Wer bezahlt den Untergang der EU? - Wolfgang Kühn - E-Book

Wer bezahlt den Untergang der EU? E-Book

Wolfgang Kühn

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Beschreibung

Es knirscht in der EU: Griechenland hängt am Tropf, Spanien ist in der Dauerkrise, Italien wackelt und Großbritannien wählt direkt den Brexit. Die Idee vom Ausstieg grassiert – und wird von den Parteien der Rechten instrumentalisiert. Wolfgang Kühn denkt dieses Szenario weiter und entlarvt die populistischen Heilsversprechen eines raschen "Ausstiegs" als fatal und gefährlich: Faktenreich und akribisch recherchiert erläutert der Autor, warum die jetzige Krise ein Ergebnis der sich verschärfenden ökonomischen Widersprüche in den Ländern selbst ist – und nur dort gelöst werden kann. Noch viel wichtiger: Astronomische EU-Fördermittel müssten zurückgezahlt werden, gigantische Schuldenstände bei der Zentralbank müssten beglichen werden, und ungeheure Kosten des Rückbaus eines ganzen Staates müssten geschultert werden – wen, wenn nicht uns Steuerzahler, wird diese Belastung auf Generationen hinaus niederdrücken? Wolfgang Kühn bringt es auf den Punkt: Nur wenn die Länder ihre Hausaufgaben lösen, kann im Anschluss daran eine – dringend notwendige – Reform der EU stattfinden. Andernfalls droht ein Fiasko. Ein brisantes Buch genau zur rechten Zeit, ein engagiertes Plädoyer mit unbequemen Einsichten!

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Wolfgang Kühn

Wer bezahlt den Untergang der EU?

Wie wir durch die falsche Politik der nächsten Krise entgegentaumeln

edition berolina

eISBN 978-3-95841-547-8

1. Auflage

© 2017 by BEBUG mbH / edition berolina, Berlin

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

FAX 01805/35 35 42

(0,14 €/Min., Mobil max. 0,42 €/Min.)

www.buchredaktion.de

Man hat behauptet, die Welt werde durch Zahlen regiert; das aber weiß ich, dass die Zahlen uns belehren, ob sie gut oder schlecht regiert werde.

Johann Wolfgang von Goethe

Bricht Europa auseinander?

»Bricht Europa auseinander?« »Was kostet der Brexit?« »Ist der Euro noch zu retten?« »Wie weiter mit Europa?« – Solche Schlagzeilen liest man immer häufiger in Tageszeitungen und elektronischen Newslettern. So wird eine Gefahr beschworen, eine Gefahr für Europa.

Von welchem Europa ist denn eigentlich die Rede? Das geographische Europa kann wohl nicht gemeint sein, denn das geht, bekanntermaßen, bis an das russische Ural-Gebirge. Norwegen und die Schweiz gehören noch immer zu Europa, sind keine Mitglieder der Europäischen Union. Aber nüchtern betrachtet war »Europa« für das westliche Selbstverständnis immer das, was sich an Allianz aus den sogenannten Römischen Verträgen ergeben hatte. Insofern war »Europa« im westlichen Sprachgebrauch fast immer nur der jeweilige Zustand des westeuropäischen wirtschaftlichen Zusammenschlusses zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum, um sowohl den Konkurrenten USA und Japan auf Augenhöhe gegenüberstehen zu können als auch im Kalten Krieg ein propagandistisches Mittel gegen die Oststaaten zu haben. Dass dabei die Freizügigkeit für die Bürger nur ein kollaterales Element war, musste nicht betont werden, zumal der Osten, trotz teilweiser Einführung von gegenseitiger Visafreiheit, es nicht geschafft hat, das »RGW-Europa« für seine Bürger im doppelten Sinne erfahrbar zu machen, abgesehen von limitierten Reisen.

Also blieb scheinbar das Zusammenrücken der westlichen Seite vorbehalten. Das bekam dann in den verschiedenen Etappen schicke Abkürzungen wie EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, das »W« für Wirtschaft verdeutlichte noch, worum es ging) und EG (Europäische Gemeinschaft), und heute ist es die EU (Europäische Union) oder eben »Europa«. Heute sind auch Teile des ehemaligen »RGW-Europa« vereinnahmt.

Entstanden sind im Ergebnis dieser Politik, an der die nach 1990 mächtiger gewordene Bundesrepublik entscheidenden Anteil hatte, eine Vielzahl von neuen kleinen Staaten, die wirtschaftlich kaum selbst existenzfähig gewesen wären. So die Teilung der ČSSR, die Zersplitterung Jugoslawiens, aber auch der Zerfall der UdSSR ab 1991. Einige Oststaaten, wie Polen und Ungarn, die sich schon vor 1990 offen für wirtschaftliche Einflussnahme aus dem Westen gezeigt hatten, bekamen einiges an Geld und so ein ordentliches wirtschaftliches Startkapital. Ähnliches gilt für die Tschechische Republik, die schon eine solide Wirtschaftsbasis vor 1990 besaß. Diese Staaten bildeten die wirtschaftliche Spielmasse Westeuropas nach der Neuordnung der Welt in den 1990er Jahren. Dorthin konnte man Industrieproduktion auslagern, gut ausgebildete Fachleute waren zahlreich vorhanden. Gleichzeitig konnte mit geringeren Löhnen günstiger produziert und Druck auf die Arbeiter und Angestellten in den westeuropäischen Ländern ausgeübt werden. Über Investitionen und Kredite erhielt das westeuropäische Kapital direkten Zugriff auf die Wirtschaft dieser Länder. Ebenfalls als Europäischer Binnenmarkt waren sie willkommen.

Die armen Balkanländer, die fast ausschließlich mit EU-Geldern finanziert werden, wie der Kosovo, Bosnien-Herzegowina oder Montenegro, waren zwar auch als Markt willkommen, haben aber eine nicht unbedeutende politische und militärische Funktion für das EU-Europa und die USA. So dürfen ab dem Jahr 2017 die 620.000 meist verarmten Einwohner Montenegros den militärischen Supermächten USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland militärisch als neues NATO-Mitglied helfen, die Freiheit zu verteidigen. Über die vermeintlich hohen Renten in Griechenland wurde in der deutschen Presse fast täglich palavert. Dass der griechische Staat seit Jahrzehnten die relativ höchsten Rüstungsausgaben innerhalb der Europäischen Union schultert und sie vermindert werden könnten, um den griechischen Staatshaushalt zu entlasten, ist den Sparkommissaren der sogenannten Troika nicht aufgefallen.

Allerdings gibt es immer einen Mitspieler zu beachten – die USA. Schließlich hatten sie eigene Interessen in Europa, die man auf zwei wesentliche Punkte reduzieren kann: Erstens, die westeuropäische Wirtschaft nicht zu einem wirklichen Konkurrenten auf dem Weltmarkt werden zu lassen, und zweitens, Russlands Einfluss in Europa zu begrenzen oder ganz auszuschalten. Ein derartiges »Spielfeld« ist gegenwärtig die Ukraine. Bürgerkrieg, Korruption, neue faschistische Kräfte und extreme Nationalisten haben hier ein neues »Spielfeld« gefunden. Der dramatische soziale Niedergang der Bevölkerung, die extreme soziale Erosion hat den Nicht-EU-Staat Ukraine in eine Krise geführt. Dazu kommen die Länder wie Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo und Albanien, die zwar noch nicht Mitglieder sind, aber de facto fast völlig am EU-Tropf hängen.

Diese Entwicklung in den letzten zwanzig Jahren hat dazu geführt, dass die reichen EU-Staaten summa summarum immer reicher, gleichzeitig die sozialen Unterschiede hier noch größer wurden. EU-Länder wie Portugal, Griechenland, Italien oder auch Spanien sind davon besonders betroffen.

Dazu kommt, dass das europäische Recht (maßgeblich für die rechtlichen Rahmenbedingungen ist der Vertrag von Lissabon von 2007) in sozialen Belangen oftmals hinter den nationalen Gesetzgebungen hinterherhinkt. Letztlich ist die EU oder »Europa« ein neoliberales politisches und wirtschaftliches Gebilde mit eigenen, auch machtpolitischen Intentionen. Mit der geplanten Bildung von eigenen EU-Militärstrukturen, die den Wirtschaftsstrukturen hinzugefügt werden, sowie einer sogenannten einheitlichen europäischen Außenpolitik wird die Europäische Union zu einem Global Player umfunktioniert, der den ursprünglichen Anliegen einer friedlichen europäischen Zusammenarbeit widerspricht.

Die meisten der selbsternannten Volksparteien haben in ihren Grundsatz- oder Wahlprogrammen Passagen mit Bekenntnissen zu »Europa« beziehungsweise dem, was sie darunter verstehen, nämlich die EU.

So heißt es beispielsweise bei der CSU: »Europa droht an den Rand gedrängt zu werden. Neue politische Akteure aus anderen Regionen treten auf die weltpolitische Bühne. In diesem globalen Wettbewerb muss sich Europa behaupten. Europa muss seine Handlungsfähigkeit – gerade auch in der Außen- und Sicherheitspolitik – stärken. Dabei geht es schlicht um die Selbstbehauptung Europas.«1

Oder bei der LINKEN: »Die auf EU-Ebene getroffenen Entscheidungen sind von zentraler Bedeutung für die Sicherung des Friedens, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die Lösung der ökologischen Herausforderungen auf dem Kontinent und darüber hinaus.

Linke Politik in Deutschland muss angesichts dessen heute mehr denn je die europäische Dimension mitdenken und für die Gestaltung der europäischen Politik eigene Vorschläge unterbreiten. Die Europäische Union ist für DIE LINKE eine unverzichtbare politische Handlungsebene.«2

Oder auch bei der SPD: »Die Europäische Union hat heute Züge eigener Staatlichkeit gewonnen. Immer mehr Lebensbereiche werden von europäischen Entscheidungen berührt. Wir wollen das Europa der Bürger schaffen. Wir wollen mehr europäische Demokratie wagen. Unser Leitbild ist eine politische Union, die allen europäischen Bürgern demokratische Mitwirkungsrechte gibt. Das demokratische Europa braucht eine parlamentarisch verantwortliche Regierung auf der Basis einer europäischen Verfassung.«3Sowie bei den Grünen: »Die Europäische Union steckt in einer fundamentalen Krise. Kern der Krise ist aber nicht der Euro, sondern ein wirtschaftliches Entwicklungsmodell, das nicht nachhaltig ist und seine eigene Wettbewerbsfähigkeit untergräbt. (…) Diese Krise ist eben nicht einfach eine Staatsschuldenkrise. Um sie dauerhaft zu lösen, braucht Europa eine neue Perspektive. Wir brauchen eine Erneuerung der europäischen Wirtschaft im Sinne eines europäischen Green New Deal. Nachhaltigkeit muss zur Basis europäischer Wettbewerbsfähigkeit werden.«4

Und bei der CDU: »Die Wirtschafts- und Wertegemeinschaft der Europäischen Union ist ein erfolgreiches Modell dafür, dass Marktöffnung und Wettbewerb bei gleichzeitiger Wahrung nationaler Identitäten und Berücksichtigung von rechtlichen, sozialen und ökologischen Standards zum Nutzen aller funktionieren können. Gleichzeitig ist Europa gegenüber anderen Macht- und Wirtschaftszentren der Welt ein starker Akteur in der Durchsetzung eines gerechten Ordnungsrahmens für die globalisierte Wirtschaft. Wir wollen die EU für die Wahrnehmung dieser wichtigen Zukunftsaufgabe stärken.«5

In diesen Programmen wird die EU (hier fast immer als »Europa« bezeichnet) als Wert an sich begriffen, auch wenn bei der einen oder anderen Partei noch hier und da kleinere Verbesserungen vorgeschlagen werden, wie nachhaltige Entwicklung oder ein klein wenig mehr Demokratie.

Wie aber stellt sich das EU-Europa den Leuten dar? Die Grenzen sind gefallen – jedoch bei der Ausrufung von vermeintlicher Terrorgefahr und einem Ansturm von Flüchtlingen, die um ihre nackte Existenz durch Stellvertreter-Kriege und Naturkatastrophen bangen, ist das eben auch nicht mehr wahr. Und man kann reisen, wie man will und wohin man will, man benötigt keine Visa mehr. Die Frage ist nur, ob alle EU-Menschen diese Errungenschaft auch zu schätzen wissen und den Unterschied zwischen ihrem Privileg und den Ausgegrenzten begreifen.

Und besteht die Grenze nur zwischen EU und dem Rest der Welt? Geht der Riss nicht auch mitten durch EU-Europa? 2017 betrug die offizielle Arbeitslosenquote in Deutschland 6,3 Prozent, alle in Regierungsverantwortung stehenden Politiker schlagen sich stolz auf die Brust und reklamieren den Erfolg für sich. Das entspricht rund 2,8 Millionen Arbeitslosen. Scheint wirklich wenig zu sein. Doch schauen wir weiter. Dem stehen rund 4,5 Millionen Empfänger von ALG II, genannt »Hartz IV«, gegenüber.6 Dazu kommen noch rund 880.000 ALG-I-Empfänger. Das sind also in der Summe fast 5,5 Millionen Menschen, die nicht von eigener Erwerbstätigkeit leben können. Einem erwachsenen Hartz-IV-Bezieher stehen in diesem Jahr 409 Euro pro Monat zu (die Steigerung zum Vorjahr beträgt 5 Euro). Jugendliche erhalten anteilmäßig den Satz. Aber zu den Beziehern gehören auch Menschen, die acht Stunden am Tag arbeiten, aber so wenig verdienen, dass sie, wenn sie es denn beantragt haben, aus dem Hartz-IV-Topf Aufstockung erhalten. Und das sind in einigen Gegenden und Bundesländern bis zu 20 Prozent der Beschäftigten, wie zum Beispiel in manchen Regionen des Ruhrgebiets, aber auch in vielen Regionen Ostdeutschlands. Für diese Leute steht Urlaub quer durch EU-Europa sicherlich nicht im Mittelpunkt des Interesses. Hier geht es wohl eher um die Bewältigung der täglichen Ausgabebelastungen – Essen, Trinken, Wohnen, Heizen und so weiter. Man stelle sich doch nur einmal vor: Eine alleinerziehende Mutter (und diese Zahl nimmt zu) soll für ihre beiden Schulkinder jeweils 100 Euro für die Klassenfahrt dazuzahlen – wovon? Hinzu kommt, dass, seitdem EU-Ausländer unter bestimmten Bedingungen Arbeit in Deutschland annehmen können, diese als Konkurrenten der Hartz-IV-Empfänger auf dem Arbeitsmarkt betrachtet werden, das aber trägt nicht zum Einig-Europa-Gedanken bei.

In den weniger wirtschaftlich starken Ländern EU-Europas fallen die sozialen Verwerfungen noch stärker aus, wie Wolfgang Kühn in den folgenden Kapiteln detailliert ausführt. Wenn wir uns zum Beispiel die Abbildung 11 anschauen, erkennen wir den Anteil der von Armut betroffenen Bevölkerung in ausgewählten Staaten der EU. Während Deutschland erwartungsgemäß unter dem Durchschnitt liegt, gibt es Länder, die einen fast doppelt so hohen Anteil ausweisen. Immer hängt wirtschaftliche Stärke auch mit dem Armutsrisiko zusammen. Doch nicht nur die Armutsbilanzen der in der EU zusammengeschlossenen Länder klaffen sehr weit auseinander. Auch in den Ländern selbst, wenn sie eine gewisse Größe haben, wie Frankreich, Italien, Spanien oder eben auch Deutschland, liegen einzelne Regionen weit auseinander.

Um das alles zusammenzuhalten, bedarf es ständig größerer Anstrengungen der politisch Verantwortlichen in der EU. Mit Krediten, aber auch mit Druck wird auf die »armen Verwandten« eingewirkt. Sozialsysteme sollen weiter ausgehöhlt werden, Staatseigentum soll verkauft werden, um die »Kleinen« einigermaßen zahlungsfähig zu halten. Trotzdem steigt die Unzufriedenheit in diesen Ländern, so in Griechenland, Portugal, aber auch Rumänien, wo sich in diesem Frühjahr große Streiks ereigneten. Das zeigt, dass die auseinanderstrebenden Kräfte nicht kleiner werden. Das Geld – die Milliardensummen, mit denen schon deutsche Banken in der Finanzkrise »gerettet« wurden –, mit dem nun die EU gekittet wird, stammt zum größten Teil aus den Steuern der EU-Bürger. Sie zahlen für die Krise.

An welchen Symptomen sie zu erkennen ist, zeigt Wolfgang Kühn ausführlich und faktenreich in seinem Buch, und er fragt herausfordernd: Wer bezahlt den Untergang der EU? Machen Sie sich selbst ein Bild von der tatsächlichen Lage!

Uli Jeschke (edition berolina)

1 Zitiert nach: »Die Ordnung. Grundsatzprogramm der Christlich-Sozialen Union. CSU«, S. 34.

2 Zitiert nach: »Programm der Partei DIE LINKE. Beschluss des Parteitages der Partei DIE LINKE vom 21.bis 23. Oktober 2011 in Erfurt, bestätigt durch einen Mitgliederentscheid im Dezember 2011«, S. 66.

3 Zitiert nach: »Hamburger Programm. Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Beschlossen auf dem Hamburger Bundesparteitag der SPD am 28. Oktober 2007«, S. 27.

4 Zitiert nach: »Zeit für den grünen Wandel. Teilhaben. Einmischen. Zukunft schaffen. Bundestagswahlprogramm 2013 von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN«, S. 54 f.

5 Zitiert nach: »Freiheit und Sicherheit. Grundsätze für Deutschland. Das Grundsatzprogramm. Beschlossen vom 21. Parteitag Hannover, 3.–4. Dezember 2007. CDU«, S. 51.

6 Quelle: https://de.statista.com.

Die Europäische Union im Jahr 2017

Im Gründungsvertrag von Amsterdam stellte sich die Europäische Union ehrenwerte und ideale Ziele: »Die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie die Herbeiführung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung, insbesondere durch Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen, durch Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion …«7

Ein Meilenstein hin zum Euro war der »Stabilitäts- und Wachstumspakt« aus dem Jahr 1997. Dieser hatte zum Ziel, die in Maastricht ausgehandelten Konvergenzkriterien abzusichern und durchzusetzen. Demnach durften sich bei den Beitrittskandidaten die Inflationsraten, Wechselkurse sowie die langfristigen Zinsen nur innerhalb gewisser Bandbreiten bewegen. Hinzu kamen die Haushaltskriterien, wonach das Defizit nicht über drei Prozent und die Staatsverschuldung nicht über sechzig Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen sollte. 1999 wurde dann in elf Staaten der Euro eingeführt, 2002 das Euro-Bargeld.

Gegenwärtig befindet sich diese Europäische Union in der größten Krise seit ihrer Gründung. Erstmalig wird ein langjähriges Mitgliedsland, das zu den Begründern der Union gehörte, das Bündnis verlassen.

Die Folgen der internationalen und europäischen Finanzkrise sind deutlich spürbar; mehr oder weniger hilflos wird versucht, sie mit untauglichen Mitteln und Instrumenten zu reparieren. In nicht wenigen Mitgliedsländern erstarken nationalistische Kräfte, die mit einzelstaatlichen Rezepten gegenüber einer gemeinsamen Schadensbegrenzung punkten und so die weitere Existenz der Union unterminieren. Hinzu kommt, dass auch der Euroraum – der harte Kern der Europäischen Union – tief gespalten ist.

Einen Wendepunkt bildete die weltweite Finanzkrise 2009. In Deutschland hat sich die Wirtschaft nach dem Einbruch recht schnell wieder erholt. In Italien liegt das Bruttoinlandsprodukt rund acht Prozent unter dem Vorkrisenniveau, während in Spanien die Arbeitslosigkeit nach wie vor fast zwanzig Prozent beträgt. Diese Länder haben den Nachteil einer gemeinsamen Währung vollständig zu spüren bekommen, nämlich den Verlust der geld- und währungspolitischen Autonomie. Das heißt, eine Lira oder eine Peseta, mit der man abwerten könnte, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, existiert heute nicht mehr. Der Euro ist für diese Länder zu stark, für Deutschland dagegen ist er zu schwach.

Deutschland sieht sich gern als Vorreiter in Sachen Haushaltsdisziplin. Kritik an diesem Kurs der Bundesregierung kommt nun ausgerechnet vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der sonst ebenfalls viele Länder regelmäßig zur Sparsamkeit anhält. Deutschland allerdings hat es mit seinem Kurs in den vergangenen Jahren übertrieben, so kann man jedenfalls die Empfehlungen des IWF verstehen: »›Die Organisation fordert von Deutschland, viel mehr Geld unter die Leute zu bringen. Geboten seien Steuerentlastungen, höhere Löhne und zusätzliche Investitionen. Der zur Verfügung stehende finanzielle Spielraum sollte genutzt werden für Initiativen, um das Wachstums­potenzial ebenso zu verbessern wie Investitionen in die Infrastruktur und Digitalisierung, Kinderbetreuung, Flüchtlingsintegration und für eine Senkung der Steuerlast auf Arbeit‹, heißt es in den Empfehlungen für Deutschland.«8

Hinzu kommt, dass die Kräfteverhältnisse innerhalb der Union sehr heterogen sind, etwa ein halbes Dutzend der Mitgliedsstaaten erreicht gerade den »Ein-Prozent-Bereich« der Wirtschaftsleistung der großen Mitgliedsländer. Unter diesen Bedingungen ist es nicht leicht, für alle Beteiligten die besten Kompromisse zu finden.

Abbildung 1

Quelle: Eurostat, Datenbank

Kaufkraftparitäten (KKP) sind Indikatoren für die Preisniveauunterschiede zwischen den verschiedenen Ländern. Sie informieren darüber, wie viele Währungseinheiten eine bestimmte Menge von Waren und Dienstleistungen in unterschiedlichen Ländern kostet.

KKP können somit als Währungsumrechnungskurse verwendet werden, um in Landeswährung ausgedrückte Ausgaben in eine künstliche gemeinsame Währung – den Kaufkraftstandard (KKS) – umzurechnen und so die Wirkung von Preisniveauunterschieden zwischen den Ländern zu beseitigen.

Im Jahr 2015 entsprachen 100 Euro in den Ländern:

Deutschland 100,3 Euro

Frankreich 104,6 Euro

Spanien 90,7 Euro

Italien 100,1 Euro

Durch diese Umbewertung auf Kaufkraftparitäten sind die nachfolgenden Daten nicht vergleichbar mit den Daten der nationalen Statistikbehörden.

Inzwischen ist die Europäische Union nach ihrer praktizierten Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht mehr eine Solidargemeinschaft, sie hat sich in eine Wettbewerbsgemeinschaft transformiert.9

Auch als Wettbewerbsgemeinschaft bleibt die Europäische Union