Wenn Körper und Seele zueinander finden - Bernadette Schwienbacher - E-Book

Wenn Körper und Seele zueinander finden E-Book

Bernadette Schwienbacher

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  • Herausgeber: Integral
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Wissen und Erfahrungen aus dem Herzen der Natur

„Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen!“ Mit dieser Gewissheit wächst Bernadette Schwienbacher auf einem einsamen Bergbauernhof in Südtirol auf. Früh lernt sie, dass die Natur fast alles bereithält, was man zum Leben benötigt. Heute verbindet die bekannte Heilerin dieses alte Wissen ihrer Vorfahren mit modernen Methoden, um Körper und Seele in Einklang zu bringen.
Bernadette Schwienbacher eröffnet faszinierende Einblicke in das ursprüngliche bäuerliche Leben. Sie zeigt, wie wir die Kräfte der Natur in unseren Alltag integrieren können, um zu einem gesunden und bewussten Leben zurückzufinden.

Mit vielen praktischen Übungen, Heilkräuteranwendungen sowie einem Verzeichnis körperlicher Beschwerden und ihrer natürlichen Behandlung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 310

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Das Buch

Bernadette Schwienbacher verbindet das traditionelle Wissen ihrer Vorfahren mit modernen Erkenntnissen und Methoden, um Körper und Seele in Einklang zu bringen. Kräuteranwendungen, Atemübungen, Ernährungs- und Verhaltenstipps liefern die Basis für ein gesundes Leben. Zudem eröffnet die bekannte Heilerin faszinierende Einblicke in das ursprüngliche bäuerliche Leben und zeigt, wie wertvoll die Lebensphilosophie dieser Welt gerade für unseren heutigen Alltag sein kann. Eine Verbindung von altem Wissen mit ganzheitlichen Heilmethoden – für alle, die zu ihren natürlichen Wurzeln zurückfinden wollen.

Die Autorin

Bernadette Schwienbacher, geboren 1954, wuchs mit 14 Geschwistern auf einem einsamen Bergbauernhof in St. Nikolaus/Ultental (Südtirol) auf. Sie lebt heute in Meran, wo sie seit vielen Jahren als bekannte Therapeutin und Heilerin tätig ist. In ihren Kräuterwanderungen gibt sie das alte Heilwissen ihrer Vorfahren weiter, darüber hinaus hält sie u.a. Vorträge in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien, vorwiegend zu den Themen Natur, Gesundheit und Heilung.

www.therapie-bz.com

BERNADETTE SCHWIENBACHER

Wenn

Körper & Seele

zueinander finden

Altes Heil- und Lebenswissen aus den Südtiroler Bergen

UNTER MITARBEIT VONDIANE ZILLIGES

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die in diesem Buch vorgestellten Informationen und Empfehlungen sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Dennoch übernehmen die Autorin und der Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der hier beschriebenen Anwendungen ergeben. Bitte nehmen Sie im Zweifelsfall beziehungsweise bei ernsthaften Beschwerden immer professionelle Diagnose und Therapie durch ärztliche oder naturheilkundliche Hilfe in Anspruch.

Integral Verlag

Integral ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH.

ISBN 978-3-641-15656-5

Erste Auflage 2015

Copyright © 2015 by Integral Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Alle Rechte sind vorbehalten. Printed in Germany.

Redaktion: Martina Darga

Einbandgestaltung: Guter Punkt, München

Coverfoto: Berge: © istock / thinkstock, Wiese und Blumen: © by Paul / shutterstock, Hütte: © privat

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

www.integral-verlag.de

Inhalt

Vorwort

Leben im Einklang

Die Gemeinschaft der Familie

Verantwortung für das eigene Dasein

Das Grundgefühl des Bei-sich-Seins

Wie macht es die Natur?

Ein gesunder Lebensrhythmus

Leben im biologischen Rhythmus

Regelmäßiges Innehalten

Ein guter Rhythmus im Alltag

Weiterentwicklung ist natürlich

Miteinander sein

Jung und Alt beisammen

Kind sein

Altern und Tod

Der wichtigste Mensch im eigenen Leben

Heilung im Sinne der Natur

Umgang mit Krankheit

Meine »Krankengeschichte«

Gesundheit heute

Das Kommen und das Gehen

Die Gesundheit in die eigenen Hände nehmen

Ein langer Atem

Atemübungen

Ein paar Minuten täglich

Den Körper bewegen

Mein wertvollster Jungbrunnen: die Fünf Tibeter®

Der Körper braucht Bewegung

Eine gute Ernährung als Basis

Heute so essen wie damals?

Das große Thema Milchprodukte

Das große Thema Fleisch

Was tut dem Körper gut?

Den Körper entlasten

Heilung durch die Kraft der Kräuter

Kräutertees für typische Beschwerden

Auflagen mit Kräutern

Bäder – genussvoll und heilsam

Heilerde und Sole für die Gesundheit

Anwendungen mit Heilerde

Sole-Anwendungen

Kosmetik mit den Kräften der Natur

Bäder für die Schönheit

Haarpflege

Gesichtspflege

Körperpflege

Lassen Sie das Wunder der Heilung geschehen!

Bildteil

Danksagung

Register der Beschwerden

Register der Übungen

Angebote der Autorin

Vorwort

Wenn Körper und Seele zueinander finden – als Kind hätte ich mir nicht vorstellen können, dass beide je getrennt sein könnten. Damals war alles am richtigen Platz, alles beieinander. Ich erinnere mich beispielsweise daran, wie gern ich mit meinen Geschwistern im Frühjahr mit Vaters Fernglas zur anderen Talseite hinübergeschaut habe, wo eine Fuchsmutter die ersten Male mit ihren Jungen vor den Bau ging. Jedes Jahr gab es dieses Schauspiel: Sie tobte mit den Kleinen herum, ausgelassen purzelten sie übereinander. Mal vorsichtig und mal wild erkundeten sie die Welt. Eine kleine Welt, die in den Ausschnitt passte, den uns das Fernglas heranholte. Weiter weg gingen sie nicht. Mich beeindruckte es, dass sie mit diesem kleinen Stückchen Welt zufrieden, ja geradezu glücklich waren. Dass sie dort alles fanden, was sie brauchten. Letztlich ging es mir selbst ja nicht anders.

Ich bin auf eine Weise aufgewachsen, die vielen heute sehr fremd erscheint und doch tiefe Sehnsüchte nach einem »guten Leben« in ihnen weckt. Auf unserem Bergbauernhof im Südtiroler Ultental haben wir uns in beinahe allen Belangen von Nahrung, Kleidung und Gebrauchsgütern selbst versorgt. Wir lebten in einem intakten Familienverband und mit einem innigen Bezug zur Natur als nährender Mutter und kundiger Heilerin. Gemeinschaft war für uns selbstverständlich und sie war auch notwendig. Wie meine vierzehn Geschwister habe auch ich von klein auf mitgearbeitet. Es waren die Natur und der eigene Fleiß, die alles hervorbrachten, was die Familie zum Leben brauchte. Geredet wurde nicht viel, und wenn es eine Verletzung oder eine Krankheit gab, wusste man, dass der Mensch sich selbst helfen musste und konnte: durch Beten, Handauflegen oder die Kräuter von den umliegenden Wiesen oder Berghöhen. Es war ein Leben mit festen Wurzeln, im klaren Rhythmus der Natur.

Die Zeit blieb allerdings nicht stehen. So vieles veränderte sich. Als junge Erwachsene zog ich hinaus aus dem Tal meiner behüteten Kindheit, erlernte verschiedene Berufe und ging nach und nach meinen eigenen Weg. Einige gesundheitliche Krisen brachten mich dazu, mein Heilwissen stetig weiterzuentwickeln. So vertiefte ich meine von der Mutter erlernten Kenntnisse über die Kräuter, absolvierte die Ausbildung zur Heilpraktikerin, erlernte das psychotherapeutische Arbeiten und einige spirituelle Heilmethoden, die ich seither auch an Klienten und Seminarteilnehmer weitergebe.

Mein ganzes Leben lang habe ich mich mit der Frage beschäftigt, was uns Menschen heil werden, heil sein lässt. Das ließ mich schließlich die Lebensweise meiner Kindheit in einem neuen Licht betrachten. Denn in ihr findet sich vieles, was dem modernen Menschen neue Wurzeln, neue Kraft und wahre Heilung geben kann. Wir können heute das Alte mit dem Neuen verbinden, Traditionen des Heilens und des achtsamen Seins mit zahlreichen modernen Heiltechniken und Gesundheitsübungen.

Mit diesem Buch möchte ich die reichen Schätze, die mir zugänglich wurden, an alle weitergeben, die das Gefühl haben, wieder zu einer natürlichen Basis, zum »richtigen Leben« finden zu wollen. Und genauso an alle, die ihren Alltag um etwas traditionelles (Heil-)Wissen bereichern wollen.

Ich möchte dabei ein wenig von der früheren bäuerlichen Welt erzählen und hoffe, dass Ihnen dadurch deutlich wird, was uns heute wesentlich fehlt und was wir aber durchaus wiedererlangen können: eine selbstverständliche und fühlbare Verbindung zur Erde sowie Zutrauen in die eigenen, ganz natürlich in uns angelegten Fähigkeiten.

Auf der Basis dieser veränderten Haltung zum Leben fruchten dann alltagspraktische Hinweise zur Entschleunigung und zur Fokussierung auf das persönlich wirklich Wichtige. Atemtechniken, Übungen des Innehaltens und Betens, kleine Rituale der Gelassenheit – all dies kann den Alltag nach und nach auf heilsame Weise verändern.

Darüber hinaus erwarten Sie hier viele konkrete Tipps und Rezepte für die Gesundheitspflege, die Heilung von Beschwerden mithilfe von Kräutern, Heilerde und Sole. Außerdem möchte ich Ihnen ein paar Rezepte für wohltuende Kosmetik mit den Kräften der Natur weitergeben. All das ist für Naturfreunde ebenso gut nutzbar wie für überzeugte Städter.

Das Beste aus zwei Welten

Es geht mir nicht darum, die alten Zeiten zu verherrlichen. Auch wenn ich mich an eine sehr schöne Kindheit im Einklang mit der Natur, die uns alles schenkte, was wir zum Leben brauchten, erinnere: Jede Zeit hat ihre Herausforderungen und ihre Chancen, ihre hellen und ihre dunkleren Seiten. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Kindheit so erlebt habe und dass ich zugleich all die Möglichkeiten der modernen Welt nutzen konnte, um mich weiterzuentwickeln und mein grundlegendes Interesse an Gesundheit und Heilung immer weiter zu vertiefen. So kann ich die Schätze aus beiden Welten leben, verbinden und anderen Menschen damit helfen: die Tradition meiner Vorfahren auf ihrem Bergbauernhof und die vielen darüber hinausgehenden Heilweisen mit den Kräften der Natur und des Geistes.

In diesem Buch finden Sie vieles von dem über Generationen weitergegebenen Wissen meiner Vorfahren. Ich möchte Ihnen vom bäuerlichen Leben aus der Zeit bis in die 1950er- und 1960er-Jahre erzählen. Ich möchte versuchen, Ihnen neben praktischen Rezepten die grundlegende Lebenshaltung der Menschen damals zu vermitteln, die von großer Ruhe und innerer Gelassenheit getragen war. Zumindest habe ich es in meiner Familie so erleben dürfen.

Auf der anderen Seite möchte ich Ihnen Anregungen geben, die ich aus meiner weiteren Lebenserfahrung entwickelt habe oder bei Weiterbildungen bezüglich verschiedener Heilmethoden lernen durfte. Sie gehören für mich ganz maßgeblich in dieses Buch, denn es ist nicht möglich, ganz und gar zu dieser traditionellen Kultur zurückzukehren. Wir Menschen sind in eine neue und gänzlich andere Phase unserer Entwicklung eingetreten und das Drängen zurück kann aus meiner Sicht nicht die Lösung für unsere Probleme sein. Durchaus aber die Orientierung daran, wie Menschen bestimmte Dinge früher gehandhabt haben, als es viele unserer heutigen Probleme – denken Sie nur an Hektik, Stress und Burn-out – einfach nicht gab. So ist es mir ein Anliegen, eine Brücke zwischen beiden Welten zu schlagen.

Viele der praktischen Anregungen in diesem Buch stammen also nicht von meinen Vorfahren und haben in diesem Sinne nichts mit der Tradition Südtirols zu tun. Die in der alten bäuerlichen Kultur verwurzelten Menschen hätten sie nicht gebraucht, Atemübungen beispielsweise wären für sie nicht nötig gewesen. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ihr gesamter Alltag eine ununterbrochene Übung im gleichmäßigen tiefen Atmen gewesen.

Ihr Sein aus der eigenen Mitte heraus und in Verbundenheit mit etwas Höherem – in diesem Falle Gott, dem Schöpfer – ist uns heute zu großen Teilen verloren gegangen. Wenn wir uns aufmachen, es wiederzufinden, kann uns die Tradition ebenso helfen wie unterschiedliche Methoden des Heilens aus anderen Teilen der Welt oder solche, die erst angesichts der aktuellen Schwierigkeiten entwickelt wurden. So möchte ich Ihnen mit allem, was mir aus meinem geistig-emotionalen Familienerbe und meiner weiteren Entwicklung und Ausbildung zur Verfügung steht, helfen, Körper und Seele wieder zueinanderfinden zu lassen.

Leben im Einklang

Wenn ich als Kind abends im Bett lag, war es meist ganz still. Nur der Bach unten im Tal, vielleicht hundert Meter entfernt von mir, rauschte. Ich liebte dieses Geräusch. Das Wasser, klar und eiskalt, kam von oben aus den Bergen, wo mir jeder Baum und jeder Fels vertraut waren. Wohin es talabwärts weiterfloss, in Richtung von Dörfern und Städten, das wusste ich nicht so genau. Das war nicht mehr meine Welt.

Meine Welt war die Natur. Die Berge und Wälder im und um das Ultental. Und vor allem der Bergbauernhof meiner Familie mit den umliegenden Feldern und den Weiden für meine geliebten Kühe.

Wenn ich abends so dalag, hörte ich auch im Zimmer meine Schwestern leise atmen. In den Räumen nebenan schliefen meine Brüder. Sechzehn Kinder hatte meine Mutter auf die Welt gebracht, jedes Jahr eins, und mit vierzehn Geschwistern wuchs ich auf. Wir gehörten zusammen, wir konnten uns aufeinander verlassen. Ebenso wie auf unsere Eltern, Menschen, die nicht viele Worte machten und die ihr Leben – wie ich heute im Rückblick erkenne – aus einer tiefen inneren Ruhe und in echtem Gottvertrauen lebten.

Die Gemeinschaft der Familie

Wie es früher üblich war, lebten auch bei uns drei oder sogar vier Generationen unter einem Dach oder zumindest auf einem Hof zusammen. Die Älteren, selbst wenn sie den Hof bereits an ihre Nachkommen übergeben hatten, waren wichtige Ratgeber, auf die gehört wurde. Sie waren hoch geachtet. Wenn ein Älterer sprach, waren die anderen still.

Wir Kinder waren immer von Menschen aller Altersstufen umgeben. Von ganz kleinen Geschwistern und solchen, die schon fast erwachsen schienen. Von den Eltern und deren Geschwistern. Von den Großeltern und ihrer gewachsenen Lebensklugheit. Ob beim Arbeiten draußen auf dem Feld oder am Abend beim gemeinsamen Essen – wir waren eine Gemeinschaft. Unser Austausch war das Zentrale. Einen Fernseher hatten wir nicht, nur ein Radio, mit dem ab und an die Nachrichten gehört wurden. Wir selbst und die Natur, das waren die Quellen für Information, Inspiration und Unterhaltung.

Dass meine Eltern oder überhaupt viele Familien der früheren Generationen so viele Kinder hatten, war nicht immer ganz freiwillig. Sicherlich kannten sie es einfach so, denn auch meine Eltern hatten selbst viele Geschwister. Und natürlich liebte man es, in der Familie zu sein und gemeinsam den großen Hof zu bewirtschaften. Man muss dabei aber natürlich auch sehen, dass meine Mutter bald zwanzig Jahre lang ununterbrochen schwanger und/oder stillend war. Für heutige Verhältnisse eine unvorstellbare Leistung. Noch dazu war natürlich von Mutterschutz oder zusätzlicher Haushaltshilfe keinerlei Rede – alles auf dem Hof musste weiter funktionieren und dazu wurde auch die Mutter tagein tagaus gebraucht.

Nachdem ich auf der Welt war, als Kind Nummer sechs, sind meine Eltern zum Pfarrer des Ortes gegangen, weil sie ihm eine wichtige Frage stellen wollten: Wir haben bereits sechs Kinder und das reicht uns. Wäre es in Ordnung, wenn wir uns künftig auch ab und zu begegnen, ohne dass dabei ein Kind entsteht?

Der Pfarrer verbot es – und so kamen noch zehn weitere Kinder. Es war nicht so, dass meine Eltern diesem Pfarrer einfach so gehorchten. Aber sie waren sehr gläubige Menschen und hatten ehrlich Angst, etwas zu tun, was Gott nicht gutheißen würde. Sie hätten sich nicht getraut, einfach so Sex zu haben. Es war ja nicht so, dass sie nicht wussten, wo die Kinder herkommen. Sie wären durchaus in der Lage gewesen, weitere Schwangerschaften zu verhindern. Die aus heutiger Sicht mehr als fragwürdige Moral, nach der eine sexuelle Begegnung ausschließlich dem Zweck der Zeugung eines Kindes dienen dürfe, wurde damals in vielen ländlichen Bereichen noch nicht infrage gestellt. Ich denke, dass es sehr vielen Paaren so gegangen ist. Zum Glück haben die Menschen und hier vor allem die Frauen heute mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit.

Meine Eltern liebten ihre Kinder. Sie hatten beim Pfarrer diesen Versuch unternommen – und nun lebten sie das, was eben ihr Weg war. Beide habe ich sie als sehr ausgeglichen erlebt, da war kein Hadern mit den Dingen, wie sie nun einmal waren.

Ein offenes Haus für alle

Der Hof meiner Familie war im Tal durchaus etwas Besonderes. Ich kann mich kaum daran erinnern, dass wir bei anderen zu Gast gewesen wären. Dafür aber waren die Nachbarn von nah und fern ständig bei uns zu Hause. Meine Eltern führten ein sehr offenes Haus. Nicht nur, dass damals ganz selbstverständlich immer alle Türen offen waren, es war auch jeder, der vorbeikam, ohne Frage eingeladen, mit uns zu essen und den guten Wein zu trinken, den mein Vater von einem Freund aus dem Trentino in Holzfässern erhielt. Sehr oft entwickelten sich gerade an den Wochenenden ganz spontane Feiern, die bis tief in die Nacht gingen. Es wurde musiziert und gesungen, getanzt und gelacht. Oft lagen Dutzende Matratzen ausgebreitet auf unserem Dachboden, wo die Gäste schliefen, die es in der Nacht nicht mehr nach Hause geschafft hatten. Nicht selten hatten wir fünfzig oder sechzig Leute zu Gast und meine Eltern versorgten alle mit reichlich Brot, Speck, Wurst, Käse und Wein. Das war ganz selbstverständlich, es war ihnen eine Freude, das zu teilen, was sie hatten.

Wir besaßen einen für das Ultental verhältnismäßig großen Hof und immer gab es bei uns mehr als genug. Dieses Mehr gaben meine Eltern gern an andere weiter. Speicher und Keller waren immer voll. Das Obst, das wir ernteten, Kirschen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen, wurde in Gläsern eingekocht. Das Gemüse, Rote Bete, Rettich und Kohl vor allem, musste vor dem ersten Frost aus dem Boden, wir lagerten es im Keller in Sand und konnten bis zur nächsten Ernte im kommenden Jahr davon essen. Ich erinnere mich, dass die Rote Bete nach Monaten noch genauso frisch war wie direkt nach der Ernte. Wir hatten im Winter sogar Salate, da wir sie im Herbst mit der Gabel im Ganzen aus der Erde hoben und so in den Keller legten. Sie hatten ihre Wurzeln und noch ausreichend Erde dabei, sodass sie sich bis ins Frühjahr hinein frisch hielten. Es fehlte uns wirklich an nichts.

Hinzu kam, dass mein Vater im Tal sehr beliebt war. Er hatte in seinem Leben so viel gelernt, so viele Handwerke beherrschte er. Er konnte einfach alles basteln und flicken, weswegen die Leute oft zu ihm kamen. Zeitweise war er auch der Bürgermeister des Ortes, an dessen Rand unser Hof lag. Er war damit ein Zentrum des Tales. Die Gastlichkeit gehörte außerdem zur Tradition unseres Wohnhauses. Schließlich war es auch die allererste Gaststätte im Tal gewesen, das allererste Geschäft gab es ebenfalls in unserem Haus und die allererste Kegelbahn. Restaurant und Geschäft waren zu meiner Zeit schon nicht mehr da, dafür aber die Kegelbahn, auf der auch wir Kinder uns viel und gern mit den Kegeln und Kugeln aus Holz beschäftigten.

In der Erinnerung empfinde ich dieses Zuhause meiner Kindheit als so angenehm und irgendwie kuschelig, dass ich gut verstehen kann, warum wir auch als Heranwachsende kaum eine Veranlassung sahen, von dort wegzugehen. Wir hatten alles, und für uns als Kinder und Jugendliche gab es vor allem genügend Raum, wir selbst zu sein, uns zu erproben und uns zu entfalten. Wenn ich sehe, dass die Jugend heute oftmals die halbe Samstagnacht im Auto verbringt, auf weiten Fahrten von einem Club zum nächsten, dann bin ich froh, dass bei uns damals die besten Partys im Haus stattfanden – entweder mit der ganzen Familie und allen möglichen Nachbarn und Freunden oder in einem Raum im Souterrain, den wir uns als Jugendliche selbst hatten einrichten können, mit Billardtisch und allem, was wir liebten.

Jeder hat seinen Platz

Jeder in der Gemeinschaft, die unsere große Familie darstellte, hatte seinen Platz und konnte mit all den Veränderungen, die er im Laufe der Zeit durchmachte, er selbst sein. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass Einzelne mal ausgeschlossen wurden. Wir Geschwister hielten zusammen, es gab nur wenig Streit und vor allem keinen Neid und kein Ringen um die Zuneigung der Eltern.

Eine Ausnahme allerdings gab es: Ein jüngerer Bruder war mit sechs oder sieben Jahren mal fast ein Jahr lang im Krankenhaus, teilweise sogar in Venedig. So ein Jahr ist in diesem Alter eine sehr lange Zeit – und als er zurückkam, hatte er unseren deutschsprachigen Dialekt fast vergessen und redete nur noch Italienisch, was wir aber nicht konnten. Etwas boshaft nannten wir Kinder ihn eine Zeit lang sogar den »Welschen«. Heute ist diese Bezeichnung, glaube ich, nicht mehr so schlimm, damals aber war es durchaus abwertend und auch so gemeint. Dieser Bruder war für eine Zeit wie ein Fremdkörper in der Familie. Es schien so, als würden alle warten, ob und wie er seinen Platz wieder einnehmen kann. Es war das einzige Mal, soweit ich es noch weiß, dass einer von uns ausgeschlossen wurde.

Aber auch bei diesem Bruder änderte sich das schnell, wahrscheinlich vor allem deshalb, weil kurz darauf ein anderer Bruder mit elf Jahren gestorben ist. So war »der Fremde« mit einem Mal kein Thema mehr. Später hatte dieser Junge sogar große Vorteile von seiner Krankenhauszeit: Da er fließend Italienisch konnte, durfte er auf die Oberschule gehen und hatte es dort viel leichter als die anderen Geschwister, die ebenfalls auf diese Schule konnten.

Was mich betrifft, ich habe Italienisch erst als junge Erwachsene gelernt, als ich für eine Zeit in Venedig gearbeitet habe. Lustigerweise gibt es Schulzeugnisse von mir, in denen Noten im Fach Italienisch stehen – ich kann mich aber an keine einzige Unterrichtsstunde und auch keinen Lehrer für dieses Fach erinnern. Wahrscheinlich war es damit genauso wie mit Handarbeit und Sport. Auch dafür stehen in meinen Zeugnissen Noten, und ich bin mir sicher, dass es diesen Unterricht niemals gegeben hat. Doch es musste die Norm erfüllt werden, die das Schulsystem vorgab. Sport hatten wir außerhalb der Schule sowieso genug und auch Handarbeiten oder eher noch handwerkliches Geschick lernten wir auf unserem Hof.

Natur und Tiere als Teil der Gemeinschaft

Das Gemeinschaftsgefühl hörte damals nicht bei den Menschen der Familie und den Nachbarn auf. Die Tiere und die Natur der Umgebung und natürlich auch in der Landwirtschaft gehörten selbstverständlich mit dazu. Nie wäre irgendjemand von uns auf die Idee gekommen, etwas zu tun, was der Natur hätte schaden können. Wir lebten mit ihr und von ihr. Alles, was wir hatten, kam aus der Natur. All die Materialien für unser Haus und die Scheune, das Holz für Tisch, Stuhl und Bett, alles, was gegessen und getrunken wurde, die Kleidung und die Kräuter für den Tee, wenn es einem von uns mal nicht gut ging.

Meine engste Vertraute über viele Jahre war eine Kuh. Sie hieß Sterna und war meine ganze Kindheit über bei uns. Ich wurde immer Berna genannt – und schon die Ähnlichkeit unserer Namen machte uns irgendwie besonders vertraut. Sie war wirklich mein Stern. Wenn es mir mal nicht gut ging, wenn ich Kummer hatte oder verärgert war, ging ich in den Stall. Ich brauchte weder meine Mutter noch meine Geschwister zum Reden oder um mich auszuweinen. Das tat ich nie. Ich ging in den Stall zu den Kühen. Alle Tiere standen dort, und als hätte Sterna schon von der Ferne gemerkt, was mit mir ist, war sie die Einzige, die lag. So konnte ich mich auf ihren Rücken legen und dort einfach die Wärme genießen, ihr weiches Fell spüren und ihren Atem hören. Nach einer Zeit ging es mir besser und ich konnte wieder rausgehen.

Schon in jungen Jahren und bis zu meinem Weggang als junge Frau hatte ich die Aufgabe übernommen, für die Kühe zu sorgen. Das hieß, dass ich jeden Morgen als Erstes in den Stall ging – zum Füttern, zum Melken, zum Ausmisten. Tagsüber waren die Tiere draußen und am Abend mussten sie erneut gemolken werden. Das war immer meine Aufgabe, und es machte mir auch nichts aus, beispielsweise sonntags gegen vier Uhr von der Bergtour zurück sein zu müssen, um für die Kühe zu sorgen.

Heute kann ich verraten, dass ich Sterna heimlich immer etwas mehr vom Zusatzfutter gegeben habe. Wir hatten eine so innige Beziehung, dass ich sie gern verwöhnt habe. Überhaupt ging es allen Kühen in meiner Zeit sehr gut, aber vor allem Sterna hatte eine so außergewöhnliche Milchleistung, dass sie gleich dreimal am Tag gemolken werden musste. Das hieß für mich, dass ich mittags nach der Schule mit einem großen Eimer zu der Weide ging, auf der die Tiere gerade waren. Dort brauchte ich nur einmal ihren Namen zu rufen – und schon kam sie angetrabt, ließ sich melken und ich schleppte den Eimer zurück zum Haus.

Nicht nur die Tiere, auch die Pflanzen gehörten zur Familie. Früher war es für jede Bauernfamilie selbstverständlich, dass vier Baumarten das Haus umgaben. Zunächst ein Holunder, ein im gesamten europäischen Raum als heilig geachteter Strauch. Es gibt sogar den Spruch, dass man vor einem Holunder den Hut ziehen soll. Er gilt als Wohnort guter Geister, auch Frau Holle ist mit ihm verbunden, wie schon der Name zeigt. Man kann seine Blüten in der Küche und zu Heilzwecken verwenden, ebenso im Herbst seine Beeren. Außerdem bietet er Schutz, insbesondere vor schädlicher Strahlung.

Als Zweites war immer eine Birke vorhanden, deren frische Blätter im Frühjahr und deren noch früher gewonnener Saft gut für die Nieren sind. Diesen Saft hat damals jeder gekannt. Bevor der Baum im Frühjahr austreibt, geht er im Stamm nach oben. Man bohrt etwas über dem Boden ein Loch hinein, schiebt dort ein Stückchen halbrundes Blech hinein und stellt einen Kessel darunter. Der Saft fließt in Strömen nach draußen in diesen Kessel. Er sieht aus wie klares Wasser und hat auch keinen speziellen Geschmack. Wir sammelten diesen Saft hektoliterweise. Der Vater gab Weinstein für die Haltbarkeit hinein, außerdem einige Nüsse und vielleicht noch weitere Zusätze – das weiß ich nicht mehr – für den Geschmack. Bis weit in den Sommer hinein war das unser Getränk. Der Körper wurde ordentlich durchgespült, Nieren, Haare und Haut konnten davon profitieren.

Früher wusste jeder um diesen Birkensaft und nutzte ihn. Wer keine Birke (mehr) hatte, setzte unbedingt welche. Den Bäumen selbst übrigens schadete diese Art »Ernte« nicht, sobald sie oben die Blätter austrieben, schlossen sie unten dieses Loch und es floss nichts mehr. Man musste also unbedingt den richtigen Zeitpunkt erwischen.

Der dritte Baum, der zu jedem Hof gehörte, war die Linde, ebenfalls ein Schutzbaum und heilsam wegen ihres schweißtreibenden Blütentees. Als Viertes kam die Walnuss hinzu, die Nüsse konnte man essen und als Wintervorrat aufheben. Außerdem half der in Südtirol weithin bekannte Nusserlschnaps dem Magen und der Verdauung. Ein Walnussbaum hält nach alter Überlieferung alle Fremdenergien fern – Ungeziefer, Schädlinge, ja sogar feindlich gesinnte Menschen. Auch deswegen durfte er auf keinem Hof fehlen.

Der Weg in die Welt

Für mich war es gar nicht so einfach, aus der Geborgenheit meiner relativ eng abgesteckten Kindheitsräume hinaus in die Welt zu gehen. Draußen, außerhalb des Tales, war mir doch alles sehr fremd. Im Tal selbst kannte ich jedes Haus, jeden Stein, jeden Baum und natürlich auch jeden Menschen. Es war eine behütete Welt, und ich brauchte viel Zeit, bis ich gelernt hatte, mich auch »draußen« durchzusetzen und meinen Weg zu gehen.

Wie gern hätte ich als junges Mädchen Naturkunde und Mathematik studiert. Diese Fächer liebte ich und ich wollte noch viel, viel mehr darüber wissen. Allerdings fand ich Geschichte schrecklich – diese ganzen Kriege, über die man da Bescheid wissen sollte, das war nichts für mich. Aber ich wusste, dass ich auch dieses Fach weiter besuchen müsste, wenn ich auf eine weiterführende Schule gehen würde. Außerdem traute ich mich nicht, meine Eltern darum zu bitten. Es herrschte damals noch das Selbstverständnis vor, dass sich eine höhere Bildung für Mädchen nicht lohnen würde. So eine Ausbildung, automatisch fernab des Tales, kostet viel Geld – wenig später heiratet das Mädchen und alles war umsonst.

Sehr oft lag ich abends lange wach und überlegte, wie ich mir vielleicht doch den Traum vom Studium ermöglichen könnte. Wenig später allerdings zog ich mir eine schwere Gasvergiftung zu und hatte eine ganze Zeit lang erst mal nur damit zu tun, wieder gesund zu werden. Das Erobern der großen Welt musste warten.

Als es dann so weit war, ging ich zunächst zum Arbeiten nach Venedig, was vor allem meinen Italienischkenntnissen guttat. Das tägliche Schwimmen im Meer sollte insbesondere meinen Rücken stärken, der ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden war. Über die Jahre habe ich mehrere Berufe von der Pike auf gelernt und ausgeübt. Köchin beispielsweise, Schneiderin, Bademeisterin und Schwimmlehrerin. Ich habe als Servierkraft gearbeitet und dafür Kurse besucht und so weiter. Das alles war wichtig für meinen Weg, und es hat mir viel Kraft gegeben, mich selbst in einer solchen Vielseitigkeit zu erleben. All diese Tätigkeiten haben mir sehr viel Freude gemacht und ich habe mich überall voll und ganz eingebracht. Ich weiß heute: Wenn man sich selbst bei dem spürt, was man tut, dann ist man erfolgreich, was auch immer man macht.

Wirklich innerlich erfüllt fühlte ich mich, als ich begann, Heilpraktikerin zu werden, mich mit alten und neuen Heilweisen zu beschäftigen, mit Klienten zu arbeiten und mein Wissen an andere weiterzugeben. Heilung in allen Facetten, das ist meine Lebensaufgabe. Und auch mit diesem Buch hoffe ich, Ihnen vieles mit auf den Weg geben zu können, das in Ihnen und Ihrem Leben Heilung anstößt.

Verantwortung für das eigene Dasein

Wenn ich zurückdenke und die damalige Zeit mit der heutigen vergleiche, dann fällt mir vieles auf, was ganz grundsätzlich anders war. In Äußerlichkeiten oder materiellen Dingen ist das natürlich ganz offensichtlich. Ich spreche aber eher von den versteckten Bereichen, von inneren Haltungen und Einstellungen zum Leben. Und dazu gehört ganz grundsätzlich die Eigenverantwortung, die ich heute bei vielen Menschen nicht mehr so stark wahrnehme wie bei früheren Generationen. Vieles von den äußeren Umständen scheint uns heute die Verantwortung für unser eigenes Wohl abzunehmen – die Ärzte beispielsweise, die Nahrungsmittelfirmen, die Medien mit ihren unzähligen Informationen. Doch kann es wirklich sein, dass ein erwachsener Mensch einem anderen die Verantwortung für sein Leben und sein Wohlergehen übergeben kann? Ist das möglich? Und sinnvoll?

Komplette Selbstversorgung

Wir haben früher so gut wie alles, was wir gebraucht haben, selbst angebaut und selbst hergestellt. Wenn ich heute zurückdenke, dann staune ich immer wieder, was meine Vorfahren alles konnten. Sie haben nicht nur die Landwirtschaft in allen Facetten betrieben, sie haben auch geschmiedet, getischlert, ganze Häuser selbst gebaut, gesponnen, geschneidert, Lebensmittel verarbeitet – alles, was für das Leben nötig war.

Da meine Mutter aus einer Schweizer Gärtnerei stammte, hatten wir auch immer eigenes Gemüse. Oft war sie in ihrer Jugend im frühesten Morgengrauen mit Pferd und Wagen losgezogen, um Salat auf dem Markt zu verkaufen. Sie wusste, worauf es beim Anbau ankam, und konnte auch in unserer Höhe vieles zum Reifen bringen, was unsere Ernährung sehr viel gesünder machte als die manch anderer in der Gegend. Außerdem ermöglichte das Gemüse einen finanziellen Zugewinn für die Familie. Auch von unserem Hof aus war meine Mutter sehr oft frühmorgens losgezogen, um die frisch geernteten Sachen in Meran zu verkaufen. Für uns alle war es das Selbstverständlichste von der Welt, für alles, was auf den Tisch kam, von Anfang an selbst verantwortlich zu sein.

Und es ging weit über den Tisch hinaus. Wir hatten zum Beispiel eine höher gelegene Alm, und um die Arbeiten zu erleichtern, hat mein Vater entschieden, dass dort oben ein Traktor gebraucht würde. Da es aber nicht möglich war, das riesige Fahrzeug hinaufzufahren, hat er es in Einzelteile zerlegt, mit dem Pferd zur Alm gebracht und dort wieder zusammengebaut. Das klingt für viele lustig, aber wer würde das heutzutage noch schaffen?

Die Bauern heute, auch die im Ultental, betreiben die Landwirtschaft meist nur noch parallel zu einer anderen Arbeit. Immer heißt es, sie würde nicht ausreichend abwerfen. Unsere Landwirtschaft damals hat eine große Familie sehr gut ernährt. In Form einer solchen Selbstversorgung würde das heute natürlich auch noch gehen – das Land und die Möglichkeiten, es zu bebauen, haben sich ja nicht geändert. Es ist viel Arbeit, doch es würde funktionieren, so wie es über Jahrhunderte funktioniert hat.

Allerdings wäre es ein vergleichsweise karges Leben. Man könnte die grundlegenden Bedürfnisse sehr gut – und sehr gesund – stillen, aber all die Extras, die heute zum Leben scheinbar selbstverständlich dazugehören, die wären nicht möglich. Darauf zu verzichten, das wollen die meisten Menschen nicht. Und so betreiben diejenigen, die Ackerfläche haben, nebenbei etwas Landwirtschaft, verkaufen die erzeugten Rohstoffe und kaufen dann beim Discounter die verarbeiteten Lebensmittel ein, die längst nicht die gleiche Qualität haben. Eine Entwicklung, die ich in sich logisch und dennoch bedauernswert finde.

Eine Familie von Tüftlern und Erfindern

Es ist heute für viele gar nicht mehr recht vorstellbar, wie die Menschen damals gelebt und damit auch gedacht und gefühlt haben. Wenn es irgendwo nicht so gut lief, hat man überlegt, wie man es mit all den vorhandenen Materialien, Gegenständen, Werkzeugen und den eigenen Fähigkeiten besser machen kann. Man konnte nicht einfach in den Baumarkt gehen oder bei einem Hersteller für Gartengeräte nachfragen. Man baute selbst etwas und einige waren darin sehr erfinderisch. In meiner Familie gehörten sehr viele zu den Menschen, die voller Ideen waren und diese auch mit großer Leidenschaft umsetzten, weil sie wussten, dass Leben Weiterentwicklung bedeutet.

Der Hof meiner Familie war beispielsweise der erste im Ultental und weit darüber hinaus, auf dem es elektrischen Strom gab. Bereits seit 1901 konnte mithilfe der Elektrizität Licht gemacht werden und zunehmend haben Maschinen meiner Familie die Arbeit erleichtert. Es war ein Großonkel von mir, der ein Tüftler und Erfinder war und das erste Elektrizitätswerk im Tal baute.

Der Bach im Tal lieferte die Energie, und bis 1910 konnten drei weitere Elektrowerke gebaut werden, alle von meiner Familie. Die umliegenden Höfe wurden angeschlossen und bald brannten abends in vielen Häusern die Lichter. Doch selbst zu meiner Zeit in den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden noch längst nicht alle Höfe mit Strom versorgt.

Viele meiner Vorfahren waren sehr geschickt und weitsichtig. Was sie für Geräte entwickelt haben und was auf unserem Hof alles nach und nach mit Strom betrieben wurde! Selbst die Motoren wurden selber gebaut, wie oft haben mein Vater, mein Großvater oder einige Onkel dafür Kupferdrähte gewickelt. Sie haben sich von überall her Informationen geholt und dann so lange gebastelt, bis das funktioniert hat, was sie sich vorgenommen hatten. So hatten wir eine Transportseilbahn, eine elektrisch betriebene Zentrifuge, die den Rahm von der Milch trennte, außerdem lief der Butterkübel automatisch, die Dreschmaschine, die Getreidemühle und der »Wurster«. Auf dem Feld half der sogenannte Kranich, eine Seilwinde, beim Pflügen. Selbst eine Belüftung für das Heu in der Scheune war bei uns elektrisch. Viele Arbeiten waren durch den Strom auch für mich in der Kindheit sehr viel leichter, als sie es auf anderen Höfen gewesen wären. Ich finde das beachtlich. Niemand dieser Erfinder hatte studiert oder konnte sich ausschließlich um seine Ideen kümmern. Sie alle machten das in ihrer Freizeit und aus reiner Begeisterung.

Mein Vater und sein Bruder waren es auch, die bei uns im Tal den ersten Skilift bauten und betrieben. Ich selbst habe später als erste Frau Südtirols die Liftprüfung abgelegt. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre Erfahrung im Betreiben dieser Anlage. Wie oft hatte ich bereits dort gestanden und ganze Schulklassen nach oben fahren lassen! Dann plötzlich sollte ich die Prüfung machen und war darüber zuerst sauer. Mein Vater aber sagte etwas, was mir bis heute in Erinnerung ist und mir noch oft geholfen hat: »Wenn du denen damit eine Freude machen kannst, dann mach es doch.«

Diesen vielen Forschern und Erfindern in meiner Verwandtschaft waren gleichzeitig auch die Tradition und das Erhalten der Werte wichtig. Es zeigt mir, dass beides parallel möglich ist: das gute Alte bewahren und stets das Neue versuchen. Meine Familie hatte großes Vertrauen in die Weiterentwicklung. Immer konnte es auch weitergehen, konnte Neues entdeckt werden, konnten Dinge ausprobiert und zur Reife gebracht werden. Sogar einer der ersten Fotoapparate überhaupt war eine Erfindung von einem meiner Vorfahren. Er wurde bis nach Berlin eingeladen, um seine Entdeckung zu präsentieren. Und Josef Schwienbacher, der Großonkel, der das Wasserkraftwerk gebaut hatte, entwickelte auch einen der ersten Cinematographen, mit dem er bereits 1907 hüpfende Figuren auf einer Leinwand zeigen konnte.

Leben, was ist

Wofür ich meinen Eltern heute besonders dankbar bin, ist das Selbstverständnis, mit den Dingen, die gerade da sind, umgehen zu können. Was auch immer passiert ist, ob wir Kinder irgendeinen größeren Blödsinn angestellt hatten, ob ein Geschwister gestorben ist, ob es einen Unfall gab – meine Eltern reagierten aus einer inneren Ruhe und Zentriertheit darauf. Es wurde kein Drama gemacht. Man nahm die Dinge an und handelte entsprechend, wenn es erforderlich war. Die Frage war immer: Okay, was können wir daraus am besten machen?

Erst viel später wurde mir bewusst, dass genau das die Weisheit alter Lehren und auch zeitgemäßer spiritueller Lehrer betonen: Mit dem sein, was ist. Es so annehmen, wie es sich jetzt zeigt. Heute müssen das die meisten Menschen in einem langjährigen Prozess wieder lernen – und es ist wunderbar und für die Gesellschaft ebenso wie für die Erde wichtig, wenn es immer mehr Menschen auch tun. Frühere Generationen, die wie meine Eltern und Großeltern lebten, hatten diese Qualität noch, ohne dass darüber gesprochen wurde.

Wie wichtig eine solche Haltung in Gefahrensituationen sein kann, macht mir ein Beispiel aus meiner Kindheit deutlich: Eine Schwester war damals mit vielleicht acht Jahren im dritten Stockwerk auf einer Art Balkon aufs Geländer geklettert und dort herumspaziert. Vor ihr ging es zehn Meter senkrecht nach unten. Der Vater war zu der Zeit auf der anderen Talseite beim Heumachen und sah seine kleine Tochter dort auf diesem schmalen Geländer. Und er tat nichts. Vielleicht sprach er innerlich ein Gebet, das weiß ich nicht. Auf jeden Fall war er in dem Vertrauen, dass sie dort auch wieder heruntersteigen würde. Das tat sie nach ein paar Minuten dann auch. Es war nichts passiert.

Nun stellen Sie sich aber vor, der Vater wäre erschrocken und hätte aus diesem Schrecken heraus nach drüben geschrien und gebrüllt – dann wäre vor allem eines passiert: Das Mädchen wäre ebenfalls erschrocken und die Wahrscheinlichkeit, dass sie abstürzt, wäre viel größer gewesen. Oder wenn die Mutter oder ein größeres Geschwisterkind sie von der Nähe aus gesehen hätte und mit einem Schreck und Panik reagiert hätte – es hätte sich auf die Kleine übertragen, die sich zuvor auf ihrem Geländer ganz sicher gefühlt hatte. Sie wollte einfach probieren, was da möglich ist, und offensichtlich hatte sie ihre Fähigkeiten richtig einschätzen können. Auch das ist nämlich sehr häufig zu beobachten: Kinder, die sich frei entfalten und ausprobieren können und dabei das Vertrauen ihrer Eltern spüren, wissen ihre Grenzen selbst meist sehr gut einzuschätzen.

Oft geraten die Eltern in schwierigen Situationen derart in Panik, dass sie einfach nicht angemessen handeln können. Ich habe beispielsweise einmal beim Spazieren erlebt, dass das kleine Kind einer Bekannten unter einem Geländer hindurch sicher sechs Meter tief herunterfiel und dort regungslos liegen blieb. Die Mutter war so geschockt, dass sie wie versteinert wirkte. Vollkommen handlungsunfähig. Zur Salzsäure erstarrt. Ich hingegen bleibe zum Glück in solchen Situationen ruhig, und alle Sinne sind darauf ausgerichtet, was nun zu tun ist. Und so sagte ich zu meinen damals ebenfalls sehr kleinen Kindern, dass sie ganz still dort bleiben sollten, wo sie gerade waren, und dann kletterte ich zu dem Jungen hin und brachte ihn wieder nach oben. Vor allem in solchen Momenten bin ich dem Erbe meiner Vorfahren sehr dankbar. Weder Hysterie noch Handlungsunfähigkeit habe ich bei ihnen jemals erlebt.

Das Grundgefühl des Bei-sich-Seins