Wenn Schüchternheit krank macht - Lydia Fehm - E-Book

Wenn Schüchternheit krank macht E-Book

Lydia Fehm

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Beschreibung

Anhaltende und starke Angst, sich in sozialen Situationen zu blamieren sowie die Vermeidung solcher Situationen sind Hauptkennzeichen der Sozialen Phobie. Der Ratgeber richtet sich an Menschen, die unter sozialen Ängsten leiden und lernen möchten, ihre Ängste Schritt für Schritt abzubauen. Der erste Teil des Buches vermittelt grundlegende Informationen über Ängste allgemein und insbesondere über soziale Ängste und deren Behandlung. Auf dieser Grundlage lernen Betroffene im zweiten Teil des Ratgebers, ihre Angst systematisch zu analysieren und schrittweise zu bewältigen. Anhand zahlreicher Übungen werden neue Fertigkeiten in verschiedenen Bereichen erlernt und eingeübt. Zudem enthält der Ratgeber zahlreiche Hinweise für Angehörige von Personen mit sozialen Ängsten.

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Wenn Schüchternheit krank macht

Wenn Schüchternheit krank macht

Ein Selbsthilfeprogramm zur Bewältigung Sozialer Phobie

von

Lydia Fehm und Hans-Ulrich Wittchen

PD Dr. Lydia Fehm, geb. 1966. Promotion 2000, Habilitation 2008. Seit 2008 Ambulanzleitung am Zentrum für Psychotherapie der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsinteressen: Soziale Phobien, therapeutische Hausaufgaben.

Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, geb. 1951. Promotion 1975, Habilitation 1984. Seit 2000 Direktor des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Technischen Universität Dresden. Forschungsinteressen: Diagnostik psychischer Störungen, klinische Epidemiologie, Therapie- und Versorgungsforschung.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handele.

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Umschlagabbildung: © Getty Images Format: EPUB Konvertierung: Brockhaus/Commission

EPUB-ISBN: 978-3-8444-2237-5

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Wie Sie mit diesem Buch am besten umgehen

Teil 1:  Was Sie schon immer über Angst und Soziale Phobie wissen wollten

1         Was ist Angst?

1.1        Angst hat viele Gründe

1.2        Wozu haben wir Angst?

1.3        Wie äußert sich Angst?

1.4        Angst- und Stressreaktionen

1.5        Der Angstkreis

2         Was ist eine Soziale Phobie?

2.1        Schüchternheit – Soziale Angst – Soziale Phobie

2.2        Wie entsteht eine Soziale Phobie?

2.3        Habe ich eine Soziale Phobie?

2.4        Wann ist es keine Soziale Phobie?

2.5        Was geschieht, wenn die Soziale Phobie unbehandelt bleibt?

3         Die Behandlung der Sozialen Phobie

3.1        Die Behandlung mit Verhaltenstherapie

3.2        Die Behandlung mit Medikamenten

3.3        Selbsthilfe

Teil 2:  AUSWEG – Ihr Weg aus der Sozialen Phobie

4        Überblick über Ihr AUSWEG-Programm

4.1        Wann ist dieses Programm geeignet?

5         Selbsthilfe und Medikamente

6         Ihr Ausweg aus der Angst

Abschnitt A:   Angst kennen lernen

Abschnitt U:   Unruhe lindern

Abschnitt S:    Situationen bewältigen

Abschnitt W:  Wahrheitsgehalt von Gedanken überprüfen

Abschnitt E:   Energisch und selbstsicher werden

Abschnitt G:  Gewinne beibehalten

7         Hinweise für Angehörige

7.1        Machen Sie sich schlau

7.2        Zeigen Sie Verständnis

7.3        Helfen Sie beim Weg aus der Angst

7.4        Helfen Sie bei den Übungen

7.5        Bleiben Sie Sie selbst

8         Literaturhinweise

Anhang: Übungsmaterialien

Einführung

Vorübergehende Angst, Unsicherheit und Nervosität in sozialen Situationen gehören zur Alltagserfahrung jedes Menschen. Beispiele für solche Situationen, in denen die meisten Menschen schon einmal Angst oder Anspannung erlebt haben, sind:

–  Sprechen vor einer Gruppe,

–  Auftritte vor Publikum,

–  Prüfungssituationen,

–  anstehende Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten oder

–  das Anmelden und Durchsetzen eigener Bedürfnisse in Partnerschaften und Gruppen.

Zumeist dauert die Angst oder Anspannung jedoch nur kurz an und zieht keine allgemeinen Veränderungen unseres Lebensablaufs nach sich, so dass solche vorübergehenden Erlebnisse zumeist keine nachhaltige Belastung darstellen. Wenn aber Angst, Unsicherheit und Nervosität überhand nehmen, man vor lauter Angst an nichts anderes mehr denken kann, in Gesprächssituationen keinen Ton mehr herausbringt und schließlich immer häufiger soziale Situationen vermeidet, ist Hilfe erforderlich. Dann hat sich das Problem nicht nur in den Gedanken und Gefühlen verfestigt und das normale Alltagsverhalten verändert, sondern meist auch zu einer Störung ausgeweitet, die die körperlichen Funktionen und den Stoffwechsel beeinträchtigt. Wenn dies geschieht, sprechen wir von einer Sozialen Phobie.

Die Soziale Phobie ist eine ernstzunehmende Erkrankung! Man erkennt sie an der überwältigenden Angst vor sozialen Situationen. Dabei richtet sich die Angst typischerweise darauf, von anderen negativ bewertet zu werden oder sich zu blamieren. Die Soziale Phobie beeinflusst sowohl den Körper als auch das Denken, Fühlen und das Verhalten. Sie beeinträchtigt zumeist schwerwiegend das Alltagsleben, das schulische oder berufliche Fortkommen, die Freizeitgestaltung und die Aufnahme und Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten (Partnerschaften, Freundschaften). Die Problematik kann dabei in unterschiedlichem Ausmaß auf verschiedene Lebensbereiche Einfluss nehmen.

In den folgenden Fallbeispielen berichten Betroffene über ihre Soziale Phobie:

Fallbeispiel:

Anna H., 34 J. alt, kaufmännische Angestellte, ledig: „Als ich bei einer anderen Bankfiliale Geld für mich abheben sollte, bekam ich so eine starke Angst, dass ich kein Wort sprechen konnte und davonlief. Das Gleiche spielte sich am gleichen Tag bei der Post, in der Apotheke oder beim Frisör ab. Vor lauter Angst kann ich schon seit Monaten nur in Supermärkten einkaufen, was meinen Lebensstandard extrem beeinträchtigt.“

Erich S., 22 J. alt, Verkäufer, verheiratet: „Wenn mehrere Kunden zu meiner Theke kamen, fürchtete ich mich so sehr, diese anzusprechen und zu bedienen, dass ich sofort auf die Toilette rennen musste. Weil das in den letzten Jahren immer öfter vorkam, wurde ich zuerst versetzt und dann gekündigt. Ich weiß nicht, wie es mit meiner Arbeit und meiner Familie weitergehen wird.“

Katharina P., 28 J. alt, Studentin, ohne Partner: „Ich leide seit dem Beginn meines Studiums unter Höllenangst, vor anderen Kommilitonen Referate zu halten. Es ist mir nur anfangs mit viel Geschick gelungen, die Dozenten dazu zu bringen, die Seminararbeiten in schriftlicher Form zu akzeptieren. Jetzt muss ich aber meine mündliche Abschlussprüfung absolvieren. Diese schiebe ich seit 2 Jahren vor mir her. Ob ich mein Studium jemals been-den kann?“

Winfried von L., 53 J. alt, Produktmanager, verheiratet, 2 Kinder: „Wenn ich ein Produkt auf einer Messe oder auf einer Tagung präsentieren sollte, war ich immer schrecklich nervös und angespannt, weil ich schreckliche Angst hatte mich vor den anderen zu blamieren. Ich trank zur Aufmunterung kurz davor einen Schluck Cognac oder einen Mintlikör auf der Toilette. Wenn aber die Wirkung des Alkohols nachgelassen hatte, begann das große Problem mit Schwitzen, Kurzatmigkeit, trockenem Mund, Angst, die Kontrolle zu verlieren oder sogar zu sterben. Das alles konnte ich unter extremer Angst ertragen, aber jetzt droht mir meine Frau mit der Scheidung, wenn ich mit dem Alkohol nicht aufhöre. Was kann ich tun, damit die Angst nicht so stark ist?“

Die Soziale Phobie ist keine seltene Erkrankung: Fast 8 Prozent aller Jugendlichen und Erwachsenen sind in ihrem Leben irgendwann davon betroffen, allein für die Bundesrepublik Deutschland sind es schätzungsweise fünf bis sieben Millionen. Dennoch sprechen viele Betroffene aus Unsicherheit, Scham oder Unwissenheit nicht über ihre Angstprobleme und begeben sich oft erst in Behandlung, wenn bereits vielfältige Komplikationen aufgetreten sind. Dabei kann die Soziale Phobie – gerade wenn sie frühzeitig erkannt wird – mit neuen, wissenschaftlich überprüften psychologischen und medikamentösen Therapieverfahren erfolgreich behandelt werden.

Wie Sie mit diesem Buch am besten umgehen

Im ersten Teil dieses Ratgebers möchten wir Ihnen grundlegende Informationen über soziale Ängste und ihre Behandlung vermitteln. Dies wird Ihnen helfen, Ihre Angstprobleme besser zu verstehen, um dann umso wirksamer etwas dagegen tun zu können. Dieser Teil ist auch als Lektüre für Angehörige von an einer Sozialen Phobie erkrankten Person geeignet, oder für Menschen, die nicht sicher sind, ob es sich bei ihrem Problem tatsächlich um eine Soziale Phobie handelt.

Im zweiten Teil des Buches stellen wir Ihnen ein Programm vor, mit dem Sie selbst etwas gegen Ihre Soziale Phobie unternehmen können. Grundlage dafür sind die Informationen über Angst und Soziale Phobie, die wir Ihnen im ersten Teil des Buches vermitteln. Sie sollten diese Seiten also aufmerksam durcharbeiten, bevor Sie mit dem Übungsteil des Buches beginnen. Im zweiten Teil lernen Sie zunächst, Ihre Angst systematisch zu beobachten, um die Angst und ihre Symptome besser zu verstehen. Darauf aufbauend stellen wir Ihnen Übungen vor, mit deren Hilfe Sie Ihre Ängste bewältigen lernen. Dabei sind sowohl Übungen enthalten, die sich direkt auf die problematischen Situationen konzentrieren, als auch solche, die auf einer allgemeineren Ebene zu Ihrem Wohlbefinden beitragen.

Das Durcharbeiten dieses Programms ist jedoch nicht dasselbe wie eine fachpsychologische oder medikamentöse Behandlung. Ob dies ausreicht, um Ihre Angstprobleme vollständig zu beseitigen oder eher als Ergänzung zu einer weiteren Behandlung hilfreich ist, hängt unter anderem von Ihrem Engagement bei der Umsetzung der dort beschriebenen Übungen ab, sowie vom Ausmaß und der Art der Probleme. Auch für Menschen, die Hilfe durch Ärzte oder Psychologen aus verschiedenen Gründen vollständig ablehnen oder für Betroffene, die in ihrem Wohnort keinen Arzt oder Psychologen finden, können die dort beschriebenen Schritte einen Weg aus der Sozialen Phobie darstellen. Weitere Hinweise, unter welchen Umständen das Programm sinnvoll bzw. weniger gut geeignet ist, finden sich am Anfang des zweiten Teils.

Zur Sprachregelung soll an dieser Stelle folgendes angemerkt werden: Männer und Frauen sind in etwa gleich häufig von der Sozialen Phobie betroffen. Wir werden im folgenden in der Regel dennoch nur die männliche Sprachform verwenden, um allzu komplizierte Satzbauten zu vermeiden.

Teil 1:

1    Was ist Angst?

Angst ist ein an sich völlig normales Gefühl, das bei jedem Menschen auftritt, genauso wie z. B. Zorn, Wut, Freude und Traurigkeit. Angst tritt oft in Situationen auf, die als bedrohlich, ungewiss und unkontrollierbar eingeschätzt werden. Angst wird zumeist als unangenehm erlebt, ist aber trotz der ablaufenden körperlichen Veränderungen und Beschwerden nicht gefährlich.

Angst ist eine natürliche und biologisch in unserem Organismus festgelegte Reaktionsform. Angstprozesse laufen in entwicklungsgeschichtlich relativ „alten“ Gehirnarealen ab. Es ist daher davon auszugehen, dass schon frühzeitliche Menschen Angstgefühle erlebten und dass Angstgefühle für das Überleben der Menschheit wichtig und sinnvoll waren und sind. Angst dient der schnellen und konsequenten Reaktion auf eine äußere oder innere Gefahr. Während bestimmter Phasen unserer Entwicklung treten Ängste sogar regelhaft auf: Denken Sie z. B. an die Angst von Kleinkindern vor Fremden (das sogenannte „Fremdeln“). Einige andere grundlegende Ängste, die alle Menschen teilen, sind die vor Krankheit, Schmerzen, Einsamkeit, Trennung und Verlust.

Fast alle Menschen haben vermutlich schon einmal plötzliche Angst-Schreck-Reaktionen erlebt, z. B. in einer gefährlichen Situation im Straßenverkehr. Weit verbreitet sind auch vorübergehende Angstgefühle vor möglicherweise unangenehmen Situationen, z. B. die Angst vor einer schwierigen Prüfung. Hier steigert sich die Angst meist schrittweise, je näher die Situation kommt, und ist durch vielfältige ängstliche Befürchtungen (z. B. zu versagen) und körperliche Probleme (z. B. Nervosität, Unruhe, Schlafstörungen) gekennzeichnet, die allerdings nach dem Ereignis bald wieder verschwinden.

Manchmal lösen nicht nur bestimmte Umweltveränderungen, Belastungen und konkrete Situationen Angstreaktionen aus, sondern auch bestimmte, sich wiederholende und eigentlich unerklärliche Körperempfindungen, wie z. B. das Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können, Schwindelgefühle, Flimmern vor den Augen, Taubheits- und Kribbelgefühle.

1.1    Angst hat viele Gründe

Angst kann viele verschiedene Gründe haben. So tritt bei allen Menschen Angst typischerweise angesichts von Gefahr auf. Aber auch bei neuen oder kritischen Situationen kann Angst auftreten. Wenn Angst zu einer regelrechten Erkrankung wird, wirken in der Regel eine ganze Reihe von Faktoren zusammen.

So findet sich oftmals eine Häufung von Angsterkrankungen innerhalb einer Familie. Wir wissen jedoch derzeit noch nicht, ob dies tatsächlich genetisch bedingt ist, d. h. ob man von „vererbten“ Ängsten sprechen kann, oder ob dies durch bestimmte Denk- und Verhaltensweisen verursacht wird, die innerhalb einer Familie auftreten. Mit großer Wahrscheinlichkeit treffen beide Erklärungsansätze für die Entstehung von Ängsten zu. Oft findet sich bei Betroffenen eine erhöhte generelle Angstbereitschaft, die praktisch von Geburt an besteht und die dann durch bestimmte Lernerfahrungen in der Kindheit verfestigt wird. So wissen wir beispielsweise, dass das Verhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern, der sogenannte Erziehungsstil, einer von mehreren bedeutsamen Einflussfaktoren bei der Entstehung von Ängsten ist. Manchmal gibt es einzelne Ereignisse, an die der Betroffene sich erinnern kann, und die für die Entwicklung einer Angsterkrankung von Bedeutung sind, wie z. B. ein Hundebiss, dem die Angst vor allen Hunden folgte. Aber längst nicht alle Betroffene haben ein solches einschneidendes Erlebnis gehabt bzw. können sich daran erinnern. Neben diesen Faktoren, die eher in der Kindheit und Jugend der Person auftreten, sind auch die Faktoren wichtig, die in der Phase des „Ausbrechens“ der Erkrankung vorlagen. Oft tritt die Angst erstmals in oder kurz nach einer Phase von erhöhtem Stress auf. Stress kann dabei ein einzelnes, krisenhaftes Erlebnis sein oder aber eine Reihe länger andauernder Lebensbedingungen und -erfahrungen, die durch ihr Zusammenwirken belastend wirken.

Erst in jüngerer Zeit wurde erkannt, dass nicht nur vergangene Bedingungen und Erlebnisse „Gründe“ für Angsterkrankungen sein können, sondern auch aktuelle Verhaltensweisen: Es ist von großer Bedeutung, wie der Betroffene auf die Angstsituationen reagiert. So führt z. B. die Vermeidung sozialer Situationen dazu, dass die Angst vor solchen Situationen eher stärker wird. Dies liegt zum einen daran, dass die Vorstellung in eine peinliche Situation zu geraten, oft viel schlimmer ist als die tatsächliche Situation bzw. dass die Fantasie sich in der Regel auf die ungünstigeren Varianten der gefürchteten Situation konzentriert. Zum anderen führt Vermeidung dazu, dass die Übung im Umgang mit solchen Situationen verloren geht und zur Angst auch noch das Problem mangelnder Vertrautheit und fehlender Erfahrung mit solchen Situationen hinzukommt. Auch die Bewertung einer Situation, in der starke Angst aufgetreten ist, ist von großer Bedeutung: Wird z. B. eine peinliche Situation während einer Prüfung als „Ausrutscher“ gewertet und als für sich untypisch gesehen, wird in der Folge wohl keine ausgeprägte Angst vor weiteren Prüfungen bestehen bleiben. Wenn jedoch die peinliche Situation wieder und wieder durchdacht wird und die Person zu der Überzeugung gelangt, dass auch alle kommenden Situationen ähnlich verlaufen werden, wird es schwieriger sein, ruhig und gelassen in die nächste Prüfung zu gehen.

Ängste können letztlich auch im Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen auftreten. Als Beispiele seien hier die Angstbeschwerden bei einer Überfunktion der Schilddrüse oder bei einer Herzerkrankung genannt. Dies kommt zwar selten vor, dennoch sollten auch diese möglichen Ursachen von Angstbeschwerden immer durch eine ärztliche Untersuchung abgeklärt werden.

Zumeist werden Ängste allerdings durch bestimmte Erfahrungen erlernt. Ein unangenehmes oder beängstigendes Erlebnis kann dazu führen, dass man von diesem Tag an ähnlichen Situationen aus dem Weg geht oder sie nur noch mit massiven Angstbeschwerden durchleidet, vor allem wenn zusätzliche Bedingungen wie eine angeborene erhöhte Angstbereitschaft oder viele schwierige Lebensprobleme bestehen.

Das folgende Beispiel zeigt, wie verschiedene Lebensbedingungen und Erlebnisse zu einer Angsterkrankung führen können.