Wer mordet schon in der Kurpfalz? - Harald Schneider - E-Book

Wer mordet schon in der Kurpfalz? E-Book

Harald Schneider

3,9

Beschreibung

Sie denken, die Kurpfalz wäre eine beschauliche Urlaubsregion, in der es neben gutem Essen, Wein und Bier jede Menge touristische Sehenswürdigkeiten gibt? Bis auf das »Beschaulich« mag das alles stimmen. Doch hinter den Kulissen gärt die Kriminalität, vielleicht noch intensiver als in anderen Regionen. Begeben Sie sich mit unserem Kommissar Reiner Palzki auf eine kriminelle Entdeckungstour quer durch die kurpfälzische Rheinebene. So haben Sie diese Region garantiert noch nicht kennengelernt ...

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Harald Schneider

Wer mordet schon in der Kurpfalz?

11 Krimis und 111 Freizeittipps

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2014 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung / E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © iStockphoto.com/nullplus

und © Sven Hoppe – Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-4452-4

Vorwort

Dem Auftrag der Programmleiterin des Gmeiner Verlags, Claudia Senghaas, einen kriminellen Freizeitplaner zu schreiben, bin ich gern gefolgt. Die Kombination aus Krimihandlung und informativen Freizeittipps finde ich genial. Die Kurpfalz ist voll mit Freizeitangeboten für alle nur erdenklichen Zielgruppen, von einem Mondflug vielleicht mal abgesehen. Obwohl ich mir auch da nicht so sicher bin.

Über die einzelnen Krimihandlungen der folgenden elf Geschichten habe ich mir zu Beginn keine Gedanken gemacht. Bei meiner ausufernden Fantasie waren die Exposés schnell erstellt. Doch einen Fehler galt es zu vermeiden: Claudia Senghaas drückte es auf einem Ihrer Fachvorträgen wie folgt aus: »Es reicht für einen Regionalkrimi nicht, einfach die Orte und die zurückgelegten Wege zu nennen. Vielmehr muss die Mentalität, das Besondere an dem in der jeweiligen Region lebenden Menschenschlag, herausgestellt werden.« Ein Einheimischer muss nach der Lektüre sagen können: »Alla Hopp, so sinn mer halt, die Kurpälzer.« Ein Auswärtiger muss dementsprechend sagen können: »Jo mei, die Pfälzer halt.«

Klischees in einem Regionalkrimi? Ja, natürlich, Klischees sind die Mutterpflanzen der Körnchen Wahrheit. Und wo haben überspitzte Darstellungen skurriler Personen und deren Taten eine bessere Plattform als in einem Palzki-Krimi? Sehen Sie!

Freuen Sie sich auf elf völlig unterschiedliche Geschichten. Nicht immer spielt unser beliebter Kommissar Reiner Palzki die Hauptrolle: Einmal erleben Sie einen Arbeitstag des Not-Notarztes Dr. Metzger und auch die Palzki-Kids Paul und Melanie jagen ein Gaunerpärchen. Letztgenannte Geschichte hat meine Tochter Larissa, obwohl mitten im Abi-Stress, zugesteuert. Zweimal ist auch Ihre erhöhte Aufmerksamkeit gefordert, da sich die Kurzkrimis am Ende als Ratekrimi entpuppen. Welche das sind? Das finden Sie beim Lesen bestimmt selbst heraus.

Bedanken möchte ich mich auch bei Steffen Boiselle und seinem Agiro-Verlag. Rheinpfalz-Leser unter Ihnen kennen ihn als Zeichner der 100%-PÄLZER!-Cartoons in den Sonntagsausgaben. Wir beide hoffen, dass Ihnen die auflockernden Zeichnungen aus Steffens Feder gefallen. Demnächst können Sie sich auch auf Weingläser mit Palzki-Motiven freuen.

Doch jetzt: Lesen Sie los. Schauen Sie in den literarischen Klischee-Spiegel der kurpfälzischen Bewohner.

Kapitel 1: Mörderischer Weitblick – Königstuhl

Es hätte so ein schöner Tag werden können.

Jeder weiß aus eigener Erfahrung, auf welche verrückten Ideen ein Vorgesetzter kommen kann. Unser Dienststellenleiter KPD, wie wir Klaus P. Diefenbach nannten, war zwar auch ohne Ideen verrückt, doch sein Vorschlag, einen Betriebsausflug nach Heidelberg zu unternehmen, setzte noch eins drauf. Grundsätzlich hatte ich nichts an einen schönen Tag in der Heidelberger Altstadt auszusetzen, wenn es sich wirklich um einen Ausflug gehandelt hätte: Aber KPD wollte nichts anderes, als seinem in die USA ausgewanderten Bruder, der zurzeit in good old germany weilte, einen vergnüglichen Tag bereiten. Ein knappes Dutzend Beamte, unter dem ich mich selbst befand, durfte Leibgarde für KPD und seinen Bruder spielen. Was wir im Vorfeld nicht wussten: Im Laufe des Tages entwickelte sich der Betriebsausflug anders als gedacht und zeigte uns wieder einmal in aller Deutlichkeit, dass es nicht nur linksrheinisch üble Gauner gab.

Während wir, das Fußvolk, mit der S-Bahn fahren mussten, steuerte das Diefenbachische Brüderpaar die Altstadt standesgemäß mit KPDs luxuriösen Dienstwagen an.

»Wo bleiben Sie denn so lang?«, schnatterte er mit arrogantem Blick auf seine goldene Armbanduhr, als wir den Treffpunkt Heiliggeistkirche erreichten. Es war sinnlos, unserem Chef zu erklären, dass wir vom Hauptbahnhof hierher gelaufen waren, weil sich niemand mit dem hiesigen Nahverkehrswesen auskannte und ein paar halbschlaue Kollegen die fußläufige Entfernung maximal unterschätzt hatten. Ohne eine Antwort zu geben, nahmen wir mit unseren letzten Kräften auf der Außenbestuhlung eines Cafés Platz. Mir qualmten die Socken, so viel wie heute war ich im gesamten letzten halben Jahr nicht gelaufen. Ohne auf das weitere Gelaber meines Chefs zu hören, zog ich meine Schuhe aus, was meine persönliche Situation geringfügig verbesserte. Innerlich verfluchte ich die zwei, drei Schleimkollegen, die den Rest der Mannschaft aufgrund KPDs Zeitvorgabe durch die Straßen hetzten.

Erst als KPD mich direkt ansprach, bemerkte ich, dass alle Kollegen ihren Sitzplatz wieder verlassen hatten.

»Das gilt auch für Sie, Herr Palzki!«, dröhnte die autoritäre Stimme KPDs. Er hatte wie üblich das Herr mit fünf ›r‹ ausgesprochen.

Da ich ihn verständnislos anstarrte, wiederholte er seine letzten Sätze. »Wir sind nicht im Dienst, Herr Palzki, ausruhen können Sie später. Jetzt gehen wir erst mal hoch zum Schloss.« Er zeigte Richtung Osten zur Ruine des Heidelberger Schlosses. »Und danach geht’s rauf auf den Königstuhl. Dort oben werden wir dann vielleicht eine kleine Rast einlegen.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, übernahm er gemeinsam mit seinem ewig vor sich hinlächelnden Bruder die Spitze unseres polizeilichen Wanderclubs.

Ich versuchte erfolglos, in meine Schuhe zu schlüpfen. Irgendwie mussten diese Dinger in den letzten Minuten eingegangen sein. Egal, ich beschloss, einfach sitzenzubleiben und der Rückkehr meiner Kollegen auszuharren.

»Ja, machen Sie endlich, Palzki!«, dröhnte es über den Platz. Eine japanische Touristengruppe mit führendem Sonnenschirm zuckte kollektiv zusammen.

Meinen Chef konnte ich ignorieren. Bei meinen Kollegen, die sich nun im Halbkreis aufstellten und mich gemeinsam wie eine Herde Cheerleader mit ›Go, Reiner, go!‹ anfeuerten, war es schwieriger. Ich beschloss, mich bei nächster Gelegenheit mit aller Härte zu revanchieren. Schwerfällig stand ich auf, und folgte auf Socken dem Rest des Betriebsausflugs.

Als ich zur Gruppe aufgeschlossen hatte, kaufte KPD an der Talstation gerade Tickets für die Bergbahn. Wenigstens etwas, dachte ich.

Unser Chef zeigte zur Seite. »Dort beginnt der Fußweg zum Schloss. Wir treffen uns in zehn Minuten vor dem Eingang«, sagte er und verschwand mit seinem Bruder in der Bergbahnstation.

Ein Murren ging durch meine Kollegen, zu einem handfesten Streik oder hilfsweise der Ermordung unseres Chefs konnten sie sich mehrheitlich nicht durchringen.

Ich hatte zwei Alternativen: Mit den anderen den Fußweg nach oben nehmen und dabei sterben oder aus eigener Kasse eine Fahrkarte lösen. Bei dem Gedanken, mit KPD zusammen in der Bahn zu sitzen, wählte ich eine dritte Alternative, die allerdings etwas kostspieliger war: Das Taxi kam wie gerufen. Manchmal musste man auch ein Quäntchen Glück haben.

Nachdem wir zweimal eine Neckarbrücke überquert hatten, wusste ich, warum der Taxifahrer mich zu Beginn der Fahrt fragte, ob ich das erste Mal in Heidelberg sei. Durch die versehentlich positive Beantwortung der Frage buchte ich, ohne es zunächst zu wissen, automatisch eine Stadtrundfahrt mit.

Es kam wie es kommen musste: Die Diefenbachbrüder und meine Kollegen standen wartend vor dem Schloss und glotzten auf das Taxi. KPDs Gesicht war rot wie eine Erdbeere.

»Das ich so etwas hinterhältiges als Dienststellenleiter der Schifferstadter Kriminalinspektion erleben muss!«, schrie er mir entgegen, als ich aus dem Taxi aussteigen wollte. Der Fahrer sah mich erschrocken an. »Alles Bullen in Zivil?«, fragte er zaghaft und begann leicht zu zittern. Ich sah ihn kurz an und wusste Bescheid. Allerdings war es mir im Moment egal, wie viele Dutzend Leichen er im Keller liegen hatte. »Ja«, antwortete ich und hatte einen Geistesblitz. Ich zog meine Visitenkarte aus der Hosentasche und überreichte sie dem nicht mehr so latenten Gauner: »Und der mit dem roten Kopf ist der Chef, Diefenbach heißt er. An ihn geht die Rechnung. Sie dürfen gern reichlich Trinkgeld draufschlagen.«

Sein Nicken zeigte mir den Erfolg meiner Bemühungen. KPD würde die Rechnung ungeprüft abzeichnen. Kleinkram interessierte ihn nicht.

Während mich KPD mit einer Schimpftirade abstrafte, zog ich meine Schuhe wieder an, was mir mit einem bisschen guten Willen gelang.

Unser Vorgesetzter ließ den Schlosseingang links liegen und marschierte zunächst in den Schlossgarten. »Ein kleiner Spaziergang wird uns nach der Fahrt gut tun«, meinte er zu seinem Bruder.

»Palzki«, flüsterte mir mein Chef plötzlich ins Ohr. »Wenn wir nachher ins Schloss reingehen wäre es mir sehr recht, wenn Sie sich etwas im Hintergrund halten würden. Ersparen Sie mir bitte weitere Peinlichkeiten. Ich weiß gar nicht, warum ich Sie überhaupt mitgenommen habe.«

Schade, dass sich keine Gelegenheit bot, meinen Vorgesetzten versehentlich eine Klippe hinunterzustürzen. Während der Polizistentross durch die weitläufige Gartenanlage schlenderte, setzte ich mich auf eine Sitzbank. Ich beobachtete aus der Ferne, wie KPD mit weitausholenden Gesten seinen Untergebenen den Garten erklärte, obwohl er von der Materie nur wenig mehr Ahnung hatte als ich.

»Na, haben Sie sich gut erholt?«, meinte er bissig, als sie eine knappe Stunde später zu mir kamen, um nun in das Schlossinnere zu gehen. Unser Chef kaufte tatsächlich Eintrittskarten für die komplette Mannschaft. Wahrscheinlich würde er die Kosten mit einer seiner zahlreichen Schwarzgeldkassen verrechnen.

KPD spielte den Führer und tat so, als hätte er das Schloss eigenhändig geplant und gebaut. Ohne ihn wäre das Schloss sicherlich eine Besichtigung Wert gewesen, doch mit seinen Kommentaren und bemüht witzigen Anekdoten entwickelte sich der Ausflug zu einer Farce. Selbst meine Kollegen hatten sich inzwischen geistig von dem Dienststellenleiter getrennt und hörten nicht mehr zu.

»Pharmazie ist eines meiner vielen Hobbys«, sagte er plötzlich, was mich aufhorchen ließ. »Das Apothekenmuseum im Untergeschoss des Ottheinrichsbaus ist ein Kleinod. Das müssen wir uns unbedingt anschauen.«

Bis eben war mir unbekannt, dass KPD außer ›Angeben‹ über weitere Hobbys verfügte.

»Ich warte so lang im Hof«, entgegnete ich. »Zuhause habe ich eine eigene Apotheke.« Dies war als Anspielung auf meine vier Kinder gedacht. Meine Frau Stefanie deckte sich für unseren Nachwuchs stets reichlich mit Medikamenten ein.

»Sie haben vorhin genug Pause gemacht, Palzki«, zerschmetterte er meine Hoffnung. »Der Besuch der Ausstellung ist im Eintrittspreis enthalten. Kommen Sie, auch Sie können noch etwas lernen.« Er überlegte einen Moment und ergänzte sarkastisch: »Wobei ich mir da nicht so sicher bin.«

Das Museum war klein aber fein. Alles war stimmig, ich fühlte mich in längst vergangene Tage zurückversetzt. Im Vergleich mit den heutigen Hygienebestimmungen waren die damaligen Verhältnisse im Gesundheitsgewerbe desaströs, aber man wusste es halt nicht besser. Erst Ignaz Semmelweis entwickelte im 19. Jahrhundert erste Hygienemethoden.

Verschlossene Türen machten mich schon als Kind neugierig, und genauso eine entdeckte ich in den Ausstellungsräumen. Mein innerer Instinkt sagte mir, dass es hinter dieser Tür etwas Interessantes zu entdecken gab. Während die anderen müde durch die Ausstellung schlurften, ging ich zu der Tür und öffnete sie leise einen Spaltbreit. Was ich sah, machte mich sofort stutzig: ein 1a eingerichtetes Drogenlabor. Ein Weißkittelträger, der mir den Rücken zuwandte, bemerkte mich nicht. Fatalerweise brüllte im gleichen Moment KPD durch das Museum.

»Palzki, was machen Sie da? Sie können doch nicht einfach fremde Türen öffnen!«

Doch auch bei ihm siegte die Neugier, er trat näher. »Was ist da überhaupt?«

Schwungvoll öffnete er die Tür komplett und trat ein. Längst hatte der Weißkittel die Situation erfasst. Behände sprang er über einen Stuhl. Da die Tür offensichtlich der einzige Zugang war, drängte er an KPD und mir vorbei. Mein Vorgesetzter hatte allerdings noch ein gerüttelt Maß an Bewegungsenergie, die sich in Richtung Labortisch entlud. Dort knallte er mit Schwung in einen Aufbau, den jeder so oder ähnlich aus dem Chemieunterricht kannte. Ein paar dampfende Reagenzgläser zerschellten auf dem Boden und eine leicht grünliche Wolke stieg auf. KPD hatte Glück, von einer Schramme auf der Stirn abgesehen, schien er unversehrt zu sein.

»Was ist das?«, stotterte er, als er sich von seinem ersten Schreck erholt hatte.

Ich muss zugeben, dass ich mit meinem nächsten Satz die Weichen für die nächsten Stunden falsch stellte. Hätte ich gesagt, dass dies die Spezialitätenküche des Schlossrestaurants ist und der Koch dringend auf die Toilette musste, hätte er mir das auch geglaubt. Da mir die guten Sachen meist erst später einfielen, beließ ich es bei der Wahrheit, was sich für mich rächen sollte.

»Das ist ein Drogenlabor, Herr Diefenbach, das sieht man doch.«

KPD glotzte mich begriffsstutzig an. »So sieht also ein Dro –, äh, natürlich weiß ich, wie ein Drogenlabor aussieht, Palzki. Für wie dämlich halten Sie mich?«

Manchmal ist es schwer, eine wahrheitsgemäße Antwort zu unterdrücken.

»Was machen wir jetzt?«, fragte ich stattdessen.

»Was machen wir jetzt?«, äffte er mir nach. »Die Verfolgung aufnehmen, aber schnell. Wir müssen die Hintermänner schnappen.«

KPD konnte tatsächlich rennen. Wahrscheinlich deswegen, weil er noch ziemlich ausgeruht war. Sein Bruder und meine Kollegen, die das Museum längst verlassen hatten, gafften uns an, als wir ihnen entgegenrannten.

»Uns nach«, schrie ich ihnen zu. »Wir müssen einen Drogenheini fangen.« Trotz beginnender Atemnot gelang es mir, eine detaillierte Personenbeschreibung durchzugeben. ›Weißer Kittel‹, das musste genügen.

Keine Minute später hatten wir durch unsere globale Befragungsmethode einen Besucher gefunden, der den Weißkittel zum Schloss-Ausgang rennen sah.

KPD war überzeugt davon, den Gauner zu schnappen. Wahrscheinlich nur, um seinem Bruder zu imponieren. Vielleicht aber auch, um den baden-württembergischen Behörden zu zeigen, was ein Schifferstadter Kripochef so alles drauf hatte.

Wir stürmten allesamt aus dem Schloss und erfuhren kurze Zeit später von einem weiteren Zeugen, dass der Gesuchte den Weg nach oben zum Königstuhl genommen hatte.

»Rennen Sie ihm hinterher«, befahl KPD in meine Richtung. »Sie haben ihn am besten gesehen und können ihn identifizieren. Wir folgen Ihnen mit der Bergbahn.«

Unter dem heftigen Lachen der anderen ging er mit ihnen und seinem Bruder in Richtung Bergbahnstation.

Ich wusste, was auf mich zukam: Von der Talstation bis zum Schloss waren es 400 Treppenstufen. Der Weg vom Schloss bis zum Königstuhl, dem man den aussagekräftigen Namen Himmelsleiter gegeben hatte, besaß weitere 1.200 Stufen und überwand 270 Höhenmeter. Normalerweise waren 270 Flachmeter für mich mehr als genug.

Ich schätzte, dass ich ungefähr 8 – 14 Tage benötigen würde, um oben lebend anzukommen. Erschwerend kam hinzu, dass die Treppe aus grob behauenen ungleichen Sandsteinen bestand. Während ich die ersten Stufen in Angriff nahm, erinnerte ich mich, welche tolle Zeit ich mit meiner Familie auf dem Königstuhl hatte. Wir waren allerdings immer mit dem Auto hochgefahren. Meine Kinder liebten, als sie noch kleiner waren, das Märchenparadies und wir wegen den moderaten Eintrittspreisen.

Auch die Falknerei hatten wir einmal besucht und den Waldlehrpfad begangen. Es gab sogar einen herrlichen Aussichtspunkt, an dem man bei schönem Wetter die komplette Rheinebene überblicken und bis zum Pfälzerwald schauen konnte. Ach ja, dann gab es noch die Landessternwarte mit dem Planetenweg, auf dem meine Kinder immer den weit entfernten Pluto suchten.

Kaum zu glauben, ich schaffte es. Nach unzähligen Pausen, vielleicht waren es sogar ein paar mehr, kam ich mit krebsrotem Gesicht klatschnass oben an. Meine Kniegelenke schmerzten, als hätte mir jemand Sparrennägel durchgetrieben. Meine Füße zitterten, als stünden sie unter Hochspannung. Meine Lunge bebte, als hätte mich jemand mit Pressluft geimpft. Ein paar zufällige Passanten blickten verwirrt, als sie mich stöhnend vorbeihumpeln sahen.

Ich musste nicht lange nach dem Rest der Schifferstadter suchen. Direkt vor dem Heidelberger Fernsehturm, einem von drei Türmen auf dem Königstuhl, stand eine ganze Armada an Polizeifahrzeugen. Sogar ein Wasserwerfer war darunter.

Mühsam schleppte ich mich die letzten Meter bis zu dem Fernsehturm, der bis 2002 eine Aussichtsplattform mit Restaurant besaß und noch früher sogar als Wasserturm diente.

Schauplatz der Aktion schien ein Nebengebäude zu sein. Just als ich ankam, wurden ein paar japanisch aussehende Männer in Handschellen abgeführt. Im gleichen Moment kam auch KPD aus dem Gebäude. Leider ohne Handschellen, wie ich enttäuscht feststellen musste.

»Ja, wo bleiben Sie denn!«, dröhnte er über den Vorplatz, dass sich sogar die Gefangenen ängstlich wegduckten.

»Immer muss ich als guter Chef alles allein machen. Ich wollte schon einen Bernhardiner losschicken, um Sie zu suchen, Palzki. Haben Sie unterwegs ein Nickerchen gemacht? Die Fahrt mit der Bergbahn hat doch nur wenige Minuten gedauert. Solange kann der Weg gar nicht sein.«

Meine Kollegen, die inzwischen ebenfalls erschienen waren, verkniffen sich das Lachen. Wahrscheinlich sah ich zu erbärmlich aus.

KPD zeigte auf die Festgenommenen. »Stellen Sie sich mal vor, Palzki. Diese Japaner waren dabei, die Heidelberger Altstadt aufzukaufen und in ein Drogenparadies zu verwandeln. In diesem Fernsehturm hatten sie ihr Hauptquartier. Was sagen Sie jetzt, Palzki?«

Ich sagte nichts. KPD erledigte noch ein paar Formalitäten, die darin bestanden, der immer größer werdenden Journalistenschar die Geschichte aus seiner Perspektive zu erzählen. Ich nahm nur vielfach die Wörter ›ich‹ und ›mein‹ wahr.

Mit einem Blick zur Uhr leitete er den Rückweg ein. »Wir müssen zurück. Mein Bruder und ich haben noch eine Verabredung zum Dinner. Herr Palzki, sie zeigen Ihren Kollegen den Weg nach unten. Zum Bahnhof finden Sie dann bestimmt auch.«

Mit diesen Worten verschwand er mit seinem Bruder in der Bergbahn.

Kapitel 1: 12 Tipps

1 Die Heidelberger Altstadt liegt am südlichen Neckarufer zwischen dem Fluss und dem Königstuhl.

http://www.heidelberg.de

2 Die Heiliggeistkirche ist die größte und sogleich die bedeutendste Kirche in Heidelberg. Im 14. Jahrhundert erbaut war sie als Grablege der pfälzischen Kurfürsten geplant. Bis 1936 war sie eine Simultankirche.

http://www.ekihd.de/gemeinden-heidelberg/Altstadtgemeinde.htm

3 Der Königstuhl ist mit knapp 600 Metern der höchste Berg des Kleinen Odenwalds und der Bergstraße.

http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigstuhl_%28Odenwald%29

4 Die Heidelberger Bergbahn besteht aus zwei Standseilbahnen. Die »Molkenkurbahn« führt vom Kornmarkt am Heidelberger Schloss vorbei zur Molkenkur. Dort geht es weiter mit der »Königstuhlbahn« zum Königstuhl.

http://www.bergbahn-heidelberg.de

5 Das Heidelberger Schloss ist eine der berühmtesten Ruinen Deutschlands. Der Ottheinrichsbau, gehört zu den bedeutendsten deutschen Bauwerken der Renaissance.

http://www.schloss-heidelberg.de

6 Das Deutsche Apotheken-Museum im Schloss zeigt Einblicke in die Geschichte der Pharmazie von der Antike bis zum 21. Jahrhundert.

7 Der Schlossgarten wurde im Auftrag des Kurfürsten Friedrich V. angelegt. Er galt zu seiner Zeit als einer der berühmtesten Gärten Europas.

http://de.wikipedia.org/wiki/Heidelberger_Schloss#Sonstige_Anlagen

8 Das Märchenparadies hat täglich von 10 – 17 Uhr geöffnet und ist nicht nur wegen der günstigen Eintrittspreise sehr begehrt. Adresse: Märchenparadies Heidelberg, Königstuhl 5a

http://www.maerchenparadies.de/

9 Über 1.200 Stufen geht die Himmelsleiter vom Heidelberger Schloss zum Gipfel des Königstuhles und überwindet 270 Höhenmeter. Erbaut wurde sie im 19. Jahrhundert von Bezirksförster Adam Laumann.

http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigstuhl_(Odenwald)

10 Die Falknerei auf dem Königstuhl zeigt Flugvorführungen bei jedem Wetter vom 1. April bis Ende Oktober. http://www.tinnunculus-heidelberg.de

11 Der Walderlebnispfad ist ein Themenweg, der für Kinder jeden Alters geeignet ist.

http://www.mamilade.de/baden-wuerttemberg/heidelberg/ausflugstipps/natur-abenteuer/walderlebnispfad-am-koenigstuhl-heidelberg

12 Auf dem Gelände der Landessternwarte befindet sich ein Planetenweg zur Veranschaulichung des Planetensystems.

http://www.lsw.uni-heidelberg.de/

Cartoon

Kapitel 2: Weck, Worscht, Woi un ä Riesefass – Bad Dürkheim

Es hätte so ein schöner Tag werden können.

Normalerweise ignorierte ich anonyme Schreiben und Anrufe. Wo kämen wir da hin, wenn ich jede anonyme Morddrohung, um genau solche handelte es sich gewöhnlich, für bare Münze nehmen würde. Doch dieses Mal machte ich eine Ausnahme. Der Anrufer drohte nicht mit meinem unplanmäßigen Ableben, sondern erwähnte, dass Jacques Bosco ihm persönlich empfohlen hatte, mit mir Kontakt aufzunehmen. Jacques, den Erfinder und vermutlich letzten Allgemeingelehrten der Menschheit kannte ich bereits als Kind. Ich muss zugeben, dass er mir in der letzten Zeit das eine oder andere Mal hilfreich beim Lösen von vertrackten Ermittlungsverfahren war, natürlich stets zufällig. Selbstverständlich fragte ich den anonymen Anrufer, warum er mir seine Identität nicht preisgeben wollte. »Mein Name tut nichts zur Sache«, war die lapidare Antwort.