind. Meine Forschungsergebnisse verteilen sich über das ganze Buch, die meisten finden Sie jedoch im sechsten Kapitel: »Das Leben mit einer emotional abwesenden Mutter«. Dort werden sowohl das Umfeld während der Kindheit als auch die Herausforderungen beschrieben, mit denen sich die Betroffenen im Erwachsenenalter konfrontiert sahen.

In der ersten Auflage der Originalausgabe dieses Buches standen die Folgen des Zusammenlebens mit einer emotional unzugänglichen Mutter im Mittelpunkt. Seither habe ich neue Erkenntnisse über die vielen Erscheinungsformen emotional abwesender Mütter und über die Verbindung von emotionaler Vernachlässigung und emotionaler Gewalt gewonnen. In dieser vorliegenden erweiterten Auflage gehe ich gezielter dem Aspekt der emotionalen Gewalt und der Frage nach, was Mütter zu solchen Verhaltensweisen treibt.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Teil 1 verdeutlicht, was Kinder von ihren Müttern brauchen. Es geht dabei um die verschiedenen Rollen, die eine gute Mutter auszeichnen, und um die Bedeutung der ersten Bindung. In Teil 2 sehen wir, was passiert, wenn die Mutter-Kind-Beziehung misslingt, welche Folgen sich aus emotionaler Vernachlässigung ergeben und was eine Mutter zu einem solchen Verhalten veranlasst haben kann. Teil 3 kreist um die Heilung der damit verbundenen seelischen Wunden. Nach einer Darstellung des möglichen Heilungsprozesses beinhalten weitere Kapitel die Themen Psychotherapie und die Arbeit mit dem inneren Kind. Außerdem zeige ich, wie unerfüllte Bedürfnisse nachgeholt und die Beziehung zur Mutter im Erwachsenenalter neu gestaltet werden kann.

Das Buch enthält eine Reihe von Übungen, die Sie natürlich auslassen können, die ich Ihnen aber dennoch ans Herz legen möchte. Außerdem werden Sie immer wieder aufgefordert innezuhalten, um das Gelesene zu verarbeiten und über Ihre eigene Situation nachzudenken. Ich ermutige Sie, sich immer wieder einen Augenblick Zeit zu nehmen und Ihre Aufmerksamkeit auf die Gedanken zu richten, die Ihnen beim Lesen durch den Kopf gehen, auch wenn Sie die formalen Fragen nicht beantworten möchten.

Da alles, was Sie aus der Lektüre des Buches mitnehmen können, wichtig für Ihr Selbstverständnis und Ihren Heilungsprozess ist, empfehle ich Ihnen, sich Zeit zu lassen. Entscheiden Sie dabei selbst, wann Sie die Arbeit mit bestimmten Informationen als belastend empfinden und welche Form der Unterstützung Sie jetzt brauchen. Behandeln Sie sich selbst wie eine fürsorgliche Mutter, indem Sie sich jedes Mal nur die Themen zumuten, die Sie gut verkraften können. Auf den Rest können Sie später zurückkommen. Obwohl jedes Kapitel auf dem vorherigen aufbaut, sollten Sie so mit dem Buch arbeiten, wie es Ihnen am meisten zusagt.

Ich habe mir in diesem Buch vier Ziele gesetzt:

•   Ich möchte Ihnen ein klareres Bild von der mütterlichen Liebe und Zuwendung vermitteln, die Sie entbehren mussten.

•   Ich möchte Ihnen helfen, den Zusammenhang zwischen der emotional abwesenden Mutter und den Schwierigkeiten zu erkennen, mit denen Sie in Ihrem heutigen Leben konfrontiert sind. Was früher vielleicht als »Persönlichkeitsdefekt« gesehen wurde, kann jetzt als mütterliches Defizit, als mangelnde mütterliche Liebe und Zuwendung definiert werden. Das trägt dazu bei, das Gefühl abzubauen, an allen Problemen selbst schuld zu sein.

•   Ich möchte Möglichkeiten aufzeigen, fehlende Elemente einer guten Mutterschaft auszugleichen – sei es in einer Therapie, in engen sozialen Beziehungen oder indem Sie auf Ihre eigenen Ressourcen zugreifen.

•   Ich möchte Ihnen bei der Entscheidung helfen, wie Sie als Erwachsene die Beziehung zu Ihrer Mutter gestalten wollen und wie Sie Ihre diesbezüglichen Strategien und Optionen erweitern können.

Die gute Nachricht ist, dass mangelnde mütterliche Liebe und Zuwendung im späteren Leben kompensiert werden kann – vielleicht nicht vollständig, aber wirksamer, als wir normalerweise zu hoffen wagen. Wir können aktiv zur Heilung des ungeliebten inneren Kindes beitragen und zu innerlich starken, liebevollen Erwachsenen werden. Es lohnt sich, diesen Weg einzuschlagen.

Teil 1

Was wir von der Mutter brauchen

1

Mütterliche Liebe und Zuwendung

Die Mutter als Lebensbaum

Ich werde mich immer an The Family of Man erinnern, eine Fotoausstellung, die um die Welt ging und auch in Buchform präsentiert wurde. Auf einem der Fotos war eine hoch aufgeschossene schwarze Frau mit zwei kleinen Kindern abgebildet, die Gesichter dunkel, im Schatten verborgen. Auf der gegenüberliegenden Seite mit den Sinnsprüchen stand ein Zitat: Sie ist ein Baum des Lebens für sie.

Ein Lebensbaum. Ein Baum, der Zuflucht, ein Zuhause, der Schutz bietet. Ein Baum, den man erklimmen und von dem man essen kann. Ein Baum, der groß erscheint, wenn man um ein Vielfaches kleiner ist. Ein Baum, der Ihr Baum ist.

In den mythologisch-religiösen Traditionen aus aller Welt wird der Lebensbaum als eine senkrechte Achse dargestellt, um die sich das Leben dreht. Eine ähnlich zentrale Position nimmt die Mutter ein: Sie ist die Achse, um die sich die Familie und das emotionale Leben des Kindes drehen. Schon weit vor dem Christentum wurde der Lebensbaum oft als Mutter und die Große Mutter bzw. die Muttergöttin häufig als Baum dargestellt.

Somit ist der Baum ein natürliches Symbol mütterlicher Liebe und Zuwendung. Mit seinen Früchten und Blüten, den Vögeln und Tieren, die in ihm und in seiner Umgebung beheimatet sind, bietet er sowohl Schutz als auch Nahrung. Da er in viele Richtungen austreibt, sein Geäst aber vor allem einen nach außen gerichteten Bogen bildet, gleicht er einem Springbrunnen, einer Quelle unerschöpflichen Reichtums. Ein Teil des Lebensbaum-Archetyps ist dieses Konzept der Fülle und Freigebigkeit.

Diese archetypische Grundstruktur wird auch in Shel Silversteins Kinderbuch Der Baum, der sich nicht lumpen ließ angesprochen. 1964 erstmals erschienen, gilt es noch heute als klassische Parabel über Liebe und Hingabe. Es handelt von einem Baum, der eine liebevolle Beziehung zu einem kleinen Jungen entwickelt und ihm alles gibt, was er hat. Er lässt ihn auf seinen Ästen schaukeln, spendet ihm Schatten, bietet ihm Äpfel zum Essen und Zweige, um daraus ein Baumhaus zu errichten. Die Zeit vergeht, und der Baum lässt sogar zu, dass er gefällt wird, als sein kleiner Freund zu einem Mann herangereift ist, der ein Boot bauen möchte. Am Ende besteht er nur noch aus einem Stumpf, und aus dem jungen ist ein alter Mann geworden, dem er einen Platz gewährt, an dem er seine letzte Ruhe findet.

Wie Sie sicher bemerkt haben, weist die Beziehung zwischen dem Jungen und dem Baum große Ähnlichkeit mit der Mutter-Kind-Beziehung auf. Der Baum setzt die Grundbedürfnisse des Jungen an allererste Stelle. Er gibt und gibt und gibt. Das ist Teil der Mutterrolle, die bisweilen mit den Bedürfnissen einer Frau konkurriert, beispielsweise nach Selbstentfaltung und nach Beziehungen zu anderen Menschen. Viele Frauen beklagen, dass sie sich in ihrer Aufgabenstellung als Mutter und Partnerin verloren haben. Doch wenn eine Frau nicht oder nur bedingt bereit ist, sich zumindest zeitweilig um die Bedürfnisse anderer zu kümmern, ist sie den Aufgaben einer Mutter nicht gewachsen.

Es gibt viele legitime Gründe, warum eine Frau den gewaltigen Anforderungen nicht gerecht wird, die mit der Mutterrolle einhergehen. Aber leider haben Frauen oft keine Wahl (oder glauben es zumindest). Frauen können ungewollt Mutter werden, beispielsweise infolge einer ungeplanten Schwangerschaft oder gesellschaftlicher Erwartungen. Oft sind sie selber noch keine reifen Erwachsenen und schlecht vorbereitet auf das, was sie erwartet.

Es ist nicht leicht zu geben, wenn man selber noch viele unerfüllte Bedürfnisse hat. Doch Mutter zu sein verlangt ein stetiges Geben. Eine gute Mutter teilt die Wärme ihres Körpers mit ihrem Kind, wenn es friert, und die Muttermilch, wenn es Nahrung braucht. Sie teilt das Kalzium, das in ihren Knochen enthalten ist, vor und nach der Geburt mit ihrem Kind. Diese Form des Gebens stellt eine grundlegende Form der selbstlosen Hingabe dar. Kein Wunder, dass der Begriff »Mutter« zu einem Symbol der Aufopferung wurde!

Mütter und die Grundbausteine unseres Lebens

Dass Mütter die Grundbausteine liefern, aus denen wir bestehen, stützt sich auf zwei wichtige Ebenen. Die erste ist eine klar ersichtliche biologische Tatsache: Wir sind in ihrem Körper und aus ihrem Körper entstanden. Auf der zweiten Ebene ist die Mutter aber auch Teil unserer Persönlichkeit, unserer Psyche und Struktur. Sie stellt buchstäblich eine Schicht unseres Daseins dar. In den folgenden Kapiteln werde ich diesen Zusammenhang noch genauer erläutern.

Unsere psychische Grundstruktur, unser Selbstbild, unser Selbstwertgefühl und unsere unbewussten Überzeugungen in Bezug auf Beziehungen werden in hohem Maß durch die Mutter geprägt. Sie ist nicht der einzige Einflussfaktor, aber die Mutter und unsere Beziehung zu ihr liefern die Grundbausteine für die Entwicklung dieser individuellen Merkmale.

Ob wir diese Grundbausteine als konstruktiv oder destruktiv empfinden, wird weitgehend von unseren Interaktionen mit der Mutter bestimmt. Das Verhalten der Mutter fällt dabei weniger ins Gewicht als ihre energetische Präsenz und Liebe. Ist sie wütend oder nicht bei der Sache, wenn sie ihr Kind stillt? Wenn die Mutter liebevoll und hundertprozentig präsent ist, besteht für das Kind keine Diskrepanz zwischen Muttermilch und Mutterherz. Ist sie emotional abwesend, ist die Milch weniger nahrhaft. Das Kind empfindet es vielleicht als Unrecht, die Milch anzunehmen, weil sie nicht freigebig gewährt wird oder weil es spürt, dass die Interaktion, die mit dem Stillen einhergeht, von der Mutter als unerwünscht empfunden wird.

Diese Interaktion kann der Himmel oder die Hölle auf Erden sein. Natürlich handelt es sich dabei um eine Schwarz-Weiß-Sicht, die mit der Realität normalerweise wenig zu tun hat. Aber Kleinkinder erleben die Welt sehr intensiv. Sie können die Mutter als innere Schicht ihres Selbst erleben, die Unterstützung und Liebe verkörpert und sie auf Schritt und Tritt begleitet, oder sie als abgestorbenen, vergifteten Teil ihrer Persönlichkeit wahrnehmen. Dieses Gift haben Sie im Verlauf der Interaktionen mit ihr aufgenommen, möglicherweise weitergeleitet durch vergiftete Teile in ihrem eigenen Innern.

Wer kann die Mutterrolle übernehmen?

Ich spreche im Buch durchgängig von Mutter. Dieser Begriff ist aber nicht zwangsläufig auf eine Frau beschränkt, die ein Kind geboren hat – obwohl diese Beziehung auch dann das gesamte Leben eines Menschen prägt, wenn sie nicht über den Akt der Geburt hinausgeht (weil zum Beispiel die Mutter stirbt oder das Kind zur Adoption freigibt). Mit der Mutter ist in diesem Buch die primäre Bezugsperson gemeint. Und der Begriff Gute Mutter kann sich auf jeden Erwachsenen beziehen, der in Ihrem Leben eine fürsorgliche, fördernde, schützende Rolle übernommen und die mütterlichen Funktionen erfüllt hat, die im nächsten Kapitel beschrieben sind. Dazu können unter anderem Adoptiv-, Groß- oder Stiefmütter gehören. Auch ein Vater kann mit den entsprechenden Eigenschaften diese Stelle einnehmen. Personen, die nicht zum engsten Familienkreis zählen, können ebenfalls dazu beitragen, einige Grundbedürfnisse des Kindes zu erfüllen (sogar bis ins Erwachsenenalter hinein), beispielsweise Lehrer, Tanten, Mütter von Freunden, Therapeuten, Partner. Während des Reifeprozesses sind wir dann selbst dazu in der Lage, wenn wir davon ausgehen, dass ein emotional vernachlässigtes Kind im Erwachsenen weiterlebt und nach wie vor braucht, was es damals schmerzlich entbehren musste.

Obwohl nicht jede Frau die Mutterrolle optimal ausfüllen kann, hat die Natur ihr Bestes getan, um den biologischen Müttern jeden nur erdenklichen Vorteil an die Hand zu geben. Untersuchungen belegen, dass Mütter instinktiv zu Verhaltensweisen neigen, die das Kind gutheißt. Studien in Schweden haben gezeigt, dass Kleinkinder die Gesellschaft der Mutter auch dann bevorzugen, wenn die Mutter berufstätig und der Vater die primäre Bezugsperson ist.2

Die Natur unterstützt die biologischen Mütter auch durch die Hormone (vor allem Oxytocin), die ihre Bindungsbereitschaft fördern und in direktem Zusammenhang mit dem Bindungsverhalten stehen. Beim Stillen befindet sich das Kind in einer perfekten Entfernung zur Mutter, um seinen Blick auf die Augen der Mutter zu fokussieren. Natürlich hat es aber schon während seiner intrauterinen Entwicklung eine Beziehung zur Mutter hergestellt, hat auf ihren Herzschlag, ihre Stimme, ihre Berührung durch die Bauchwand und ihre energetische Präsenz reagiert.

Leider reichen diese biologischen Vorteile bei manchen Frauen nicht aus, um die Aufgaben der Mutter in einer für das Kind nötigen Form zu übernehmen. Daher ist es gut, wenn andere Bezugspersonen den Kindern mütterliche Liebe und Zuwendung zukommen lassen.

Die ausreichend gute Mutter

Mütter müssen und können nicht perfekt sein. Vollkommenheit entsteht, wenn überhaupt, durch die Augen des Kindes: Es liebt seine Mutter grenzenlos, wenn sie ihre Aufgaben – die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse – hinreichend erfüllt. Das ist hilfreich, denn wenn man auf jemanden angewiesen ist, möchte man glauben, dass diese Person die erforderlichen Fähigkeiten für den übernommenen Job mitbringt. Übersieht ein Kind mögliche »Ausrutscher« sowie fehlendes gegenseitiges Aufeinander-bezogen-Sein und betont es die positiven Aspekte der Beziehung, ist das sowohl in psychologischer als auch evolutionärer Hinsicht eine gute Strategie, da die positiven Gefühle des Kindes auch der Mutter helfen, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen.

Der Begriff ausreichend gute Mutter wurde vom namhaften englischen Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald W. Winnicott geprägt, um Mütter zu definieren, die ihren Kindern genug auf den Weg mitgeben, um ihnen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Für Winnicott besteht die wichtigste Aufgabe einer ausreichend guten Mutter in der Anpassung an ihr Baby. Er beschreibt, wie sie sich anfangs beinahe vollständig auf die Grundbedürfnisse ihres Kindes einstellt und diese Anpassungsleistungen nach und nach reduziert, wenn das Kind mehr Frustrationstoleranz entwickelt. Eine Mutter, die alle Grundbedürfnisse auch weiterhin perfekt und prompt erfüllt, würde ihrem Kind die Chance vorenthalten, neue Verhaltensweisen zu erlernen, neue Fähigkeiten zu entwickeln und angemessen mit verzögerter Bedürfnisbefriedigung und Frustration umzugehen.

Die Auffassung, dass eine Mutter nicht zu 100 Prozent emotional auf ihr Kind eingestellt und verfügbar sein muss, um ihre Aufgaben ausreichend gut zu bewältigen, wird von aktuellen Forschungsergebnissen bestätigt. Studien belegen, dass es genügt, wenn die Mutter 30 Prozent ihrer Zeit mit Aktivitäten verbringt, die einen Einklang zwischen Mutter und Kind erzeugen (als harmonisches Miteinander definiert, wobei die Mutter emotional auf das Kind eingestellt ist).3 Ist das zu viel verlangt?

Die Psychotherapeutin und Autorin Diana Fosha erklärt: »Was im gleichen Maß zählt (wenn nicht mehr) wie die natürliche Fähigkeit der Affektabstimmung, ist die Fähigkeit, den mangelnden Einklang zu beheben, um wieder eine optimale Verbindung herzustellen.«4 Die ausreichend gute Mutter muss die unvermeidlichen Risse ausbessern, die in jeder Beziehung vorkommen. Sie wird sich nicht immer vollkommen richtig verhalten, aber sie muss wissen, wie sie begangene Fehler korrigieren kann.

Untersuchungen belegen, dass sie dabei Hilfe von ihrem Kind erhält. Säuglinge kommen mit dem Drang und der Fähigkeit zur Welt, eine starke Verbindung zu ihren Müttern aufzubauen und zu bewahren. Sie sind außerdem darauf programmiert, den Löwenanteil der Korrekturmaßnahmen zu übernehmen.5 Wenn es einem Kind gelingt, die unvermeidlichen Störungen in der Beziehung zu beseitigen, hat das eine selbstermächtigende Wirkung. Wenn es umgekehrt unfähig ist, die Aufmerksamkeit der Mutter zu gewinnen, wenn es ihm nicht gelingt, die Verbindung wiederherzustellen, fühlt es sich zutiefst machtlos und entmutigt, was die Beziehung zur Mutter und die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse betrifft.

Wenn eine Mutter nicht ausreichend darauf eingestellt ist, die Grundbedürfnisse des Kindes zu erspüren und darauf zu reagieren, passt sich das Kind letztlich an die Mutter an, statt umgekehrt. Da es den Kontakt zu seinen Kernerfahrungen, sprich den eigenen Wünschen und Bedürfnissen verliert, entwickelt es laut Winnicott im späteren Leben ein sogenanntes falsches Selbst, das sich den Erwartungen seiner Umgebung anpasst.

Die Botschaften der Guten Mutter

Wie die Mutter auf unsere Grundbedürfnisse reagiert, sagt etwas darüber aus, wie wichtig wir für sie sind. Geht sie großmütig (und gerne!) darauf ein oder empfindet sie das Ansinnen als lästige Pflichtübung, der sie mit einer entsprechenden Einstellung nachkommt? Ist ihre Berührung sanft und liebevoll, oder ist sie kühl und automatisiert, wenn sie die Windeln wechselt oder uns ankleidet? Vielleicht wirken ihre Verrichtungen auch rein mechanisch. Was sagen ihre Augen? Was lässt sich an ihrem Gesichtsausdruck ablesen? Was vermitteln ihre Aktivitäten und Entscheidungen? Alle diese Elemente sind Teil der mütterlichen Kommunikation und prägen unsere Beziehung zu ihr. Gemeinsam bilden sie das Fundament der Botschaften, die wir empfangen.

Werfen wir zuerst einen Blick auf die »Botschaften der Guten Mutter«,6 bevor wir uns damit befassen, was emotional vernachlässigte Kinder stattdessen übermittelt bekamen.

Hier sind zehn grundlegende Botschaften der Guten Mutter:

•   Ich freue mich, dass es dich gibt.

•   Ich sehe dich.

•   Du bist etwas ganz Besonderes für mich.

•   Ich respektiere dich.

•   Ich liebe dich.

•   Deine Bedürfnisse sind mir wichtig. Du kannst dich immer an mich wenden, wenn du Hilfe brauchst.

•   Ich bin für dich da. Ich nehme mir Zeit für dich.

•   Ich behüte dich.

•   Bei mir kannst du zur Ruhe kommen.

•   Du bist mein ganzes Glück.

Schauen wir uns jetzt jede einzelne Botschaft genauer an:

Ich freue mich, dass es dich gibt

»Ich freue mich, dass es dich gibt« ist eine wichtige erste Botschaft, die ein Kind erhält. Sie wird durch ein Verhalten übermittelt, aus dem es zu schließen vermag, dass es wertgeschätzt und erwünscht ist.

Viele glauben, dass dieses grundlegende Gefühl, erwünscht zu sein, bereits im Mutterleib entsteht. Mit Sicherheit gibt es viele Augenblicke im Leben eines Kindes, in denen es sich erwünscht oder unerwünscht fühlt. Es ist keine Alles-oder-nichts-Erfahrung, sondern eher eine Sache des Ausmaßes, wobei das Gefühl, unerwünscht zu sein, weitgehend durch die häufiger auftretenden Situationen ausgeglichen wird, in denen sich das Kind wertgeschätzt fühlt.

Die Botschaft »Ich freue mich, dass es dich gibt« hilft uns, froh darüber zu sein, dass es uns gibt. Sie trägt dazu bei, dass wir uns wohlfühlen, wenn wir Raum einnehmen und in unserem Körper präsent sind.

Ich sehe dich

Eine Mutter übermittelt die Botschaft »Ich sehe dich« in erster Linie durch eine genaue Spiegelung (siehe Kapitel 2, Abschnitt »Die Mutter als Spiegel«) und eine feinfühlige, situationsangemessene und zeitnahe Reaktion auf die Äußerungen und Bedürfnisse ihres Kindes. Sie weiß beispielsweise, was ihr Kind mag und was ihm missfällt. Sie weiß, was es interessiert und was es in bestimmten Situationen empfindet. Gesehen zu werden bedeutet, in seinem Wesenskern erkannt zu werden.

Du bist etwas ganz Besonderes für mich

Die Botschaft »Du bist etwas ganz Besonderes für mich« (normalerweise stillschweigend übermittelt) besagt, dass man uns zu schätzen weiß. Wie auch bei den anderen Botschaften sollte sie mit dem Gefühl einhergehen, in seinem Wesenskern wahrgenommen zu werden, damit wir die Besonderheit nicht mit oberflächlichen, äußeren Eigenschaften oder Vorstellungsbildern verbinden.

Ich respektiere dich

Eine Mutter übermittelt die Botschaft »Ich respektiere dich«, wenn sie die Einzigartigkeit ihres Kindes unterstützt, wenn sie auf jeden Versuch verzichtet, Kontrolle auszuüben, sofern keine Notwendigkeit besteht, wenn sie seine Präferenzen und Entscheidungen akzeptiert und kommuniziert, dass sie die Eigenschaften wertschätzt, die in ihm angelegt sind. Kinder, die sich aufrichtig respektiert und geliebt fühlen, erhalten die Erlaubnis, ihr einzigartiges Selbst zu entdecken und auszudrücken, statt ein Spiegelbild der Eltern/eines Elternteils zu werden oder sich den elterlichen Vorgaben zu fügen.

Ich liebe dich

Die Botschaft »Ich liebe dich« wird oft mit diesen einfachen Worten übermittelt, sollte jedoch als aufrichtig und authentisch empfunden werden, um von Bedeutung zu sein. Viele Kinder hören diese Worte mehrmals am Tag. Anderen bleiben sie ein ganzes Leben lang vorenthalten. Es ist wichtig, dass sie nicht als Manipulationsversuch betrachtet werden oder mit Anforderungen an das Kind verbunden sind.

Liebe wird vermutlich am nachhaltigsten auf nonverbalem Weg übermittelt, beispielsweise durch Berührung, Tonfall, Augen- und Gesichtsausdruck, Körpersprache und Aufmerksamkeit. Wenn die Umgebung dem Kind ein sicheres Gefühl des Halts bietet und seinen Aktionsradius absteckt (beispielsweise durch Grenzen und Regeln), fühlt sich das ebenfalls wie Liebe an.

Deine Bedürfnisse sind mir wichtig. Du kannst dich immer an mich wenden, wenn du Hilfe brauchst

Die Botschaft »Deine Bedürfnisse sind mir wichtig« bringt zum Ausdruck, dass sie hohen Stellenwert haben. Die Mutter sagt nicht, ich kümmere mich darum, »weil ich muss« oder »wenn ich Zeit dafür habe«, sondern weil die Grundbedürfnisse des Kindes auf ihrer Prioritätenliste ganz oben stehen. Mit dieser Botschaft übermittelt sie, dass ihre Aufmerksamkeit in Liebe und echter Fürsorge wurzelt. »Du kannst dich immer an mich wenden, wenn du Hilfe brauchst« erteilt dem Kind die Erlaubnis, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie besagt, dass wir unsere Bedürfnisse nicht verbergen oder versuchen müssen, sie selbst zu befriedigen.

Ich bin für dich da. Ich nehme mir Zeit für dich

»Ich bin für dich da« besagt: »Du kannst auf mich zählen. Ich werde nicht aus deinem Leben verschwinden.« Oft bezieht sich diese Botschaft auf spezifische Bedürfnisse, doch darüber hinaus bedeutet sie: »Ich bin eine feste Größe in deinem Leben.« Damit wird eine entspannte, vertrauensvolle Beziehung gefördert.

Eine artverwandte Botschaft lautet: »Ich nehme mir Zeit für dich.« Sie bringt Ansprechbarkeit, Priorität und Wertschätzung zum Ausdruck. Leider haben viele Kinder das Gefühl, dass ihre Eltern keine Zeit für sie haben.

Ich behüte dich

»Ich behüte dich« ließe sich auch durch »Ich beschütze dich. Ich lasse nicht zu, dass du verletzt oder (unnötig) überfordert wirst« ersetzen.

Das Gefühl der Sicherheit ist ungeheuer wichtig, damit das Kind seine Welt entspannt erforschen kann. Ohne diese Sicherheit sind wir unter Umständen nicht wirklich bereit, das Nest zu verlassen. Ohne den Schutz unserer primären Bezugsperson besteht unser einziger Schutz darin, in Deckung zu bleiben und Abwehrmechanismen in unserer Persönlichkeit aufzubauen.

Bei mir kannst du zur Ruhe kommen

»Bei mir kannst du zur Ruhe finden« drückt mehrere Dinge aus. Als Erstes deutet die Botschaft auf einen geschützten Raum hin. Wenn man ständig auf der Hut ist, kann man nur schwer Ruhe finden und sich entspannen. Darüber hinaus weist die Botschaft auf Verfügbarkeit (Mutter muss verlässlich für mich da sein, wenn ich bei ihr zur Ruhe kommen soll) und Akzeptanz hin. Sie besagt: »Bei mir kannst du dich ganz und gar zu Hause fühlen.« Wir alle wünschen uns einen Ort, wo wir uneingeschränkt wir selbst sein können, wo wir keine bestimmte Rolle spielen müssen, wo wir uns in Gegenwart eines anderen Menschen unbeschwert und getröstet fühlen.

Du bist mein ganzes Glück

»Du bist mein ganzes Glück« bestätigt dem Kind, dass es eine kostbare Gabe, ein Geschenk des Himmels ist. Diese Botschaft besagt: »Du bist mein Ein und Alles«, »Es ist eine Freude, in deiner Nähe zu sein«. Wir können sie an den Augen der Mutter ablesen, die aufleuchten, wenn sie uns erblickt, wir erkennen sie in ihrem Lächeln, ihrem Lachen.

Was passiert, wenn die Botschaften der Guten Mutter fehlen?

Wenn die Botschaften der Guten Mutter fehlen, hinterlassen sie ein Gefühl der Leere oder des Mangels. Das hat weitreichende Folgen, denen wir anhand unserer zweiten, identischen Liste nachgehen wollen:

Ich freue mich, dass es dich gibt

Wenn wir uns nicht willkommen oder unerwünscht fühlen, schließen wir möglicherweise daraus: Es wäre vielleicht besser, wenn es mich gar nicht gäbe. Dieses Gefühl kann zu einer übersteigerten Angst führen, verlassen zu werden. Eine meiner Klientinnen, die sich als Kind unerwünscht fühlte, fürchtete bei jedem Besuch in einem Restaurant oder in einem Waschsalon, dass ihre Mutter sie dort abladen und nie wieder zurückkehren würde. Sich unerwünscht fühlen führt bei einem Kind dazu, dass ihm ein tragfähiges Fundament fehlt.

Ich sehe dich

Wenn die Mutter uns nicht richtig sieht oder kennt, sind ihre Reaktionen wenig zielführend. Sie kann beispielsweise versuchen, Orientierungshilfen zu geben, beginnt damit jedoch an der falschen Stelle.

Wenn wir beständig nicht richtig wahrgenommen werden, führt das unter Umständen zu dem Gefühl, unsichtbar und unsicher zu sein, ob es uns wirklich gibt. Dieses Gefühl der Unwirklichkeit kann subtil und unbewusst, aber auch alles durchdringend und verwirrend sein.

Du bist etwas ganz Besonderes für mich

Wenn das Gefühl fehlt, für unsere Eltern etwas ganz Besonderes zu sein, fühlen wir uns nicht um unserer selbst willen geliebt. Unter Umständen denken wir: Mami wäre es bestimmt lieber, wenn ich anders wäre, als ich bin.

Ich respektiere dich

Wenn wir glauben, dass unsere Fähigkeiten, Grenzen und Vorlieben nicht respektiert werden, lernen wir auch nicht, sie selbst zu achten. Wir entwickeln Minderwertigkeits- und Schamgefühle oder schöpfen unser wahres Potenzial nicht aus. Damit kann der Weg dafür bereitet werden, dass wir es anderen recht machen wollen, statt für uns selbst einzustehen.

Ich liebe dich

Wenn wir nicht genug Liebe erhalten, schließen wir möglicherweise daraus: So wie ich bin, bin ich nicht liebenswert. Infolgedessen verbiegen wir uns in der Hoffnung, dass andere uns vielleicht eher lieben, wenn wir ihren Vorstellungen entsprechen.

Deine Bedürfnisse sind mir wichtig. Du kannst dich immer an mich wenden, wenn du Hilfe brauchst

Wenn uns das Gefühl verwehrt bleibt, dass die Mutter unsere Bedürfnisse erfüllen möchte, gelangen wir vielleicht zur Überzeugung: Meine Bedürfnisse sind beschämend oder lästig; deshalb sollte ich keine haben.

Ich bin für dich da

Ohne das Gefühl, dass die Mutter für uns da ist, fühlen wir uns einsam und verlassen. Das führt wiederum zur Schlussfolgerung: Ich muss allein klarkommen.

Ich behüte dich

Ohne das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit fühlen wir uns vom Leben überfordert und gelangen zu der Überzeugung, dass die Welt gefährlich ist.

Bei mir kannst du zur Ruhe kommen

Wenn die Mutter keine Umgebung bietet, in der wir so sein können, wie wir sind, fehlt ein wichtiger Aspekt der Beziehung. Dann sind wir in ihrem Beisein vorsichtig, müssen uns verstellen und fühlen uns bei ihr nie richtig zu Hause.

Du bist mein ganzes Glück

Ohne das Gefühl, dass die Mutter uns als großes Glück empfindet, gelangen wir vielleicht zu der Ansicht: Ich bin eine Last, niemand mag mich. Ich wünschte, ich könnte mich in Luft auflösen. Ich sollte nicht so viel Raum einnehmen. Wir werden somit klein, ziehen uns in uns selbst zurück und lernen, unser Licht unter den Scheffel zu stellen.

Die Botschaften, die Sie erhalten haben

•   Lesen Sie noch einmal die zehn Botschaften der Guten Mutter durch und notieren Sie für jede einzelne Ihre emotionale Reaktion. Klingt die Botschaft vertraut? (Denken Sie daran, dass diese Botschaften eher durch Verhaltensweisen statt durch Worte übermittelt werden.) Glauben Sie, dass Sie diese Botschaft erhalten haben? Welche Körperempfindungen löst sie aus?

•   Sie können die Botschaften der ersten Liste mit den entsprechenden Botschaften der zweiten Liste vergleichen, um zu sehen, was auf Sie zutrifft. Achten Sie dabei so gut es geht auf Ihre Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen.

Wie bei jeder Übung in diesem Buch können auch hier sehr unangenehme Gefühle hochkommen. Deshalb möchten Sie vielleicht etwas langsamer voranschreiten. Wenn Sie sich gerade überfordert fühlen, kehren Sie einfach später zu der Übung zurück, wenn Sie dazu bereit sind oder jemand da ist, der Sie unterstützen kann.

Was bedeutet emotionale Vernachlässigung?

Emotionale Vernachlässigung bzw. Deprivation bedeutet, dass es einem Kind im Sinne dieser Botschaften an Wärme und Fürsorge mangelt, dass die im zweiten Kapitel beschriebenen Funktionen, die im dritten Kapitel geschilderte sichere Bindung, die liebevolle Berührung, Zuwendung und andere im vierten Kapitel genannte Grundbausteine nicht ausreichend vorhanden sind. Ja, Sie haben genug mütterliche Zuwendung erhalten, um zu überleben, doch nicht genug für ein Fundament, das ein gesundes Selbstvertrauen, Eigeninitiative, mentale Widerstandskraft, auch Resilienz genannt, Vertrauen, eine gesunde Anspruchshaltung und viele andere Eigenschaften zu tragen vermag, die wir brauchen, um den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu sein.

Je klarer Sie erkennen, auf welche Weise Sie unzureichende mütterliche Liebe und Zuwendung erfahren haben, desto tatkräftiger können Sie dieses Defizit ausgleichen. Was genau Ihnen gefehlt hat, wird im nächsten Kapitel beschrieben.