Wer gefährdet hier welche Gesundheiten? - Gina Atzeni - E-Book

Wer gefährdet hier welche Gesundheiten? E-Book

Gina Atzeni

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Beschreibung

Gina Atzeni führt in ihrem Aufsatz zum Kursbuch 175 anhand der Biographien von vier Medizinern vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute die Entwicklung des ärztlichen Selbstbildes aus. Diese Entwicklung macht deutlich: Heute vermittelt der Arzt dem autonomen Patienten "was bei aller Individualität und Selbstbestimmtheit noch im Bereich des Richtigen liegt."

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Seitenzahl: 21

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Gina Atzeni

Wer gefährdet hier welche Gesundheiten?

Das Selbstbild der Ärzte

»Ich weiß ja nicht genau, wie sich das im Einzelnen abspielen wird, wenn ich einmal zur großen Armee abberufen werde. Sicherlich ist da auch wieder ein Ankläger. Vielleicht wird er mir vorwerfen, ich hätte in großen Zügen gelebt und alles Kleine und jegliche Kleinlichkeit verachtet. Er wird bemängeln, dass die ›stille Gelehrtenstube‹ nicht ganz meine Art war. Den vielen Champagner, den ich getrunken, die vielen Frauen, in die ich mich verliebt habe, wird man mir vorrechnen. […] und er wird fragen: ›Wer eigentlich, meine arme Seele, sollte wohl für dich zeugen?‹ Ich bin ganz getrost, ich werde wieder antworten: ›Ich hoffe, daß zu meinen Gunsten die vielen Verwundeten und die vielen Kranken aussagen werden, denen ich geholfen und denen ich das Leben gerettet habe, mein lieber Ankläger.‹«

(Ferdinand von Sauerbruch, Das war mein Leben1)

Offensichtlich müssen gefährdete Gesundheiten nicht automatisch ein Problem sein. Aus der Sicht Ferdinand Sauerbruchs (1875 – 1951) haben sie durchaus etwas für sich. Gefährdete Gesundheiten oder gar gefährdetes Leben bieten ihm nicht nur die Arbeits- und Lebensgrundlage und einen gesellschaftlichen Status weit oben, sondern auch erst den Erzählanlass seiner ärztlichen Selbstdarstellung. Darüber hinaus können die »geretteten Leben« sogar mit einem Augenzwinkern einen nach Bürgermoral nicht ganz einwandfreien Lebenswandel hinsichtlich seiner Aussichten fürs Jenseits kompensieren. Ganz klar ist, dass es sich dabei um die Gesundheit und das Leben anderer handelt.

Im Vergleich mit dieser launigen Ausführung nimmt sich die jüngste Imagekampagne der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geradezu devot aus: »Ich arbeite für Ihr Leben gern«, bekennen die Gesichter der Kampagne, allesamt Ärzte verschiedener Fachrichtungen. Keine Spur mehr von der Selbstverständlichkeit, mit der Sauerbruch sogar noch vor dem höchsten Richter die überragende gesellschaftliche Bedeutung seines Berufs ins Feld führen konnte. Die Imagekampagne der KBV fordert nicht Milde beim »lieben Ankläger« ein, sondern buhlt ganz profan um die Gunst des Patienten, dem der Arzt wohl allzu oft als Gefährder von Gesundheiten und nicht als Retter in der Not erscheint. Die FAS titelt dazu: »Ärzte-Kampagne. Der Herr Doktor hat keinen, der ihn mag«2. Schärfer und treffender kann man den Kontrast zum großen Ego eines Ferdinand Sauerbruch wohl kaum zeichnen.

Opfer der eigenen Erfolgsstory?