What's your Story? - Petra Sammer - E-Book

What's your Story? E-Book

Petra Sammer

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Beschreibung

Ob Präsentation, Videobotschaft oder Teambesprechung: Kommunikation ist für Produktmanager, Teamleiter und Führungskräfte eine Schlüsselqualifikation. Denn die Anforderungen an die kommunikativen Fähigkeiten sind weiter gestiegen – durch die Reizüberflutung der Rezipienten, die Dynamik unternehmerischer Entwicklungen und agile Arbeitsformen. In ihrem neuen Buch demonstriert Storytelling-Expertin Petra Sammer, wie Sie mit überraschenden, emotionalen und einprägsamen Stories Ihre Mitarbeiter und Teams, B2B-Kunden und Stakeholder motivieren und überzeugen. Anschaulich bringt sie auf den Punkt, warum Stories so viel effektiver sind als eine ausschließlich faktenbasierte Kommunikation und wie Sie Storytelling zu Ihrem Führungsinstrument machen – wie gewohnt ganz praktisch und mit zahlreichen inspirierenden Beispielen. Storytelling als Führungsinstrument Warum Unternehmen und die moderne Arbeitswelt neue Kommunikationsformen brauchen Wie Geschichten wirken Fakten aus Neurowissenschaft und Kognitionspsychologie anschaulich aufbereitet Erzählen statt Präsentieren – Die pssst-Methode Erfolgreiches Storytelling im Überblick: von p wie passioniert bis t wie technisch Grundelemente einer guten Story Ob sinnstiftende Idee, Konflikt und Transformation oder Viralität – gute Geschichten zeichnen sich durch Elemente wie diese aus Bewährte Erzählmuster und moderne Strukturformen Struktur sichert die Aufmerksamkeit – mit tradierten Mustern wie Heldenreise, Phönix aus der Asche und Co. oder modernen Formen wie "in medias res" und Sparkline Signature Story Entwickeln Sie eine authentische Geschichte, die Ihre ganz persönliche Kernbotschaft transportiert Auf die richtige Technik kommt es an Bühnenauftritt und Körpersprache, PowerPoint-Folien oder Video – praktische Tipps rund um Ihren Auftritt

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What’s your Story?

Leadership Storytelling fürFührungskräfte, Projektverantwortlicheund alle, die etwas bewegen wollen

Petra Sammer

Petra Sammer

Lektorat: Ariane Hesse

Copy-Editing: Sibylle Feldmann, www.richtiger-text.de

Satz: III-satz, www.drei-satz.de

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Michael Oréal, www.oreal.de, unter Verwendung eines Fotos von © iStock, GlobalP

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print978-3-96009-083-0

PDF978-3-96010-321-9

ePub978-3-96010-322-6

mobi978-3-96010-323-3

1. Auflage 2019

Copyright © 2019 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Dieses Buch erscheint in Kooperation mit O’Reilly Media, Inc. unter dem Imprint »O’REILLY«. O’REILLY ist ein Markenzeichen und eine eingetragene Marke von O’Reilly Media, Inc. und wird mit Einwilligung des Eigentümers verwendet.

Hinweis:

Dieses Buch wurde auf PEFC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft gedruckt. Der Umwelt zuliebe verzichten wir zusätzlich auf die Einschweißfolie.

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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Inhalt

Vorwort

1Her mit den Geschichten – Einleitung

So kann es nicht weitergehen

Zu viel Information

Zu wenig Zeit

Zu wenig Konzentration

Zu komplex

Zu wenig Vertrauen

Geschichten sind doch keine Lösung, oder?

Auf keinen Fall zum Märchenonkel werden

Wenn rationale Kommunikation nicht ausreicht

Neue Arbeitswelt braucht neue Kommunikation

Lagerfeuer statt Hierarchie: Storytelling als Führungsinstrument

Narrativ statt Instruktion: Storytelling als Teambuilder

Erzählraum statt Fixpunkt: Storytelling als Navigationssystem

Warum Führungskräfte mehr Geschichten erzählen sollten

2Die Kraft der Story – Wie Geschichten wirken

Post-it fürs Gehirn

Das ganze Gehirn aktivieren

Bilder im Kopf produzieren

Erleben statt erzählen

Hereinspaziert in den Erlebnispark

Vorsicht: Memory Hacking

Ersatzdroge Storytelling

Aufgepasst!

Mit Vergnügen

Vollstes Vertrauen

Lasso für die Gedanken

Puzzleteile der Geschichte

Wir reimen uns was zusammen

Wir können nicht ohne

Leuchtfeuer und Lagerfeuer

You’ll never walk alone

Ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können

3Erzählen statt Präsentieren – Die pssst-Methode

pssst … ein offenes Geheimnis

p wie passioniert

s wie story

s wie strukturiert

s wie sinnlich

t wie technisch

4pssst … Werden Sie persönlich!

Was steht auf dem Spiel?

Von induktiver Logik zu kausaler Denke

Start with Why

Vier gewinnt

Make me care

Signature Story – Es geht um SIE

Die Großzügigkeit des Storytellers

Startpunkte Ihrer Signature Story

Weniger ist mehr

Tief oder weit

Die Schnittmenge erweitern

Ihr Publikum – Es geht um DIE

5pssst … Nutzen Sie die Kraft der Story!

Definieren Sie »Geschichte«

Anekdote – das eingeschobene Nesthäkchen

Parabel – Schnittmenge aus Erzähltem und Gemeintem

Metastory – Struktur und Leitgedanke

Erzählmuster

Die Heldenreise (»Hero’s Journey«)

Der Drachentöter (»Overcoming the Monster«)

Vom Tellerwäscher zum Millionär (»From Rags to Riches«)

Die Reifeprüfung (»The Quest«)

Phönix aus der Asche (»Rebirth«)

Reise und Wiederkehr (»Voyage and Return«)

Das Komödie (»Comedy«)

Die Tragödie (»Tragedy«)

Grundelemente einer guten Story

Sinnstiftende Idee

Held

Konflikt und Transformation

Emotion und Empathie

Viralität

6pssst … Kommen Sie auf den Punkt – mit Struktur!

Von Anfang bis Ende

Plot Point 1 – Hoffnungsschimmer

Plot Point 2 – Der Mentor tritt auf

Plot Point 3 – Neue Welten

Die Aufmerksamkeitskurve

Die Klassiker

Die Postmoderne

Emotionale Achterbahnen

Sparkline

Matroschka-Prinzip

Kaleidoskop

Rhetorische Überrumpelung

Falsche Fährte

In medias res

Immersion

Wie überraschend, der Schluss

7pssst … Werden Sie sinnlich!

Dem Glück auf der Spur – mit allen Sinnen

Gefühlsduselei? – Sehr gerne

Gänsehaut

Taschentücher raus!

Aus vollem Halse

Lernen – mit allen Sinnen

Die richtigen Worte finden

Laiensprache schlägt Fachsprache

Framing und Priming

Bilder im Kopf

Metaphern und Analogien

Narrative Bilder

8pssst … Auf die richtige Technik kommt es an!

Körpersprache: Bleiben Sie authentisch

Stimme: Worauf Sie achten sollten

Die Bühne: Sie gehört Ihnen

PowerPoint: Hinter Ihrem Rücken

Triple Delivery Problem

Simplifizierung

Entmenschlichung

Video: Mehr Bewegung ins Bild

Zu lang

Zu langweilig

No-Go: Was Sie als Storyteller auf keinen Fall tun sollten

Das Publikum ignorieren

Eine Geschichte erzählen, die gar keine Geschichte ist

Um Erlaubnis fragen

Ankündigen, dass man eine Geschichte erzählt

9Ausblick – Geschichten, die die Welt verändern

Gehör verschaffen – dringend

Wirkungsdimensionen des Storytellings

Gegenwind

Dem Heute einen Sinn geben

Die Zukunft erzählen

Kollektiver Pessimismus schlägt individuellen Optimismus

Von vorne erzählen

Literaturübersicht

Index

Vorwort

»Die Kunst, richtig miteinander zu kommunizieren, ist wie laufen lernen. Man fällt so oft auf die Nase, bis man liebevoll an der Hand genommen wird.«

– Wilma Eudenbach

Wenn ich nochmals am Anfang stünde und auswählen dürfte, was ich studiere, ich würde nicht Germanistik und Filmphilologie wählen. Obwohl ich Sprache und Geschichten liebe, so ist diese Wahl, die ich vor 30 Jahren gefällt habe, das Einzige, was ich bereue.

Wenn ich heute nochmals am Anfang stünde, ich würde eine Naturwissenschaft wählen. Ich würde Ingenieurin werden. Oder Physikerin oder Chemikerin. Denn Naturwissenschaftler sind es, die die Welt heute dringend braucht. Frauen und Männer mit einem kühlen Kopf, die die Probleme, die wir Menschen dieser Erde und uns selbst in den letzten Jahrhunderten bereitet haben, wieder in den Griff bekommen. Oder es zumindest versuchen.

Stattdessen wurde ich Geisteswissenschaftlerin und widmete mich dem Feld der Kommunikation. Mein Aufgabengebiet ist die Kreativität, nicht die Innovation. Und lange Zeit sah ich keinen wirklichen Nutzen meiner Arbeit für die Welt der Wissenschaft. Bis ich Neil DeGrasse Tyson traf.

Der Astrophysiker, der mit dafür verantwortlich war, dass Pluto heute nur mehr ein Asteroid ist und kein Planet, war zum Cannes Lions Festival, dem größten Kreativfestival der Welt, gekommen, auf dem ich in einer der Jurys dafür verantwortlich war, die kreativsten PR-Kampagnen zu küren.

Tyson ist ein begnadeter Redner, und obwohl sein Fachgebiet so weit ab von Marketing und Unternehmenskommunikation ist, gelang es ihm, dieses Publikum aus über 1.000 Werbern und Kommunikationsberatern für Physik zu begeistern.

An diesem Nachmittag im Hauptsaal des Palais des Festivals war ich fasziniert davon, mit welcher Kreativität und welchen Geschichten dieser Naturwissenschaftler ein Laienpublikum in seine Welt mitnehmen konnte.

Und obwohl ich mich in den vergangenen 30 Jahren ausführlich mit Kreativität beschäftigt hatte, lernte ich hier – von einem Physiker – was es heißt, kreativ zu sein:

»Creativity is the ability to see what everyone else sees. But put information and ideas together – in a way that no one has seen before, that adds to the value of what your goals are.«

– Neil deGrasse Tyson (Cannes-Lions-Interview)

Die Arbeit von Kreativen und Wissenschaftlern ist gar nicht so verschieden. Beide sind auf der Suche nach etwas »Neuem«. Bei beiden geht es um »Erkennen« und »Erkenntnisse«. Und beide sind aufgerufen zu »kombinieren«, was bisher noch niemand kombiniert hat.

Doch in einem unterscheiden sich die beiden Welten. Denn Neil deGrasse Tyson ist eine absolute Ausnahme. Kreative, Marketing- und Vertriebsmitarbeiter und Berater können in der Regel gut erzählen, Wissenschaftler können dies meist nicht.

Kreativität bekommt daher oft jede Menge Aufmerksamkeit, während sich wissenschaftliche Innovationen schwertun, Gehör zu finden.

Dieses Buch will beide Seiten zusammenbringen.

Wenn Sie Wissenschaftler sind, Manager, Teamleiter, Macher, dann hoffe ich, dass Ihnen dieses Buch hilft, ihre Erkenntnisse, Thesen und Innovationen zukünftig besser zu erzählen.

Wenn Sie Kommunikationsprofi sind, Werber, Pressesprecher, Berater, dann hoffe ich, dass Ihnen dieses Buch hilft, andere zu befähigen, bessere Geschichten zu erzählen. Denn genau das sollte unsere Pflicht und Aufgabe sein.

Es gibt so viel in dieser Welt, das es wert ist, erzählt zu werden. Oder wie Neil deGrasse Tyson es ausdrückt: »Take it all. Take it all, it’s all great source to tell stories.«

PS: Einen Großteil meiner Karriere habe ich in Kommunikationsagenturen verbracht – in einer Branche und in Unternehmen, die meist von Frauen dominiert waren. In dieser Zeit habe ich nie eine Benachteiligung aufgrund meines Geschlechts erfahren oder wurde gar diskriminiert. Mir ist sehr bewusst, dass dies ein Glückfall ist. Viele Frauen müssen auch heute noch dafür kämpfen, Anerkennung und gleichberechtigte Behandlung zu bekommen. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich aufgrund meiner Sozialisation und auch aus Gründen der besseren Lesbarkeit häufig auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichte. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.

KAPITEL 1

Her mit den Geschichten – Einleitung

In diesem Kapitel:

So kann es nicht weitergehenGeschichten sind doch keine Lösung, oder?Neue Arbeitswelt braucht neue Kommunikation

»Leaders need to be great storytellers.«

– Steve Denning

Ein Kommunikationskampf tobt – seit über 100 Jahren. Wissenschaftler, Politiker, Unternehmer und Visionäre versuchen unermüdlich, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Innovationen und neue Technologien ein Garant sind für Wohlstand und Fortschritt und nicht der Anfang vom Ende. Sie alle versuchen immer und immer wieder, Mitarbeiter, Kunden und Bürger mit den besten Argumenten zu überzeugen, und arbeiten sich doch vergeblich an einem zähen Vorurteil ab, das da heißt: »Früher war alles besser.«

Anfang 2018 versucht auch der großartige Autor und Journalist Wolf Lotter in einem Leitartikel der Zeitschrift Brand eins, überzeugende Worte zu finden, die für mehr Mut zur Innovation werben. Er holt sich dabei sogar Schützenhilfe von dem Politikwissenschaftler Johan Norberg und dem Philosophen Karl Popper:

»Der schwedische Autor Johan Norberg hat in seinem Buch ›Progress‹ die Entwicklung des Neuen in den vergangenen Jahrhunderten als ›Triumphzug der Humanität‹ bezeichnet. Innovation hat die Welt de facto besser gemacht. Wissen wir das noch? ›Wenn wir vergessen, dass es Fortschritt gibt, und übersehen, wie weit wir es gebracht haben, dann bringen wir alles in Gefahr‹, schreibt Norberg. Das ist wahr und ein guter Grund, eine Innovationskultur zu implementieren, bei der wir nicht nur wissen, wo es nach vorne geht, sondern auch, wie es vorher war. Das bedeutet nicht, dass wir die Zukunft aus der Vergangenheit ableiten. Im Sinne Karl Poppers braucht die offene Gesellschaft keine Vorlagen, keine Methoden, keine neuen Scheingewissheiten. Sie braucht mehr Selbstbewusstsein ihrer Betreiber, der Zivilgesellschaft und Bürger, die immer wieder herausfinden, was das Richtige ist. Das ist Innovation. Eine Verhandlungssache mit offenem Ausgang, immer wieder.«

Lotter bietet ein flammendes Plädoyer, bringt Fakten, Daten und schlüssige Beweise – vorgetragen in einer geschliffenen Sprache. Und doch werden die Worte ihrer Aufgabe nicht gerecht. Trotz logischer Argumentation und sachlicher Darstellung kommt es nach Lotters Essay nicht wirklich zu einer Aufbruchstimmung.

Wie so vielen Autoren, Rednern und Präsentatoren vor ihm gelingt es leider auch dem herausragenden Autor Wolf Lotter nicht, die Technologie-Skepsis der Öffentlichkeit aufzuweichen. Es scheint, als sei dieser Kampf für eine optimistische Innovationskultur unmöglich zu gewinnen.

Doch einem scheint es zu gelingen, er überzeugt sein Publikum vom Segen moderner Technologie.

Dieser Fürsprecher ist, wie Johan Norberg, Schwede, und es ist sicher kein Zufall, dass besonders den Skandinaviern Themen wie Offenheit und Innovationskultur am Herzen liegen.

Die Rede ist von Hans Rosling, Professor für Internationale Gesundheit, der 1948 in Uppsala geboren wurde und leider 2017 viel zu früh verstarb. Rosling lehrte am Karolinska Institutet bei Stockholm und war Geschäftsführer der Gapminder Stiftung, einer Stiftung, die zwei Themen miteinander verband, die Rosling am Herzen lagen: Datenvisualisierung und Storytelling.

Hans Rosling war ein begnadeter Geschichtenerzähler. Er verstand es, sein Publikum nicht nur zu informieren, sondern auch gleichsam zu unterhalten.

So holte er für seinen TED Talk 2010 eine echte Waschmaschine auf die Bühne und entführte sein Publikum in die Welt seiner Kindheit: in das Schweden der frühen 50er-Jahre. Zu dieser Zeit kam bei Familie Rosling erstmals eine elektrische Waschmaschine ins Haus. Bis dahin wurde die Wäsche von Großmutter und Mutter Rosling so gewaschen wie überall in Schweden und im Europa dieser Zeit: mit der Hand, mit kraft- und mühevollem Schrubben, Rubbeln, Kneten und Auswinden.

Der kleine Hans ist sofort fasziniert von der Maschine, mehr aber noch seine Großmutter. Die lässt es sich nicht nehmen, selbst die Trommel mit Schmutzwäsche zu befüllen, eigenhändig den Knopf zu drücken und den ersten Waschgang in Bewegung zu setzen. Oma Rosling zieht sich einen Stuhl heran, setzt sich vor das Auge der Waschmaschine und beobachtet den gesamten Waschgang bis zum Ende.

Rosling inszeniert auf der Bühne der TED-Konferenz diese kleine, berührende Szene aus seinem Elternhaus. Er setzt sich, wie seine Oma damals, auf einen kleinen Hocker vor die Waschmaschine und erzählt seine Beobachtungen. Er lässt seine Zuschauer teilhaben am Staunen seiner Großmutter, die diese Technologie für Zauberei hält – eine Technologie, die für uns heute selbstverständlich ist und deren Einzug in europäische Haushalte noch gar nicht so lange zurückliegt.

Mit dieser Anekdote aus dem Elternhaus in Uppsala beginnt Hans Rosling seinen Technik- und Innovationsvortrag. Und der überraschende Start, die kleine Geschichte, zieht das Publikum von Anfang an in den Bann, macht es neugierig, offen und gespannt auf die folgenden Ausführungen.

Erst jetzt steht Rosling von seinem kleinen Schemel vor der Waschmaschine auf und wechselt zu: PowerPoint.

Fast 95 Prozent aller Präsentationen weltweit werden mit dem Softwareprogramm »PowerPoint« erstellt, das Microsoft 1988 erstmals auch in Deutschland anbot. Rosling kommt um die Darstellung seiner Fakten und Daten in diesem Format ebenfalls nicht herum. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Präsentatoren, die ihre Zuhörer mit viel zu viel Text und abstrakt-logischen Argumenten überfordern, gelingt es Rosling, seine PowerPoint-Präsentation schlüssig mit einer Geschichte zu verbinden.

Jede Folie dient der Untermauerung seiner Gesamtaussage und seiner These, dass Technologien und Innovationen ein entscheidender Wohlstandsgarant für Gesellschaften und Individuen sind.

Am Ende seines Vortrags ist kein PowerPoint mehr notwendig. Rosling kehrt zu dem Schemel zurück, der immer noch vor der Waschmaschine in der Mitte der Bühne steht und an dem der Vortrag seinen Anfang nahm. Er kehrt damit nicht nur zum Ausgangspunkt seiner Präsentation zurück, sondern greift auch die Geschichte seiner Kindheit wieder auf. Denn die Familie Rosling bekam durch die erste elektrische Waschmaschine nicht nur einfach saubere Wäsche, sondern Großmutter und Mutter Rosling wurden durch die Maschine entlastet und bekamen durch die Automatisierung dieser Arbeit vor allem eines: Zeit. Zeit, die dem kleine Hans auf magische Weise zugutekam:

»My mother explained the magic with this machine the very, very first day. She said, ›Now Hans, we have loaded the laundry. The machine will make the work. And now we can go to the library.‹ Because this is the magic: you load the laundry, and what do you get out of the machine? You get books out of the machines, children's books. And mother got time to read for me.«

(»Meine Mutter erklärte den Zauber der Waschmaschine am allerersten Tag. Sie sagte: ›Jetzt, Hans, haben wir die Wäsche hineingetan; die Maschine wird die Arbeit machen. Und wir können jetzt in die Bücherei gehen.‹ Denn das ist der Zauber: Man füllt die Wäsche hinein, und was bekommt man aus der Maschine heraus? Du bekommst Bücher aus der Maschine heraus, Kinderbücher. Und meine Mutter bekam Zeit, mir vorzulesen.«

– Hans Rosling (Übersetzung Anja Lehmann/TED)

Mit diesen Worten öffnet Hans Rosling das Bullauge der Waschmaschine auf der Bühne und holt daraus die Bücher seiner Jugend hervor. Bücher, die ihm das Tor öffneten zu Sprache, zu Literatur und zu Bildung. Bücher, die sein Interesse, seine Neugierde und seinen Hunger nach mehr Wissen weckten. Bücher, die der Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn waren und ohne die er später nicht Professor geworden wäre.

»And what we said, my mother and me, ›Thank you industrialization. Thank you steel mill. Thank you power station. And thank you chemical processing industry that gave us time to read books.‹«

(»Und meine Mutter und ich haben gesagt: ›Danke Industrialisierung. Danke Stahlwerk. Danke Elektrizitätswerk. Und danke Chemie verarbeitende Industrie, die uns Zeit verschaffte, Bücher zu lesen.‹«

– Hans Rosling, Übersetzung Anja Lehmann/TED)

Hans Rosling nannte diesen Vortrag, der ihn zum Vorreiter einer konstruktiven Technologiediskussion machte und der gleichzeitig ein Lehrstück für die Kraft des Storytellings ist: »The magic washing machine«.

Videotipp

Hans Rosling und den Zauber der Waschmaschine finden Sie auf www.ted.com unter dem Stichwort »The magic washing machine«.

Tipp

TED-Konferenz: Unter dem Motto »Ideas worth spreading« präsentiert die TED-Konferenz (Technologie/Entertainment/Design) seit 1990 unterschiedliche Wissenschaftler, Visionäre und herausragende Persönlichkeiten. Seit 2002 kuratiert der Medienunternehmer Chris Anderson die Vortragsserie. Berühmtheit erlangten die Events vor allem durch die Website www.ted.com, auf der alle Vorträge in unterschiedlichen Sprachen abrufbar sind. Die Website ist eine hervorragende Inspirationsquelle für Storytelling in Präsentation und Rede. Die erfolgreichsten Reden finden Sie online unter dem Stichwort »The most popular TED Talks of all times«.

So kann es nicht weitergehen

Jede Rede, jedes Gespräch, jeder Vortrag dient der Überzeugung. Manager und Führungskräfte sind Meister in Sachen Überzeugungskraft. Ihr wichtigstes Handwerkszeug ist die Fähigkeit der Persuasion. Sie führen, indem sie ihr Gegenüber – Mitarbeiter, Teammitglieder, Vorgesetzte, Partner, Kunden und Meinungsbildner – über ihre Ziele, Ideen und Strategien informieren, indem sie begeistern und motivieren. Diese Überzeugungskraft ist heute so entscheidend wie seit den letzten 150 Jahren nicht mehr. Der Vergleich mit der Gründerzeit und der industriellen Revolution Mitte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts liegt nahe. Die Digitalisierung verändert heute die Arbeitswelt so umfassend wie damals Eisenbahn und Elektromotor – also das beginnende Maschinenzeitalter.

Techniken wie AI – künstliche Intelligenz – und Robotik ermöglichen heute schon Lösungen, die wir bis vor Kurzem nur aus Science-Fiction-Filmen kannten. Neue Unternehmen hinterfragen das Geschäftsmodell alteingesessener Konzerne, und junge Unternehmer verändern die Arbeitswelt durch disruptive Methoden der Start-up-Kultur.

Wie unsere Urururgroßeltern zur Gründerzeit vor über 150 Jahren stehen auch wir heute vor der entscheidenden Aufgabe, die Gesellschaft und jeden einzelnen Menschen an innovative Technologien, disruptive Ideen, neue Geschäftsmodelle und auch veränderte Arbeitsweisen und Gesellschaftsstrukturen heranzuführen. Wir leben in Zeiten der Veränderung, die von Managern und Mitarbeitern neue Fähigkeiten und Kompetenzen verlangen.

Die Arbeitssoziologin Constanze Kurz listet in ihrem Aufsatz »Innovation und Kompetenzen im Wandel industrieller Organisationsstrukturen« die Kompetenzfelder auf, die im Zeitalter von Industrie 4.0 entscheidend sein werden:

Fachliche Kompetenzen

: Dies betrifft alle tätigkeits- und kontextspezifischen Fähigkeiten, die zur Bewältigung einer Aufgabe notwendig sind.

Methodische Kompetenzen

: Darunter sind alle instrumentellen Fähigkeiten zu verstehen, die der Darstellung, Interpretation und Lösung von Arbeitsaufgaben dienen.

Personale Kompetenzen

wie Fähigkeiten zur Organisation, Kombination und Entscheidung, zum Umgang mit sich selbst und anderen.

Soziale Kompetenzen

wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten.

Kurz, die wie viele andere Wissenschaftler den Wandel der Arbeitswelt beobachtet und analysiert, betont vor allem die zunehmende Bedeutung von Interaktions- und Kommunikationskompetenzen.

In Zeiten, in denen sich Innovationszyklen immer schneller drehen und die Notwendigkeit zu Wandel und Veränderung für Mitarbeiter und Gesellschaft immer größer wird, ist mehr Erläuterung, mehr Erklärung, mehr Rede unabdingbar.

Noch nie war die Kunst der guten Rede, der Präsentation und des gegenseitigen Austauschs so wichtig wie heute.

Doch war es auch noch nie so schwer, Gehör zu finden.

Denn niemand hört mehr zu. In Schule und Universität stehen Lehrer und Professoren im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit ihrer Schüler und Studenten mit Instagram und WhatsApp. Auf Kongressen und Events präsentieren Vortragsredner vor einem Publikum, das im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt ist, vor allem mit dem eigenen Smartphone. In Betrieben und Unternehmen blenden Mitarbeiter die mehrseitigen Projektreports ihrer Vorgesetzten aus, langweilen sich in Telefonkonferenzen und ignorieren den Intranetlink, der das Management-Memo oder CEO-Video zum nächsten Strategiewechsel ankündigt.

Botschaften dringen nicht mehr durch – denn es sind einfach zu viele. Vor allem aber sind viele zu kompliziert und – aus Sicht des Publikums – meist nicht relevant.

Zu viel Information

»Präsentationen scheitern an zu viel Information, nicht an zu wenig.«

– Nancy Duarte

Am 6. August 1991 veröffentlichte Tim Berners-Lee die erste Website: info.cern.ch. 23 Jahre später, am 16. September 2014, verkündete Berners-Lee über seinen Twitter-Account, dass die Zahl der Websites auf über eine Milliarde gestiegen war. Zwei Jahre später war die Zahl fast doppelt so hoch: 2017 waren ca. 1.767 Milliarden Websites1 im Netz registriert.

Wer Informationen sucht, findet jede Menge davon. Irgendwo. Ein durchschnittlicher Wissensarbeiter in den USA verbringt circa sieben Stunden vor dem Bildschirm und surft pro Tag auf ungefähr 40 Seiten – für berufliche und private Zwecke.

Doch Informationen muss man heute längst nicht mehr suchen, sie werden geliefert – per E-Mail & Co. Laut Statista wurden im Jahr 2017 in Deutschland 771 Milliarden E-Mails versendet. Die Prognose für 2018 liegt bei 917 Milliarden. Büroangestellte checken 50 bis 100 Mal pro Tag ihren E-Mail-Eingang. 85 Prozent aller E-Mails werden innerhalb von nur zwei Minuten geöffnet.

Informationen strömen ungefragt zu uns, obwohl wir viele davon als nicht relevant empfinden. Laut Umfragen ist ein Drittel aller E-Mails aus Sicht der Befragten unwichtig, und 26 Prozent würden am liebsten alles löschen und einfach frisch starten.

Laut Harvard Business Review bestätigen 31 Prozent, dass E-Mails ihr Leben negativ beeinflussen. 40 Prozent fühlen sich durch E-Mails gestresst, und 46 Prozent geben sogar an, von E-Mails abhängig zu sein.

Wie stark dieses Sucht- und Stressverhalten körperlich wirkt, hat die IT-Spezialistin und Kommunikationsberaterin Linda Stone analysiert. Nach ihrer Beobachtung kommt es während der Bearbeitung von E-Mails häufig zu einer abnormalen Atmung. Anstatt regelmäßig und ruhig zu atmen, halten viele Computeruser während des Lesens von E-Mails den Atem an und stoßen dann ruckartig die Luft aus. Stone nennt dieses Stresssymptom E-Mail-Apnoe.

Doch E-Mails sind nur ein Teil der Informationsflut: Alle 60 Sekunden werden 510.000 Kommentare auf Facebook veröffentlicht, 293.000 Status-Updates und 136.000 Fotos werden pro Minute publiziert. Auf YouTube werden in der gleichen Zeit 300 Stunden Videos hochgeladen.

Zusätzlich verlagern sich Kommunikation und Informationsaustausch mehr und mehr auf Messenger-Apps und Networking-Plattformen. Schon heute sendet und empfängt jeder der 1,5 Milliarden WhatsApp-User pro Tag durchschnittlich 43 Nachrichten, die alle gelesen und verarbeitet werden müssen.

Kein Wunder also, dass kaum einer mehr zuhört – selbst wenn tatsächlich mal jemand etwas zu sagen hat. »Informationsüberfluss? Wissensknappheit!«, so fasst Peter Ludes in seinem Buch »Elemente internationaler Medienwissenschaften« treffend die Tatsache zusammen, dass wir immer weniger wissen, obwohl uns immer mehr Informationen zur Verfügung stehen.

Zu wenig Zeit

Dabei ist die Informationsflut gar nicht so sehr das Problem. Ein guter Redner, der ein spannendes Thema anzubieten hat, könnte immer noch auf die Aufmerksamkeit seines Publikums bauen – wenn da nicht die Uhr ticken würde.

Zeit ist kostbar. Mehr und mehr Onlinemagazine informieren daher ihre Leser vorab über die wahrscheinliche Lesezeit eines Artikels. Dabei gehen die meisten Tools, die diese Angabe ausrechnen, von einer Lesegeschwindigkeit von 150 bis 300 WPM (Wörter pro Minute) aus. Wer sich heute informieren will, muss sich beeilen. »Fastfood fürs Gehirn« oder »Information to go« ist angesagt, denn je kürzer der Artikel, umso höher die Klickraten.

Tipp

Dieses Kapitel beansprucht 14 Minuten Lesezeit.

Leser werden auf zeiteffizientes Lesen trainiert. E-Reader und Tablets erfassen, wie oft man umblättert, und berechnen so in Prozent und Minuten, wie lange man für den restlichen Text noch benötigen wird.

Internetseiten wie howlongtoreadthis.com geben Auskunft über die Lesedauer von Romanen. So sollte man vor dem Kauf von »Harry Potter und der Stein der Weisen« berücksichtigen, dass man dafür vier Stunden und zweiundzwanzig Minuten einplanen muss – bei einem Lesetempo von 300 WPM. Wer schneller sein will, kann mithilfe von Apps wie FastReader seine Lesegeschwindigkeit um das Achtfache erhöhen.

Wie beim Autofahren, bei dem das Navigationsgerät in Echtzeit die Fahrtzeit anzeigt und die Ankunftszeit und beste Route errechnet, wird auch die Informationsaufnahme effizienzoptimiert – egal ob Nachrichten, Hintergrundinformationen oder auch Unterhaltung.

Redner, die sich auf ein zeitoptimiertes Publikum einstellen müssen, benötigen daher weit mehr als nur ein interessantes Themenangebot. Sie brauchen eine Präsentationsweise, die ihre Zuhörer die Zeit vergessen lässt.

Zu wenig Konzentration

Der Zeitaspekt stellt für einen guten Redner jedoch nicht das größte Problem dar. Im Vorlesungssaal, während der Fachkonferenz, in der Mitarbeiterversammlung ist dem Publikum in der Regel vorab klar, wie lange die Vorlesung, die Podiumsdiskussion oder der Redebeitrag dauern wird. Doch trotz Zeitvertrag sind die Zuhörer meist nicht wirklich bei der Sache.

Laut einer Umfrage von Mind Store Marketing schaut über die Hälfte der Smartphone-Nutzer alle fünf bis zehn Minuten auf ihr Gerät. Ein Aspekt, den vor allem Theatermacher und auch Kinobesitzer leidvoll wahrnehmen, denn nach nur wenigen Minuten wird das Publikum unruhig, und kleine Bildschirme erhellen den verdunkelten Theater- oder Kinosaal.

Noch unruhiger geht es am Arbeitsplatz zu: McKinsey fand heraus, dass Arbeitnehmer alle drei Minuten in ihrer Arbeit unterbrochen werden. Die Gründe dafür sind bekannt: digitale Kommunikationstools, automatisierte Alert-Funktionen, Ablenkungen über soziale Netzwerke, Infotainment-Seiten und sonstige Störfaktoren in Großraumbüros.

Überall pingen uns Kollegen und Freunde an, poppen Hinweise auf und bitten Menüfenster um Hilfe und Mitarbeit. Die Aufmerksamkeit von Wissensarbeitern wird in Scheibchen fragmentiert.

Die Unternehmen kostet diese Unterbrechermentalität eine Menge Geld. Bis zu 28 Prozent der Produktivität geht so täglich verloren.

Wen diese Zahl nicht alarmiert, der sollte zumindest aufhorchen, wenn der Psychiater Edward M. Hallowell moderne Arbeitsplätze dafür verantwortlich macht, stressbedingtes ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) zu fördern.

Hewlett-Packard konnte in einer Studie nachweisen, dass der Intelligenzquotient von Wissensarbeitern aufgrund ständiger Arbeitsunterbrechungen und segmentierter Kommunikations- und Informationshäppchen um bis zu 10 Prozent sinkt. Dies ist doppelt so viel wie durch das Rauchen eines Joints, wie Kommentatoren der Studie bemerkten.

Und damit nicht genug. Cal Newport, Professor für Informatik an der Georgetown University, warnt in seinem Buch »Konzentriert arbeiten: Regeln für eine Welt voller Ablenkungen« davor, dass der fragmentierte Arbeitsrhythmus sukzessiv eingeübt und trainiert wird. Die Gewöhnung an oberflächliches und sequenzielles Arbeiten sei aber nicht einfach rückgängig zu machen. Daher plädiert er eindringlich für eine neue Art des Arbeitens, die er »Deep Work« nennt.

»Deep Work ist nötig, um die eigenen intellektuellen Kapazitäten bis auf den letzten Tropfen auszuwringen. Doch das steht in einem starken Kontrast zum Verhalten der meisten modernen Wissensarbeiter – einer Gruppe, die zunehmend den Wert des Tiefgangs vergisst. (…) Denn um in unserem wirtschaftlichen Umfeld erfolgreich sein zu können, muss man in der Lage sein, rasch komplizierte Dinge zu erlernen. Das erfordert Deep Work. Wer das nicht beherrscht, wird mit den Entwicklungen der Technologie nicht Schritt halten können. Hinzu kommt, dass man heute, in einer immer schnelleren Welt, das absolut Beste liefern muss, das man zu bieten in der Lage ist – ebenfalls eine Aufgabe, die hohe Konzentration erfordert. Mit anderen Worten: Deep Work ist keine altmodische Fähigkeit, sondern wird zu einer Schlüsselqualifikation für jeden, der sich in einer weltweiten, wettbewerbsstarken Informationsgesellschaft durchsetzen will.«

– Robert McKee

Ein guter Redner schafft mit einem packenden Vortrag genau das, was Cal Newport fordert: Er lädt ein zu »Deep Work«. Wenn es einem Redner gelingt, dass sein Publikum während des Vortrags vergisst, auf Uhr und Smartphone zu blicken, und tief eintaucht in das Thema des Vortrags, dann ist dies in der Tat ein hartes Stück Arbeit.

Übrigens ist Robert McKee da ganz anderer Ansicht: Der Meister des Storytellings, der in seinen Trainings und Workshops bereits die Crème de la Crème der Hollywood-Drehbuchautoren und -Regisseure beraten hat und auf dessen Coaching angeblich über 60 Oskar-Nominierungen und -Gewinne zurückgehen, äußerte sich in einem Interview mit Skyword 2016 skeptisch über die angeblich sinkende Aufmerksamkeitsspanne und die nachlassende Konzentration des Publikums:

»People have the same attention spans they’ve always had—the difference is interest spans. In the past, people would put up with commercials out of politeness and some modicum of interest. They felt that a polite human being should look at a piece of advertising, simply because: (they) made an effort to contact me, and so I’m going to respond and be polite and give [it] a chance. That’s gone. The millennial generation will not sit there pretending to be interested in something they are not—and I admire that. I think it’s a wonderful cultural shift that people will no longer let advertisers consume their time and attention, when deep inside they’re actually annoyed.«

(»Die Menschen haben die gleiche Aufmerksamkeitsspanne, die sie immer hatten – den Unterschied macht die Interessenlage. In der Vergangenheit hat man Werbung aus Höflichkeit zugelassen und sich auch dafür interessiert – etwas zumindest. Man hatte das Gefühl, dass man als höflicher Mensch ein Werbeangebot zur Kenntnis nehmen sollte. Allein schon deshalb, weil jemand den Versuch unternommen hat, mit einem Kontakt aufzunehmen. Daher war man höflich und antwortete. Diese Zeiten sind vorbei. Die Millennial-Generation sitzt nicht herum und wartet, bis sie auf etwas hingewiesen wird, das sie nicht interessiert – und mir gefällt das sehr. Ich empfinde dies als wunderbaren Kulturwandel, dass Menschen es nicht mehr hinnehmen, dass ihnen Werbung Zeit und Aufmerksamkeit raubt, die sie in ihrem tiefsten Inneren auch noch verärgert.«)

– Robert McKee

Auch wenn McKee die veränderte Interessenlage an der Generation Y, der zwischen 1980 und 2000 Geborenen, festmacht und sich in seiner Aussage auf Marketingkommunikation bezieht, so ist das Phänomen der sinkenden Toleranzschwelle und nachlassenden Höflichkeit durchaus auf alle Generationen und Themen anwendbar.

Redner müssen sich auf ein immer kritischeres und ungeduldigeres Publikum einstellen. Ein Publikum, das mit besonderen Angeboten angesprochen, informiert, unterhalten und auch bei Laune gehalten werden will – ganz besonders in Anbetracht eines stressigen Zeitmanagements und des effizienten Haushaltens mit der eigenen Zeit.

Zu komplex

»Die Komplexität, die unser Unternehmen in den nächsten fünf Jahren bewältigen muss, liegt außerhalb des messbaren Bereichs – auf einer Skala von 1 bis 5 würde ich ihr 100 geben.«

– Edward Lonergan,President und CEO, Diversey, Inc. (IBM CEO Study)

Pelikan oder Geha? Pepsi oder Coke? McDonalds oder Burger King? Michael Jackson oder Prince? Franz Josef Strauß oder Helmut Schmidt? Die 70er- und 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts sind in der verklärten Rückschau eine Zeit einfacher Entscheidungen. Es gab nur ein Entweder-oder.

Heute erscheint uns die Welt wesentlich komplexer. Coca-Cola bietet über 27 unterschiedliche Cola-Getränke an, und der Musikmarkt hat sich in unzählige Nischengenres aufgefächert.

Auch in den Unternehmen wird die Lage nicht einfacher. 2010 fragte IBM in seiner CEO-Studie über 1.500 Geschäftsführer weltweit nach den größten Herausforderungen der Zukunft. Die Mehrheit der CEOs war sich einig, dass wir auf eine »völlig andere Welt« zusteuern, eine Welt, deren Komplexität immer schwerer zu managen ist. Über die Hälfte der Befragten hatte sogar Zweifel daran, dass sie in der Lage sein werden, diese Komplexität zu beherrschen.

Inzwischen sehen wir die Auswirkungen und Folgen dieser »völlig anderen Welt«. Der Wirtschaftswissenschaftler Richard N. Foster stellte anhand der 500 größten US-Konzerne, die im Standard & Poor’s 500 vertreten sind, fest, dass Unternehmen vor 100 Jahren in der Regel 67 Jahre alt wurden. 2015 sind daraus 15 Jahre geworden.

Wir sind also gut beraten, uns mit der Dynamik und Komplexität der neuen Welt auseinanderzusetzen und lernfähige sowie flexible Organisationen zu schaffen, die mit komplexen Systemen umgehen können und die vor allem in der Lage sind, diese Welt besser verständlich und zugänglicher zu machen.

Informations- und Kommunikationsangeboten kommt dabei eine tragende Rolle zu. Nur wem es gelingt, komplexe Fakten und Daten in tatsächliches Wissen zu wandeln, kann Informationen sinnvoll nutzen.

Dies bedeutet eine große Verantwortung für Redner und Präsentatoren, die gegen ein konstant überfordertes Publikum antreten, das – zu allem Übel – dem Redner auf der Bühne meist nicht einmal traut.

Zu wenig Vertrauen

»Wenn Menschen nicht mehr zwischen Fakten und Falschinformationen unterscheiden können, hat das grundlegende Folgen für unseren gesellschaftlichen Diskurs und den Zusammenhalt.«

– Susanne Marell, ehemals CEO Edelman.ergo

Jahr um Jahr analysiert die Kommunikationsagentur Edelman in ihrem »Trust Barometer«, wie es um unser Vertrauen steht. 2017 war diesbezüglich kein gutes Jahr. In 20 von 28 untersuchten Ländern leben die Menschen in großer Verunsicherung.

Fake News, Meinungsmanipulation im Internet, fehlende Möglichkeiten und mangelnde Kompetenz, Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen zu können, verstärken das Misstrauen gegenüber Meinungsmachern und Multiplikatoren.

Die gute Nachricht ist, dass das Bewusstsein geschärft ist: 61 Prozent der Deutschen geben an, Angst vor Fake News zu haben. Die schlechte Nachricht ist, dass die meisten nicht wissen, was sie dagegen tun können. 54 Prozent wissen nicht, wie sie Falschinformationen von Qualitätsjournalismus unterscheiden sollen.

So wächst auch das Misstrauen gegenüber Autoritäten und Organisationen. Nie seit Erhebung des Edelman Trust Barometer 2001 wird Medien weltweit weniger vertraut als heute, allen voran den sozialen Medien.

Wer heute vor ein Publikum tritt, ganz gleich ob auf einer Bühne oder in einem Meeting, der steht vor einer riesigen Aufgabe. Denn es geht schon lange nicht mehr nur darum, einfach Informationen zu vermitteln.

Als Redner arbeiten Sie gegen sinkende Aufmerksamkeitsspannen, sequenzielles Informationsverhalten, inhaltliche und visuelle Reizüberflutung sowie das wachsende Misstrauen gegenüber Autoritäten und Meinungsführern. Effektive Informations- und Wissensvermittlung zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist somit zu einer der größten Herausforderungen geworden. Und Sie stecken mittendrin.

Geschichten sind doch keine Lösung, oder?

Am 9. April 2014 griff Dieter Zetsche nach 34 Minuten seiner Rede auf der Hauptversammlung der Daimler AG in die linke Innentasche seines Jacketts und zog einen Brief hervor.

In der Regel sind Reden auf Aktionärsversammlungen nicht sehr emotional. Dem Publikum wird einmal im Jahr die Bilanz präsentiert, und am Ende wird es mit einem positiven Ausblick aufs kommende Jahr entlassen. Das Management zählt in sachlichem Tonfall Schritt für Schritt auf, was geleistet wurde.

So erläutert auch Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, auf der Jahreshauptversammlung 2014 in Berlin über eine halbe Stunde lang die Erfolge und Errungenschaften seines Unternehmens.

Doch plötzlich – beim Agenda-Punkt »Fahrzeugsicherheit« – zieht er aus der Jackentasche ein Blatt Papier hervor. Es ist der Brief eines spanischen Kunden namens Juan, der sich mit freundlichen Worten bei den Ingenieuren von Mercedes-Benz bedankt. Warum?

Ein Autofahrer hatte eine rote Ampel übersehen und war daher mit voller Wucht in den Wagen gerast, in dem Juan und seine Freundin gesessen hatten. Ein furchtbarer Unfall, den das Paar unverletzt überlebte. Doch die beiden trugen nicht einmal eine Schramme davon, obwohl ihr Wagen, ein Mercedes CLA, schwer beschädigt worden war.

In dem Brief, den Zetsche seinen Aktionären vorliest, erzählt der Kunde von diesem Vorfall und bedankt sich schließlich bei Mercedes für die Sicherheitstechnik, die sein und das Leben seiner Freundin gerettet hat. Ende gut, alles gut.

Eine kleine Geschichte – erzählt inmitten einer sonst sehr nüchternen Rede als Beweis für die Kundenzufriedenheit von Mercedesfahrern – löst plötzlich Zustimmung und sogar Beifall der Aktionäre in Berlin aus, gibt dem Auftritt des Vorsitzenden der Daimler AG eine ganz persönliche, emotionale Note und zeigt vor allem die Kraft des Geschichtenerzählens.

Videotipp

Sehen Sie sich die Rede im Internet an. Sie ist unter dem Titel »Dr. Dieter Zetsche – Daimler Jahreshauptversammlung 2014« auf YouTube verfügbar. Die kleine Story beginnt ab Minute 34.

Der Brief von Juan ist nur eine kleine Anekdote. Sie wird jedoch von Zetsche liebevoll, mit einem bedächtigen Griff in die linke Innentasche knapp über dem Herzen, zelebriert und als rhetorische Technik eingesetzt.

Was in der Aktionärsversammlung bewusst inszeniert wird, ist im Alltag selbstverständlich. Täglich erzählen wir uns unzählige solcher Anekdoten. Der Psychologe Dr. Robin Dunbar von der University of Liverpool konnte nachweisen, dass 65 Prozent unserer täglichen Konversation aus persönlichen Geschichten besteht.

Storytelling ist also etwas ganz Natürliches, wenn wir uns mit anderen Menschen austauschen. Warum fällt es uns dann so schwer, es in der professionellen Arbeitswelt anzuwenden?

Auf keinen Fall zum Märchenonkel werden

Die Tatsache, dass Manager und Führungskräfte mit dem Begriff »Geschichten erzählen« auf Kriegsfuß stehen, hat viel mit den Gebrüdern Grimm zu tun.

Die Gründerväter der Germanistik wurden mit ihren Sammelbänden der »Kinder- und Hausmärchen«, 1812 und 1815, berühmt und machten die Form des Märchens populär. So wurde aus dem mittelhochdeutschen Wort »mære«, das einst als neutraler Begriff für »Kunde«, »Nachricht«, »Bericht« genutzt wurde, ein Prosatext, der in eine Welt einlädt, in der unglaubliche Dinge passieren: Tiere können sprechen (»Der Wolf und die sieben Geißlein«), Gegenstände verwandeln sich (»Tischlein deck dich«), und Menschen stehen von den Toten auf (»Rotkäppchen«).

Durch den Erfolg der Grimm’schen Märchen wurde der Ausdruck »jemandem ein Märchen erzählen« oder »jemandem eine Geschichte auftischen« umgangssprachlich zum Synonym für Lügengeschichten, Flunkern und Täuschung.

Sind also unwahre, verzerrende oder übertreibende Elemente per definitionem ein Kriterium des Storytellings?

Um diese Frage zu beantworten, gilt es zu klären, welche Bausteine für das Storytelling entscheidend sind und wie sich diese Form der Kommunikation von anderen Formen abhebt.

Annika Schach, Professorin für angewandte Public Relations an der Hochschule Hannover, analysiert in ihrem Buch »Storytelling und Narration in den Public Relations« die Kriterien, die einen sachlichen Bericht von einer emotionalen Geschichte unterscheiden.

Beide Textgattungen – Bericht und Story – bezeichnet Schach als »Vertextungsmuster«, die jedoch in wesentlichen Aspekten differieren:

Berichte sind ergebnisorientiert, Geschichten hingegen sind ereignisorientierte Texte. So geben Geschichten in der Regel Auskunft über einen Ort und Zeitraum, in dem sie »spielen«, und führen eine Person ein, die etwas erlebt. Berichte funktionieren neutral, ort- und zeitunabhängig.

Berichte sind sachlich registrierende und neutrale Darstellungen, während Geschichten subjektiv aus der Perspektive eines Erzählers präsentiert werden.

Berichte bemühen sich um eine objektive, möglichst nicht wertende Darstellung, während Geschichten subjektiv-wertend und dadurch emotional in ihrer Darstellung sind.

Tabelle 1-1: Bericht vs. Story, zitiert nach Annika Schach

Bericht

Story

ergebnisorientiertes Vertextungsmuster

ereignisorientiertes Vertextungsmuster

sachlich-registrierende objektive Darstellung

Erlebnisperspektive des Produzenten

keine explizit subjektiven Bewertungselemente

subjektiv-wertende Elemente

Textsorten: Verlaufsprotokolle, Sitzungsprotokolle, Praktikumsberichte, Wetterberichte …

Textsorten: prototypisch für ästhetisch wirkende Texte, mündliche Alltagskommunikation …

Den entscheidenden Unterschied zwischen Bericht und Geschichte macht Schach, die sich in ihrer Untersuchung auf die textlinguistische Arbeit von C. Gansel und F. Jürgens stützt, nicht am Wahrheitsgehalt fest, sondern an der Erzählperspektive.

Storytelling ist exemplarisches, erlebnisorientiertes und subjektives Erzählen. Und somit ist auch die Wahrheit, die Geschichten vertreten, subjektiv. Dies trifft für die Schilderung des Zeugen eines Verkehrsunfalls zu, auf die Anekdote, die Dieter Zetsche aufgreift, sowie auf die Geschichte einer Kindheitserinnerung, die Hans Rosling auf einer TED-Konferenz erzählt.

Wenn rationale Kommunikation nicht ausreicht

Wann immer Sie kommunizieren, stehen Ihnen zwei Optionen zur Verfügung, um Ihr Gegenüber zu überzeugen: Sie können rational kommunizieren oder emotional. Rationale Kommunikation ist ein bewusster und intellektueller Prozess. Emotionale Kommunikation – wie Storytelling – ist ein unbewusster und automatischer Prozess.

Selbstverständlich bleibt es Ihnen überlassen, was Sie einsetzen. Wenn Sie auf Storytelling verzichten wollen, dann nur zu. Denn rationale Kommunikation funktioniert ganz hervorragend.

Folgt man der Argumentation von Storyteller-Guru Robert McKee, müssen dafür allerdings zwei Dinge gewährleistet sein:

Rationale Kommunikation funktioniert nur dann, wenn Sender und Empfänger einer Botschaft – also Sie und Ihr Zuhörer – die gleichen Interessen und Wertvorstellungen teilen.

Beide Seiten – Empfänger und Sender – müssen sich gleich viel Zeit nehmen und sich beide gleichermaßen auf den Kommunikationsvorgang konzentrieren.

Wir sprechen in diesem Fall von einer symmetrischen Kommunikationssituation. Und die ist immer dann gegeben, wenn Sie vor einem hochinteressierten, wissensdurstigen Publikum stehen, das sich bei einheitlichem Wissensstand für eine bestimmte Zeitspanne bereit erklärt hat, sein Wissen zu erweitern, ohne sich dabei von anderen Einflüssen ablenken oder stören zu lassen.

Die Regel ist das leider nicht.