Wer braucht eigentlich Nirwana? - Richard Sylvester - E-Book

Wer braucht eigentlich Nirwana? E-Book

Richard Sylvester

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  • Herausgeber: Lotos
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Nicht du findest die Erleuchtung, sondern die Erleuchtung findet dich

Innere Befreiung und Erleuchtung – die großen Ziele aller spirituell Suchenden. Doch wie erreicht man sie? Indem man stundenlang auf dem Meditationskissen sitzt oder sich in die Lehren berühmter Gurus und Weisheitslehrer vertieft? Nein, meint Richard Sylvester! Niemand kann etwas anstreben oder erreichen – schon gar nicht Nirwana. Denn unsere Welt ist vollkommen, so wie sie ist – und wir sind es auch. Auf radikale und kompromisslose Weise macht der Autor klar: Befreiung geschieht einfach. Ganz spontan und unbeeinflussbar. Mit viel Humor führt er vor Augen, dass Entspanntheit und relaxtes Geschehenlassen die wahren Schlüssel sind, um zu der einen fundamentalen Erkenntnis zu gelangen, die wahre Befreiung bewirkt: Es gibt kein getrenntes Dasein, alles ist Teil des Einen.

Dieses Buch enthält faszinierende Gespräche über Nicht-Dualität und Befreiung, die während einer Tournee des Autors in Deutschland aufgezeichnet wurden.

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Seitenzahl: 409

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Für Tony, Claire, Jen und Carl.Jeder auf seine Weise tragt ihr zum Geist dieses Buchs bei.

»Ich tue nichts. Ich bilde mir niemals ein, ich sei es, der dafür zu sorgen hat, dass Kirschen an Stielen wachsen.«

Carl Gustav Jung, Erinnerungen, Träume, Gedanken

Inhaltsverzeichnis

WidmungVorwortEinleitungLiebe im Pelzmantel KölnDas verschollene Sutra des Buddha EssenSpirituelle Anarchie München»Was ist mit Liebe?« Berlin»In deinem Kopf sind tausend verschiedene Leute« HamburgDas Hotel Kitsch HannoverAusklang: Tee trinken und Kuchen essen BielefeldCopyright

Vorwort

In den letzten zehn Jahren etwa sind die Ausdrücke »nicht-dual« und »Advaita« in einer Vielzahl von Publikationen, Unterweisungen und Mitteilungen unterschiedlichster Art verwendet worden, die aus meiner Sicht nicht direkt mit der eigentlichen Bedeutung dieser Wörter oder der von ihnen angesprochenen Dynamik zu tun haben. »Nicht-dual« und »Advaita« möchten das Prinzip der Ganzheit umschreiben, des Einsseins – dessen, was bereits eins ist.

Eine geeinte Wirklichkeit, in der »nicht-zwei« sind und es kein »anderes« gibt, impliziert doch sicher, dass Getrenntheit nur Illusion sein kann. Wenn es Trennung in Wirklichkeit nicht gibt, muss das Bemühen, nicht getrennt oder gesondert zu sein, auf einer dualistischen Sicht der Dinge beruhen. Wenn es demnach eine Lehre unternimmt, einen illusorischen Zustand der Getrenntheit in einen des Geeintseins zu überführen, geht sie zwangsläufig vom Glauben an eine geteilte Wirklichkeit aus und kann sich nicht als nicht-dual ausgeben.

Selten finden wir zu diesem Thema Aussagen, die keine dualistischen und deshalb irgendeine Vorgehensweise vertretenden Lehren sind. Selten finden wir ein Buch, das nicht insgeheim vorhat, den Wunsch des Suchenden nach einem Pfad und einem Ziel zu befriedigen. Richards jüngstes Buch ist solch eine Seltenheit, ebenso wie seine beiden früheren.

In Wer braucht eigentlich Nirwana? zieht sich ein Prinzip durch alles, was über Nicht-Dualität gesagt wird. Jede Antwort auf die vielen, ein breites Spektrum abdeckenden Fragen verweist unbeirrbar auf die nicht-duale Sicht der Dinge. Richard gibt die Gespräche wieder, zu denen es im Verlauf seiner Reise durch Deutschland kam, und erzählt dazu interessante, das jeweilige Thema noch weiter ausleuchtende Geschichten. Beim Lesen fühlt man sich angespornt und inspiriert von einer Sicht der Dinge, die tiefer und reichhaltiger Erfahrung des Lebens mit all seiner Vielschichtigkeit und auch Komik entspringt. Man liest weiter und weiter, und da zeigt sich etwas Durchgängiges, eine kompromisslose Geradlinigkeit, die ganz unmittelbar von etwas »anderem« kündet. Man empfindet eine Resonanz, die über die Worte und das, was sie zu besagen scheinen, hinausgeht.

Richard beantwortet Fragen über den Tod, den natürlichen Seinszustand, das Guru-Spiel, das Wesen der Liebe, den Unterschied zwischen natürlichen und neurotischen Gefühlen, den Hang des Sucher-Bewusstseins zu unnötigen Komplikationen und unnötigem Ringen und und und.

Hier ist ein Buch zum genüsslichen Schmökern und Schmunzeln, ein Buch, das man behält und auf das man als ein seltenes Beispiel für unverwässerte Nicht-Dualität zurückgreifen wird.

Tony Parsons Mai 2010

Einleitung

Mein deutscher Verleger, Carl, hielt sich 2008 zum Besuch einer Buchmesse in London auf. Er rief mich an und schlug vor, wir sollten uns doch einmal treffen. So fuhr ich denn am Sonntagnachmittag nach London, und wir verbrachten ein paar Stunden bei Gesprächen und Kaffee in der Bar des Hotels Radisson in Covent Garden.

Die deutsche Fassung meines zweiten Buchs über Nicht-Dualität, Das Buch Niemand, war für das kommende Frühjahr zur Veröffentlichung vorgesehen, und Carl meinte, ich könne doch in dieser Zeit zu einer Reihe von Vorträgen mit Diskussion nach Deutschland kommen, um das Buch bekannt zu machen. Er würde mich begleiten und als Dolmetscher fungieren. Ich bewege mich nicht sehr oft weiter von meinem Zuhause in Kent weg, eigentlich nur zu Abstechern in die Berge und an die Küste von Wales, aber das hier klang mir so, als könnte es Spaß machen, und ich sagte zu. Wieder in Deutschland, rief Carl mich an und schlug vor, die Meetings während meiner Tour aufzuzeichnen, und dann könne ich die Transkription zu einem dritten Buch ausarbeiten. Was dabei herauskam, ist das, was Sie jetzt irgendwo, vielleicht im Bus oder Zug, in den Händen halten, oder es liegt auf Ihren Knien, auf dem Kaffeetisch, auf der Bettdecke vor Ihnen oder eben an einem sonnigen Tag im Park neben Ihnen.

Ich habe in neun Tagen sieben Städte besucht, immer mit dem Zug von einer Stadt zur nächsten, wobei ich, wie Sie noch lesen werden, zwischen den Städten vier und fünf, Berlin und Hamburg, krank wurde. Das brachte ein wenig unverhoffte Aufregung in die Tour. Und das ist nun dieses Buch. Jedes Kapitel entspricht der Aufnahme von einem Meeting, nur beim letzten Treffen hatten wir kein Aufnahmegerät, sodass es hier nicht als ein Kapitel, sondern nur durch ein paar von mir erzählte Geschichten vertreten ist, an die ich mich noch erinnere. Da eigentlich jedes Treffen eine Einführung in die Nicht-Dualität war, enthält der Text unvermeidlich auch ein paar Wiederholungen. Ich wurde während der gesamten Tour sehr gastfreundlich behandelt, in Hotels untergebracht, zum Essen oder in Bars ausgeführt, mit cremefarbenen Mercedes-Taxis vom Bahnhof zum Hotel und vom Hotel zum jeweiligen Versammlungsort chauffiert.

In Deutschland besteht wie in England ein lebhaftes und intelligentes Interesse an der Nicht-Dualität. Das gilt nicht für alle Länder. Als mein erstes Buch, I Hope You Die Soon (deutsche Fassung: Erleuchtet – und was jetzt?), in Frankreich herauskam, dämpfte jemand meine Auflagen- und Tantiemenerwartungen mit den Worten: »Die haben es da immer noch mit Morgenurin trinkenden Yogis.« Inwieweit das stimmt, kann ich nicht beurteilen, aber die Voraussagen im Hinblick auf meine Einnahmen erwiesen sich als zutreffend.

Ein Freund, der so nett war, dieses Buch in der Endphase der Fertigstellung zu lesen, machte mich darauf aufmerksam, dass unter den Lesern vermutlich Sucher sein würden, »die bereit sind anzuhalten«. Eines ist jedenfalls sicher: Wenn die spirituelle Suche Ihnen noch von Herzen Freude macht, ist es vielleicht besser, wenn Sie dieses Buch jetzt beiseite legen und auch gleich den festen Entschluss fassen, nie – auch nicht ausnahmsweise – zu einem Vortrag über Nicht-Dualität zu gehen. Wenn nämlich das hier Geschriebene oder bei solchen Meetings Gesagte wirklich gehört wird, ist damit das Ende der spirituellen Suche besiegelt, Ihr Kopf ist dann »im Rachen des Tigers«, und da gibt es kein Entkommen mehr.

Spirituelle Suche kann sehr unterhaltsam sein und Spaß machen. Sie versorgt uns mit Hoffnung, sie bietet Sinn und Zweck, einen Rückhalt gebenden Kreis von Gleichgesinnten, die Gesellschaft strahlkräftiger Lehrer und Gurus und nicht zuletzt die Chance, überschüssiges Einkommen loszuwerden. Außerdem wissen wir dann, wie die zwischen Geburt und Tod verbleibende Zeit sinnvoll einzuteilen ist, und es bietet sich so manche willkommene Gelegenheit, mit den Segnungen der Tropenmedizin und einem Rucksack voll Durchfallmittel versehen aller Herren Länder zu bereisen.

Freilich sorgt das Suchen auch dafür, dass wir nicht finden, schließlich trägt es uns ja von dem weg, was hier und jetzt ist. Solange wir Erleuchtung anderswo suchen, irgendwo weit weg und in der Zukunft, kann uns nicht auffallen, dass sie Dies – genau hier, genau jetzt – bereits ist. Das hier ist bereits das Gesuchte, das gelobte Land, das erhoffte Paradies. Eine Person kann das nicht sehen. Es ist erst zu sehen, wenn die Person wegfällt. Solange da ein Ich ist, das mit seinen Neurosen und seinem ewigen Heischen nach Zuwendung keinen klaren Blick zulässt, kann nicht gesehen werden, dass Dies bereits das Gesuchte und damit völlig genügend ist.

Ich kenne keinen kürzeren Nenner für das, was wir Befreiung nennen, als diese sieben Worte: »Das hier ist es, und es genügt.« Wo Einssein gesehen wird – und das ist nur möglich, wenn keine Person da ist, die es sieht –, zeigt sich sehr klar, dass Dies alles ist und dass es genügt. Ohne den schmuddeligen Schleier der Person, der das Alltägliche so weit trübt und zum öden Einerlei macht, dass dann nach etwas Kurzweiligerem gezetert werden muss, offenbart sich das Gewöhnliche als dieses wunderbare Spiel des Bewusstseins.

Wo das Eine gesehen wird, ist die Suche zu Ende, denn jetzt ist der Alltag das Wunderbare, und man braucht die Würze des Lebens nicht mehr anderswo zu suchen. Im Wind raschelndes Laub, das Gefühl des Hundefells unter der Hand beim Streicheln im Park, der Geschmack des Kaffees auf der Terrasse – jetzt genügt das. Befreiung hat keine zwangsläufigen Folgen, aber wenn die Person weggefallen ist, besteht Neigung zu einer entspannteren Haltung und zu tiefer Freude an einfachen Dingen.

Viele lösen sich heute vom alten Gegensatzdenken der Religionen und forschen nach dem Grundbestand, der allen Religionen und spirituellen Wegen gemeinsam sein muss. Wir starren nicht mehr bloß auf die bunte Vielfalt, die an der Oberfläche zu erkennen ist. Darunter, so scheint uns, muss sich eine gemeinsame Wahrheit verbergen – worin besteht sie? Es muss etwas geben, was all die so verschieden wirkenden Bilder verbindet, die Kreuzigung, den elefantenköpfigen Gott Ganesh, Vater Sonne und Mutter Mond, das Abendmahl, Kali mit der Halskette aus Menschenschädeln, Mandalas, wirbelnde Sufi-Mystiker, goldene Buddhastatuen, Medizinräder und die Flussgöttin Isis.

Nicht-Dualität oder Einheit ist das, was die unbewegte Mitte aller Religionen und spirituellen Pfade ausmacht, auch wenn sie selten erkannt wird und im Lauf der Geschichte von ihr nicht viel die Rede war. Wir alle werden in die Ganzheit hineingeboren, legen uns aber schon in jungen Jahren ein Selbstbewusstsein zu, wodurch es zu einem Gefühl von Trennung und Verlust kommt. Irgendwie, scheint uns, sind wir aus dem Paradies vertrieben worden, und so verbringen wir, ob es uns bewusst ist oder nicht, den Rest unseres Lebens mit dem Bemühen, wieder ganz zu werden und ins Paradies zurückzukehren. Wir ersinnen wundersame Vorstellungen und spinnen Unmengen von Geschichten, und all das Umherirren und Suchen bringt den gesamten Stammbaum der Religionen und spirituellen Pfade, der Epen von Propheten und Göttern und Heiligen und seltsamen Heiligen hervor.

Aber die Suche ist hoffnungslos, denn das Paradies ging uns nie verloren. Das Paradies, in das wir zurückfinden möchten, ist immer bei uns, aber von diesem Bewusstsein eines gesonderten Ich überlagert. Wir brauchen kein Paradies zu finden. Wenn das Gefühl der Trennung verschwindet, sehen wir, dass Dies bereits das Paradies ist. Natürlich kann das eingebildete Ich sich nicht selbst verloren gehen, schließlich ist es ja bloße Einbildung. Wie sollte ein bloß eingebildetes Ich die Wirklichkeit sehen können?

Das Auge vermag sich nicht selbst zu sehen, es sei denn als blasses Abbild im Spiegel. Das Ich kann sich nicht finden, es sei denn als blasses Abbild in einem Traum.

Aber das nur als Vorstellung vorhandene Ich kann ohne erkennbaren Grund oder Anlass wegfallen, und in diesem Tod der Person wird dann wieder Ganzheit, Einheit, Nicht-Dualität gesehen. Das gesonderte Ich kann wegfallen, solange der Mensch noch lebt, und wenn es nicht geschieht, macht das auch nichts, denn nach dem Tod des Körpers herrscht ohnehin nur noch Freiheit. Ich schreibe diese Worte fünf Tage nach dem Tod von Ramesh Balsekar, und der schrieb: »Was bedeutet eigentlich der Tod? Er bedeutet das Ende des täglichen Ringens. Er bedeutet das Ende der Dualität.«

Wenn Nicht-Zweiheit oder, was dasselbe ist, Freiheit erlebt wird, ist klar, dass keine selbstbestimmte und verantwortliche Person vorhanden ist, die irgendwelche Entscheidungen zu etwas »mein Leben« Genanntem trifft. Klar ist dann auch, dass alles aus nichts hervorgeht, dass Leere das Herz dieser wundervollen Manifestation ist. In vielen Traditionen ist diese Leere erfahren worden, im Buddhismus, Taoismus und Hinduismus zum Beispiel und sogar im Christentum. Wir haben Zeugnisse davon. Gesprochen wurde darüber in manchen Fällen offen, in anderen aber nur flüsternd, denn es gab Zeiten, in denen es wegen der nahezu unumschränkten Herrschaft einer Priesterschaft sehr gefährlich war, über solche Dinge zu sprechen. In jüngster Zeit sieht die Sache etwas anders aus. Inzwischen steht nämlich die Wissenschaft hinter manchen der allzu mystisch klingenden Aussagen, etwa dass niemand je irgendeine Wahl trifft oder dass alles aus Leere hervorgeht.

Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Neurowissenschaften deuten stark darauf hin, dass es so etwas wie eine einheitliche autonome Person als Zentrum unserer Erfahrung unmöglich geben kann. Viele Psychologen sind heute der Meinung, dass der freie Wille Illusion ist. Und die Quantenphysik malt uns das Bild eines Universums, in dem sich die allerkleinsten Bausteine der Materie in nichts als schwingende Energie auflösen, sodass alles gleichsam aus Klang entsteht. In der Yoga-Tradition gilt das Wurzelmantra AUM als der erste Laut, die Ur-Schwingung des Universums. Am Anfang war das Wort, und das Wort war AUM.

Doch selbst wenn sich hier eine Konvergenz von Naturwissenschaft und Mystik abzeichnet, die naturwissenschaftliche und die nicht-dualistische Sicht des Bewusstseins sind einander diametral entgegengesetzt. Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist Materie das Primäre, und Bewusstsein wird als Nebenprodukt oder Begleitphänomen der Materie gesehen. Danach sind wir im Wesentlichen stoffliche Strukturen, denen durch Zufall, nämlich durch immer komplexer werdende Organisationsstrukturen von Zellen, Neuronen, Botenstoffen und elektrischen Impulsen in unserem Gehirn, Bewusstsein zuteil wurde. In der Befreiung zeigt sich aber, dass da nichts als Bewusstsein ist, man könnte auch sagen Leere, aus der alle Phänomene einschließlich der physikalischen Phänomene hervorgehen. Anders gesagt: Ohne Bewusstsein keine Materie.

Das Stoffliche ist also nicht das, was Bewusstsein entstehen lässt, sondern umgekehrt bringt Bewusstsein das Stoffliche hervor. Die Naturwissenschaft hat keine Chance, das je zu entdecken. Es lässt sich nur unmittelbar sehen, wenn die Person wegfällt.

Trotz all ihrer Instrumente wird die Naturwissenschaft auch kaum aufdecken können, dass die Leere in ihrem Wesenskern bedingungslose Liebe ist.

Wenn Freiheit gesehen wird, zeigt das Leben eine Tendenz zu weniger Komplikationen. All die »Storys«, die unserem Leben bis dahin Antrieb gaben, entfallen, und was uns bleibt, ist einfach Dies. In dieser Einfachheit werden die kleinen, unbedeutenden Dinge des Lebens zum Hochgenuss. Ich werde oft um Rat gefragt, und meist gebe ich keinen. Wenn ich aber zu etwas raten würde, könnte es nur so klingen: Entspann dich und finde Freude an den kleinen Dingen, die du gern tust. Es muss nicht Teetrinken und Kuchenessen sein. Es kann auch Kaffeetrinken und ein Parkspaziergang sein. Jedenfalls entgeht uns das wunderbare Dies, solange wir das Alltägliche nicht genießen können.

Im Zen sagt man: »Vor der Befreiung Holz hacken und Wasser holen. Nach der Befreiung Holz hacken und Wasser holen.« Meine Vorlieben sind etwas anders gelagert: »Vor der Befreiung Tee trinken und Kuchen essen. Nach der Befreiung Tee trinken und Kuchen essen.« Es läuft aber auf dasselbe hinaus. Unterschiede bestehen nicht. Vor der Befreiung und nach der Befreiung, schlafen oder wach sein, es ist dasselbe.

Zur Kommunikation und ihren Schwierigkeiten

Eine Idee zu vermitteln, auch eine simple, das hat für den anderen so seine Tücken. Erstens kann es sein, dass die Worte, die ich spreche oder schreibe, meine Gedanke und Gefühle nicht richtig wiedergeben. Zweitens können die Worte, die Sie hören oder lesen, für Sie eine leicht oder deutlich andere Bedeutung haben als für mich. Irgendwie versuchen wir uns einem für beide Seiten gültigen Bedeutungsgehalt anzunähern, aber wir wissen nie, wie weit uns das gelingt. Hier wie auch überall sonst leben wir jeder in seiner ganz eigenen Wirklichkeit. Jeder lebt in einer Welt, die nur seine Welt ist.

Beim Reden über Nicht-Dualität werden die Probleme noch verwickelter. Nicht-Dualität ist keine Erfahrung, sie ist kein Phänomen, in welchem Sinne auch immer. Nicht-Dualität ist vielmehr das, was alle Erfahrung entstehen lässt und zugleich alle Erfahrung umfasst. Worte können nur Phänomene umschreiben. Vor der Nicht-Dualität müssen sie folglich versagen. Selbst die simple Frage, ob man nun besser »Nicht-Dualität« oder »Einheit« oder »Nichts« oder »Niemand« oder »Sein« oder »Bewusstsein« oder »Gewahrsein« sagt, verwirrt nur noch weiter und gibt Anlass zu den abenteuerlichsten Konflikten und Debatten, die sich auf den entsprechenden Internetforen auch schon mal zu bitterbösen Fehden auswachsen können.

Im Fall dieses Buchs wird das Ganze noch heiterer durch den Umstand, dass während der gesamten Tour alles ins Deutsche oder vom Deutschen ins Englische übersetzt werden musste. Da öffnet sich ein weites Feld möglicher zusätzlicher Missverständnisse. Stellen Sie sich bitte den armen Carl vor. Da gibt es in einer Sprache Begriffe, die die andere nicht kennt, es gibt Anspielungen, die beim Übersetzen zwangsläufig auf der Strecke bleiben – lost in translation, oder wie es Ionesco knapp formulierte: »Französisch für London ist Paris.« Und Carl hatte ja nicht nur meine Worte für die deutschen Zuhörer und deren Fragen und Beiträge für mich zu übersetzen, sondern es kam erschwerend hinzu, dass manche Zuhörer des Englischen mehr oder weniger mächtig waren und es auch benutzten. Wenn sie dann auf Englisch etwas fragten oder Zwischenbemerkungen machten und ich natürlich auf Englisch antwortete, musste Carl einschreiten und uns beiden das Wort abschneiden, um erst einmal alles für die nicht Englisch sprechenden Teilnehmer zu übersetzen. Es kam sogar vor, dass er mir eine Frage übersetzte, die er nicht einmal auf Deutsch verstanden hatte und folglich auch nicht in seiner eigenen wörtlichen Übersetzung verstand. Kein Wunder, dass ihm manchmal der Schädel brummte. Aber ich denke, ich muss das nicht weiter ausführen. Sie verstehen schon, oder?

Liebe im Pelzmantel Köln

Wo immer es geht, reise ich mit der Bahn. Man muss einen Zug nicht selber steuern, das unterscheidet ihn vom Auto. Ein Zug gerät nicht plötzlich in Turbulenzen, das unterscheidet ihn vom Flugzeug. So empfing mich denn mein deutscher Verleger Carl eines sonnigen Freitagnachmittags am Kölner Hauptbahnhof und verfrachtete mich sofort per Taxi in mein Hotel. Dort packte er ein winziges Aufnahmegerät aus, um mit größter Konzentration und, wie mir schien, erheblicher Ratlosigkeit die Gebrauchsanleitung zu studieren. Für ihn ging es bei dieser Tour in der Hauptsache darum, meine Vorträge und die anschließenden Gespräche zu einem weiteren Buch zu verarbeiten, und das hing nun alles am Funktionieren dieses Apparätchens sowie an Carls Fähigkeit, es richtig zu bedienen.

Ein paar Stunden später saßen Carl und ich im Nebenraum eines ansprechenden Ladens (nebst Therapiezentrum), in dem man Bücher, Engelkarten, kleinen Buddha-Zierrat, Kristalle und Räucherwerk kaufen kann. Zwischen uns auf dem Tisch das etwas windig wirkende Aufnahmegerät. Es war gleich klar, dass Laden und Zentrum eher aus Liebe zur Sache als mit Gewinnerwartungen betrieben wurden. Der kleine Nebenraum füllte sich bereits, und man musste die große Buddhastatue in der Ecke mit der gebührenden Ehrerbietung nach nebenan in den Behandlungsraum tragen, damit mehr atmende Lebewesen untergebracht werden konnten. Ich würde hier mit kenntnisreichen und wissbegierigen Leuten sprechen, darunter auch die liebenswürdige Inhaberin des Ladens und ein paar junge Männer, die auf dem Gebiet der spirituellen Philosophie sehr bewandert wirkten. Eine weitere Teilnehmerin war, wie sich schnell herausstellte, zutiefst verstört. Sie wirkte unglücklich und zugleich sehr erbost.

Freitagabend

Wenn ich jetzt hier so sitze, kommt mir der Gedanke, dass ich der Einzige in diesem Raum bin, der nicht weiß, um was es hier geht. Es fühlt sich für mich ganz richtig an.

Ich erinnere mich noch an die Zeit, in der ich mir eingebildet habe, ich wüsste eine Menge, aber jetzt weiß ich nur noch sehr wenig, und es wird mit der Zeit sogar noch weniger. Ich hoffe, dass einmal der Punkt kommt, wo ich gar nichts mehr weiß.

Übrigens haben Carl und ich noch nie in dieser Weise zusammengearbeitet. Das ist also heute Abend ein großes Experiment.

Ist das nicht ein hübscher Raum hier? So schön, so eine gute Energie.

(Eine Stimme, scherzhaft:) Vielleicht sollten wir den Buddha wieder reinholen.

Ja, das könnten wir, aber vielleicht wollt ihr dann alle euer Geld zurück.

Vielleicht seid ihr hergekommen, um mich über irgendetwas reden zu hören, aber was mich angeht, ich bin hier, um über nichts zu reden. Ich meine das ganz wörtlich. Ich werde über nichts reden, über das Nicht-Ding, aus dem alles kommt. Wenn die Person nicht da ist, wenn das Ich nicht da ist, das ist der Gedanke, den ich euch nahebringen möchte, dann zeigt sich deutlich, dass alles aus nichts hervorgeht.

Es ist ja eigentlich rätselhaft, weshalb das nicht auf der Hand liegt, solange die Person vorhanden ist, aber es gibt dafür einen simplen Grund: Die Person verstellt den Blick auf nichts. Die Person wirkt so massiv und verstellt den Blick so gründlich, dass nichts keinen Fuß in die Tür bekommt. Es bekommt nicht die Chance, gesehen zu werden.

(Zu Carl:) Das ist wirklich ein interessantes Experiment für mich. (Lacht in sich hinein) Ich habe ein sehr schlechtes Gedächtnis, und jetzt merke ich, wenn ich versuche einen Satz zu Ende zu bringen, dass ich mich nicht mehr an den Anfang erinnere. Dieser Stop-and-go-Betrieb aufgrund der Übersetzungen, daran muss ich mich wirklich erst gewöhnen.

Also, ich rede jetzt ein bisschen, und dann kann man fragen und diskutieren. Natürlich könnt ihr mich auch zwischendurch jederzeit unterbrechen, wenn ihr Fragen oder Anmerkungen oder Einwände habt.

Machen wir also weiter mit nichts und alles, dem Nichts, aus dem alles hervorgeht, und dem Alles, das aus nichts hervorgeht. An dieser Stelle wird gern die Metapher vom Meer und den Wellen angeführt, um das Gemeinte zu verdeutlichen. Sicher ist diese Metapher den meisten von euch geläufig. Die Wellen stehen für alles, was im Alltag der Person vor sich geht, sie repräsentieren den Stoff unserer täglichen Erfahrung. Da kann es, wie jeder weiß, mitunter ziemlich dick kommen, die Wellen werfen uns hin und her. Das Meer steht für das Eine, die Stille, das Unbewegte, aus dem alles kommt. Solange uns die Wellen so sehr in Anspruch nehmen, dass es außer ihnen überhaupt nichts zu geben scheint, haben wir keinerlei Aussicht, das Meer als solches wahrzunehmen. Wir wissen natürlich, dass die Wellen einfach Meer sind, dass zwischen ihnen und dem Meer kein Unterschied besteht. Wir könnten sagen, die Wellen (engl. waves) sind das Meer, wenn es winkt (engl. the ocean waving). Sie sind das Meer, wenn es »Hi« sagt.

(Carl, lachend:) Das sind im Deutschen zwei verschiedene Wörter. Man »wellt« nicht zum Gruß.

(Lacht ebenfalls) Oh, haben wir schon ein Übersetzungsproblem?

(Carl, immer noch lachend:) Ja, wir haben ein Problem. Okay, das Experiment ist gescheitert.

Dann will ich es mit einem anderen Vergleich probieren. Stellt euch vor, ihr sitzt in einem kleinen Boot auf dem Meer. Die Wellen schaukeln euch auf und ab, wie es ja das Leben auch tut, und da ist es einfach nicht möglich, die Stille der Tiefe zu erfahren. Im Normalfall bemerkt man nur die Wellen. So ist das Leben für die meisten von uns überwiegend. Es ist der Trennungszustand, in dem fast alle leben.

Dieser Zustand des Getrenntseins setzt nicht unmittelbar nach unserer Geburt ein. Wir sind Einheit, wenn wir geboren werden, es besteht keinerlei Erfahrung von Zweiheit oder Getrenntheit. Nach einiger Zeit setzt dann das Selbstbewusstsein und damit ein Gefühl von Trennung ein. Sie entstehen zusammen, wir sind da noch sehr klein.

In gewissem Sinne sind Selbstbewusstsein und das Gefühl des Getrenntseins dasselbe. Überlegt mal, was Selbstbewusstsein ist. Es bedeutet, dass ich mir meiner selbst bewusst werde, und von da an sehe ich mich als verschieden und getrennt von Mama, Papa, Bruder, Schwester, von allen und allem in meinem Umfeld.

Wenn die Trennung vollzogen ist, bin ich auf dem Weg in dieses große Abenteuer namens »eine Person sein«. Alle Erwachsenen, all die großen Leute ringsum, tun sich zusammen, um mir in diesem großen Abenteuer des Getrenntseins, an das sie ja ebenfalls glauben, beizustehen. Sie sehen sich selbst als gesonderte Einzelwesen und sehen es als ihre Pflicht an, mich ebenfalls mit allem dafür Notwendigen auszustatten. Sie sind wirklich hilfsbereit, machen mir Geschenke, die sie als wichtig und nützlich ansehen, zum Beispiel Verantwortungsbewusstsein, Pflichtgefühl, Moral, eventuell eine Religion und schließlich ein paar Regeln, mit denen ich es beim Geschäft des Lebens zu etwas bringen kann. Sie sind wie die Feen, die zu Dornröschens Taufe kommen und deren Geschenke nicht alle von der erfreulichen Art sind.

Eine Person zu sein ist eine zweischneidige Sache. Es kann Spaß machen, es kann spannend sein, und es kann richtig wehtun.

Wenn ich erst einmal glaube, ich sei ein Individuum, fühle ich mich von der Welt getrennt und natürlich auch angreifbar und ungeschützt. Sicher bin ich mit einer langen Liste von Anweisungen versehen worden, nach denen ich ein erfolgreiches, wenn nicht gar ein glückliches Individuum werden kann – nur deutet alles darauf hin, dass es niemandem vor mir je gelungen ist.

Jeder weiß, was diese Anweisungen beinhalten. »Bitte sehr, Richard, hier bist du nun, und du bist ein Individuum. Sieh zu, dass du eine Ausbildung bekommst, dann einen Job und eine Beziehung. Anschließend Kinder, und dann schaffst du dir einen dicken Wagen an.« Da wir in Deutschland sind, will ich einen Mercedes haben.

(Zwischenruf:) Wir stehen mehr auf Bentleys.

Ein Bentley! Zieh dir einen Bentley an Land, und du bist wirklich erfolgreich.

Sobald ich ein Individuum bin, habe ich auch mit Unzufriedenheit zu kämpfen, und da ist es natürlich Honig in meinen Ohren, wenn man mir Erfolg in Aussicht stellt.

(Bemerkt Carls ratlose Miene. Wie sich später herausstellt, hat Richard diese klebrige Metapher gerade unwissentlich erfunden und bringt Carl damit in Übersetzungsnöte. ) »Honig in meinen Ohren« haut nicht hin?

(Carl ringt noch mit der Materie.) »Honig in meinen Ohren« klingt ein bisschen abwegig. Wir haben den Ausdruck »Musik in meinen Ohren«, aber Honig ist vielleicht auch nett …

Bleiben wir einfach bei Honig – mir kommt allerdings der Verdacht, dass ich das Bild eben erst erfunden haben könnte.

Eine Person sein, ein Individuum sein, das ist zwangsläufig mit einem Gefühl des Ungenügens verbunden. Wenn ein Gefühl von Getrenntsein aufkommt, ist das hier (deutet mit ausladender Geste das Gewöhnliche und Alltägliche ringsum an) nicht mehr genug. Wenn wir einen Monat alt sind, ist es genug; und wenn die Person wegfällt, ist es plötzlich auch wieder genug.

Das ist es eigentlich schon. Mehr habe ich nicht zu sagen. Wir könnten jetzt auch nach Hause gehen.

Das ist der Kern dessen, worum es bei unserem Treffen geht. Das Wegfallen der Person ist die Rückkehr ins Paradies, weil das hier (wieder die Geste) als vollständig ausreichend gesehen wird. Es wird gesehen, dass in dem hier nichts fehlt, wie könnte es dann etwas anderes als das Paradies sein?

Das Trennungsgefühl, zu dem es schon so früh kommt, ist die Vertreibung aus dem Paradies. Das meint der biblische Schöpfungsbericht, und das meinen auch andere Schöpfungsmythen. Das keimende Selbstbewusstsein trennt uns von der Einheit, und dann ist das hier, Dies, nicht mehr genug. Wir brauchen dann Dies und dazu einen Bentley oder Dies und dazu eine bessere Beziehung oder einen besseren Job, mehr Geld, ein größeres Haus. Wir brauchen Dies mit einer Kirsche obendrauf.

Mit dem Wort »Befreiung« meine ich nichts weiter als die Rückkehr ins Paradies, und dazu kommt es, wenn das Gefühl, eine gesonderte Person zu sein, verschwindet. Und bei der Rückkehr ins Paradies fällt auf, dass das hier genug ist. Da muss nichts mehr hinzugefügt werden, es ist bereits das gelobte Land. Das hier ist bereits das, wonach wir alle suchen.

Wirklich, so einfach ist es.

Was machen wir dann hier? Wonach suchen wir hier? Dies (deutet mit der Hand das ganze Zimmer an), dies (zeigt auf die Wand) und dies (umarmt den Raum um sich) ist das gelobte Land. Das hier ist bereits das Faszinierende, die sagenhafte Vollkommenheit, hinter der wir her zu sein glauben. Wenn wir es nicht sehen, dann nur deshalb, weil wir eben danach suchen und weil wir selbst im Weg sind.

Es liegt doch sicher auf der Hand: Solange wir suchen, kann uns nicht auffallen, dass das hier bereits das Gesuchte ist – eben weil wir suchen. Suchen heißt, dass wir anderswo danach Ausschau halten, und wie könnten wir dann sehen, dass es Dies ist?

Seht mal. (Nimmt eine Blume aus der Vase und streicht darüber) Ist sie nicht schön? Was könnten wir dieser Blume durch Suchen hinzufügen? Sie ist so, wie sie ist, vollkommen. Wir sehen die Vollkommenheit nicht, weil wir glauben, dass »ich« eine Person bin, die irgendwie für diese schreckliche Last namens »mein Leben« verantwortlich ist.

Kürzlich habe ich eine E-Mail von einer Frau in Amsterdam bekommen, die mit Begeisterung von ihrem Erkennen der Hoffnungslosigkeit schrieb. Es leuchtet sicher nicht ohne Weiteres ein, wie man von Hoffnungslosigkeit begeistert sein kann, aber ich möchte euch den Gedanken nahebringen, dass Hoffnung eine furchtbare Last ist. Hoffnung und Unzufriedenheit sind die beiden Seiten derselben Medaille. Sie begleiten uns ein Leben lang Hand in Hand. Unzufriedenheit schürt Hoffnung, Hoffnung mündet fast immer in Unzufriedenheit. Diese Frau erzählte, wie sehr das Erkennen der Hoffnungslosigkeit sie erleichterte. Wenn wir zu unserer Hoffnungslosigkeit gefunden haben, kann wirklich viel von dem, was wir durchs Leben schleppen, von uns abfallen (zur Demonstration ein tiefer Seufzer der Erleichterung).

Aber sie kann das nicht selber machen? Sie kann diese Erleichterung nicht selbst herbeiführen?

Nein, das kann sie nicht. Das ist an dieser ganzen Sache so besonders frustrierend.

Viele wollen von mir etwas empfohlen haben, aber ich habe nichts zu empfehlen. Außerdem brauche ich gar nichts zu empfehlen, denn wie ihr wisst, stehen Hunderte von Lehrern und Gurus bereit, die euch nur allzu gern mit Empfehlungen versorgen. Ihr braucht sicher nicht noch einen, der hier sitzt und Empfehlungen gibt.

Aber wenn ich was zu empfehlen hätte, würde ich sagen: Entspannt euch. Nur leider, du hast es selbst gerade gesagt, kann die Person das nicht tun.

(Eine Teilnehmerin äußert sich sehr ausführlich auf Deutsch. Carl fragt sie:) Soll ich versuchen, das zusammenzufassen?

Das ist wirklich eine komische Sache (lacht). Bei meinen Meetings in England habe ich oft das Gefühl, dass ich eigentlich nicht weiß, was los ist. Das Gefühl ist hier noch stärker.

(Carl:) Also, ich versuch’s mal. Fast alle Menschen plagen sich mit Angst herum. Wenn du sagst, dass Entspannung empfohlen werden kann, muss man wohl annehmen, dass Entspannung auf dem Weg zur Erlösung eine Hilfe ist. Auch Meditation sollte angstmindernd wirken und uns helfen weiterzugehen, bis wir da sind. (Lachen bei einigen, denen offenbar allmählich aufgeht, wovon Richard spricht.)

Wo? Was für eine Erlösung? Es gibt keine Erlösung. Ich weiß ja nicht, was du unter Erlösung verstehst, aber manche sehen Erlösung als den Bentley der spirituellen Künste.

(Die Teilnehmerin versucht zu erklären, was sie meint:) Wenn ich meditiere, komme ich manchmal in einen Bewusstseinszustand, wo ich mich befreit fühle, und dann meine ich, dass ich einen Geschmack davon bekomme.

Aber Befreiung ist kein Zustand. Sie ist nichts, was »ich« je fühlen könnte. Freiheit, könnten wir auch sagen, ist das, was bleibt, wenn ich nicht mehr da bin. Wir könnten auch sagen, dass alles sowieso immer Freiheit ist, ob ich da bin oder nicht.

Allerdings habe ich auch eine Meditationsgeschichte, eine lange sogar. Meditation kann allerlei wunderbare Erfahrungen mit sich bringen. Ich würde sogar sagen, sie kann für manche Menschen enorm hilfreich sein, wenn es darum geht, psychische und seelische Probleme zu lösen. Für mich als Person war es so.

Ich kenne auch Leute, denen Meditation zuwider ist, sie hatten nie den Eindruck, dass Meditation ihnen etwas bringt. Aber wir mögen meditieren oder nicht und die Erfahrungen mögen tief sein oder nicht, das hat trotzdem alles nichts mit dem zu tun, worum es hier heute Abend geht. Es hat nichts mit dem Verschwinden der Person zu tun. Beim Meditieren kann die Person wegfallen oder eben nicht. Wir können nicht meditieren, und die Person kann trotzdem wegfallen oder auch nicht.

Was wir heute Abend besprechen, hat keinerlei Verbindungen zu all dem, was der Verstand über Ursachen und Wirkungen erzählt, oder zu irgendetwas von dem, was wir so unternehmen. Es geht einzig und allein um das Wegfallen des Gefühls, dass es ein Ich gibt. Das Ich-Gefühl ist von vornherein ein Irrtum und kann sich folglich nicht selbst zum Verschwinden bringen. Ein bloß vorgestelltes Ich kann unmöglich etwas Reales erkennen.

(Lacht plötzlich laut auf) Mir fällt eben auf, dass ich ja nicht weiß, ob Carl auch nur entfernt das wiedergibt, was ich hier sage. (Gelächter) Vielleicht erzählt er was über dialektischen Materialismus.

Dann ist also das, was du Befreiung nennst, im Endeffekt völlig unabhängig von allen Umständen. (Das sagt einer der eher philosophischen jungen Männer.)

Ja, das ist eine gute Formulierung. Ursache und Wirkung greifen hier nicht, aber der Verstand widersetzt sich diesem Gedanken erbittert. Er will ihn nicht und er mag ihn nicht, da er stets darauf aus ist, sich die Dinge zurechtzulegen; schließlich will er uns ja an ein Ziel führen, und da braucht er einfach das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung. Keine Frage, dass Ursache und Wirkung in weiten Bereichen des Lebens tatsächlich am Werk zu sein scheinen.

(Derselbe junge Mann:) Wenn die Person wegfällt, fühlt sich das so an wie ein Aufhören der Identifikation mit dem Körper? Trennung kommt doch daher, dass man sich im Körper eingesperrt fühlt.

Das Gefühl, eine Person zu sein, kann völlig wegfallen, und die Identifikation mit dem Körper ebenfalls. Danach setzt aber der Eindruck, eine gesonderte Person zu sein, häufig wieder ein, und dann haben wir eine tief enttäuschte und ziemlich ratlose Person, die nur weiß, dass etwas Grundlegendes passiert ist. Dann möchte man da wieder hin, aber es gibt rein gar nichts, was man unternehmen könnte.

Das vorübergehende Wegfallen der Person wird gern als »Erwachen« bezeichnet.

Später kann es wieder zu so einem Wegfallen und dann zum endgültigen Verschwinden der Person kommen. Auch danach fühlt man sich noch irgendwie in einem Körper, aber dieses Beengte, dieses für die Person typische Gefühl von Gefangensein, ist weg. Das Gefühl, in einem Körper zu sein, kann erhalten bleiben oder nicht, meist bleibt es in gewissem Umfang bestehen. Aber es ist nicht wichtig, es spielt keine Rolle.

Das zweite Verschwinden, nach dem die Person nicht zurückkehrt, wird meist »Befreiung« genannt. Es muss übrigens nicht genau so laufen. Es müssen nicht zwei bestimmte Ereignisse dieser Art sein. Es kann auch ein ganz allmähliches Hineinwachsen in das Sehen der Freiheit sein.

Du benutzt das Wort »Gott« nicht. Wir haben die Metapher von den Wellen und dem Meer und die Bootmetapher. Kannst du über diese Metaphern noch etwas sagen?

Wenn Freiheit gesehen wird, wenn die Person weggefallen ist, werden die Stille und das Schweigen der Tiefe nur zu deutlich. Das Bötchen des täglichen Lebens ist dann noch da und dümpelt mit den Wellen, aber zugleich sind die Stille und das Schweigen des Meeres sehr bewusst.

Das Boot ist noch da, das heißt, das Leben geht weiter. Alles ist in Betrieb, alles Mögliche passiert nach wie vor. Natürlich nur, wenn die Befreiung nicht mit dem Tod des Körpers zusammenfällt.

Warum sind wir aus der Einheit gefallen und haben uns in die Dualität verstrickt? Weshalb müssen wir leiden? Warum müssen wir das alles durchmachen, um dahin zu kommen, wohin wir wollen? (Es ist erkennbar eine wirklich bohrende Frage.)

Dazu muss ich mehrere Antworten geben. Erstens kommen wir nirgendwo hin und machen nichts durch.

Alle Fragen stellt der Verstand, aber Warum-Fragen fesseln ihn ganz besonders. Was passiert, das passiert einfach. Aber ich will doch noch ein bisschen mehr sagen, nur müsst ihr im Blick behalten, dass Warum-Fragen ihre Tücken haben.

Wir könnten sagen, dass das Eine, die Nicht-Dualität, das Nichts oder Nicht-Ding einfach Spaß an all den Sachen hat, die so passieren. In der Tradition des Advaita-Vedanta wird dafür manchmal das Wort »Lila« verwendet, das wir mit »Spiel« oder »Schauspiel« oder auch »Sport« übersetzen können. Wir lesen gern Romane und sehen uns Theaterstücke oder Filme an, und genauso hat das Eine sein Vergnügen an dieser Unterhaltung.

Das Eine ist verspielt. Das hier ist seine kosmische Kurzweil, das Spiel der Einheit.

Ich bin auf deine Frage nach dem Leiden nicht eingegangen. Möchtest du darauf zurückkommen? Formuliere die Frage noch einmal, wenn du möchtest.

(Lächelnd) Nein, das brauchen wir nicht.

(Lächelnd, vielleicht auch erleichtert, dass nicht über das Leiden geredet werden muss) Gut, dann lassen wir das mit dem Leiden erst einmal weg.

(Andere sind damit gar nicht einverstanden. Es ist ja auch ein Thema, das einiges hergibt. Jedenfalls heißt es jetzt:) Nein, wir müssen das ansprechen. Wir wissen nicht, was das für ein Gott ist, der das hier erträumt hat, aber Lila muss doch wohl ein sehr perverses Spiel sein …

Schon, ja.

… und der Gott, der es spielt, kann doch auch nicht ganz normal sein.

Also, ich habe Gott nicht ins Spiel gebracht.

Na ja, Gott, ich meine Bewusstsein, irgendeine Macht, die das hier spielt.

Eine Macht, die dieses Spiel spielt – das ist eine ziemlich dualistische Frage, oder? Was für eine Macht denn? Du spielst dieses Spiel. Dir muss man das alles anlasten. Aber vielleicht möchtest du das Thema »Leiden« ganz direkt ansprechen.

(Man berät sich und kommt zu dem Schluss, das Thema direkt anzugehen.)

Es führt sowieso zu nichts. Hat es noch nie. Aber versuchen wir es ruhig, auch wenn uns der Misserfolg sicher ist. (Mit leicht ironischem Unterton: ) Seit Jahrtausenden sucht der Mensch zu ergründen, ob es für seine Leiden einen Grund gibt oder nicht. Glaubt ihr wirklich, wir können all dem tiefen Denken heute Abend noch etwas hinzufügen?

Aber es ist natürlich wie bei so vielen anderen Dingen, der Verstand findet es völlig normal, Fragen über das Leiden zu stellen. Wie ich in diesem Buch hier schreibe, ein sehr empfehlenswertes Buch übrigens (hält zu allgemeinen Erheiterung sein eigenes Buch hoch), sind die vielen Fragen zum Thema »Leiden« im Grunde nur drei Fragen. Vielleicht sollte ich sagen, dass zumindest mir keine weitere einfällt. Aber vielleicht ist dies ja der Tag, an dem jemand auf eine vierte Frage kommt.

(Jemand wird ungeduldig, wohl in dem Verdacht, dass Richard um den heißen Brei herumredet:) Was sind denn nun diese drei Fragen?

(Der Ungeduld mit einem spitzbübischen Grinsen standhaltend: ) Vielleicht nenne ich sie, vielleicht auch nicht. Aber sie sind eigentlich sehr naheliegend. Ihr alle kennt sie, und der Verstand weiß auch sehr naheliegende Antworten.

Die erste Frage lautet: »Was kann ich gegen mein eigenes Leid unternehmen?« Wir haben schon ein paar Dinge angesprochen, die man tun kann, um Leiden zu lindern. Zum Beispiel haben wir über Meditation gesprochen. Keine Frage, es gibt eine Menge, was wir unternehmen können, um weniger zu leiden – wenn es denn das ist, worauf wir aus sind. Natürlich kommen wir damit nicht an die Grundursache unserer Leiden heran, und die ist ja das Gefühl, ein Ich zu sein.

Wir können meditieren, wir können uns Psychotherapie genehmigen, wir können uns mehr bewegen, wir können in unserer Ernährungsweise ein bisschen aufräumen.

(Plötzliches aufgeregtes Stimmengewirr. Carl fragt Richard:) Meinst du zu Hause aufräumen? Was hat das mit Ernährung zu tun?

Mit Ernährungsweise aufräumen meine ich: sich gesünder ernähren. Nichts von wegen Staubsaugen. (Johlendes Gelächter ringsum)

Man muss keinen Hochschulabschluss haben, um sich zu überlegen, was man tun kann, um das Leben etwas behaglicher zu machen und weniger zu leiden. Man kann doch nur staunen, wie viele Regale in wie vielen Buchläden unter all diesen Tonnen von Selbsthilfebüchern ächzen. Hier könnte doch sicher jeder sein eigenes Selbsthilfebuch schreiben. Wendet euch an meinen Verleger (deutet auf Carl). Er wird sie bestimmt für euch auf den Mark werfen. (Allgemeine Heiterkeit) Wenn das hier eine etwas andere Veranstaltung wäre, hätte jeder Stift und Papier dabei, und ich wette, wir könnten in ein paar Minuten ein Selbsthilfebuch auf die Beine stellen, das mit allen anderen mithalten kann, sogar mit Rennern wie The Secret.

Was könnte in unserem Buch nicht alles drinstehen! (Es folgt eine augenzwinkernde Aufstellung:) Tu etwas Selbstloses. Sei nett zu den Leuten. (Einige lachen.) Engagiere dich für irgendetwas, das gibt deinem Leben Sinn. Halte dich öfter irgendwo im Grünen auf – womit ich nicht meine, dass du dein Bad grün anstreichen sollst. (Anhaltendes Lachen) Wir wissen das alles intuitiv, und durch die Fortschritte der Neurowissenschaft ist es inzwischen auch wissenschaftlich belegt. »Wenn du dich besser fühlen möchtest, dann mach einen Spaziergang im Park« – das ist keineswegs abstrakt oder Wischiwaschi oder rosa Zuckerwatte. Wir wissen heute, dass durch den Spaziergang im Park andere Enzyme produziert werden, Endorphine werden ausgeschüttert, und die Hirnstromkurven wechseln zu einem gesünderen Muster.

Damit haben wir aber erst eine unserer drei Fragen abgearbeitet: »Was kann ich gegen mein eigenes Leid unternehmen? « Zwei haben wir noch vor uns.

(Jemand ist offenbar unsicher, wie ernst das zu nehmen ist:) Du meinst das irgendwie schon ernst, aber irgendwie auch unernst, stimmt das?

Was meine ich ernst?

Was du eben erzählt hast, was man tun kann, im Park spazieren gehen und so.

Doch, das meine ich ernst. Probiert es auch. Oder legt euch ein Haustier zu, da ist die Wirkung ganz ähnlich. Es wirkt sich nachweislich auf die Hirnstrommuster aus. Warum leben denn Leute, die Haustiere haben, im Durchschnitt länger? Ein anderes Lebewesen zu versorgen, das tut dir gut. Außerdem: Katzen beruhigen und Hunde sorgen für Bewegung.

Unsere zweite Frage zum Thema »Leiden« lautet: »Wie kann ich die Leiden anderer lindern?« Ich gebe euch diesmal nicht einmal eine Hauptvorschlagsliste, weil es ja alles so offensichtlich ist. Wer die Leiden anderen lindern möchte, kann wirklich eine ganze Menge tun. Es sind sehr einfache Sachen dabei, mit denen ihr gleich heute Abend anfangen könntet.

Unsere dritte Frage, und hier wird es jetzt richtig verzwickt, lautet: »Worin liegt der Sinn des Leidens?« Keine andere Frage gibt mehr Anlass zum Verfassen philosophischer und religiöser Werke. Wenn der Verstand das für eine vernünftige und sinnvolle Frage hält und auf einer befriedigenden Antwort besteht, was liegt dann näher, als eine Religion oder eine der vielen spirituellem Storys zu wählen? Man hat hier wirklich die große Auswahl, wenn ich auch glaube, dass sie unter ihrer scheinbaren Vielschichtigkeit eigentlich alle sehr einfach sind.

Religionen und spirituelle Traditionen liefern im Grunde nur zwei Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Leidens. Die eine lautet, dass Gottes Wege unergründlich sind und wir seine Motive nicht kennen können. Man fragt besser gar nicht erst nach den Motiven. An solche Deutungen schließt sich oft auch noch der Gedanke an, dass es uns aus irgendeinem Grund gut tut zu leiden.

Zur zweiten Deutung des Leidens gehört die Karma-Story. Hier steht im Zentrum der Gedanke, dass wir selbst die Ursache unserer Leiden sind, die uns als eine Art Vergeltung ereilen oder eine Lernerfahrung darstellen.

Je nach Temperament werden wir einer dieser beiden Deutungen, einer dieser uralten Geschichten zuneigen. Und ich versuche euch heute Abend nahezulegen, dass es möglich sein könnte zu erkennen, dass es sich einfach um Geschichten handelt.

Hier sitzen wir. Das hier ist es. Das ist bekannt (klopft auf den Tisch), das ist bekannt (berührt die Wand). Das hier ist auch bekannt (nimmt wieder die Blume). Alles Übrige ist reine Spekulation.

(Zwischenruf:) Nicht so viel mit der Blume fummeln! Sie ist empfindlich.

Und das ist auch bekannt (stellt die Blume in die Vase zurück).

Geschichten über Karma sind genau das, Geschichten, die wir uns in dem hier, im gegenwärtig Gegebenen, erzählen. Manchmal befriedigen solche Geschichten unseren Verstand. Aber bei dem, was ich hier erzähle, spielt es überhaupt keine Rolle, was der Kopf dazu sagt. Das hier, Dies, wird dem Verstand nie genügen. Wie sollte er auch mit nichts zufrieden sein? Euch ist vielleicht schon so manches Mal aufgefallen, dass der Verstand immer gewinnt, wenn es zwischen ihm und nichts zum Disput kommt.

Ich habe vorhin gesagt, dass ich früher eine Menge gewusst habe und jetzt viel weniger weiß und hoffentlich irgendwann gar nichts mehr weiß. (Pause wie in tiefen Gedanken) Es ist halb scherzhaft, aber zugleich auch ernst gemeint.

(Mit besonderer Betonung:) Storys mit Titeln wie »Ich leide wegen meines Karmas« oder wesentlich besser »Mein Feind wird wegen seines Karmas zu leiden haben« (bleibt im Gelächter der Zuhörer ernst) oder »Gott schickt mir Leiden, um mich zu prüfen« – das sind Proben dessen, was wir zu wissen glauben. Aber wenn die Person wegfällt, nimmt sie sämtliche Storys mit und setzt nichts anderes an ihre Stelle. Dann ist da, wo die Storys waren, Leere.

(Augenzwinkernd: ) Befreiung ist die Hölle. Man hat nichts davon. Sie nimmt einem nur diese Storys weg. Sie hinterlässt Freiheit, aber man könnte auch sagen Hölle. Jedenfalls herrscht totale Anarchie, wenn alle Storys verschwinden. (Süffisant:) Befreiung ist Anarchie in Reinkultur.

(Jemand hält eine Zeitschrift hoch:) Ich habe hier einen Artikel, von dir geschrieben.

Das Foto kommt mir bekannt vor. Was schreibe ich da? Hilf mir auf die Sprünge.

Nicht-Dualität, sagst du da, ist nichts anderes als das Göttliche.

Wie schön, dass ich das gesagt habe, denn natürlich, es gibt nichts anderes als das Göttliche. Alles ist gleich göttlich. Wenn alle Storys wegfallen, wie könnte dann irgendetwas göttlicher sein als irgendetwas anderes?

Wie könnte etwas göttlicher oder weniger göttlich sein als dieses Glas Wasser? Wie könnte etwas spiritueller oder weniger spirituell sein als irgendetwas sonst? Göttlich – weniger göttlich. Spirituell – weniger spirituell. Das ist Dualität. Das ist das Trennen. Es trennt in göttlich und nichtgöttlich, spirituell und nichtspirituell. Solche Begriffe können überhaupt nur in der Welt der Dualität etwas bedeuten.

(Provozierend:) In der Freiheit herrscht komplette Anarchie. Alle Glaubenssätze und Überzeugungen, alle Glaubenssätze, gleich ob spirituell oder nichtspirituell, werden hier zum Unsinn. »Ich sitze auf dem Meditationskissen, also bin ich spirituell.« »Ich sitze in der Kneipe, also bin ich nichtspirituell. « (Sehr engagiert und erstaunlich vehement für seine Verhältnisse:) Was für ein Blödsinn! (Aber das Folgende macht ihm sichtlich Spaß.) Es ist das Eine bei der Meditation. Es ist das Eine beim Biertrinken.

(Wieder ganz ernst:) Davon ist nichts ausgeschlossen. Sobald ihr etwas ausschließt, habt ihr Dualität. Dann habt ihr hier Einheit und da drüben etwas, das davon ausgeschlossen ist. (Wie gottergeben, dabei aber ganz gelöst:) Der Verstand kann sich keinen Reim darauf machen. Es wird immer etwas geben, was er nicht mag. Und wenn es nach ihm ginge, müsste das, was ihm nicht schmeckt, vom Einen ausgeschlossen bleiben.

Gehören demnach alle Storys, in die wir uns verwickeln, ebenfalls zu Einheit?

Ja, natürlich.

Ich versuche oft, aus der Geschichte auszusteigen oder eine bessere zu finden. Oder ich versuche eine bessere Story zu »manifestieren«, wie es in Bücher wie The Secret oder Bestellungen beim Universum empfohlen wird.

(Bleibt im allgemeinen Gelächter ernst) Dahin tendiert die Person ständig, weil sie ja, wie gesagt, mit dem hier nicht zufrieden ist. Ich will aber darauf hinaus, dass hier gar nichts geändert werden muss, denn wenn die Person nicht da ist, wird das hier als vollkommen gesehen. Woher sollte da ein Impuls kommen, die Nummer des kosmischen Bestellservice zu wählen?

Womit ich nicht klarkomme, ist dies: Wenn die Autoren dieser Bücher sagen, dass man bestellen muss, was man sich wünscht, dass man es manifestieren muss, dann muss das doch auch zum Einen gehören.

Aber ja. Es ist das Eine, das sich als Wahn von dieser oder jener Größenordnung äußert. Wahn ist genauso göttlich wie alles andere.

Wir sind alle erleuchtet, wir wissen es bloß nicht?

Ich würde nicht sagen, dass wir erleuchtet sind. Ich würde sagen, niemand ist erleuchtet. Eine erleuchtete Person, das gibt es nicht. Befreiung wird erst gesehen, wenn die Person nicht da ist.

Freiheit sehen, das ist völlig unpersönlich. Freiheit mag hier (deutet auf sich) gesehen werden, aber das hat nichts mit mir zu tun.

Wir bringen das Sehen der Freiheit gern mit der Person in Verbindung, die davon spricht. Dann suchen wir nach etwas Besonderem an dieser Person und sind natürlich irgendwann enttäuscht. Wenn wir meinen, Befreiung habe etwas mit der Person zu tun, die davon berichtet, werden wir zwangsläufig enttäuscht sein, sobald wir merken, dass es ein ganz normaler Mensch wie jeder andere ist.

(Ein Teilnehmer lässt nicht locker:) Aber du hast dreißig Jahre meditiert, und dann kamen zwei Ereignisse, und alles war anders …

Deshalb meinst du, es muss da Ursachen und Wirkungen geben. Aber diese dreißig Jahre Meditation sind nichts weiter als ein Gedanke. (Langsam und mit Nachdruck:) Es ist nur ein Gedanke. Das hier ist es. Dies ist das Ganze, und darin findet sich auch der Gedanke, dass dreißig Jahre Meditation stattgefunden haben.

Wenn du der Idee eines möglichen Zusammenhangs zwischen Meditation und Befreiung nachgehen möchtest, gibt es da ein paar Erhebungen zu dem, was die Leute vor dem Sehen der Befreiung gemacht haben. Und nichts deutet auf einen Kausalzusammenhang zwischen irgendwelchen bestimmten Aktivitäten und dem Sehen der Befreiung hin.

Es gibt ein Buch mit dem Titel Cosmic Conscious Revisited, das ein paar interessante Untersuchungen dokumentiert. Offenbar gibt es nichts, was zum Sehen der Freiheit verhilft, da magst du meditieren oder bei Sonnenaufgang in ehrfürchtigem Staunen auf einem Hügel stehen.

Was steht denn in dem Buch?

Es gibt ein Kapitel zu der Frage, was Leute gemacht hatten, bevor Befreiung gesehen wurde, und wie gesagt, es ist nicht zu erkennen, dass Meditation, Hügelstehen oder andere Dinge in der Biografie etwas mit dem Sehen der Befreiung zu tun haben.

Allerdings, wenn vorher meditiert wurde, könnte es sein, dass anschließend eine größere Neigung besteht, über Befreiung zu sprechen.

Also, bei Leuten, die darüber reden, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie meditiert oder etwas Vergleichbares gemacht haben. Wir wissen aber nicht, wie verbreitet dieses Sehen heute ist oder in der Vergangenheit war. Über lange Strecken der Geschichte hat man lieber nicht davon geredet, weil das leicht zu einem unerfreulichen vorzeitigen Ende führte.

Befreiung unterläuft und negiert die Macht und Stellung jeder Priesterschaft und ist deshalb bei den Religionen nicht gerade gern gesehen. Das Wissen darum wurde vielfach gewaltsam unterdrückt. Wer in früheren Zeiten nicht den Mund hielt, dem blühte die Anklage der Ketzerei und dann der Scheiterhaufen. Wir wissen von Leuten, die nicht geschwiegen haben und von der Priesterschaft ihrer Zeit verbrannt wurden.

(Hier fragt jetzt die verstört und verärgert wirkende Teilnehmerin mit besonderem Nachdruck:) Ist dein Bewusstsein kosmisches Bewusstsein?

(Bricht in lautes Gelächter aus) Nein, ist es nicht. Ich habe kein Bewusstsein. Du hast kein Bewusstsein. Da ist nur Bewusstsein.

Dann will ich meine Frage abändern. Was ist kosmisches Bewusstsein.

Da musst du schon den Autor selbst fragen. In meinem Buch steht der Ausdruck nicht. Ich gebe ihn nur wieder.

(Sie runzelt die Stirn, vielleicht weil nicht gleich eine für sie befriedigende Antwort kommt, und fährt sehr emotional, beinahe heftig fort:) Aber du hast ihn noch selbst gebraucht …